Recht

Insolvenzrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2019

Rattunde, Rolf/Smid, Stefan/Zeuner, Mark (Hrsg.), Insolvenzordnung, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 4. überarb. Aufl. 2018, 2 Bände in Schuber, ISBN 978-3-17-025878-5, € 269,00

Kommentare zur Insolvenzordnung gibt es eine ganze Rei­he, was die Bedeutung dieses Rechtsgebiets unterstreicht. In 4. Auflage erschienen ist nunmehr das von Rattunde, Smid und Zeuner herausgegebene zweibändige Erläute­rungswerk. 2.412 Seiten werden von 20 Autorinnen und Autoren, welche ganz überwiegend aus der Zunft der Insolvenzverwalter stammen, verantwortet. Naturgemäß waren die zahlreichen Änderungen der Insolvenzordnung in den vergangenen Jahren einzuarbeiten. Zu berück­sichtigen waren insbesondere die Novellierung des § 104 In ­ sO, die Reform des Anfechtungsrechts sowie das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolven­zen. Im Vorwort wird aber ausdrücklich auch auf die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) verbundenen Fragen hingewiesen. Dieses hat sich bekanntlich einen Sanierungsauftrag zum Ziel gesetzt: Der Erhalt des Unternehmens soll über ei­nen Insolvenzplan möglich gemacht werden, insbesondere sind nunmehr Eingriffe in Gesellschafterrechte möglich. Diesen Gesetzeszweck muss man vor dem Hintergrund se­hen, dass sich der Insolvenzplan nicht unbedingt großer Beliebtheit erfreute: Von 1999 bis 2012 wurden 284.293 Unternehmensinsolvenzen eröffnet. In gerade mal 2.893 dieser Verfahren wurden Insolvenzpläne eingereicht, von denen 2.372 die gerichtliche Vorprüfung positiv überstan­den. Also nur in weniger als 1 % der Verfahren konnte die Zerschlagung des Unternehmens durch einen Insolvenz­plan jedenfalls zunächst abgewendet werden. Die Heraus­geber betonen, dass seit Inkrafttreten des ESUG die Zahl der Insolvenzplanverfahren deutlich gestiegen sei, was eine ganze Reihe neuer Rechtsfragen mit sich gebracht habe. Im Übrigen hat auch die Reform des Verbraucherin­solvenzverfahrens im Jahre 2014 eine ganze Reihe von bislang nicht bekannten Problemen mit sich gebracht. Auch diesen widmet sich die Kommentierung. Das Werk zeichnet sich durch große Praxisnähe aus, so findet man etwa im Abspann zu § 2 InsO eine Auflistung sämtlicher Insolvenzgerichte Deutschlands. Im Übrigen wird aber auch klar Position bezogen: So hält Kirchner bei der Erläuterung der Stundungsregeln die Vor- und Nachwirkungsrechtsprechung des BGH für nicht mehr anwend­bar (§ 4a Rn. 3). Näher dargestellt wird das Rechtsmit­telrecht von Smid in seiner Kommentierung zu § 6 InsO. Breiten Raum nehmen auch die Erläuterungen zu §§ 21 –-25 InsO ein, welche Thiemann verantwortet. Der Masse widmen sich eingehend Smid, Depré/Popp und Burgenger (§§ 35 – 48). Dass die Rolle des Verwalters sorgsam be­leuchtet wird, versteht sich von selbst, Rechel gibt insbe­sondere nähere Auskünfte zur Verwalterbestellung, welche ja durchaus Diskussionen ausgelöst hat (§ 60 Rn. 4 ff.). Gerade Unterhaltsgläubiger werden die Ausnahmen vom Vollstreckungsverbot interessieren, die Smid erklärt (§ 89 Rn. 23 ff.).

