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Unser Fragebogen – Britta Jürgs

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2019
Antworten von Britta Jürgs, AvivA Verlag, Berlin

Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?

Obwohl ich mich an erste Leseversuche und -erfolge erinnere – eine Erinnerung an mein erstes Buch habe ich nicht. Frühe Lektüren waren die Bücher von Astrid Lindgren, allen voran nicht etwa „Pippi Langstrumpf“, sondern „Wir Kinder aus Bullerbü“.

Ihre drei Lieblingsbücher sind …

Drei Lieblingsbücher sind natürlich viel zu wenig. Zu den für mich wichtigen Büchern gehören auf jeden Fall „Kein Ort. Nir­ gends” von Christa Wolf und „Das Judasschaf” von Anne Duden. Zur Zeit ist eine Neu- bzw. Erstübersetzung mit Erzählungen und Theaterstücken von Shelagh Delaney, die unter dem Titel „A Taste of Honey” zur Frankfurter Buchmesse erscheinen wird, mein aktuelles Lieblingsbuch – wie alle Bücher, die ich in mei­ nem kleinen Verlag verlege! Shelagh Delaney, von Jeanette Win­terson wie von den Smiths verehrt, verfasste in den 1950er und 1960er Jahren großartige Dialoge und wunderbar schräge Texte. Ich freue mich sehr über diese Entdeckung!

Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?

Wenn ich gerade nichts anderes habe, ja. Vorziehen würde ich die analoge Lektüre – eBooks sind für mich Arbeitsmaterial, aber keine Grundlage für Lieblingslektüren.

Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?

Lesen ist für mich ein wunderbares Entspannungselixier. Musik ist es ebenso – aber ich finde auch viele andere Unternehmungen jenseits meines Büros sehr entspannend.

Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?

Verlegerin sein ist für mich Traumjob, Beruf und Berufung zu­ gleich, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wollte dafür sorgen, die Bücher zu veröffentlichen, die mir selbst auf dem Buchmarkt fehlten – seien es bestimmte Themen und Inhalte, die es so nicht gab (vor allem über Künstlerinnen und Schriftstellerinnen), seien es Romane von vergessenen (vor­ wiegend jüdischen) Autorinnen der 1920er und 1930er Jahre, die ich gerne wieder bekanntmachen wollte. Und außerdem wollte ich gerne den gesamten Prozess von der Idee bis zum Buch be­ gleiten. So fing es an und ich habe es nie bereut, diesen wahn­witzigen Schritt unternommen zu haben.

Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?

Vorbild sind für mich all diejenigen, die mit Enthusiasmus, Mut und einer Portion Wahnsinn ihren Weg gehen und dabei kollegial bleiben.

Wie beginnt ein guter Tag als Verlegerin?

Mit einer Nachricht wie der heutigen, dass der AvivA Verlag zu den Verlagen gehört, die im Oktober erstmals mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet werden.

Und wie sieht ein schlechter Tag aus?

Das wäre beispielsweise ein Tag, an dem es keinen einzigen Buchverkauf gibt, sondern nur Remissionen.

Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?

Ich liebe an meinem Beruf, immer neue Entdeckungen machen zu können und wunderbare Menschen kennenzulernen. Es war großartig, als der Roman einer vergessenen Autorin der 1930er Jahre, „Das weiße Abendkleid“ von Victoria Wolff, es nach Elke Heidenreichs Literatursendung „Lesen!“ für eine Woche auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Wunderbar, als die Gedichte und Geschichte einer ermordeten jüdischen Autorin, „Mädchenhim­mel!“ von Lili Grün, vor ein paar Jahren auf der HOTLIST standen und mit dem Melusine-Huss-Preis ausgezeichnet wurden. Und ganz besondere Erlebnisse waren es, als ich vor zwei Jahren zum 20-jährigen Verlagsjubiläum zusammen mit meiner Tochter eine mehrwöchige Tour durch 20 unabhängige Buchhandlungen in Deutschland machte, um in der Stadt und auf dem Land das Programm des AvivA Verlags vorzustellen. Ich liebe diese Bran­che, in der es so viele sympathische und enthusiastische Men­schen gibt.

In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten –welche wäre es?

Eine einzige Veränderung genügt nicht, aber ich würde vielerlei Aktionen unternehmen, die die Sichtbarkeit der unabhängigen Verlage im Buchhandel und in den Barsortimenten vergrößern, statt sie zu reduzieren.

Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2025 durch elektronische Informationen erwirtschaften?

Das wird sicher noch recht überschaubar sein. Die Frage ist für mich vor allem, wie wir weiterhin Menschen für das Lesen begeistern (und nicht nur für das Sammeln von Informationen).

Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?

Sie wird sich verändern, soviel ist sicher. Ich wünsche mir, dass Leserinnen und Leser zunehmend das schätzen und würdigen, wofür wir unabhängige Verlegerinnen und Verleger stehen: für ausgewählte, qualitativ hochwertige Programme und für beson­dere Bücher, die den Horizont erweitern.

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