Recht

Umwelt- und Infrastrukturrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2022

Im deutschen und europäischen Umwelt- und Infrastrukturrecht bündeln sich brennpunktartig die drängenden politischen Probleme unserer Zeit. Dabei verschmelzen unaufgelöste Zielkonflikte zu einem oft undurchsichtigen Konglomerat, das Rechtsetzung, Rechtspraxis und Rechtswissenschaft in besonderer Weise herausfordert. Die in sich schon nicht widerspruchsfreien Forderungen nach größtmöglichem Umweltschutz bei größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung unter größtmöglicher Schonung der bestehenden Wirtschaftsund Sozialordnung treffen auf die grundlegende rechtsstaatliche Garantie effektiven Rechtsschutzes. Verkompliziert wird dieses Spannungsfeld noch dadurch, dass alle darin zusammentreffenden Ziele sich jeweils auf Normen des Völkerrechts, des Europarechts und des nationalen Verfassungsrechts berufen können. Dabei sind diese Normen weder innerhalb der einzelnen Rechtsebenen noch gar die Ebenen übergreifend klar aufeinander abgestimmt. Für die Steuerungskraft des Rechts liegt hier eine existentielle Gefahr. Denn diese Steuerungskraft lebt von der Nachvollziehbarkeit und Voraussehbarkeit dessen, was rechtlich geboten und zulässig ist. Auch effektiver Rechtsschutz ist nur möglich, wenn die zu dessen Gewährung berufenen Gerichte zumindest innerhalb einer gewissen Bandbreite rechtswissenschaftlich vertretbarer Entscheidungsfindung erkennen können, welche Bindungen das Recht ihnen und den von ihnen zu kontrollierenden Staatsorganen vorgibt. Das Bewusstsein dafür wachzuhalten, ist das verbindende Thema der hier anzuzeigenden Werke. Sie treffen auf eine zunehmende Resignation der Öffentlichkeit gegenüber der Komplexität der Rechtsordnung, die unversehens in eine offene Missachtung und Verachtung des Rechts zugunsten der vermeintlichen Legitimität „alternativloser“ oder „höherwertiger“ politischer Ziele einer durchsetzungskräftigen Avantgarde umschlagen kann. Das wäre dann das Ende einer dem Rechtsstaatsprinzip verpflichteten verfassungsmäßigen Ordnung und damit auch das Ende der Möglichkeit einer objektiven Rechtswissenschaft. So leistet jedes der im Folgenden zu besprechenden Werke auf ganz unterschiedliche Weise einen Beitrag, sich der Anforderungen zu vergewissern, die in den jetzigen schwierigen Zeiten an die rechtliche Stabilisierung unseres gefährdeten Gemeinwesens zu stellen sind. Wer in Wissenschaft oder Praxis des Umweltund Infrastrukturrechts Verantwortung trägt, findet hier wertvolle Informationen und Denkanstöße.

Julia Chladek, Rechtsschutzverkürzung als Mittel der Verfahrensbeschleunigung. Völker- und europarechtliche Anforderungen an Umwelt­prüfungen und Umweltrechtsschutz in der gestuften Infrastrukturplanung unter besonderer Berücksichtigung des MgvG, Duncker & Humblot, Berlin 2022. ISBN 978-3-428-18476-7; 322 S., kart., € 89,90.

    Mitten in das Problemfeld der unaufgelösten Zielkonflikte zwischen Infrastrukturplanung, Umweltpolitik und Rechtsschutz führt diese bei Norbert Kämper an der RuhrUniversität Bochum entstandene juristische Dissertation. Ihr Thema ist der rechtspolitische Versuch, die Durchsetzungsfähigkeit von Planungsvorhaben dadurch zu erhöhen, dass die abschließende Zulassungsentscheidung durch Gesetz anstelle eines verwaltungsgerichtlich anfechtbaren Verwaltungsakts erfolgt. Ermöglicht wird ein solches Verfahren der Legalplanung durch das am 1. April 2020 in Kraft getretene Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz – MgvG). Ausgangspunkt der Überlegungen der Verfasserin zu diesem neuesten Versuchsballon der deutschen Beschleunigungsgesetzgebung ist die berechtigte Frage, ob das Parlament die dem Umwelt- und Planungsrecht gestellte Aufgabe, einen Ausgleich zwischen den von einem Infrastrukturgroßprojekt betroffenen Belangen zu schaffen und dadurch dessen Akzeptanz zu erhöhen, wirklich allein übernehmen kann oder ob das genannte Gesetz nicht eher der Abschaffung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes gegen solche Projekte und damit dem juristisch untauglichen Versuch bloßer „Stummschaltung“ rechtlicher Widerstände dient. Zur Beantwortung dieser Frage versucht sie, vor allem die völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Probleme aufzuarbeiten, die der Rechtsschutz in umweltrelevanten Planungsverfahren aufwirft und die sich von den Anforderungen des nationalen Verfassungsrechts wesentlich unterscheiden.

