Editorial

Lesen ist nicht Wellness!?

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 2/2017

Diese Ausgabe des fachbuchjournals liegt auch in der Tagungsmappe des 68. Deutschen Anwaltstags, der dieses Jahr vom 24. bis 26. Mai in Essen stattfindet. Der Deutsche Anwaltstag führt jährlich Anwaltschaft, Justiz, Politik, Wissenschaft und Presse zu einem rechts- und berufspolitischen Austausch zusammen und ist darüber hinaus eine der größten anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen überhaupt.

Wir präsentieren deshalb einen großen juristischen Schwerpunkt mit einer Vielfalt an interessanten Neuerscheinungen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten. Besonders empfehlen möchte ich die hoch aktuelle Serie zum Asyl- und Ausländerrecht, die in dieser Ausgabe zum Abschluss kommt. Unser Rezensent Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger hat sich intensiv und auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung in die Materie eingearbeitet. Beginnend in Ausgabe 4/2016 des fachbuchjournals gibt er einen Überblick über das Ausländerrecht im Allgemeinen und das Aufenthaltsrecht im Besonderen und widmet sich dann vorrangig dem Asyl- und Flüchtlingsrecht. In Ausgabe 6/2016 konzentriert er sich zunächst auf das völker- und europarechtliche Asylrecht und in Ausgabe 1/2017 stellt er dar, unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt werden kann oder ihm ein nationales Abschiebungsverbot zuzuerkennen ist. Ferner skizziert er, wie die Rechtsstellung dieser Personen ausgestaltet ist. Mit der Schilderung des Asylverfahrens und Besprechungen einiger aktueller Bücher zum Aufenthalts- und Asylrecht wird die Serie nun abgeschlossen. Für diejenigen, die sich mit diesem Rechtsgebiet befassen, ist diese systematische Darstellung des Rechts um die Asylsuchenden sicher eine große Bereicherung.

Trotz des juristischen Schwerpunkts stellen wir in dieser Ausgabe – wie immer – viele weitere Themen und Sachund Fachbücher vor.

In der im fachbuchjournal nun schon traditionellen Zusammenstellung von Frauenbiografien stehen dieses Mal „Vorreiterinnen im Kampf um Frauenrechte“ im Fokus. Außergewöhnliche Persönlichkeiten; tolle Bücher. Das „Handbuch der Antisozialen Persönlichkeitsstörung“ ist ein überfälliges Werk, das zur richtigen Zeit erscheint. Wir haben es dabei mit Menschen zu tun, die sich durch ein breites Spektrum an Krankheits- und Störungsbildern voneinander unterscheiden und die differenzierter und noch nicht genügend beforschter Behandlungsansätze bedürfen. Eine institutionenübergreifende Aufgabe. Tom Burgis‘ „Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas“ ist ein faktenstrotzendes, aufwühlendes Buch über himmelschreiende Ungerechtigkeiten der Globalisierung. Schwere Kost. Sehr lesenswert.

Auf unserer „grünen Seite“ direkt neben dem Inhaltsverzeichnis weise ich Sie auf ein weiteres wichtiges Buch hin, das mir besonders am Herzen liegt. Die Juristin Michelle Alexander argumentiert in „The New Jim Crow“, dass die Vereinigten Staaten ihr rassistisches System nach der Bürgerrechtsbewegung nicht abgeschafft, sondern lediglich umgestaltet haben. Die Rassentrennung, die in den sogenannten Jim-Crow-Gesetzen festgeschrieben war, wurde zwar im Zuge der Bürgerrechtsbewegung 1964 offiziell abgeschafft. Da unter dem Deckmantel des „War on Drug“ überproportional junge männliche Schwarze und ihre Communities kriminalisiert würden, funktioniere das Strafjustizsystem der USA heute aber wie das System rassistischer Kontrolle von gestern: ein neues Jim Crow also. Ihre Beweise für diesen neuen Rassismus in den USA sind erdrückend. Lesen Sie selbst.

„Ein Buch, nach dessen Lektüre ich nicht klüger oder weiser bin als zuvor, ist für mich sinnlos“, sagt Verleger Dr. Frank Böttcher im Fragebogen auf unserer „Letzten Seite“ und behauptet: „Lesen ist nicht Wellness.“ Ich meine: Kommt drauf an.

Angelika Beyreuther

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