Recht

Zivilprozessrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2022

Saenger, Ingo / Ullrich, Christoph / Siebert, Oliver (Hrsg.), Zivilprozessordnung. Kommentiertes Prozessformularbuch. Mit Familienverfahren und ZVG, mit Online-Zugang, 5. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2022, ISBN 978-3-8487-7117-2, 2. 826 S., € 148,00.

    Wie heißt es so schön im Volksmund: Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare! In der Tat begleiten Formulare den Menschen sein ganzes Leben lang. Und da auch Juristen zu den menschlichen Wesen zählen, kommen auch sie – man möchte sagen: erst recht sie – nicht ohne eben jene Formulare aus. Das nun schon in fünfter Auflage erschienene, von Saenger, Ullrich und Siebert herausgegebene Werk zur Zivilprozessordnung trägt den Untertitel „Kommentiertes Prozessformularbuch. Mit Familienverfahren und ZVG“. Dabei darf man das Wort „Formular“ nicht sprichwörtlich nehmen, verbindet man es doch unwillkürlich mit dem trockenen Amtsschimmel beileibe nicht nur deutscher Behörden. Viel angebrachter wäre die Bezeichnung „Muster“, freilich ist diese Wortwahl nicht so plastisch. Indes geht das Werk weit über die bloße Ansammlung von Vorlagen hinaus. Im Gegenteil findet der Leser zu den behandelten Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO), des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) ausführliche Erläuterungen nebst umfangreichen Literatur- und Rechtsprechungshinweisen. 19 Autorinnen und Autoren aus der Anwaltschaft, der Richter- und Rechtspflegerschaft sowie der Verwaltung haben sich der Aufgabe unterzogen, entsprechend dem Aufbau der behandelten Regelwerke – bei der ZPO also von § 1, welcher hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit auf das GVG verweist bis zu § 1120, in dem es um mehrsprachige Formulare gem. Art. 7 Verordnung (EU) 2016/1191 geht – den Nutzer des Werkes mit Hinweisen und Mustern zu versorgen. In einem zu Beginn des Buches angelegten alphabetisch geordneten Musterverzeichnis werden die Vorlagen dann auch noch mit Stichworten aufgeführt, damit man sie schnell finden kann. 49 kleingedruckte Seiten nimmt alleine dieses Musterverzeichnis ein, welches mit „Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung durch Beschluss“ beginnt und mit „Zwischenurteil“ endet, also eben von „A“ bis „Z“. Der Aufbau des Buches folgt grundsätzlich folgender Regel: Zunächst werden die Paragrafen im sachlichen Zusammenhang abgedruckt, dann folgen unter A. die Muster, welche anschließend unter B. erläutert werden. Wo dies geboten ist – etwa bei §§ 50, 51 ZPO –, wird aus Zweckmäßigkeitsgründen noch weiter untergliedert. Sinnvollerweise werden zunächst die anwaltliche Sicht (Welcher Antrag ist zu stellen?) und dann die gerichtliche Sicht (Wie lautet die Entscheidung?) im Sinnzusammenhang erläutert, taktische Ratschläge ergänzen die Darstellung Einige Auszüge mögen die kluge Konzeption des Werkes verdeutlichen: So findet man bei § 37 ZPO („Verfahren bei gerichtlicher Bestimmung“) zunächst unter „A. Anwaltliche Sicht“ ein Mustergesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts nebst Begründung, welches anschließend erläutert wird. Unter „B. Gerichtliche Sicht“ findet man dann einen ausführlich begründeten Beschluss, auch hier wird man anschließend darüber aufgeklärt, warum dieses oder jedes so zu judizieren ist. Natürlich werden die Protagonisten auch hinsichtlich der entstandenen Gebühren nicht alleine gelassen. Bei § 91 a ZPO („Kosten bei Erledigung der Hauptsache“) wird aus anwaltlicher Sicht nach den verschiedenen Prozesssituationen differenziert: I. Erledigterklärung des Klägers, II. Reaktionen des Beklagten auf die Erledigungserklärung des Klägers und III. Reaktion des Klägers nach Widerspruch des Beklagten. Die gerichtliche Sicht wiederum orientiert sich an der I. Übereinstimmenden Erledigungserklärung, der II. teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung, der III. einseitigen Erledigterklärung des Klägers und IV. der teilweisen Erledigterklärung des Klägers. All dies wird durch Muster formalisiert. Breiten Raum nimmt naturgemäß die Darstellung zu § 300 ZPO („Endurteil“) ein, in welcher man eine Vielzahl von Titulierungsbeispielen findet. Aber auch im Zwangsvollstreckungsrecht wird man nicht alleine gelassen. Nicht jeder wird schon einmal eine Klauselklage des Rechtsnachfolgers des Titelgläubigers erhoben haben. Bei § 731 ZPO („Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel“) findet man das Nötige. Wo erforderlich gehen die Verfasser selbstredend auf einschlägige Rechtsakte der Europäischen Union ein, so etwa auf die Prozesskostenhilfe nach der Richtlinie 2003/8/EG und den Europäischen Vollstreckungstitel entsprechend der VO (EG) Nr. 805/2004. Auch die Mustertexte nebst den dazugehörigen Erläuterungen zum FamFG sowie zum ZVG beziehen unionsrechtliche Rechtsquellen mit ein. 2.826 Seiten umfasst das opus, welches alle Gebiete des Zivilverfahrensrechts abdeckt. Rechtsprechungs- und Literaturnachweise an der jeweils richtigen Stelle fehlen natürlich ebenfalls nicht. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis rundet das Werk ab. Das kommentierte Prozessformularbuch erspart einem also – auch dank des Online-Zugangs – in vieler Hinsicht die eigene Formulierungsarbeit und erklärt auch noch das Verhalten im Prozess. Es ist also auf die Parteivertreter, sprich die Anwaltschaft, und die Dritte Gewalt zugeschnitten. Die Anschaffung lohnt sich also für beide Akteure gleichermaßen. (cwh)