    Die Untersuchung beginnt mit einer überblicksartigen Darstellung des komplexen Systems der Infrastrukturplanung in Deutschland und der Bemühungen um Verfahrensbeschleunigung. Es folgt eine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den auf den jeweiligen Planungsstufen jetzt durch Europarecht vorgeschriebenen Umweltprüfungen, die die Verfasserin als zentralen Dreh- und Angelpunkt der umweltrechtlichen Betrachtung ansieht. Anschließend werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsschutzmöglichkeiten in Umweltangelegenheiten analysiert und den völker- und europarechtlichen Anforderungen vergleichend gegenübergestellt. Zwar ständen weder das Völker- noch das Europarecht Rechtsschutzkonzentrationen und Legalplanungen grundsätzlich entgegen. Gewährleistet sein müsse aber eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit, mittels derer Verbands- und Individualkläger die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer jeden Entscheidung überprüfen lassen könnten, und zwar unabhängig vom subjektiven Gehalt der als verletzt gerügten Normen. Dies gelte auch für Entscheidungen, die in Gesetzesform ergehen, aber funktional eine Verwaltungsentscheidung ersetzen.

    Die derzeitigen Rechtsschutzmöglichkeiten im deutschen Infrastrukturplanungsrecht – auch mit ihren praktischen Auswirkungen – werden sodann anhand dieser Anforderungen umfassend analysiert und bewertet. Dabei kommt die Verfasserin zu dem naheliegenden Ergebnis, dass die durch das „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ geschaffene Rechtsschutzsituation völker- und europarechtswidrig sei, weil Umweltverbände und sonstige Betroffene, die keine Grundstückseigentümer sind, faktisch rechtsschutzlos gestellt würden. Selbst für die wenigen Betroffenen, denen der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen ein anstelle eines Verwaltungsakts ergehendes Maßnahmengesetz offenstehe, erfüllten die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht die Anforderungen des Völker- und Europarechts, da das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung des europäischen Umweltrechts nicht kontrollieren könne. Die Arbeit schließt mit einem Lösungsvorschlag, wie nach Auffassung der Verfasserin eine Verbesserung der Rechtsschutzsituation unter Berücksichtigung der Beschleunigungserfordernisse erreicht werden kann. Sie empfiehlt dafür nach dem Vorbild des Standortauswahlgesetzes für ein atomares Endlager die Wahl einer echten Verfahrensstufung mit phasenspezifischen Rechtsbehelfen.

    Die Verfasserin begründet überzeugend, dass die Ausschaltung der Umweltverbandsklage mit dem Instrument der Legalplanung nicht nur völker- und unionsrechtswidrig, sondern auch das am wenigsten effektive Mittel zur Beschleunigung der Infrastrukturplanung ist. Ihr rechtspolitischer Vorschlag, der an den unvergleichbaren Sonderfall der Standortauswahl für die eine Million Jahre lang sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle anknüpft, erscheint demgegenüber wenig praxistauglich.

     

    Dirk Ehlers / Michael Fehling / Hermann Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht. Band 2: Planungs-, Bau- und Straßenrecht, Umweltrecht, Gesundheitsrecht, Medien- und Informationsrecht, C.F.Müller, 4. Aufl. Heidelberg 2020. ISBN 978-3-8114-4345-7; 1447 S., geb., € 220,00.

