Recht

Klimaschutzrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2022

Als neues Rechtsgebiet mit einer sehr dynamischen Rechtsdogmatik hat sich in kürzester Zeit das Klimaschutzrecht zu einem Querschnittsthema der Rechtswissenschaft entwickelt. Sein Gegenstand ist der Schutz vor einem durch anthropogene Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts verursachten Klimawandel und vor dessen Folgen. Da dieses Ziel praktisch alle Lebens- und Rechtsbereiche tangiert, vermittelt es mit dem Klimaschutz begründeten politischen Forderungen eine Durchschlagskraft, die nicht nur das deutsche und europäische Umwelt- und Planungsrecht, sondern auch alle anderen Rechtsebenen vom Völkerrecht über das Zivilrecht bis zum Kommunalrecht zu durchdringen beginnt. In das deutsche Verfassungsrecht ist diese Entwicklung mit dem spektakulären Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 eingebrochen und hat zu einem kometengleichen Aufstieg des Klimaschutzimperativs als vermeintlichem Schlüssel für rechtspolitische Forderungen nach revolutionärer Veränderung der Rechtslage in nahezu allen Sektoren von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geführt. Auch die Rechtswissenschaft konnte sich der Anziehungs- und Leuchtkraft dieses Aufstiegs nicht entziehen und wendet sich verstärkt dem Thema Klimaschutzrecht zu. In Verbindung mit der Wissenschaftsgläubigkeit unserer Zeit ist davon eine Verstärkung der erwähnten Durchschlagskraft politischer Forderungen zu erwarten, soweit die Rechtswissenschaft Möglichkeiten aufzeigt, die Wirkung und Effizienz dieser Forderungen mit den Mitteln des Rechts und seines Vollzugs sicherzustellen. Für eine solche dienende Funktion der Rechtswissenschaft und ihren Erfolg gibt es in der Geschichte viele Beispiele. Die im Folgenden zu besprechenden Werke sind engagierte Vorreiter einer in nächster Zeit zu erwartenden Welle von Fachliteratur, die das neue Rechtsgebiet entfalten und die darin enthaltenen Spannungen sicherlich auch kontrovers zur Sprache bringen wird. Interessierte Leser haben so die Chance, sich gewissermaßen von Anfang an mit der Entwicklung dieses Rechtsgebiets vertraut zu machen und – soweit sie in Wissenschaft und Praxis Verantwortung tragen – an dieser Entwicklung mitzuwirken. Historische Herausforderungen, wie sie nicht nur der Klimaschutz unserer Zeit stellt, erfordern eine von Sachkunde getragene demokratische Diskussion.

Michael Rodi (Hrsg.), Handbuch Klimaschutzrecht, C.H.Beck, München 2022. ISBN 978-3-406-76789-0; 897 S., Leinen, € 169,00.

Der Herausgeber hat hier mit Hilfe eines 39-köpfigen Autorenteams ein wissenschaftliches Werk vorgelegt, das den aktuellen Stand der rechtswissenschaftlichen Forschung zu diesem Rechtsgebiet umfassend wiedergibt und großen sich daraus ergebenden rechtspolitischen Handlungsbedarf aufzeigt. In seinem in die rechtlichen und instrumentellen Grundlagen des Klimaschutzes (Teil 1 des Buches) einführenden Beitrag grenzt er das Klimaschutzrecht vom Klimaanpassungsrecht und vom Umweltenergierecht ab und versucht, die Eigenständigkeit des neuen Rechtsgebiets mit folgenden rechtsdogmatischen Besonderheiten zu begründen: Vertikale Erstreckung auf alle Ebenen der Rechtsordnung, transdisziplinäre Fundierung, Fokussierung auf Steuerung menschlichen Verhaltens und horizontale Erstreckung als Querschnittsrecht auf viele weitere Rechtsbereiche. Letztlich ist das jedoch nur eine Frage der Rechtstheorie und hat, wenn man die psychologische Wirkung einer zum Zeitgeist passenden Terminologie kennt, allenfalls publikationspolitische Bedeutung. Die Darstellung der Praxis des Klimaschutzrechts beginnt im Teil 2 (Klimaschutzgesetzgebung und -planung) mit überblicksartigen Darstellungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes als Rahmengesetzes (Saurer) und der Landesklimaschutzgesetze mit ihren durchaus unterschiedlichen Ansätzen, die wegen ihres nur sehr beschränkten Potentials zur Verhaltenssteuerung jedoch vor allem als symbolische Gesetzgebung zu qualifizieren seien und deshalb Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit aufwürfen (Knauff). Es folgen Kapitel zur gewaltige Geldströme erfordernden Finanzierung von Klimaschutzinvestitionen („Klimafinanzrecht“), zur kommunalen Klimaschutzplanung als wichtigem Baustein im geforderten globalen Transformationsprozess sowie zur Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Raumordnungs- und Bauleitplanung. Im Teil 3 des Buches, der die Bepreisung von CO2-Emissionen betrifft, werden die Entwicklung des europäischen Emissionshandels und des ihm dienenden deutschen Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, das nationale Brennstoffemissionshandelssystem sowie Konzepte der Energiebesteuerung und des CO2-Grenzausgleichs vorgestellt. Teil 4 des Buches behandelt den Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Digitalisierung mit seinen Potentialen und durch zusätzlichen Energiebedarf begründeten Herausforderungen, Teil 5 den Einsatz synthetischer Kraft- und Brennstoffe (z. B. „grüner Wasserstoff“) zur Erreichung der angestrebten Energie- und Verkehrswende.

