Recht

Zivilprozessrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2021

Baumbach / Lauterbach / Hartmann / Anders / Gehle (Hrsg.), Zivilprozessordnung, Verlag C.H.Beck, 79. Auflage, München 2021, ISBN 978-3-406-75500-2, 3053 S., € 169,00.

    Nun erscheint er also in seiner 79. Auflage, der Baumbach/ Lauterbach. Angesichts der nunmehrigen Bearbeiterzahl lohnt ein Blick auf die Historie: Beginnend mit dem Jahr 1924 zeichnete für die ersten 17 Auflagen Adolf Baumbach verantwortlich, von der 18. bis zur 30. Auflage war Wolfgang Lauterbach alleiniger Urheber. An der 31. Auflage wirkten dann schon Jan Albers und Peter Hartmann mit, welche sich in der Folge bis zur 64. Auflage die Arbeit teilten. Ab der 65. Auflage verfasste Peter Hartmann das Werk in alleiniger Autorenschaft. Mit der 78. Auflage kam es dann zu einer Zäsur: Die Herausgeberschaft teilten sich nun Monika Anders und Burkhard Gehle, ein Blick auf das Bearbeiterverzeichnis der nunmehrigen 79. Auflage weist aber weitere acht (!) Kommentatoren aus. Was bislang Peter Hartmann alleine vollbracht hatte, teilen sich nunmehr zehn Personen. Um so mehr muss man Hartmann höchste Anerkennung für die Sisyphusarbeit zollen, einen jedes Jahr neu erscheinenden Prozessrechtskommentar mit weit über 3.000 Seiten verfasst zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Homogenität der Kommentierung durch die Verzehnfachung (!) der Autoren nicht leiden wird. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass es heutzutage wohl kaum mehr möglich ist, dass eine einzige Person für die Bearbeitung eines umfangreichen Rechtsgebietes verantwortlich zeichnet. Nun waren für die Beibehaltung von Hartmann als Namensgeber des Kommentars sicherlich auch kommerzielle Überlegungen maßgeblich, freilich wäre alles andere auch mehr als merkwürdig gewesen. Jedenfalls ist der Wiedererkennungseffekt gewahrt. Hervorgehoben werden soll, dass der Anteil der weiblichen Bearbeiter bei 40 % liegt.

    Die Beliebtheit des Kommentars beweist am deutlichsten die Tatsache, dass er ungeachtet vieler Konkurrenzwerke nach wie vor zu den gängigsten Erläuterungsbüchern des Zivilprozessrechts zählt. Gegenüber den mehrbändigen und natürlich deutlich teureren „Kommentarungetümen“ nimmt sich der Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle sympathisch übersichtlich aus. Immerhin kommen die nunmehr zehn Autoren trotz der unendlichen Fülle des Materials mit nur einem Band aus; ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber mehrbändigen Werken. Generationen von Studierenden haben in den Literaturverzeichnissen zur ZPO-Vorlesung den Baumbach/ Lauterbach an vorderster Stelle der Empfehlungen vorgefunden, woran sich auch heute noch nichts geändert hat. Und ebenso zahllos sind die Rezensionen; was will man also noch Neues sagen, außer dass natürlich sämtliche vom Gesetzgeber für nötig befundenen Änderungen sowie die aktuelle Rechtsprechung und Literatur vollständig eingearbeitet worden sind?

    Zwei Gesichtspunkte völlig unterschiedlicher Art sollen hervorgehoben werden: zum einen die fortschreitende Digitalisierung der Justiz, zum anderen die Corona-Krise. Dabei hat letztere erstere maßgeblich vorangetrieben. Termine via Online-Plattformen waren vor der Pandemie jedenfalls im augenblicklichen Ausmaß undenkbar. Demgemäß finden sich in den §§ 128 Abs. 2, 224, 227, 233, 245, 247 und 335 ZPO sowie in §§ 169, 172 und 176 GVG entsprechende Hinweise. Das Schrifttum, welches der Kommentierung zu § 128 a ZPO vorangestellt ist, macht schon von den Titeln her deutlich, welche Relevanz der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nunmehr zukommt. Dass auch den §§ 130 a bis 130 d besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, liegt auf der Hand. So geht Anders – um nur ein Beispiel zu nennen – auch auf die Container-Signatur ein (§ 130 a Rn. 12); also mit einer qualifizierten Signatur versehene Datencontainer, die mehrere Dateien enthalten können. Während solche ContainerSignaturen bis zum 31.12.2017 in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als zulässig erachtet wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – VI ZB 7/13, NJW 2013, 2034, Rn. 10), wurden sie vom Gesetzgeber mit § 4 Abs. 2 der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) zum 01.01.2018 für unzulässig erklärt. Das übersehen nach wie vor manche Prozessbevollmächtigte, wie die dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen (zB BAG, Urteil vom 30.07.2020 – 2 AZR 43/20, NJW 2020, 3192) zeigen. Um so mehr ist es zu begrüßen, dass nach dem Wortlaut von § 130 a ZPO auch die genannte ERVV abgedruckt ist.