      Von der ganz anderen Warte des materiellen Besonderen Verwaltungsrechts mit seinen weit ausfächernden Bereichen nähert sich dem Planungs- und Umweltrecht dieser Band des von Achterberg, Püttner und Würtenberger begründeten großen Lehr- und Handbuchs. Die seit der Vorauflage von 2013 dynamisch vorangeschrittene Rechtsentwicklung hat die jetzige Neuauflage erforderlich gemacht. Das Werk ermöglicht in Wissenschaft oder Praxis tätigen Juristen die zuverlässige Einarbeitung in die betreffenden einzelnen Rechtsgebiete. Die übersichtliche Gliederung in Kapitel, Abschnitte und mit Randnummern erschlossene Unterabschnitte sowie das ausführliche Stichwortverzeichnis tragen wesentlich zur Benutzerfreundlichkeit bei. Das weit überwiegend aus in der jeweiligen Thematik fachlich ausgewiesenen Hochschullehrern bestehende Autorenteam bürgt für exzellente inhaltliche Qualität.

      Der einleitende Abschnitt des außerdem dem Bauordnungs- und Denkmalrecht sowie dem Straßenrecht gewidmeten Kapitels behandelt das Planungsrecht mit seinen Unterbereichen der Raumordnung und Landesplanung, der Fachplanung und der Bauplanung. Dabei wird die für die Zulassung von Anlagen der Verkehrs-, Entsorgungs- und Versorgungsinfrastruktur maßgebliche Fachplanung von Wickel als Recht der Planfeststellung einschließlich des dabei bestehenden Rechtsschutzes auf 48 Seiten in einem schulmäßigen Überblick dargestellt, ohne auf neuere rechtspolitische Bestrebungen näher einzugehen. Dem Umweltrecht ist dagegen ein eigenes Kapitel gewidmet, das mit 592 Seiten den räumlichen und inhaltlichen Schwerpunkt des Bandes bildet. Im als Allgemeines Umweltrecht bezeichneten ersten Abschnitt werden von Kloepfer die allgemeinen Grundlagen und von Meßerschmidt die Instrumente des Umweltrechts dargestellt. Dabei wird auch auf die aktuellen Entwicklungsperspektiven dieser komplexen und höchst dynamischen Materie, auf deren weitestgehende Europäisierung und zunehmende Internationalisierung sowie auf deren verfassungsrechtliche Einordnung eingegangen. Die beiden weiteren Abschnitte dieses Kapitels behandeln in etwas gekünstelt wirkender Unterscheidung „einzelne Umweltmedien“ und den „Schutz gegen besondere Risiken“. Immissionsschutz und Klimaschutz werden als „Umweltmedien“ von Meßerschmidt in einem Unterabschnitt zusammengefasst. Dies wird mit dem zutreffenden Hinweis begründet, dass die Abgrenzung der Rechtsmaterien angesichts ihrer Verflechtungen nicht zuletzt auf politischen Vorgaben beruhe und ihre Erhebung zu eigenen Rechtsgebieten daher eher von pragmatischen als von systematischen Gründen bestimmt sei. Da eine trennscharfe Abgrenzung nach den Schutzgütern Luft und Atmosphäre nicht möglich sei, sei mit einer strikten Separierung von Immissionsschutzrecht und Klimaschutzrecht nichts gewonnen. Angesichts des recht breiten Spektrums von Klimaschutzregelungen zeuge die seit 2019 spektakulär erhobene öffentliche Forderung nach einem Klimaschutzrecht entweder von Unkenntnis der Rechtslage oder von Enttäuschung über Wirkungs- und Effizienzmängel des geltenden Rechts und seines Vollzugs. Gleichwohl werden im Kontext des Immissionsschutzrechts als Klimaschutzrecht das TreibhausgasEmissionshandelsgesetz sowie die Kohlenstoffspeicherung behandelt. Außerdem wird das damit stark verflochtene, jedoch vorwiegend dem Ressourcenschutz dienende Energieumweltrecht ausführlich dargestellt und durchaus kritisch gewürdigt. Zuzustimmen ist hier besonders dem Hinweis des Verfassers, dass angesichts der Dynamik des Umweltrechts Lehrbuchdarstellungen nur noch Momentaufnahmen seien und dass das Immissionsschutzrecht mit seinen Nachbargebieten durch extrem differenzierte Regelungen in einen Zustand der Unübersichtlichkeit geraten sei. Dies gilt allerdings auch für die in den weiteren Unterabschnitten behandelten Rechtsgebiete, nämlich das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht (Meßerschmidt), das Wasserrecht (Peine), das Bodenschutzrecht (Ruthig) und das Naturschutzrecht (Schlacke/Huggins). Relativ konsolidiert erscheinen dagegen die als zum „Schutz gegen besondere Risiken“ in einen eigenen Abschnitt separierten Gebiete des Gentechnikrechts (Appel) sowie des Atomund Strahlenschutzrechts (Posser).

