Recht

Zivilprozessordnung

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2023

Anders / Gehle (Hrsg.), Zivilprozessordnung, C.H.Beck, 81. Auflage, München 2023, ISBN 978-3-406-79364-6, 3180 S., € 179,00.

Nun erscheint der alte „Baumbach“ schon zum zweiten Mal unter der alleinigen Herausgeberschaft von Monika Anders und Burkhard Gehle. Unverändert zur Vorauflage blieb die Autorenschaft, hervorgehoben sei der weibliche Anteil von 40 %, eine nach wie vor nicht selbstverständliche Quote. In der Neuauflage spielt naturgemäß die fortschreitende Digitalisierung der Justiz weiterhin eine große Rolle, dies gilt insbesondere für die flächendeckende Einführung der E-Akte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 130 d S. 1 ZPO seit 1.1.2022 vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Insoweit ist es zu begrüßen, dass die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV i.d.F. vom 5.10.2021) nebst der dazu ergangenen Bekanntmachung (ERVB i.d.F. vom 10.2.2022) nach § 130 a ZPO abgedruckt wird und der Inhalt auch in der Kommentierung von Anders zu dieser Vorschrift Beachtung erfährt. Die Lektüre der entsprechenden Ausführungen kann nur empfohlen und zwar auch denjenigen, welche meinen, alles Notwendige verstanden zu haben. Dies gilt insbesondere auch für die Eignung zur Bearbeitung im Hinblick auf das Dateiformat (§ 130 a Rn. 16 ff.). So hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich einen als Word-Dokument übermittelten Schriftsatz als nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und damit formunwirksam angesehen (Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21). Gerade bei fristgebundenen Schriftsätzen wie einer Kündigungsschutzklage kann die Nichteinhaltung des gebotenen Dateiformats zu gravierenden (negativen) Konsequenzen für die Mandantschaft führen. Auch die Covid 19-Pandemie hinterlässt nach wie vor ihre Spuren: Termine via Online-Plattformen waren vor der Pandemie jedenfalls im augenblicklichen Ausmaß undenkbar. Das Schrifttum, welches der Kommentierung zu § 128 a ZPO vorangestellt ist, macht schon von den Titeln her deutlich, welche Relevanz der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nunmehr zukommt. Dass es sich um eine relativ neue Erscheinung handelt, macht schon ein Blick auf das jeweilige Erscheinungsdatum der Publikationen deutlich. Beiträge vor dem Jahr 2020 sind die Ausnahme. In den Ausführungen zu §§ 128 Abs. 2, 224, 227, 233, 245, 247 und 335 ZPO sowie zu §§ 169, 172 und 176 GVG finden sich weitere Hinweise zu dieser Thematik. Nachdem nun § 130 Abs. 1 S. 3 ZPO die Strukturierung und Abschichtung des Prozessstoffes nahelegt und damit die gute alte Relationsmethode auch eine gesetzgeberische Renaissance erlebt, wird dieser Neuordnung des Ver­fahrens in den Randnummern 42 ff. zu § 139 ZPO ausführlich Rechnung getragen. Ob sich ein verbindliches „Basisdokument“ durchsetzen wird, kann man bezweifeln, jedenfalls ist es nicht unproblematisch (§ 135 ZPO Rn. 47). Ob freilich heutzutage noch der Grundsatz „Da mihi facta, dabo tibi jus“ wirklich „allen“ (vgl. Vorwort S. V) Juristinnen und Juristen noch aus der universitären Ausbildung bekannt ist, mag man füglich bezweifeln können. Der Verfasser dieser Zeilen – obschon selbst Inhaber des Großen Latinums – hat erhebliche Skrupel, in Vorlesungen noch lateinische Rechtsregeln von sich zu geben. Der Anteil der Studierenden, welche damit etwas anfangen können, ist in den letzten Jahrzehnten rapide gesunken. Im Übrigen sind in den Kommentar gesetzliche Neuerungen, Rechtsprechung und Schrifttum wie immer sorgsam eingepflegt worden. Natürlich liegt der Schwerpunkt des Kommentars auf der Zivilprozessordnung, erläutert werden zudem das GVG, natürlich auch das EGGVG sowie weitere relevante Vorschriften wie § 26 DRiG. Im Rahmen von „Buch 11. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ werden nicht nur die ZPO-Normen kommentiert, sondern sind auch die einschlägigen Rechtsakte der EU – teilweise mit Hinweisen – abgedruckt. ­EuZustVO, EuBewVO, PKH-Richtlinie, EuVTVO und wie sie alle heißen, kann man sich so unschwer und im richtigen Zusammenhang erschließen. Ende 2020 wurde die Verordnung (EU) 2020/1784 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten sowie die Verordnung (EU) 2020/1783 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen neu gefasst. Mit dem Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen und grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen, zur Änderung der Zivilrechtshilfe, des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, zur Anpassung von Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz und zur Verbraucherrechtsdurchsetzung sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (v. 24.06.2022 BGBl. I S. 959 (Nr. 22); Geltung ab 01.07.2022) wurden die nationalen Bestimmungen an das EU-Recht angepasst. Im Anders/Gehle sind die entsprechenden Änderungen des nationalen Rechts bereits berücksichtigt, so etwa in den Kommentierungen zu § 138 ZPO (Rn. 2, 10) und zu § 363 ZPO (Rn. 1 ff.) sowie durchgängig in den Erläuterungen zu §§ 1067 ff. ZPO. Die wichtige Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO – Brüssel Ia), welche die lange Jahre geltende Verordnung (EG) Nr. 44/2001 zum 10.1.2015 abgelöst hat, wird im Schlussanhang ausführlich kommentiert (S. 3015 ff.). In diesem finden sich auch noch eine ganze Reihe anderer nationaler und überstaatlicher Prozessrechtsakte.