    Dabei enthält der Baumbach/Lauterbach/Anders/Gehle beileibe nicht nur eine Kommentierung der Zivilprozessordnung, auf welcher naturgemäß der inhaltliche Schwerpunkt liegt. Ausführlich erläutert werden zudem das GVG, natürlich auch das EGGVG. Im Rahmen von „Buch 11. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ werden nicht nur die ZPO-Normen kommentiert, sondern sind auch die einschlägigen Rechtsakte der EU – teilweise mit Hinweisen – abgedruckt. EuZustVO, EuBewVO, PKH-Richtlinie, EuVTVO und wie sie alle heißen kann man sich so unschwer und im richtigen Zusammenhang erschließen. Die sicherlich bedeutendste Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO – Brüssel Ia), welche die lange Jahre geltende Verordnung (EG) Nr. 44/2001 zum 10.1.2015 abgelöst hat, wird im Schlussanhang ausführlich kommentiert (S. 2837 ff.). In diesem finden sich auch noch eine ganze Reihe anderer nationaler und überstaatlicher Prozessrechtsakte.

    Dass sich das Werk durch ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis und ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auszeichnet, verdient ebenfalls Erwähnung. Gerade Studierende und im Referendariat befindliche Personen werden auch das Inhaltsverzeichnis dankbar zur Kenntnis nehmen. Lobenswert ist der Umgang mit Zitaten. Bei manch anderer Kommentierung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die eigene Gedankenleistung werde durch die Aneinanderreihung mehr oder weniger sinnvoller Verweise ersetzt. Die Autoren zitieren maßvoll, aktuell und immer da, wo man eine Fundstelle sucht, findet man regelmäßig auch eine. Es steht allerdings zu vermuten, dass durch das erschöpfende Eingehen auf die einzelnen Probleme nicht allzu viel nachgelesen wird; es steht ja alles Wissenswerte schon im Kommentar. Fazit: Wer sich kurz und prägnant sowie mit dem nötigen Tiefgang informieren möchte, ist mit dem Baumbach/ Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle bestens beraten. Ob irgendwann einmal online-Kommentierungen die Printwerke ganz verdrängen werden, steht noch in den Sternen, es ist aber jedenfalls nicht ausgeschlossen. Beim Baumbach/Lauterbach/Anders/Gehle wird es jedenfalls noch eine ganze Weile dauern, bis es soweit ist. (cwh) ˜

    Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

    cwh@uni-mainz.de

     

     

    VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann Holger Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO. 3. Aufl., Nomos Verlag, Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-6857-8, 289 S., € 44,00.

      Die überarbeitete 3. Auflage dieses Praxishandbuchs für Richter und Rechtsanwälte erscheint unter einem neuen Dach (im Nomos-Verlag in der Reihe NomosPraxis) und mit geändertem äußeren Erscheinungsbild; Konzeption und Ausrichtung sind jedoch unverändert geblieben.

      Im einleitenden Überblick werden die Grundlagen und Grundbegriffe des Beweisrechts dargestellt. Bereits hier finden sich, etwa bei den Ausführungen zur Behauptungs- und Darlegungslast, nützliche Praxistipps, Formulierungsmuster und anschauliche Beispiele. Das ­knappe 2. Kapitel befasst sich mit dem Beweisgegenstand und der Beweisrichtung (Haupt-, Gegenbeweis). Gegenstand des wiederum mit zahlreichen Praxistipps und Formulierungsmustern versehenen 3.

      Kapitels ist das formelle Beweisrecht mit Abschnitten zum Beweisantritt, zur Anordnung der Beweisaufnahme, zur Ablehnung einer Beweiserhebung, zum Beweistermin, zum Unmittelbarkeitsgrundsatz und zur Abgrenzung von Strengbeweis und Freibeweis. Kapitel 4 behandelt die Beweisbedürftigkeit, während das 5.

      Kapitel ausführlich die einzelnen Beweismittel (Augenschein, Zeugen-, Sachverständigen- und Urkundenbeweis sowie Parteivernehmung) darstellt. Es folgen wichtige Abschnitte zur Beweiswürdigung und Beweismaß (6. Kap.), wobei insbesondere die Ausführungen zum Anscheinsbeweis (Rn. 750-793) lesenswert sind und zur Beweislast (7. Kap.). Ein Überblick über das selbstständige Beweisverfahren schließt die Darstellung ab. Neben zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung sind Änderungen in der ZPO zum Sachverständigenbeweis eingearbeitet. Neu aufgenommen wurden Abschnitte zu anwaltlichen Gebühren (Rn. 148 a ff.) und zur audiovisuellen Vernehmung (Rn. 360 a ff.).