      In den restlichen Kapiteln dieses Bandes werden das Gesundheitsrecht sowie das Medien- und Informationsrecht dargestellt. Im Lichte der SARS-CoV-2-Pandemie sowie des technischen und gesellschaftlichen Wandels der Medienlandschaft und der zunehmenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen haben auch diese Rechtsgebiete eine politische Aktualität und Dynamik gewonnen, die ihre systematische Darstellung in einem Lehrbuch allzu rasch überholt. So wandelt sich das Besondere Verwaltungsrecht vom Gegenstand einer auf bewusste Methodik gegründeten Rechtswissenschaft mehr und mehr zum bloßen Produkt einer inkrementalistischen Praxis.

       

      Kurt Faßbender / Wolfgang Köck (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen und Probleme beim Netzausbau. Dokumentation des 25. Leipziger Umweltrechtlichen Symposions des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig und des HelmholtzZentrums für Umweltforschung – UFZ am 25. und 26. März 2021, Nomos, Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-8705-0; 118 S., brosch., € 33,00.

        Den Zwischenstand dieser Praxis für den Ausbau des Netzes der Übertragungsleitungen für Strom dokumentiert dieser Tagungsband anhand von Beiträgen dabei in vorderster Front tätiger Experten. Matthias Otte von der Bundesnetzagentur informiert über den Stand des Netzausbaus und die Möglichkeiten der Netzoptimierung. Da die Geschwindigkeit des Netzausbaus nicht der politischen Forderung nach dessen Beschleunigung entspreche, seien weitere Maßnahmengesetze im Sinne dieser Forderung zu erwarten. Durch Optimierung oder Verstärkung vorhandener Stromleitungen könne der Netzausbau letztlich nicht vermieden werden. Christoph Külpmann, der als Richter am Bundesverwaltungsgericht mit den Netzausbau betreffenden Rechtsschutzverfahren befasst ist, berichtet über den Stand der Rechtsprechung, die zuletzt im Anwendungsbereich der Bundesfachplanung die Verschiebung des Rechtsschutzes auf Rechtsbehelfe gegen die abschließende Zulassungsentscheidung gebilligt hat. Bernd Dammert und Silvia Tolkmitt, Fachanwälte für Verwaltungsrecht, untersuchen, in welchem Umfang und mit welcher Tiefe die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Vorhabenzulassung in gestuften Planungs- und Zulassungsverfahren geprüft werden müssen. Da sich die Zulässigkeit der Vorhaben stets nach dem im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung geltenden materiellen Recht bestimme, könne das Ziel, aufwendige Doppel- und Mehrfachprüfungen zu vermeiden, nur durch vertikale Stufung des Verfahrens unter Abschichtung des Prüfungsumfangs im Sinne einer „Hochzonung“ auf die vorhergehende Stufe erreicht werden. Werde zur Verfahrensbeschleunigung auf einzelne Stufen verzichtet, würden die materiell-rechtlichen Anforderungen nicht geringer, sondern verschiebe sich deren Prüfung nur auf die nachfolgende Ebene. Da im materiellen Recht bei dem hohen umweltrechtlichen Schutzstandard keine Beschleunigungsansätze beständen, seien Prüfungsumfang und –tiefe nur beherrschbar, wenn die Prüfungsinhalte durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und fachliche Standardisierung geklärt und brauchbare Datenbanken bereitgestellt würden. Boris Jechow als Mitarbeiter eines Umweltberatungsunternehmens unterstützt diese juristischen Ausführungen aus seiner naturschutzfachlichen Sicht auf den Habitat- und Artenschutz beim Netzausbau. Auch er kommt zu der Feststellung, dass eine allgemein akzeptierte und durch Rechtsprechung gefestigte gutachterliche Herangehensweise an die Erstellung der entsprechenden umweltfachlichen Unterlagen bislang nicht existiert. Ohne Konkretisierung und Vereinheitlichung der insoweit zu stellenden Anforderungen bestehe jedoch die Gefahr großer zeitlicher Verzögerungen.