     

    Dassler, Gerhard / Schiffhauer, Horst / Hintzen, Udo / Engels, Ralf / Rellermeyer, Klaus, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung – einschließlich EGZVG und ZwVwV, Kommentar, Verlag Ernst und Werner Gieseking, 16. Aufl., Bielefeld 2020, ISBN 978-3-7694-1226-0, XLIV und 1714 S., € 140,00.     

      Die §§ 864 bis 871 ZPO regeln die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuldners, der sich einem Vollstreckungstitel ausgesetzt sieht. Hinsichtlich der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung verweist § 869 ZPO auf ein besonderes Gesetz. Das damit angesprochene Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) ist damit ein Teil der Zivilprozessordnung. In Kraft trat es am 1.1.1900. Nun gibt es Kommentare zur Zivilprozessordnung deren viele, angefangen beim kleinen Handkommentar bis hin zum mehrbändigen Großkommentar. Bei weitem nicht so üppig sieht es mit Kommentierungen zum ZVG aus, wie überhaupt diese Materie literarisch eher vernachlässigt wird. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass das von Paul Reinhard und Hans Müller vor über 100 Jahren begründete und von Gerhard Dassler sowie Horst Schiffhauer nach einem Vierteljahrhundert Pause ab der 9. Auflage fortgeführte Werk eine Neuauflage erfahren hat. Die beiden letzteren sind immer noch als Autoren verzeichnet, auch wenn der Kommentar seit der 13. Auflage 2007 von Udo Hintzen, Ralf Engels und Klaus Rellermeyer verantwortet wird. Seit der letzten Auflage sind rund vier Jahre vergangen, die höchstrichterliche Rechtsprechung ist seither nicht untätig geblieben, den Autoren ging also die Arbeit nicht aus. Zu erwähnen ist, dass es sich bei diesen um erfahrene Praktiker handelt, wobei ein Blick auf die angegebenen Berufe schon deutlich macht, wer mit Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltungen in erster Linie zu tun hat: Hintzen und Rellermeyer sind Diplom-Rechtspfleger, Rechtsanwalt Engels arbeitet als Zwangsverwalter. Ein Blick in § 3 Nr. 1 i Rechtspflegergesetz lehrt, dass die Verfahren nach dem ZVG den Rechtspflegern übertragen sind. Es liegt also nahe, dass diejenigen, die damit beruflich zu tun haben, auch die literarische Verantwortung für das richtige Verständnis der Vorschriften übernehmen. Die eigentliche Kommentierung umfasst stolze 1.622 Seiten. Erläutert werden nicht nur die 186 Paragrafen des ZVG, auch das Einführungsgesetz dazu (EGZVG) wird besprochen. Selbst bei eher entlegenen Rechtsinstituten wie dem Stockwerkseigentum (§ 2 EGZVG Rn. 11 f.) wird man nicht alleine gelassen, kaum jemand weiß noch, was Revenuenhypotheken oder Fideikomisse sind (§ 2 EGZVG Rn. 15). In einem Anhang wird die Zwangsverwalterverordnung abgedruckt, ferner finden sich hier die Ausführungsgesetze der Länder sowie das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu den einkommensteuerlichen Pflichten des Zwangsverwalters vom 10.2.2015. Eingearbeitet in die Kommentierung wurden im Hinblick auf die Zwangsversteigerung unter anderem die Rechtsprechung zur Rechts- und Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft, zur Verfahrenseinstellung aufgrund vorgetragener Suizidgefahr, zur Bestellung von Zustellungsvertretern, zur Wirkung und zum Umfang der Beschlagnahme und zur wichtigen Frage des Lastenübergangs auf den Ersteher. Was die Zwangsverwaltung betrifft, sind Fragen der Auswahl, der Aufgaben und der Stellung des Zwangsverwalters immer wieder Gegenstand neuer Rechtsprechung. Einige