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Unser Fragebogen – Philipp Meuser

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2020
Antworten von Prof. h.c. Dr.-Ing. Philipp Meuser, DOM publishers, Berlin

Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?

Das erste Buch, an das ich mich erinnere, war ein Sammelalbum meines Vaters aus seinen eigenen Kinderjahren. Es handelte sich um einen Werbecomic der Kaffeemarke Darboven aus den Fünfzigerjahren – einer Zeit, in der noch immer ein Teil der Welt kolonisiert war. Freilich waren die Darstellungen der Kaffeebauern in Afrika aus heutiger Sicht politisch völlig unkorrekt. Aber damals war das für mich der Hauch der weiten Welt…

Ihre drei Lieblingsbücher sind …

Lieblingsbücher habe ich nicht. Aber ich nenne Ihnen gerne drei Bücher, die mich als Architekten geprägt haben. Ich habe schon in jungen Jahren in Peter Neuferts Bauentwurfslehre geblättert. Bis heute fasziniert mich der Versuch, das gesamte Leben in genormten Bauzeichnungen auszudrücken. Als junger Student war ich fasziniert von Rem Koolhaas‘ Deliriours New York, einer etwas verkopften und schwer verständlichen Analyse der Stadt. Aber für Koolhaas war es der Start einer beispiellosen Karriere als Architekt und für mich als Student ein Einstieg in die Architektur­theorie. Und ein drittes Buch, eher poetisch, ist Eupalinos von Paul ­Valéry. Darin geht es in Dialogform um grundlegende Gedanken zur Architektur.

Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?

Ich denke nicht. Für mich muss ein Buch immer auch zwei Buchdeckel haben. Alles andere sind Gebrauchstexte, die ich sehr wohl auch am Bildschirm lese, und ich mich dann über die Suchfunktion freue und ganze Kapitel überspringen kann.

Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?

Lesen bedeutet für mich in der Regel Informationsbeschaffung, kein Mittel gegen Stress. Entspannen kann ich dagegen, wenn ich selber schreibe und mich dabei kursorisch vom Lesen fremder Texte inspirieren lasse.

Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?

Es ist eine sehr erfüllende Aufgabe, als Verleger neue Themen zu finden und sich mit Autoren darüber auszutauschen. Da ich ja auch als Architekt und Autor tätig bin, vermischen sich bei mir viele Funktionen. Wenn ich alles zusammen betrachte – das würde ich als 24/7-Traumjob bezeichnen.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dass ich heute auch als Verleger tätig bin, ist eher der Notwendigkeit entsprungen, Bücher mit so wenig Kompromissen wie nötig zu machen.

Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?

Ich lese die gerade erschienenen „Reiseberichte“ von Siegfried Unseld, der wohl ähnlich viel gereist ist wie ich vor der Corona-Krise. Ob er als Verleger ein Vorbild sein kann, weiß ich noch nicht. Aber sein Buch ist durchaus eine Anregung, meine Reiseeindrücke als Verleger irgendwann auch mal zu veröffentlichen.

Wie beginnt ein guter Tag als VerlegerIn?

… wenn aus der Druckerei neue Titel als Vorabexemplare geliefert werden und das frische Buch beim Öffnen leicht knackt.

Und wie sieht ein schlechter Tag als VerlegerIn aus? … wenn mir unsere Lektorinnen und Lektoren im Verlag Autorentexte vorlegen, bei denen wir von Plagiaten ausgehen müssen. Wir arbeiten oft mit Erstautoren, teilweise aus anderen Kulturkreisen zusammen. Ich will es wirklich nicht verallgemeinern, aber für Digital natives scheint die freie Verfügbarkeit von Informationen im Netz zu einer gewissen Sorglosigkeit und Naivität zu führen. An solchen Tagen fühle ich mich nicht als Verleger, sondern als Nachhilfelehre in Sachen Urheberrecht.

Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?

Das ist eine schwierige Frage, da mich meine Projekte an viele Orte führen, die ich sonst wohl nie besuchen würde. Ich bin 2002 kurz nach der Niederlage der Taliban nach Kabul geflogen, weil mich ein rückgekehrter Exil-Afghane eingeladen hatte. Sein Fahrer hat mich dann fünf Tage durch eine kriegszerstörte Stadt gefahren, um Fotos zu machen. 2017 bin ich als Architekt für ein Botschaftsprojekt zurückgekehrt. Die Sicherheitslage hatte sich allerdings dramatisch verschlechtert. 24 Stunden saßen wir aufgrund einer Anschlagsdrohung in einem kleinen Raum fest.

In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten – welche wäre es?

Ich würde die engen Regeln der Buchpreisbindung zwar nicht abschaffen, aber lockern. Wir haben viele fremdsprachige Titel im Programm, die nicht diesem Gesetz unterliegen. Wenn wir in außereuropäischen Märkten zu besonderen Anlässen vergünstigte Bücher verkaufen, denke ich jedes Mal daran.

Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2025 durch elektronische Informationen erwirtschaften?

Die wenigen Produkte, die wir digital anbieten, haben alle OpenAccess-Charakter. Ich denke, dass das auch in fünf Jahren noch so sein wird. Also null Prozent.

Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?

Wenn ich mir nur die Architekturverlage anschaue, wird es sicherlich eine weitere Konsolidierung etablierter Verlag geben. Sei es, dass sie aufgekauft werden oder auch ganz verschwinden. Aber ich nehme auch wahr, dass es immer wieder auch Neugründungen gibt. Auch DOM publishers hat mal klein am Küchentisch angefangen. Heute beschäftigen wir acht Mitarbeiter.

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