Dass sich das Werk durch ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis sowie ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auszeichnet, soll noch gesagt werden. Wer sich kurz und prägnant sowie mit dem nötigen Tiefgang informieren möchte, ist mit dem Anders/Gehle gut beraten. (cwh)

 

Oberheim Rainer, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess, Wolters Kluwer, 9. Aufl., Köln 2023, ISBN 978-3-472-09737-2, 875 und LI S., € 119,00.

    Ein altes Sprichwort lautet: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“ Was heißen will, dass „Recht haben“ noch lange nicht „Recht bekommen“ bedeutet. Maßgeblichen Anteil am Prozesserfolg hat die Rechtsanwaltschaft. Ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage in einem gerichtlichen Verfahren sind nicht zuletzt auch taktische Überlegungen. Hier will Oberheim mit seinem Handbuch, welches nun schon in 9. Auflage erscheint, helfen. Es geht ihm nicht um die Vermittlung von Grundwissen, sondern um die Anwendung des Prozessrechts in seiner konkreten praktischen Situation. Dabei wird nicht nur das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren behandelt, sondern man bekommt auch taktische Ratschläge zur Zwangsvollstreckung. Denn was nützt das schönste Urteil, wenn man es nicht umsetzen kann.

    Das Buch gliedert sich in neun Kapitel. In einer kurzen Einführung (1. Kapitel, S. 1 – 28) wird der Leser zunächst einmal mit Grundlagen des zivilprozessualen Verfahrens vertraut gemacht, es erfolgt auch ein Hinweis auf vergangene sowie ein Ausblick auf anstehende Reformen der ZPO. Die „Fortentwicklung der digitalen Revolution“ (Rn. 31) wird hier sicherlich noch viele Modifikationen des Verfahrens mit sich bringen. Ob es irgendwann zum „Roboter als Richter“ kommen wird, bleibe dahingestellt.

    Wie man sich auf den Prozess vorbereitet, liest man im 2. Kapitel (S. 29 – 95). Im Vordergrund steht hier naturgemäß das Mandantengespräch und was es hierbei zu bedenken gilt. Gefragt ist nicht zuletzt die „ehrliche Beratung“ (Rn. 260 ff.). Nachdem die Versäumung von Fristen stets ein Haftungsrisiko darstellt, widmet sich Oberheim diesem Thema ausführlich (Rn. 307 ff.).