Abschnitte haben eine neue Bearbeitung erfahren, so wird den „Versteigerungsverhinderern“ besonderes Augenmerk geschenkt, ebenso der Abgabe von Geboten in betrügerischer Absicht sowie bestimmten Rechtsbehelfen wie den außerordentlichen Beschwerden gegen den Zuschlag. Am Rande sei bemerkt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz das ZVG hat evaluieren lassen. Für den Abschlussbericht in rechtsvergleichender Hinsicht, welcher auch Grundlage von Reformvorschlägen sein sollte, zeichneten Klaus Bartels und Marie-Louise Noll verantwortlich. Wer also über den Tellerrand des nationalen Rechts in einzelnen Fragen hinausblicken will, dem sei ein Blick in diesen Bericht empfohlen. Der Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer hält nach alledem auch in der Neuauflage, was der Name verspricht. Schon der Umfang der Kommentierung lässt erahnen, wie detailliert den Einzelproblemen nachgegangen wird. Wie gelesen kommt die Erläuterung trotz des Umfangs gleichwohl mit nur drei Autoren aus, was aus Homogenitätsgründen uneingeschränkt zu begrüßen ist. Fazit: Wer sich mit schwierigen Fragen zum Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsrecht auseinanderzusetzen hat, wird jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung im neuen Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer erfahren. Was will man mehr von einem Kommentar zu diesen Themen? (cwh)

       

      Anders / Gehle (Hrsg.), Zivilprozessordnung, Verlag C.H.Beck, 80. Auflage, München 2022, ISBN 978-3-406-77775-2, 3162 S., € 175,00.

        Wer jahrzehntelang gewohnt war, mit dem „Baumbach“ zu arbeiten, der wird sich zunächst einmal erstaunt die Augen reiben, wenn er auf dem Umschlag nun nur noch Anders/Gehle liest. Dies bedingt schon ein Blick auf die Historie des Kommentars: Beginnend mit dem Jahr 1924 zeichnete für die ersten 17 Auflagen Adolf Baumbach verantwortlich, von der 18. bis zur 30. Auflage war Wolfgang Lauterbach alleiniger Urheber. An der 31. Auflage wirkten dann schon Jan Albers und Peter Hartmann mit, welche sich in der Folge bis zur 64. Auflage die Arbeit teilten. Ab der 65. bis zur 77. Auflage verfasste Peter Hartmann das Werk in alleiniger Autorenschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt hieß das Werk Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann. Mit der 78. Auflage kam es dann zu einer Zäsur: Die Herausgeberschaft teilten sich nun Monika Anders und Burkhard Gehle, deren Namen prangten zusätzlich auf dem Einband. Im Vorwort zur jetzigen Auflage heißt es lapidar, der Beck-Verlag habe sich entschlossen, den ZPO-Kommentar aber der 80. Auflage nach seinen aktuellen Herausgebern zu benennen. Baumbach, Lauterbach, Albers und Hartmann, welche in wechselnder Besetzung das Werk fast ein Jahrhundert lang verantwortet haben, scheinen nur noch im Verzeichnis der ausgeschiedenen Bearbeiter auf. Bedenkt man, dass Baumbach nur bis zur 17. Auflage, Lauterbach bis zur 31. Auflage und Albers bis zur 64. Auflage ihren Teil zur Kommentierung beigetragen haben und gleichwohl bis 2021 den Einband zierten, mutet das Verschwinden von Hartmann gerade mal drei Jahre nach seinem Ausscheiden zumindest seltsam an. Ob sich der Verlag und die nunmehrigen Herausgeber damit einen Gefallen getan haben, wird man sehen müssen. Den Baumbach hat man schon deshalb gekauft, weil er eine Institution war. Ob es die aktuellen zehn Autorinnen und Autoren zu einer solchen schaffen werden, bleibt abzuwarten.