      Das Handbuch bietet auch in der 3. Auflage eine konzentrierte und systematische Darstellung aller wichtigen Aspekte des Beweisrechts der ZPO. Zahlreiche Beispiele, Praxistipps, Formulierungsmuster und prozesstaktische Empfehlungen geben eine hervorragende Unterstützung im Prozessalltag. Ein Werk aus der Praxis für die Praxis, das insbesondere, aber nicht nur Berufsanfängern empfohlen werden kann. (bmc)

       

      Ingo Saenger (Hrsg.), ZPO Handkommentar, 9. Aufl. Nomos, Baden-Baden 2021; ISBN 978-3-8487-7116-5, 3480 S., geb. € 128,00.

        Seit seinem Erscheinen vor über 16 Jahren erfreut sich der von dem Münsteraner ­Ordinarius Ingo Saenger herausgegebene Handkommentar zur Zivilprozessordnung großen Zuspruchs, was sich auch daran zeigt, dass nunmehr schon die 9. Auflage anzuzeigen ist. Neben dem Heraus­geber kommentieren zehn Autoren, darunter fünf Richter, die Regelungen der ZPO und einiger einschlägiger Nebengesetze und Verordnungen (u.a. FamFG, GVG, EuGVVO). Die Aktualisierungen für die Neuauflage erfassen alle Bereiche der Kommentierung. Bereits berücksichtigt sind die Änderungen durch das am 01.12.2021 in Kraft tretende Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz und selbstverständlich werden auch die juristischen Folgen der COVID-19-Pandemie an geeigneter Stelle erörtert. Wie schon bei den Vorauflagen beruhen zahlreiche Ergänzungen und Änderungen auf neuen oder aktualisierten europäischen Regelungen. Die hier erläuterten Rechtsnormen stehen mit der Rechtsprechung online in einer Datenbank zur Verfügung, deren Zugangsdaten sich auf der Innenseite des Schutzumschlages finden und deren Nutzung im Preis inbegriffen ist.

        Der Handkommentar liegt in der Mitte zwischen dem „kleinen“ Thomas/Putzo und den einbändigen Kommentaren von Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Musielak/ Voit, Prütting/Gehrlein und Zöller. Mit einem Gesamtumfang von fast 3.500 Seiten droht das Werk allerdings seine Handlichkeit einzubüßen; bei einem weiteren Anstieg des Umfangs sollte ein anderes Format gewählt werden.

        Entsprechend seinem inzwischen bewährten Konzept vermittelt der Handkommentar Kenntnis und Verständnis der prozessualen Regelungen sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung und ihrer Bewertung in Wissenschaft und Praxis. Die jeweiligen Kommentierungen folgen einem einheitlichen Aufbau, der aber nicht als starres Schema zu verstehen ist. Zunächst wird die Funktion der jeweiligen Norm herausgearbeitet, so dann werden die Tatbestandsmerkmale erläutert, um schließlich Sonderprobleme zu erörtern, auch unter kosten- und gebührenrechtlichen Aspekten, die durchgehend berücksichtigt werden. Eine vollständige Behandlung aller Detailfragen in ihrer kasuistischen Verästelung ist ausdrücklich nicht bezweckt; vielmehr wird versucht, dem Leser das Verständnis für eine sachgerechte Rechtsanwendung zu vermitteln.

        Der Praktiker wird dankbar eine Vielzahl von Antrags- und Tenorierungsmustern registrieren; bei Bedarf kann das – als Parallelband konzipierte – Prozessformularbuch zur ZPO, herausgegeben von Saenger, Ullrich und Siebert.

        Der Kommentarteil wird eingerahmt von einem Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie einem ausführlichen Sachverzeichnis. Bemerkensund empfehlenswert ist die über 30-seitige ausgezeichnete Einführung, die knapp und präzise zivilprozessuale Verfahrensgrundsätze und Grundbegriffe des Erkenntnisverfahrens behandelt und die geschichtliche Entwicklung der ZPO darstellt bis hin zu den Maßnahmen und Plänen zum elektronischen Rechtsverkehr. Der Kommentar besticht durch seine Übersichtlichkeit, Präzision und Praxis­tauglichkeit. Für jeden Praktiker ist dieser ZPO-Kommentar ein wertvoller Begleiter für die tägliche Arbeit. (bmc)

        VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann war von 2002 bis Ende Februar 2016 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe. Er ist Mitautor in mehreren juristischen Kommentaren und Autor in juristischen Fachzeitschriften.

        mueller-christmann-bernd@t-online.de

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