    Es kann geboten sein, rechtssichernde Maßnahmen zu ergreifen, demgemäß liest man im 3. Kapitel (S. 96 – 117) alles Nötige zu Arrest und einstweiliger Verfügung. Für viele besonders wertvoll dürften die taktischen Erwägungen zum Beweissicherungsverfahren sein (Rn. 451 ff.). Einen auch vom Umfang her Schwerpunkt des Buches stellt das mit „Rechtstitulierung im allgemeinen Klageverfahren“ überschriebene 5. Kapitel dar (S. 118 – 346). Zunächst geht es um die Grundentscheidungen, welche vor der Einleitung des Gerichtsverfahrens zu treffen sind. Ausführlich wird dann auf die Anforderungen an die Klageschrift eingegangen. Bedenkt man, wie oft die Revisionsgerichtsbarkeit an den gestellten Anträgen herummäkelt, gewinnen die Ausführungen umso mehr an Wert (Rn. 701 ff.). Wie man als Beklagter zu reagieren hat, schildert Oberheim im Anschluss hieran. Die Verhaltensregeln für die aussichtslose sowie die aussichtsreiche Verteidigung (Rn. 1096 ff.) setzen freilich voraus, dass die Beklagtenseite ihre Erfolgsaussichten richtig einschätzen kann. Beim gerichtlichen Vorverfahren nehmen die Erläuterungen zur Präklusion breiten Raum ein (Rn. 1296 – 1395). Und auch in der mündlichen Verhandlung wird man nicht allein gelassen, wobei besonderer Wert auf die materielle Prozessleitungspflicht gelegt wird (Rn. 1494 ff.). Das 5. Kapitel (S. 368 – 486) ist der Beweisaufnahme gewidmet. Ausführlich wird auf Beweisgrundsätze und die Beweiserhebung eingegangen, hervorzuheben ist auch die Aufzählung wichtiger Beweisthemen. Bei den Beweismitteln sticht die Aussage hervor, dass der Zeuge „ein denkbar schlechtes Beweismittel“ sei (Rn. 1914). Da fühlt man sich gleich an den Satz erinnert: „Was ist hier passiert, ich bin Zeuge“. Aber auch bei der Beweislast wird man nicht alleine gelassen: Wer muss was beweisen, wenn die klagende Partei Rückzahlung aus Darlehen begehrt und die Beklagtenseite Schenkung einwendet? (Rn. 2100 ff.). Beweisrechtliche Verfahrensfehler schließen die Darstellung ab (Rn. 2111 ff.).

    Die Rechtstitulierung in besonderen Verfahren wird im 6. Kapitel (S. 487 – 530) dargestellt, hier findet man erwartungsgemäß Mahnverfahren, Urkundenprozess und amtsgerichtliches Verfahren. Oberheim nimmt sich aber auch der Musterverfahren sowie des Adhäsionsprozesses an. Bei letzterem sollte man sich über die Vor- bzw. Nachteile für den Geschädigten vorher im Klaren sein (Rn. 2296 ff.) Wie man erfolgreiche Anträge im Vollstreckungsverfahren stellt, erfährt der Leser im 7. Kapitel (S. 531 – 587). Der schönste Titel nützt nichts, wenn er nicht zum Erfolg führt. Auf der Seite der Zwangsvollstreckungsschuldner dürften insbesondere die Rechtsbehelfe interessieren (Rn. 2494 – 2574).

    In vielerlei Hinsicht ist es denkbar, dass sich an der ursprünglichen Verfahrenskonzeption etwas ändert. Dies mag den Hinzutritt weiterer Parteien oder auch von Streithelfern betreffen, aber auch der Streitgegenstand kann Änderungen unterworfen sein. Wie man entsprechende Situationen taktisch meistert, wird im 8. Kapitel (S. 588 – S. 671) erklärt. Die Vor- und Nachteile eines Prozessvergleichs finden ebenfalls Erwähnung (Rn. 2923 ff.) Ein Prozess geht häufig anders aus, als sich die Beteiligten dies wünschen. Mit über 200 Seiten nimmt deshalb das abschließende 9. Kapitel breiten Raum ein (S. 672 – 860). In diesem geht es um die Rechtsbehelfe, vor allem der Berufung wird besondere Beachtung geschenkt (Rn. 3186 – 3645). Hilfreich ist aber auch schon die Übersicht zu Beginn der Darstellung: Die Auflistung sämtlicher denkbarer Rechtsbehelfe geordnet nach Sachgesichtspunkten sucht ihresgleichen (Rn. 2973). Für wenig erfolgversprechend hält Oberheim die Urteilsverfassungsbeschwerde (Rn. 3744). Angesichts ihrer statistischen Erfolgsaussichten mag man dies durchaus so sehen.