        In der Neuauflage spielt naturgemäß die fortschreitende Digitalisierung der Justiz eine Rolle, dies gilt insbesondere für die flächendeckende Einführung der E-Akte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 130 d S. 1 ZPO seit 1.1.2022 vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Insoweit ist es zu begrüßen, dass die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) nebst den dazu ergangenen Bekanntmachungen nach § 130 a ZPO abgedruckt wird und der Inhalt auch in der Kommentierung zu dieser Vorschrift Beachtung erfährt. Dem Vernehmen nach ist noch nicht jeder Rechtsanwender in der Materie firm. Auch die Covid 19-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen: Termine via Online-Plattformen waren vor der Pandemie jedenfalls im augenblicklichen Ausmaß undenkbar. Das Schrifttum, welches der Kommentierung zu § 128 a ZPO vorangestellt ist, macht schon von den Titeln her deutlich, welche Relevanz der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nunmehr zukommt. In den Ausführungen zu §§ 128 Abs. 2, 224, 227, 233, 245, 247 und 335 ZPO sowie in §§ 169, 172 und 176 GVG finden sich weitere Hinweise. Nachdem nun § 130 Abs. 1 S. 3 ZPO die Strukturierung und Abschichtung des Prozessstoffes nahelegt und damit die gute alte Relationsmethode auch eine gesetzgeberische Renaissance erlebt, wird dieser Neuordnung des Verfahrens in den Randnummern 35 bis 35 g zu § 139 ZPO ausführlich Rechnung getragen. Ob sich ein verbindliches „Basisdokument“ durchsetzen wird, kann man bezweifeln, jedenfalls ist es nicht unproblematisch (§ 135 ZPO Rn. 35 e). Im Übrigen sind gesetzliche Neuerungen, Rechtsprechung und Schrifttum wie immer eingepflegt worden. Natürlich liegt der Schwerpunkt des Kommentars auf der Zivilprozessordnung erläutert werden zudem das GVG, natürlich auch das EGGVG. Im Rahmen von „Buch 11. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ werden nicht nur die ZPO-Normen kommentiert, sondern sind auch die einschlägigen Rechtsakte der EU – teilweise mit Hinweisen – abgedruckt. EuZustVO, EuBewVO, PKH-Richtlinie, EuVTVO und wie sie alle heißen kann man sich so unschwer und im richtigen Zusammenhangberschließen. Die sicherlich bedeutendste Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO – Brüssel Ia), welche die lange Jahre geltende Verordnung (EG) Nr. 44/2001 zum 10.1.2015 abgelöst hat, wird im Schlussanhang ausführlich kommentiert (S. 2968 ff.). In diesem finden sich auch noch eine ganze Reihe anderer nationaler und überstaatlicher Prozessrechtsakte.

        Dass sich das Werk durch ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis und ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auszeichnet, soll noch gesagt werden. Wer sich kurz und prägnant sowie mit dem nötigen Tiefgang informieren möchte, ist mit dem Baumbach auch unter dem Namen Anders/Gehle gut beraten. (cwh)

         

        Kroiß, Ludwig (Hrsg.), FormularBibliothek Zivilprozess, mit Online-Zugang, 4. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2022, ISBN 978-3-8487-7864-5, 3.203 S., € 198,00.