        Kurt Faßbender, geschäftsführender Direktor des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig, untersucht das konfliktträchtige Verhältnis der Fachplanung des Netzausbaus zur überfachlichen Raumordnungsplanung der Länder. Dieses Verhältnis werde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer „arbeitsteiligen Aufgabenstruktur“ geprägt. Bei den im Bedarfsplangesetz festgelegten länderübergreifenden und grenzüberschreitenden Übertragungsleitungen gebühre der Bundesnetzagentur sowohl auf der Stufe der vorgelagerten Planung als auch auf der Ebene der Planfeststellung in der Sache „das letzte Wort“. Bei allen übrigen Hoch- und Höchstspannungsleitungen könne dagegen die Landesplanung den Netzausbau insbesondere durch positive Trassenfestlegungen substantiell beeinflussen. Abschließend bewertet Bernd Holznagel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Münster, die Ausgestaltung des gestuften Planungs- und Genehmigungsverfahrens und dessen Änderung durch das Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019. Auch er weist darauf hin, dass erneut das Verfahren im Fokus der Gesetzgebung steht, obwohl der Umfang des materiellen Prüfprogramms wesentlicher Faktor für die Dauer der Projektrealisierung ist. Je weiter die Vorhaben voranschritten und die Phase der Planfeststellung erreichten, desto mehr werde über Verzögerungen diskutiert werden, die durch Klagen gegen die Planfeststellung verursacht werden könnten. Die Konzentration des Rechtsschutzes auf die letzte Planungsphase sei jedoch von vornherein mit diesem Risiko behaftet. Eine Rechtsschutzverkürzung durch Ermöglichung einer Legalplanung nach dem Vorbild des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes sei allenfalls mit näheren gesetzlichen Vorgaben der dabei europarechtlich notwendigen Verfahrensabläufe möglich. Durch Schaffung solcher Vorgaben für die laufenden Leitungsvorhaben würden jedoch bereits absolvierte Verfahrensstufen entwertet und neue Rechtsunsicherheiten geschaffen. Ein solches Vorgehen sei daher zugunsten einer Beibehaltung des gestuften Planungs- und Genehmigungsverfahrens abzulehnen.

         

        Friedhelm Hufen / Thorsten Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Nomos, 7. Aufl. Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-7181-3; 449 S., geb., € 89,00.

          Wie auch das zuvor besprochene Werk belegt, erhöht die Beschleunigung gestufter Planungs- und Zulassungsverfahren durch Konzentration des Rechtsschutzes auf die abschließende Zulassungsentscheidung das Risiko, dass die Projektrealisierung durch Rechtsbehelfe gegen diese Entscheidung verzögert oder sogar verhindert wird. Umso wichtiger wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Fehler im Verwaltungsverfahren vermieden oder jedenfalls geheilt werden können, um dieses Risiko zu minimieren. Dies ist der aktuelle Hintergrund des von Friedhelm Hufen 1986 begründeten und jetzt von Thorsten Siegel in Neuauflage nach dem Rechtsstand von März 2021 weitergeführten Handbuchs der Fehlerlehre. Es vereint in beeindruckender Weise wissenschaftlichen Anspruch mit einer den Bedürfnissen eines Nachschlagewerks für die Praxis entsprechenden Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Darstellung. Inhaltlich beschränkt sich das Buch nicht auf das Planungs- und Genehmigungsverfahren, sondern versteht sein Thema als Querschnittsmaterie. Dabei wollen die Verfasser das Bewusstsein dafür schärfen, dass die öffentliche Verwaltung nicht nur durch ihre Entscheidungsergebnisse Rechte der Bürger verletzen kann, sondern dass deren Position nur dann wirksam zu schützen ist, wenn dies schon im Verfahren geschieht. Chronologisch orientiert am Ablauf eines Verwaltungsverfahrens, wird zunächst dargelegt, welche allgemeinen Verfahrensgebote im Verwaltungsverfahrensrecht bestehen und welche Arten von Fehlern sich daraus ergeben. Sodann werden besondere Verfahrensarten behandelt und schließlich eine abgestufte Systematik der Folgen von Verfahrensfehlern entwickelt.