Die Neukommentierung des § 104 InsO verantwortet Zeuner. Die Vorschrift trägt die Überschrift „Fixgeschäfte, Finanzleistungen, vertragliches Liquidationsnetting“ und wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Insol­venzordnung und zur Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3147) weitgehend neu gefasst. Die Novellie­rung wurde notwendig durch eine Entscheidung des BGH vom 9.6.2016 (BGHZ 210, 321), welcher Vereinbarungen zur Abwicklung von Finanzmarktkontrakten für unwirk­sam hielt, soweit sie für den Insolvenzfall einer Vertragspartei Rechtsfolgen vorsahen, welche von § 104 InsO a.F. abwichen. Die Neukommentierung enthält demgemäß zunächst einen Überblick über den Normzweck der Vor­schrift und ihre Entstehungsgeschichte. Danach geht Zeuner ausführlich auf den neugefassten Tatbestand sowie die Rechtsfolgen des § 104 InsO ein. Die praktisch wichti­ge Kündigungsvorschrift des § 113 InsO beleuchtet Aghamini, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht auch die Grund­sätze des Kündigungsrechts kundig darzustellen vermag (Rn. 18 ff.). Klar positioniert sich dann Zeuner in Bezug auf die Weitergeltung von Abtretungen (§ 114 a.F. Rn. 1, 7) nach Verfahrenseröffnung und Verfahrensende. Es liegt nahe, dass Aghmani auch das gesamte Insolvenzarbeits­ recht übernimmt (§§ 120 – 128 InsO). Hervorzuheben sind die sorgfältigen Darlegungen zu § 125 InsO sowie zum Betriebsübergang (§ 128 Rn. 2 ff.).

Die Neuerungen des Anfechtungsrechts beleuchtet Zeuner im Rahmen der §§ 129 bis 147 InsO. Die Insolvenzanfechtung dient der Rückgängigmachung einer durch den Schuldner vorinsolvenzlich getroffenen Vermögens­verschiebung, durch welche Werte der Masse entzogen werden und die Insolvenzgläubiger dadurch eine Benach­teiligung erfahren. Es liegt auf der Hand, dass hier die unterschiedlichsten Interessen aufeinanderprallen, was die Gesetzgebung nicht gerade erleichtert. Die Kommentie­rung der §§ 131, 133 und 142 InsO verdient hier besonde­re Beachtung. Sicherung und Verwertung der Masse sind dann Sache von Smid und Schmid (§§ 149 – 173 InsO). Smid ist es auch, der die Feststellung der Forderungen erläutert (§§ 174 – 186 InsO). Kirchner übernimmt dann die Verteilungsvorschriften (§§ 187 – 206 InsO). Entspre­chend der Ankündigung im Vorwort wird ausführlich der Insolvenzplan beleuchtet, Rattunde übernimmt dies (§§ 217 – 269 InsO). Smid ist es, der die Erläuterung der §§ 269 a ff. InsO besorgt, welche das Kernstück des neuen Konzerninsolvenzrechts bilden. Wer mit entsprechenden Fragen zu tun hat, kommt um die Lektüre dieser Aus­führungen nicht herum. Die Eigenverwaltung beleuchtet Wehdeking (§§ 270 – 285 InsO).

Zwar gehen die Verbraucherinsolvenzen derzeit zurück, indes sind es immer noch rd. 70.000 Verfahren im Jahr. Deshalb ist die sorgfältige Kommentierung zum Rest­schuldbefreiungsverfahren von Knop unbedingt geboten (§§ 286 – 303a InsO), das eigentliche Insolvenzverfahren von Verbrauchern ist dann Sache von Keramati (§§ 304 – 311 bzw. 314 a.F. InsO). Die Sonderverfahren (§§ 315 – 334 InsO) beleuchtet dann Roth, bevor Smid das Werk mit dem Internationalen Insolvenzrecht (§§ 335 ff. InsO) abschließt. Selbstredend wurden alle Teile des Kommentars aktu­alisiert und die neue Rechtsprechung eingearbeitet. Das Stichwortverzeichnis ist vorbildlich. Das Fazit ist deshalb einfach: Der Griff zum Rattunde/Smid/Zeuner lohnt sich immer. (cwh)

 

Schmidt, Andreas (Hrsg.), Privatinsolvenzrecht, Carl Heymanns Verlag, Köln, 1. Aufl., 2019, ISBN 978-3-452-28980-3, 1.390 S., € 129,00