          Wie heißt es so schön im Volksmund: Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare! In der Tat begleiten Formulare den Menschen sein ganzes Leben lang. Und da auch Juristen zu den menschlichen Wesen zählen, kommen auch sie – man möchte sagen: erst recht sie – nicht ohne eben jene Formulare aus. Das nun schon in vierter Auflage erschienene, von Ludwig Kroiß herausgegebene Werk trägt den Titel „FormularBibliothek“. Dabei darf man das Wort „Formular“ nicht sprichwörtlich nehmen, verbindet man es doch unwillkürlich mit dem trockenen Amtsschimmel beileibe nicht nur deutscher Behörden. Viel angebrachter wäre die Bezeichnung „Muster“, freilich ist diese Wortwahl nicht so plastisch. Im Werk selbst findet sich dieses Synonym zu Recht aber durchgängig. Indes geht die FormularBibliothek weit über die bloße Ansammlung von Vorlagen hinaus. Im Gegenteil findet der Leser zu den behandelten Themen ausführliche Erläuterungen nebst umfangreichen Literatur- und Rechtsprechungshinweisen. Die einzelnen Rechtsgebiete sind in „Büchern“ zusammengefasst.

          Geht man nach dem Alphabet, so steht an erster Stelle das Buch zum Arbeitsrecht, welches Oehme und Mayer verantworten. Die Autoren gliedern die Darstellung in vier Teile, nämlich die Mandatsübernahme sowie das gerichtliche Verfahren erster, zweiter und dritter Instanz. Bei der Mandatsübernahme (S. 51 – 76) findet der Leser nicht zuletzt ausführliche Hinweise zu den Kosten, der Rechtsschutzversicherung sowie den Anwaltsgebühren. Das Urteilsverfahren erster Instanz bildet den Schwerpunkt (S. 77 – 218) und ist thematisch gegliedert. Naturgemäß nimmt der Kündigungsschutzprozess breiten Raum ein, wobei sinnvollerweise jeweils gesondert die Situation aus Sicht des Arbeitnehmervertreters sowie des Arbeitgebervertreters beleuchtet wird. Bei der zweiten Instanz (S. 219 – 234) wird die Anhörungsrüge mitbehandelt und wer sich hilfesuchend an das Bundesarbeitsgericht wendet, muss sich mit dem Urteilsverfahren dritter Instanz (S. 235 – 413) befassen. 102 Muster helfen bei der Rechtsdurchsetzung, der weniger erfahrene Prozessvertreter wird sich wohl nicht zuletzt über die Beispiele zum Beklagtenrubrum freuen. Das Familienrecht stellt den umfangreichsten Band. Gleich vier Autoren (B. Heiß, H. Heiß, Kunz, Zinke) teilen sich die gewaltige Aufgabe, die Ehescheidung (§ 1), die Verfahrens­ kostenhilfe (§ 2), Kindschaftssachen (§ 3), das Umgangsrecht (§ 4), die (menschlich betrachtet traurige) Herausgabe des Kindes nach § 1632 Abs. 1 BGB (§ 5), die (noch traurigeren) Kindesentführungsfälle (§ 6), den Ehegattenunterhalt (§ 7), den Kindesunterhalt (§ 8), die Vermögens­ auseinandersetzung unter Ehegatten (§ 9), den Versorgungsausgleich (§ 10), die Ehewohnungssachen (§ 11), die (auch Schlimmes ahnen lassenden) Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 12), die Haushaltsaus­ einandersetzung (§ 13), das Abstammungsverfahren (§ 14) sowie den Unterhaltsanspruch der nichtverheirateten Mutter gegen den Erzeuger des nichtehelichen Kindes (§ 15) juristisch aufzuarbeiten und dem Leser nahezubringen. 149 Muster sind nötig, um die Facetten eines mehr oder weniger gescheiterten Familienlebens erfassen zu können. Neben zahlreichen Musterschreiben wird auch das prozessuale Vorgehen eingehend dargestellt.