          Als besondere Verfahrensart eingehend untersucht wird das Planfeststellungsverfahren an der „Schnittstelle“ zwischen Verwaltungsverfahrensgesetz und Fachrecht. Dabei stehen die Verfasser der in den letzten Jahren zu beobachtenden dichten Abfolge der Beschleunigungsgesetze aus rechtsstaatlicher Sicht durchaus kritisch gegenüber. Sie weisen zutreffend auf das Spannungsverhältnis zwischen einer allzu weit verstandenen planungsrechtlichen Beschleunigung und Verfassungselementen hin, die auf eine Entschleunigung abzielen. Die gerichtliche Kontrolle habe sich von der ursprünglich intendierten Kontrolle von Planungsergebnissen faktisch längst auf eine Verfahrensund Begründungskontrolle verlagert. Zu den besonderen Problemen des Planfeststellungsverfahrens gehöre, dass es zwar die sonst notwendigen Einzelverfahren konzentriere und damit zur Beschleunigung beitrage, in seiner komplizierten Stufenfolge aber auch überaus fehleranfällig sei. Gerade im Hinblick auf die Konzentrationswirkung und die Rolle des Planfeststellungsverfahrens bei der Konfliktaustragung und Interessenoptimierung sei die Möglichkeit, solche Fehler im anschließenden Gerichtsprozess zu heilen, hier besonders problematisch. Für ebenso problematisch halten die Verfasser das ursprünglich nur für Fälle einer „Geringfügigkeits- oder Konsensplanung“ entwickelte Institut einer mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung ausgestatteten, jedoch in einem nichtförmlichen Verwaltungsverfahren ergehenden Plangenehmigung. Der Segen der Beschleunigung könne hier zur Plage werden, wenn sich nachträglich herausstelle, dass ein Vorhaben doch wesentlich in Rechte Dritter eingreife, der Konsens brüchig gewesen oder unter Missachtung der Belange anderer Beteiligter zustande gekommen sei. Im Rahmen der Fehlerfolgenlehre kritisch behandelt wird auch die in der deutschen Rechtsprechung weitgehend hingenommene Tendenz zur zuletzt nur noch mit Argumenten der Beschleunigung und Standortsicherung betriebenen Relativierung der Verfahrensfehler. Der Bürger habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass in seine Rechte nur unter Einhaltung des materiellen und formellen Rechts eingegriffen werde. Werde unter Hinweis auf das richtige Ergebnis die Bedeutung des Verfahrens relativiert, stehe und falle dies mit der effektiven Steuerungswirkung des Gesetzes für das Ergebnis des Verwaltungshandelns. Sei diese aufgrund der Normstruktur heutiger Programmgesetze oder aufgrund der Politisierung von Verwaltungsentscheidungen geringer, verflüchtige sich auch die materielle Basis, und es bleibe ein rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbares Legitimationsdefizit. Wer die dienende Funktion des Verfahrens betone, müsse bei Offenheit des Gesetzesprogramms gerade mehr und nicht weniger auf ein korrektes Verfahren achten, weil nur dieses Verfahren dann der Herstellung eines rechtmäßigen Ergebnisses diene. Die so begründete Aufwertung des Verfahrensgedankens durch das europäische Unionsrecht habe dazu geführt, dass die deutsche Relativierung der Verfahrensfehler im praktischen Ergebnis ihrerseits beträchtlich relativiert worden sei. Erstaunlich sei auf diesem Hintergrund allerdings, dass auch die deutschen Präklusionsregeln als Ausdruck den Mitwirkungsrechten entsprechender Mitwirkungslasten des Einzelnen vom Europäischen Gerichtshof für unionsrechtswidrig erklärt worden seien.

           

          Martin Kment (Hrsg.), Der Einfluss des Europäischen Gerichtshofs auf das Umwelt- und Infrastrukturrecht. Aktuelle Entwicklungslinien, Mohr Siebeck, Tübingen 2020. ISBN 978-3-16-157530-3; 178 S., brosch., € 69,00.