    Bei der Suche nach der erfolgreichen Taktik im Zivilprozess helfen die zahlreichen Beispiele und Praxistipps weiter, die im Text jeweils gesondert gekennzeichnet dem Leser den Weg durch den prozessualen Dschungel erleichtern. Dass das Handbuch ein ausführliches Stichwortverzeichnis sein eigen nennt, ist nach alledem fast selbstverständlich. Insbesondere Berufsanfängern bzw. weniger erfahrenen Prozessvertretern ist das Buch ans Herz zu legen, aber auch der „Profi“ wird mit Gewinn darauf zurückgreifen können. (cwh)

     

    Hirtz, Bernd / Oberheim, Rainer / Siebert, Oliver (Hrsg.), Berufung im Zivilprozess, Luchterhand, 7. Aufl., Köln 2024, ISBN 978-3-472-09794-5, 855 und XXVIII S., € 149,00.

    Der deutsche Zivilprozess zeichnet sich durch einen mehrstufigen Gerichtsaufbau aus. Wer in der ersten Instanz – sei es auch nur teilweise – unterliegt, dem stehen regelmäßig Rechtsmittel offen. Der Regelinstanzenzug sieht als zweite Tatsacheninstanz die Berufung vor, unter bestimmten Voraussetzungen mag auch noch die Revision zum Bundesgerichtshof in Betracht kommen. Gegen dessen Entscheidungen ist dann immer noch die Urteilsverfassungsbeschwerde denkbar. Das alles mag man als übertrieben ansehen, so wurde durchaus ernsthaft darüber diskutiert, ob man es nicht bei einer Tatsacheninstanz belassen sollte. Solange entsprechende Reformbestrebungen beim Bundesgesetzgeber indes kein Gehör finden, muss die Jurisprudenz mit dem gegenwärtigen System leben – und zu diesem gehört nun einmal die Berufung. Ihr ist das von Hirtz, Oberheim und Siebert herausgegebene Handbuch gewidmet, das sich an Rechtsanwälte und Richter wendet, die entweder über dieses Rechtsmittel zu entscheiden haben oder es für den Prozesserfolg ihrer Mandantschaft in Anspruch nehmen wollen. Bemerkenswert im Hinblick auf die damit verbundene Charakterisierung der rechtsprechenden Gewalt ist die Zielsetzung des Werkes, wie sie sich im Vorwort findet: „Dem Ziel, den Anteil an unrichtigen Entscheidungen so gering wie möglich zu halten, diene eine Berufungsinstanz, die zur möglichst zutreffenden Sachverhaltsrekonstruktion einerseits und zur richtigen Rechtsanwendung anderseits führt.“ Diese Aussage impliziert, dass es auch „unrichtige“ Urteile gibt; mit anderen Worten, dass Prozesse auch falsch entschieden werden. Wen dies auf den ersten Blick stutzig machen mag, der sei daran erinnert, dass es im Zivilprozess mit seinem Beibringungsgrundsatz und seinen Präklusionsvorschriften von vorneherein nur um eine „formale Wahrheit“ gehen kann. Quod non est in actis, non est in mundo, lautet ein alter Rechtsgrundsatz, der die Schriftlichkeit des Verfahrens betont. Umso mehr müssen diejenigen, welche mit dem Rechtsmittel der Berufung zu tun haben, über die jeweils richtige prozessuale Vorgehensweise Bescheid wissen. In vierundzwanzig Kapiteln erfährt der Leser alles Wesentliche. Neben den Herausgebern gehören noch Martin Ahrens, Stefan Luczak und Norbert Schneider zum Team der Autoren. In die Neuauflage waren vor allem zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs einzuarbeiten, in denen die Instanzgerichtsbarkeit nicht zuletzt auch an die Befolgung der Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens sowie die Gewährung des rechtlichen Gehörs erinnert wurde.