          Miete, Wohnungseigentum und Nachbarrecht bilden den Inhalt des nächsten Buches. Vier Autoren (Bruns, Grüter, Wisselmann, Zwissler) besorgen das Mietrecht. Begonnen wird mit einer Einführung zu den Grundbegriffen (§ 1), nicht zuletzt auch typische Fehler in Mietverträgen (§ 2) führen zu Streitigkeiten im laufenden Mietverhältnis (§ 3). Die Miethöhe (§ 4) interessiert beide Parteien, während an einem Räumungsprozess (§ 5), dem Vollstreckungsverfahren (§ 6) sowie einstweiligen Verfügungen (§ 7) naturgemäß primär der Vermieter interessiert ist. Die Rückforderung der Mietsicherheit (8) betrifft den Mieter. Eingegangen wird schließlich noch auf die Klage auf Rückbau (§ 9), die Deckungsklage (§ 10) sowie Mietprozesse mit Erbrechtsbezug (§ 11). Dem Wohnungseigentum widmen sich Boeckh, Tyarks und Ruge, wobei zunächst die Grundzüge des WEG-Verfahrens erläutert werden (§ 1). Streitigkeiten gibt es immer, sei es über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung (§ 2), sei es zwischen den Wohnungseigentümern (§ 3), sei es zwischen der Gemeinschaft und einzelnen Eigentümern (§ 4) oder unter Beteiligung Dritter (§ 5). Auch über die Rechtsstellung des Verwalters kann man unterschiedlicher Auffassung sein (§ 6), vorläufiger Rechtsschutz (§ 7) sowie Rechtsmittel (§ 8) können erforderlich sein. Nachbarschaftsstreitigkeiten werden nicht selten belächelt, können aber den Betreffenden das Leben vergällen. Poller nimmt sich ihrer an, wobei grundsätzliche Problemstellungen den Anfang bilden (§ 1). Beleuchtet werden dann die verschiedenen Ansprüche, so der allgemeine Abwehranspruch (§ 2), Ansprüche im Zusammenhang mit § 906 Abs. 1 BGB (§ 3), diejenigen aus § 907 Abs. 1 BGB (§ 4), aus § 908 BGB (§ 5), aus § 909 BGB (§ 6), das Selbsthilferecht gem. § 910 BGB (§ 7), der Abwehranspruch nach §§ 912, 1004 BGB (§ 8), das Notwegerecht gem. § 917 BGB (§ 9), sonstige in Betracht kommende Ansprüche der Nachbarn gegeneinander (§ 10), solche auf Entschädigung (§ 11) sowie Schadensersatz (§ 12). Grunddienstbarkeiten (§ 13) und Grenzstreitigkeiten (§ 14) runden das Thema ab, 23 Muster erleichtern dem Leser den Umgang mit der Materie. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbsrecht sind in einem Buch zusammengefasst. Das Gesellschaftsrecht wird von David nach praktisch wichtigen Problemkomplexen gegliedert. Behandelt werden: die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen (§ 1), Wettbewerbsverstöße durch Gesellschafter (§ 2), deren Mitwirkung bei Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 3), Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft stellen (§ 4), Klagen auf Ausschließung eines Gesellschafters (§ 5), Klagen auf Schadensersatz wegen unzureichender Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 6), der vorläufige Rechtsschutz bei Abberufung eines Gesellschafters (§ 7) sowie die Durchsetzung von Gesellschafterinformationsrechten (§ 8). Angesprochen werden jeweils die vorprozessuale Situation sowie das prozessuale Vorgehen, wobei auch der einstweilige Rechtsschutz und die Zwangsvollstreckung nicht zu kurz kommen. Der Materie des Wettbewerbsrechts geschuldet stellt Breuer in einer Einleitung (§ 1) zunächst Grundsätze des UWG dar. Anschließend wird die vorprozessuale Situation bei Wettbewerbsverstößen (§ 2) beleuchtet. Die zahlreichen Muster beginnen bei der Abmahnung und enden mit der Schutzschrift. Das gerichtliche Verfahren findet seine Erläuterung in § 3. Ausführlich (S. 1724 – 1740) geht Breuer auf die einstweilige Verfügung ein. Was die Zwangsvollstreckung anbelangt (4), findet sich bei den Mustern ein Ordnungsmittelantrag (§ 890 ZPO) sowie ein Zwangsmittelantrag (§ 888 ZPO).