            Den im zuvor besprochenen Werk mit gewisser Ratlosigkeit konstatierten Einwirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf das nationale Umwelt- und Infrastrukturrecht gehen die in diesem Buch versammelten Beiträge nach. Dokumentiert werden damit die Fachvorträge, die auf dem 5. Deutschen Umwelt- und Infrastrukturrechtstag am 23. November 2018 an der Universität Augsburg gehalten wurden. Am Anfang stehen Ausführungen des Herausgebers zur Auslegung und Fortbildung des Unionsrechts durch den Gerichtshof im Allgemeinen. Darin wird zutreffend hervorgehoben, dass jede Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Unionsrechts zwangsläufig zu Lasten der Kompetenzen der Mitgliedstaaten geht. Das Fehlen einer geschlossenen Rechtsordnung mit Verfassungscharakter, wie sie ein Bundesstaat besitze, schließe jedoch eine solche Verschiebung der Kompetenzen durch den Gerichtshof unter Berufung auf den effet utile rechtlich ebenso aus wie eine Gefährdung der in Art. 5 Abs. 1 EUV normierten Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität durch Anwendung von Auslegungs- und Rechtsfortbildungspotentialen. Vor diesem Hintergrund seien die vom Gerichtshof geschaffenen Rechtsfiguren des unionsrechtlichen Schadensersatzanspruchs und der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien durchaus kritisch zu sehen.

            Die Berechtigung dieser Kritik belegt anschließend Faßbender anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Verbindlichkeit der Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie. Danach ist das dort normierte Verschlechterungsverbot für den Gewässerzustand in jedem einzelnen Genehmigungsverfahren und darüber hinaus auch bei nicht von Anlagen stammenden Einwirkungen kraft Unionsrechts als unmittelbar geltende Vorgabe zu beachten. Im dritten Beitrag behandelt Schmidt-Kötters die Spannungen zwischen der nationalen Förderung erneuerbarer Energien und dem europäischen Beihilfenrecht und begrüßt, dass der Gerichtshof dem von der Kommission weit in privatrechtliche Bereiche ausgedehnten Beihilfebegriff eine Grenze gesetzt hat. Besonders kritisch stellt Bettina Hoffmann, Referentin im Bundesministerium für Verkehr, in ihrem sehr kenntnisreichen und detaillierten Beitrag die enormen Auswirkungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des ihm folgenden Bundesverwaltungsgerichts zum Habitatschutz der FFH-Richtlinie auf Großprojekte der Infrastruktur dar. Die extensive Auslegung von Art. 6 dieser Richtlinie im Sinne einer eindimensionalen naturschutzfachlichen Zielerreichung habe zu erheblichen Planungs- und Rechtsunsicherheiten bei zugleich steigendem Planungsaufwand, erhöhten Planungskosten, längeren Zulassungsverfahren und auch für die Umwelt nachteiligen Auswirkungen geführt. Die Tendenz dieser Rechtsprechung zu einem vorrangig wirkungsbezogenen Projektbegriff und die allen Auslegungsregeln widersprechende Unterstellung der Auswirkungen eines Projekts unter dieselben Anforderungen wie dessen Genehmigung stellten die Nutzbarkeit von Infrastrukturprojekten permanent in Frage. Damit werde die praktische Wirksamkeit der Richtlinie auf ein einziges der in deren Art. 2 erwähnten Ziele reduziert, statt die auch im Primärrecht der Union normierten vielschichtigen Zielvorgaben integrativ auszulegen und anzuwenden. Dies sei auch rechtsstaatlich bedenklich, da die mit Tatbestands- und Legalisierungswirkung verbundene Bestandskraft erteilter Genehmigungen umgangen werde. Im privaten Bereich dürfte eine Nichtgewährung des diesbezüglichen Grundrechtsschutzes durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu führen, dass dieser Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht sicherzustellen sei. Im Übrigen müssten Politik und Gesetzgeber den primärrechtlichen Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gegenüber den Grenzüberschreitungen des Gerichtshofs wieder Geltung verschaffen.