    Im 1. Kapitel (S. 1 – 23) wird man mit den verschiedenen Arten von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen vertraut gemacht. Das 2. Kapitel (S. 24 – 61) macht deutlich, dass die zweite Tatsacheninstanz sowohl an die Rechtsanwaltschaft als auch die Richtergilde besondere Anforderungen stellt. Wie man die Berufung vorzubereiten hat, ist Gegenstand des 3. Kapitels (S. 62 – 73). Hier wird auch auf die beliebte Strategieüberlegung „Prozesskostenhilfegesuch statt Berufung“ eingegangen (S. 67 ff.). Der Gegenstand der Berufung, nämlich das Verfahren sowie das erstinstanzliche Urteil, sind Inhalt des 4. Kapitels (S. 72 – 127). Längere Darlegungen verlangt dann die Zulässigkeitsfrage (5. Kapitel, S. 128 – 208). Rund 80 Seiten sind nötig, um alle Aspekte zu beleuchten; § 522 ZPO lässt grüßen! Bei den alternativen Formen der Verfahrensbeendigung (6. Kapitel, S. 209 – 217) ist vor allem der Vergleich aus den unterschiedlichsten Gründen – die durchaus ehrlich genannt werden (S. 214 mit Rn. 28) – eine Option. Ein Rechtsmittel hat nur dann Erfolg, wenn es Gründe für die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung gibt; das gilt auch für die Berufung (7. Kapitel, S. 218 – 254). Antragsänderungen sowie Probleme von Aufrechnung und Widerklage folgen in der Darstellung (8. Kapitel, S. 255 – 263). Wie man eine Berufungsbegründung aufbaut, liest man im 9. Kapitel (S. 264 – 279). Fragen der Zwangsvollstreckung während des Berufungsverfahrens werden anschließend erörtert (10. Kapitel, S. 280 – 292). Streitgenossen und sonstige Dritte gibt es auch im Rechtsmittelverfahren (11. Kapitel, S. 293 – 307). Wer die erste Instanz gewonnen hat und sich nun in der Rolle des Berufungsbeklagten sieht, wird im 12. Kapitel (S. 308 – 316) bedient. Was er zu tun hat, wenn er nun seinerseits Anschlussberufung einlegen will, steht ausführlich im 13. Kapitel (S. 317 – 360). Konsequenzen einer erkennbar aussichtslosen Berufung sind Gegenstand des 14. Kapitels (S. 361 – 392). Wiederum lässt § 322 ZPO grüßen, wenn es um den Hinweisbeschluss geht (S. 373 ff.). Liest man sich das abgedruckte Muster durch, fällt insbesondere der „freundliche“ Hinweis auf die Kostenersparnis auf (S. 375 f. mit Rn. 65) – böse formuliert: „Machst Du uns keine Arbeit mehr, wird es auch billiger“. Es folgen Verfahrensfragen, so die Rolle des Einzelrichters (15. Kapitel, S. 393 – 416), der Ablauf der mündlichen Verhandlung (16. Kapitel, S. 417 – 479) und das Versäumnisverfahren (17. Kapitel, S. 480 – 485). Wie ein Berufungsurteil auszusehen hat, liest man in der gebotenen Ausführlichkeit im 18. Kapitel (S. 484 – 552) und dann stellt sich für die unterlegene Partei ja schon die Frage nach der Revision (19. Kapitel, S. 553 – 562). Zurückverweisungen können durch beide Rechtsmittelinstanzen erfolgen (20. Kapitel, S. 563 – 576). Die Kostenfrage interessiert naturgemäß besonders die unterlegene Partei sowie die beteiligten Anwälte. Ihr wird denn auch breiter Raum gewidmet, auf rd. 140 Seiten erfährt man alles Notwendige (21. Kapitel, S. 577 – 715). Auch das Berufungsgericht kann einstweiligen Rechtsschutz gewähren (Kapitel 22, S. 716 – 727), ebenso wie es über die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheidungen über den einstweiligen Rechtsschutz entscheiden muss (Kapitel 23, S. 728 – 737). Mancherlei Besonderheiten weist der Arbeitsgerichtsprozess auf, deshalb wird abschließend ausführlich sowohl auf die Berufung im Urteilsverfahren als auf die dieser entsprechende Beschwerde im Beschlussverfahren eingegangen (24. Kapitel, S. 738 – 796). Auf 796 Seiten erfährt der Leser also alles Wesentliche für den Weg in die Berufungsinstanz. Im Anhang des Buches sind noch die relevanten gesetzlichen Grundlagen abgedruckt. Das ausführliche Stichwortverzeichnis hilft bei der Suche nach bestimmten Fragestellungen zuverlässig weiter, hervorgehoben seien auch noch die zahlreichen Praxis­ tipps im Text des Werkes. Fazit: Wer Berufungen einlegen will oder soll oder über sie entscheiden muss, ist mit dem Hirtz/Oberheim/Siebert sehr gut beraten. (cwh)

     

    Musielak, Hans-Joachim / Voit, Wolfgang, (Hrsg.), Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, Verlag Franz Vahlen, 19. Aufl., München 2022, ISBN 978-3-8006-6716-1, XLIX u. 3.125 S., € 169,00.

    Zu den erfolgreichsten Kommentaren zum Zivilprozessrecht der letzten zwei Jahrzehnte zählt der Musielak/Voit.

    Begründet im Jahre 1999 liegt er nunmehr in 20. Auflage vor. Die Beliebtheit des Kommentars beweist am deutlichsten die Tatsache, dass er ungeachtet vieler Konkurrenzwerke nach wie vor zu den gängigsten Erläuterungsbüchern des Zivilprozessrechts zählt. Gegenüber den mehrbändigen und natürlich deutlich teureren „Kommentarungetümen“ nimmt sich der Musielak/Voit sympathisch übersichtlich aus. Immerhin kommen die nunmehr 15 Autorinnen und Autoren trotz der unendlichen Fülle des Materials mit nur einem Band aus; ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber mehrbändigen Werken. Zahllos sind die Rezensionen zu den vorherigen Auflagen; was will man also noch Neues sagen, außer dass natürlich sämtliche vom Gesetzgeber für nötig befundenen Änderungen sowie die aktuelle Rechtsprechung und Literatur vollständig eingearbeitet worden sind?

    Dabei enthält der Musielak/Voit beileibe nicht nur eine Kommentierung der Zivilprozessordnung, auf welcher naturgemäß der inhaltliche Schwerpunkt liegt. Erläutert wird zudem das GVG. Im Rahmen von „Buch 11. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ werden nicht lediglich die ZPO-Normen besprochen, sondern sind auch die einschlägigen Rechtsakte der EU – teilweise mit Hinweisen – genannt. Dies gilt für die Modalitäten der Beweisaufnahme, soweit die rd. 20 Jahre lang maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 nunmehr durch die Verordnung 2020/1783 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (EuBVO) abgelöst wurde. Sie gilt ebenfalls seit 1.7.2022. Für die Prozesskostenhilfe ist demgegenüber nach wie vor die

    Richtlinie 2003/8/EG zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen maßgeblich. In der Vorbemerkung zu §§ 1079 ff. findet sich eine Kommentierung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO). Näher besprochen werden auch die Verordnung Nr. 1896/2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens (EuMVVO) sowie die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuGFVO). Schließlich ist noch die Berücksichtigung der Verordnung (EU) 2016/1191 hinsichtlich des Beweises der Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden erwähnenswert. Ebenso wie im materiellen Zivilrecht sind auch die zivilprozessualen Kommentierungen ohne die Berücksichtigung des EU-Rechts nicht mehr denkbar. Der sicherlich bedeutendsten Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO – Brüssel Ia) stellen Stadler/Krüger eine instruktive Vorbemerkung zum Europäischen Zivilprozessrecht voran (S. 2923 ff.). Die Verordnung selbst wird ihrer Bedeutung entsprechend ausführlich erläutert. Weiter finden sich Ausführungen zur seit 1.7.2022 geltenden Verordnung (EU) Nr. 2020/1784 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZustVO). Soweit gegenüber der bis dahin geltenden Verordnung (EG) 1393/2007 Änderungen zu vermerken sind, wird dem in der Kommentierung selbstredend Rechnung getragen.