          Es folgt das Buch zu Verkehr, Schaden und Versicherung. Janeczek verantwortet das Verkehrszivilrecht. Es dominiert die vorprozessuale Situation (S. 1785 – 1846). Janeczek geht nach Hinweisen zur Mandatsübernahme eingehend auf die außergerichtliche Tätigkeit von der Kontaktaufnahme mit den Verfahrensbeteiligten bis zur Schadensbezifferung ein. Der Prozess darf dann natürlich nicht fehlen, insbesondere der bei Verkehrsunfällen wichtige Anscheinsbeweis findet ausführliche Betrachtung. 32 Muster helfen bei der Abwicklung entsprechender Streitigkeiten. In Teil 2 des Bandes wird das Deliktsrecht von Poller skizziert. Nach einem Überblick über die Anspruchsgrundlagen (§ 1) stehen die §§ 823 ff. BGB im Fokus des Autors. Das Schmerzensgeld erhält einen eigenen Abschnitt (§ 3), für den Betroffenen meistens schlimme Folgen hat die Verletzung, wenn er eine Geldrente beanspruchen kann (§ 4). Ernst nehmen sollte man die Hinweise von Teichner zu Beginn seiner Ausführungen zum Arzthaftungsrecht im dritten Teil des Bandes. Er warnt ausdrücklich davor, Patientenmandate ohne eine entsprechende Spezialisierung und damit vorhandenes Hintergrundwissen zu übernehmen (§ 1, S. 1931  f.). Wenn man seine zahlreichen Muster (§ 2) mit den dazugehörigen Erläuterungen liest, wird einem die Komplexität der Materie im Spannungsfeld zwischen Recht, Medizin und (Sozial)Versicherung deutlich. Hinzu kommt die psychologische Komponente bei den Geschädigten. Letztere stellt sich im Versicherungsrecht immer dann, wenn der Versicherte meint, aufgrund der gezahlten Beiträge nun auch einen Anspruch auf die Versicherungsleistung zu haben. Riedmeyer geht im vierten Teil auf diese Fragen ein, schildert zunächst das versicherungsrechtliche Mandat als solches (§ 1) und erklärt dann Widerruf und Beendigung von Versicherungsverträgen (§ 2). Der Hauptteil der Ausführungen ist dann naturgemäß der Geltendmachung von Versicherungsschäden gewidmet (§ 3). Des privaten Baurechts nehmen sich Sonntag, Rütten und Birkenkämper im sechsten Buch an. Zunächst gehen die Autoren auf die Vertragsbeziehung ein, ausgehend von der Unzulänglichkeit des BGB-Werkvertrages werden die VOB erläutert (§ 1). Ausführlich werden danach die Vertragsabwicklung (§ 2) respektive die vorprozessualen Handlungsalternativen dargestellt. 196 (!) Muster werden hierfür bereitgestellt. Wenn mancher Bauherr all die möglichen Streitigkeiten bedenken würde, denen hier Rechnung getragen wird, würde er den Hausbau wohl lassen. Weder das selbständige Beweisverfahren (§ 3) noch die Nachtrags- und Sicherungsvereinbarungen (§ 4) werden ihn da beruhigen können, immerhin weiß sein Berater nach der Lektüre der Ausführungen, was zu tun ist. Und natürlich finden sich in dem Band zum privaten Baurecht auch Muster für Klagen (§ 5). 48 Vorschläge machen die Autoren. Dass diese 160 Seiten beanspruchen, macht die Vielfalt des Bauprozesses deutlich.