            Im vorletzten Beitrag thematisiert Alexander Schink die unionsrechtlichen Gestaltungsspielräume bei Nichteinhaltung der Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie unter kritischer Betrachtung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten. Abgerundet wird der Sammelband durch einen rechtsvergleichenden Beitrag von Karl Stöger zum Rechtsschutz von Umweltverbänden in Österreich und Deutschland unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Nach dieser Rechtsprechung sind Umweltverbände Träger eines europäischen Grundrechts auf Beteiligung und effektiven Rechtsschutz und müssen deshalb, auch wenn nationale Verfahrensvorschriften dem entgegenstehen, jeden Verstoß gegen umweltschützende Vorschriften des Unionsrechts rügen können unabhängig davon, ob diese Vorschriften auch Individualinteressen oder nur die Allgemeinheit schützen. Angesichts des auch auf europäischer Ebene zunehmenden Konfliktpotentials zwischen größtmöglicher Beschleunigung der Projektrealisierung und effektivem Umweltrechtsschutz ist dieser Beitrag wie auch die anderen von hochkarätigen Experten des Umwelt- und Planungsrechts vermittelten Erkenntnisse von höchster Aktualität.

             

            Winfried Kluth / Ulrich Smeddinck (Hrsg.), Umweltrecht. Ein Lehrbuch, Springer, 2. Aufl. Berlin 2020. ISBN 978-3-662-59682-1; 532 S., kart., € 37,99.

              Dieses relativ preisgünstige Lehrbuch bietet eine Einführung in das Umweltrecht für Studierende in juristischen oder umweltbezogenen Studiengängen und soll diese Funktion auch für Praktiker und Nichtjuristen erfüllen. Behandelt werden das Allgemeine Umweltrecht (Kluth) sowie die wichtigsten Bereiche dieses Rechtsgebiets, nämlich das Immissionsschutzrecht (Guy Beaucamp), das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht (Smeddinck), das Wasserrecht (Anne-Barbara Walter) sowie das Natur- und Artenschutzrecht (Rainer Wolf). Hinzu treten besondere Kapitel zu Querschnittsthemen, nämlich dem Klimaschutzrecht (Susanna Hoffmann-Much), dem Verwaltungsrechtsschutz im Umweltrecht (Rüdiger Nolte) und dem Umweltstrafrecht (Hans-Jürgen Sack). Die einzelnen Beiträge sind nach Aufbau, inhaltlicher Dichte, Qualität und Stil vom individuellen Ansatz des jeweiligen Verfassers geprägt und nicht Teil einer übergreifenden Systematik. Didaktisch aufgelockert werden die theoretischen Ausführungen bei den meisten Beiträgen durch Fallbeispiele, Übungsfälle mit Lösungshinweisen oder -vorschlägen, Überblicksschemata und Tabellen, Fragen zum selbständigen Nachdenken sowie Wiederholungsfragen. Leider haben sich nicht alle Autoren die damit verbundene Mühe gemacht. Unzureichend war ärgerlicherweise die abschließende redaktionelle Bearbeitung durch den Verlag, so dass Verweisungen nicht immer stimmen, Randnummern durcheinandergeraten, Druckfehler sich wiederholen und rein interne Bearbeitungsvermerke mit abgedruckt sind.

              Auch die in einem Lehrbuch für Studierende an sich zu jedem Beitrag gehörenden Hinweise auf weiterführende Literatur sind teilweise nicht vorhanden, lückenhaft oder nicht nachvollziehbar. So hinterlässt das Werk trotz einzelner sehr gelungener Teile einen insgesamt zwiespältigen Eindruck. Eine Neuauflage, die angesichts der Dynamik der Rechtsmaterie ohnehin bald erforderlich wäre, sollte seitens des Verlages die erwähnten redaktionellen Mängel konsequent bereinigen und seitens der Herausgeber auf eine größere Einheitlichkeit des Aufbaus der einzelnen Beiträge dringen. Auch sollte durch Koordination der Autoren in viel größerem Umfang als bisher von der Möglichkeit der Querverweisung auf andere Beiträge – insbesondere zu den Querschnittsthemen – Gebrauch gemacht werden, um Widersprüche und Wiederholungen innerhalb des Werkes zu minimieren und das Bewusstsein von der gebotenen Einheit der Rechtsordnung auch im Umweltrecht zu stärken. (us)

               

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