Wer im Insolvenzrecht unterwegs ist, kennt den von Andreas Schmidt herausgegebenen Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht. Schmidt hat nun nachgelegt und ein eigenes Erläuterungswerk zum Privatinsolvenzrecht her­ausgebracht. Damit schließt er durchaus eine Lücke, wird doch die Insolvenz natürlicher Personen regelmäßig in den Kommentaren eher „mitbehandelt“ denn eigens gewürdigt; sieht man einmal von den Vorschriften über das Restschuldbefreiungsverfahren sowie die Verbraucherin­solvenz ab. 25 Autoren hat Schmidt um sich geschart, um die Eigenheiten des Verfahrens zu beleuchten: Vertreter der Anwaltschaft, der Gerichte, der Insolvenzverwalter­ schaft, der Staatsanwaltschaft, der Behörden sowie – ganz wichtig – aus der Schuldnerberatung. Sieht man sich die Eingangszahlen der Insolvenzgerichte an, dominiert natur­gemäß die Verbraucherinsolvenz: Von den im Jahre 2018 gestellten 85.928 Anträgen auf Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens betrafen 65.564 Verfahren Verbraucher. Dass aber angesichts dieser Verfahrenszahlen ein eigener Kommentar durchaus sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Besieht man sich die Kommentierungen im Einzelnen, so merkt man sehr schnell die spezifische Ausrichtung des Werkes. So erhält man näheren Einblick in die Verfahrenskostenstundung, Montag erläutert die §§ 4a – c InsO, wobei insbesondere auch die Frage der Erwerbsobliegenheit the­matisiert wird (§ 4a Rn. 23). Bei dem von Heyer verantwor­teten § 9 InsO ist auf die Ausführungen zum Datenschutz im Anhang hinzuweisen. Dass den Insolvenzgründen von Zivkovic nähere Beachtung geschenkt wird, liegt auf der Hand (§§ 17, 18 InsO). In der Verbraucherinsolvenz kommt es kaum zu vorläufigen Verfahren sowie einer Abweisung mangels Masse, die Ausführungen von Wolgast sind daher in erster Linie für Regelinsolvenzen von Bedeutung. Den Selbständigen in der Insolvenz widmet sich Köster in einem Anhang zu § 35 InsO. Wertvoll sind auch die Ausführungen zum pfändbaren Einkommen von Kampf in einem Anhang zu § 36 InsO anhand der §§ 850 ff. ZPO. Lesenswert sind die Ausführungen von Doebert zu den Pflichten des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode (§ 60 Rn. 23 ff.). Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten wiederum sind von Bedeutung, weil ihre Verletzung einen Versagungsgrund in Bezug auf die Restschuldbefreiung darstellen kann, was Wolgast betont (§ 97 Rn. 12). Naturgemäß finden die An­fechtungsvorschriften der §§ 129 – 147 InsO eine nähere Darstellung bei Zivkovic, sie haben seit der Reform im Jah­re 2014 auch in der Verbraucherinsolvenz an Bedeutung gewonnen. Auf die notwendige Belehrung des Schuld­ners weist Reck im Rahmen der Forderungsanmeldung im Hinblick auf von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen hin (§ 175 Rn. 5 ff.). Noch sind Sozialpläne in der Verbraucherinsolvenz eher selten, die Ausführungen von Beyer (§§ 217 – 269) sind aber für Regelinsolvenzen wichtig. Letzteres gilt auch für die Eigenverwaltung, die Morgen bespricht (§§ 270 – 285 InsO). Der Konzeption des Werkes geschuldet nehmen dann die Ausführungen von Montag und Schinkel zur Restschuldbefreiung (§§ 286 – 303a InsO) sowie von Butenob und Jaenecke/Wandt zur Verbraucherinsolvenz breiten Raum ein (§§ 304 – 311 In­ sO). Auf rd. 200 Seiten erfährt man alles Wichtige. Der eigentlichen Kommentierung folgen sechs Anhänge zu spezifischen Fragen, so zum Verfahren bei Tod des Schuldners, zur Verbraucherinsolvenzformularverordnung, zum Beratungshilfegesetz, zum Steuer- und Sozialrecht sowie zur Vergütung. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis schließt das Buch ab. Der Kommentar kann jedem empfohlen werden, der Insolvenzen natürlicher Personen begleitet. Man findet nur das, was er wirklich braucht, die­ses aber vollständig und kundig kommentiert. Das Werk hat damit ein Alleinstellungsmerkmal. (cwh) ˜

Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

cwh@uni-mainz.de

Diese Seite benutzt Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung