Editorial

das Wesentliche

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 3/2023

Diese Ausgabe des fachbuchjournals liegt in der Tagungsmappe des Deutschen Anwaltstags, der dieses Jahr wieder als ganz reguläre Präsenzveranstaltung vom 12. bis 16. Juni in Wiesbaden stattfinden kann. Das Motto: „Mit Recht nachhaltig“. Der Deutsche Anwaltstag führt Anwaltschaft, Justiz, Politik,

Wissenschaft und Presse zum rechts- und berufs­ politischen Austausch zusammen und ist eine der größten anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen. Wir beginnen deshalb diese Ausgabe mit einem großen juristischen Schwerpunkt, der allerdings aufgrund der ausgesuchten aktuellen Rechtsgebiete auch für Nichtjuristen interessant sein dürfte.

Natürlich gibt es dann noch viele weitere Themen in dieser Ausgabe. Im landeskundlichen Teil präsentieren wir zunächst Neuerscheinungen über China. ­ChinaKompetenz, da schließen wir uns ganz dem Urteil unseres Rezensenten an, ist heute besonders für Politiker notwendig, aber auch für uns als mündige Bürger. Diese ist allerdings nun mal nicht ­ohne die Lektüre auch umfangreicher Bücher zu haben. Sehr zu empfehlen ist die von Hans van Ess vorgelegte neue deutsche Übersetzung und Kommentierung der Gespr ­ äche des Konfuzius, des großen chinesischen Lehrmeisters, der die chinesische Philosophie – und Gesellschaft – für Jahrtausende bis heute prägte. K ­ onfuzius‘ Weisheiten sind eine wahre Fundgrube und eröffnen auch für die Gegenwart neue Verständnishorizonte. Hoffentlich.

Sich mit dem Tandem 15.000 Kilometer bis nach Indonesien durchzustrampeln¸ ganz puristisch aus Gründen des Klimaschutzes ohne Motor, Akkus usw., nur mit eigener Kraft, durch 22 Länder, das öffnet die Augen für die Welt. Chapeau! Herzlichkeit,

Menschlichkeit, das Gefühl tiefer Verbundenheit mit der ­Natur, Zutrauen in die eigenen Kräfte und „Momente als Schätze“ – das sind (abgesehen von einer körperlichen Topform) die Mitbringsel eines jungen Paares nach einer fast einjährigen Reise, die in einem bezaubernden und sehr empfehlenswerten Buch festgehalten sind. Lassen Sie sich inspirieren!

Ein harter Schnitt. Denn das Buch, das ich I­hnen in dieser Ausgabe ganz besonders ans Herz ­legen ­möchte, handelt vom Tod eines jungen ­Menschen: ­Jena-Paradies. Die letzte Reise des Matthias ­Domaschk. Der Autor Peter Wensierski erzählt darin von leiden­ schaftlich unangepassten DDR-Jugendlichen auf der Suche nach einem freien und selbstbestimmten Leben. Die Kerngeschichte ist die Rekonstruktion der letzten Stunden des 23-jährigen Matthias Domaschk, der im April 1981 auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier in Berlin von der Stasi festgesetzt wird. Zwei Tage später, nach Verhören in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera, ist er tot. Peter Wensierski gehörte in den 1970er-Jahren zu den wenigen Westjournalisten in der DDR, war damals selbst Anfang 20 und interessierte sich natürlich besonders für seine Altersgenossen. Der unaufgeklärte Tod von Matthias Domaschk blieb für ihn immer präsent. Vor drei Jahren begann er seine intensiven Ar ­ chivrecherchen und sprach mit vielen Zeitzeugen. Sein Blick hinter die Kulissen des autori­ tären Machtapparates und dessen Wahn­vorstellungen von einer Bedrohung durch angeblich „feindlichnegative, dekadente“ Jugendliche ist erschreckend und zeigt, wohin die Spaltung einer Gesellschaft in Freunde und Feinde letztlich führen kann.

Unseren Fragebogen auf der letzten Seite beantwortet dieses Mal Dincer Gücyeter. Für seinem Roman Unser Deutschlandmärchen wurde er gerade mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2023 geehrt, und als Verleger des ELIF VERLAGS erhielt er in Leipzig den Kurt-WolffFörderpreis 2023. Wir schließen uns den vielen Gratulanten an. Schmunzeln werden wohl viele mit mir über Gücyeters Antwort auf unsere Frage nach seinem allerersten Bucherlebnis. Denn in dem von ihm genannten Kinderbuch Fliegender Stern von Ursula W ­ ölfel geht es doch tatsächlich um leibhaftige Cowboys und Indianer! „Nach der Lektüre wollte ich den Rest meines Lebens als Indianer mit Kopfschmuck aus Federn verbringen. Es war Karnevalszeit in NRW, jedes Kind im Cowboykostüm war ein potentieller Feind.“ Indianer, Kopfschmuck aus Federn, Cowboys und obendrein noch Feindbilder! Oh weh! Der kleine Dincer und seine Eltern bekämen heute wohl Ärger.

Denn wie so vieles andere auch, sind Cowboy- und Indianerverkleidungen heute gar nicht mehr „korrekt“. Dazu mein ungefragter Rat: Wir sollten uns in diesem kurzen Leben auf das Wesentliche konzentrieren.

Angelika Beyreuther

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