    Dass sich das Werk durch ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis und ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auszeichnet, verdient ebenfalls Erwähnung. Gerade letzteres ist mit viel Sorgfalt angefertigt worden, die Leserschaft wird es danken. Insbesondere die zahlreichen „Unterstichwörter“ tragen dazu bei, dass man bei einzelnen Fragestellungen auch auf Gesichtspunkte „gestoßen“ wird, an welche man möglicherweise vorher noch gar nicht gedacht hat. Lobenswert ist auch der Umgang mit Zitaten, insbesondere die Sorgfalt bei der Auswahl der gerichtlichen Entscheidungen. Es steht allerdings zu vermuten, dass durch das erschöpfende Eingehen auf die einzelnen Probleme nicht allzu viel nachgelesen wird; es steht ja alles Wissenswerte schon im Kommentar. Fazit: Wer sich kurz und prägnant, aber gleichwohl mit dem nötigen Tiefgang informieren möchte, ist mit dem Musielak/Voit bestens beraten. (cwh)

    Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh) cwh@uni-mainz.de

     

     

    VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann

    Saenger Ingo (Hrsg.), ZPO Handkommentar, 10. Aufl. Nomos, Baden-Baden 2023; ISBN 978-3-7560-0049-4, 3.680 S., geb. € 139,00.

    10 Auflagen in 20 Jahren belegen den großen Erfolg des von dem Münsteraner Ordinarius Ingo Saenger herausgegebenen Handkommentars zur Zivilprozessordnung. Neben dem Herausgeber kommentieren zehn Autoren – darunter fünf Richter – die Regelungen der ZPO und zahlreicher einschlägiger Nebengesetze und Verordnungen (u.a. EGZPO, FamFG, GVG, EuGVVO, EuEheVO, IntFamRVG. EuUnthVO, EuErbVO). Die Aktualisierungen für die Neuauflage erfassen wiederum alle Bereiche der Kommentierung. Bereits berücksichtigt sind die Vorschriften zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs, die Neuregelungen zu grenzüberschreitenden Zustellungen und Beweisaufnahmen, die Brüssel IIb-Verordnung sowie die Auswirkungen der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, während anstehende Änderungen im Zusammenhang mit dem Einsatz der Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) zwar angesprochen, aber zum Zeitpunkt der Drucklegung (Ende 2022) noch nicht aufgenommen werden konnten. Wie schon bei den Vorauflagen beruhen zahlreiche Ergänzungen und Änderungen auf neuen oder aktualisierten europäischen Regelungen. Der Gesamtumfang ist noch einmal um 200 Seiten auf fast 3.700 Seiten gewachsen, so dass das Werk seine Handlichkeit einzubüßen droht.

    Entsprechend seinem inzwischen bewährten Konzept vermittelt der Handkommentar Kenntnis und Verständnis der prozessualen Regelungen sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung und ihrer Bewertung in Wissenschaft und Praxis. Die jeweiligen Kommentierungen folgen einem einheitlichen Aufbau, der aber nicht als starres Schema zu verstehen ist. Zunächst wird die Funktion der jeweiligen Norm herausgearbeitet, sodann werden die Tatbestandsmerkmale erläutert, um schließlich Sonderprobleme zu erörtern, auch unter kosten- und gebührenrechtlichen Aspekten, die durchgehend berücksichtigt werden. Eine vollständige Behandlung aller Detailfragen in ihrer kasuistischen Verästelung ist ausdrücklich nicht bezweckt; vielmehr wird versucht, das Verständnis für eine sachgerechte Rechtsanwendung zu vermitteln.

    Der Praktiker wird dankbar eine Vielzahl von Antrags- und Tenorierungsmustern registrieren; bei Bedarf kann das – als Parallelband konzipierte – Prozessformularbuch zur ZPO, herausgegeben von Saenger, Ullrich und Siebert, herangezogen werden.

    Der Kommentarteil wird eingerahmt von einem Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie einem ausführlichen Sachverzeichnis. Bemerkens- und empfehlenswert ist die über 35-seitige ausgezeichnete Einführung, die knapp und präzise zivilprozessuale Verfahrensgrundsätze und

    Grundbegriffe des Erkenntnisverfahrens behandelt und die geschichtliche Entwicklung der ZPO darstellt. Der Kommentar besticht durch seine Übersichtlichkeit, Präzision und Praxistauglichkeit. Auch für die 10. Auflage gilt: Für jeden Praktiker ist dieser Handkommentar ein wertvoller Begleiter für die tägliche Arbeit. Auch und gerade für Berufsanfänger und für Referendare kann er wärmstens empfohlen werden. (bmc)

     

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