          Der Band zum Schuldrecht beginnt mit dem von Kröger verfassten Kauf. Nach einer Einleitung (§ 1) und Hinweisen zur gerichtlichen Durchsetzung (§ 2) werden die relevanten Vertragstypen und Problemkomplexe behandelt, so zunächst der Kauf beweglicher Sachen (§ 3) und der Verbrauchsgüterkauf (§ 4). Dann kommen die Garantieerklärungen (§ 5), Verbraucherverträge (§ 6), der Kauf bei „ebay“ (§ 7) und der Kauf unter Eigentumsvorbehalt (§ 8) folgen. Nach Hinweisen zum Rückgriff des Unternehmers (§ 9) geht es an den Kauf unbeweglicher Sachen (§ 10). Der Kauf auf Probe (§ 11), der Wiederkauf (§ 12), der Optionsvertrag (§ 13), der Teilzahlungskauf (§ 14), der Ratenlieferungsvertrag (§ 15) und der Handelskauf (§ 16) dürfen ebenfalls nicht fehlen. Abgeschlossen wird dieser Teil des Schuldrechtsbandes mit den Vorkaufsrechten (§ 17) und dem Tausch (§ 18). Zittel und Fauser skizzieren im nächsten Teil das Leasing. Nach den rechtlichen Grundlagen (§ 1) werden die Störungen im Leasingverhältnis behandelt (§ 2), nicht selten schließt sich an das Leasing der Kauf des Fahrzeugs an (§ 3) und was bei einem Unfall zu tun ist (§ 4), wird auch erörtert. Zittel übernimmt auch die Bürgschaft im dritten Teil des Bandes. „Wer bürgt, der wird erwürgt“, lautet ein alter Rechtsgrundsatz, deshalb tun Bürgen gut daran, sich über ihre Einstandspflicht klar zu werden (§ 1). Müssen sie zahlen, ist an den Rückgriff beim Hauptschuldner zu denken (§ 2). Am interessantesten für den Bürgen ist der Anspruch auf Befreiung (§ 3). Mit IT-Recht ist der vierte Teil überschrieben, Kummermehr zeichnet hierfür verantwortlich. Der E-Commerce steht am Anfang der Darstellung (§ 1), Streitigkeiten mit internet-domains (§ 2) beschäftigen nicht selten die Gerichte. Der Schutz von Software ist ebenfalls ein Thema (§ 3), Mängel kann es nicht nur bei dieser, sondern auch bei der Hardware geben (§ 4).

          Im achten Band sind Sachenrecht und Erbrecht zusammengefasst. Teichmann, Michel, Burger und Kahlert sind für ersteres zuständig. Behandelt wird die Herausgabe nach § 985 BGB (§ 1), wobei Fristsetzung und Schadensersatz besondere Beachtung geschenkt wird (§ 2). Es folgt der Herausgabeanspruch nach § 861 BGB (§ 3), der Anspruch wegen Besitzstörung (§ 4), die Herausgabe nach § 1007 BGB sowie die wichtige Klage aus § 1004 BGB (§ 6). Naturgemäß ausführlich wird auf das Grundstücksrecht eingegangen (§ 7). 65 Muster decken die genannten Themen ab. Viele Fragen wirft auch das Erbrecht auf, welches Kroiß besorgt. Die Klage auf Feststellung der Erbschaft steht am Anfang (§ 1), dann geht es um die Herausgabe derselben (§ 2). Auch der Pflichtteilsberechtigte will seinen Anteil (§ 3) und sei es im Wege der Pflichtteilergänzungsklage gegen den Beschenkten (§ 4). Die Erbunwürdigkeitsklage (§ 5) sowie die Klage des Vertragserben gegen den Beschenkten (§ 6) – letzterer hat es wahrlich nicht leicht – schließen sich an. Nachlassgläubiger werden gegen den Erben klagen (§ 7), dieser muss sich verteidigen (§ 8). Die Klage auf Herausgabe von Nachlassgegenständen (§ 9) schließt sich an, ferner will auch der Vermächtnisnehmer zu seinem Recht kommen (§ 10). Und auch Miterben (§ 11) sowie Vor- und Nacherben (§ 12) können in gerichtliche Auseinandersetzungen geraten. Der Tod kostet also nicht nur das Leben, sondern gibt den Juristen auch Brot für eben jenes. Eine Vielzahl von Mustern erleichtert dieses Unterfangen.

          Acht Bücher auf rd. 3.815 Seiten umfasst das gewaltige Opus, welches rd. zwanzig Rechtsgebiete abdeckt. Alle Bände enthalten jeweils ein umfangreiches Stichwortverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise. Sinnvollerweise werden materielles Recht und Prozessrecht miteinander verbunden, wertvoll sind vor allem auch die Hinweise zur Zwangsvollstreckung, denn was nützt der schönste Titel, wenn man ihn nicht durchsetzen kann. Taktische Ratschläge und – die Anwaltschaft wird es besonders danken – Ausführungen zu den maßgeblichen Gebühren ergänzen die Darstellung. Die FormularBibliothek erspart einem also in vieler Hinsicht die eigene Formulierungsarbeit und erklärt auch noch das außerprozessuale Vorgehen sowie das Verhalten im Prozess. Die Anschaffung lohnt sich also allemal, zumal das Werk die Online-Nutzung des Volltextes sowie der zitierten Gesetze und der Rechtsprechung einschließt. (cwh)

          Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

          cwh@uni-mainz.de

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