Teil 6, der dem Klimaschutz im Stromsektor gewidmet ist, enthält eine Darstellung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und eine ambivalente Bewertung dieses Gesetzes im Hinblick auf Planungs- und Investitionssicherheit und Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung. Entwickelt werden sodann Perspektiven für einen von der bisherigen direkten Förderung unabhängigen Rechtsrahmen für erneuerbare Energien. Ein Überblick über die Rahmenbedingungen für Stromspeicher im Energiewirtschaftsrecht, eine Darstellung der die Elektrizitätsübertragungs- und -verteilernetze betreffenden Vorschriften sowie Beiträge zu Rechtsfragen des Kohleausstiegs und zur Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Anlagen schließen sich an. In Teil 7 wird der Klimaschutz im Verkehrssektor anhand der Emissionsbegrenzung für Fahrzeuge, der Regulierung batterieelektrischer Elektromobilität, klimaschützender Maßnahmen im öffentlichen Personennahverkehr und der in Betracht kommenden finanz- und steuerrechtlichen Instrumente im Verkehr behandelt. Teil 8 thematisiert den Klimaschutz im Wärme- und Gebäudebereich. Da das bisherige Gebäudeenergierecht zu keinem klimaneutralen Gebäudebestand führen könne, müsse der dort noch geltende Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zugunsten einer Koppelung von gesetzlichen Anforderungen mit staatlichen Fördermitteln aufgegeben werden. Die Potentiale von Wärmenetzen und Wärmespeichern für den Klimaschutz müssten durch eine streng daran orientierte Regulierung genutzt werden. Teil 9 behandelt die Rolle der Land- und Forstwirtschaft für den Klimaschutz und die dort bestehenden Handlungsinstrumente, Teil 10 die Transformation des Industriesektors als entscheidenden Baustein für das Gelingen einer klimawandelbedingten Transformation der Volkswirtschaft insgesamt. Kritisch dargestellt wird auch die Kreislaufwirtschaft, die unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vor einer gewaltigen Rechtstransformation stehe, weil sie neben der Energiewende der zweite Schlüssel zu einer echten Klimaneutralität sei. Kapitel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen durch Technologien zur Unterbindung von Freisetzung von COin die Atmosphäre sowie zur Optimierung und Dekarbonisierung der Energiewirtschaft durch „Sektorenintegration“ runden das Handbuch ab.

Alle Kapitel des Buches enthalten nicht nur Bestandsaufnahmen der höchst komplexen geltenden Rechtslage, sondern beziehen sachkundige rechtspolitische Vorschläge engagiert in die Ausführungen ein und sind mit umfangreichen Anmerkungen und Literaturhinweisen versehen. Ein detailliertes Sachverzeichnis erschließt das inhaltsreiche Werk auch für den nur an Einzelfragen interessierten Leser.

 

Walter Frenz, Grundzüge des Klimaschutzrechts, Erich Schmidt, 2. Aufl. Berlin 2022. ISBN 978-3503-20656-8; 480 S., kart., € 39,00.

Vorreiter bei der Ausrufung und Entfaltung des Klimaschutzrechts zum eigenständigen Rechtsgebiet und der damit verbundenen Eröffnung eines neuen Publikationsfeldes war der Autor dieses Werkes, das schon gut ein Jahr nach der erfolgreichen Erstauflage von 2020 (dazu fachbuchjournal 2021, 30 ff.) eine völlig neu bearbeitete und um mehr als ein Drittel erweiterte zweite Auflage nach dem Stand von November 2021 erfahren hat. Es präsentiert sich jetzt als veritables Lehrbuch, in dem wichtige Textpassagen optisch hervorgehoben sind und jedes Kapitel durch zusammenfassende Kernsätze abgeschlossen wird. Besonders wertvoll ist der durch einen Link und einen QR-Code vermittelte Zugriff der Leser auf ein digitales Add-on mit aktuellen Mitteilungen, Gerichtsentscheidungen, Vorschriftentexten und Multiple-Choice-Fragen. Angesichts der politischen Dynamik des Klimaschutzimperativs und des nahezu unbegrenzten Umfangs der davon erfassten Rechtsmaterie sind allerdings auch weitere Neuauflagen des gedruckten Werks in rascher Folge zu erwarten.

Die schnelle zweite Auflage wurde fachlich vor allem deshalb erforderlich, weil der bereits erwähnte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 das Klimavölkerrecht in bisher beispielloser und rechtsdogmatisch durchaus fragwürdiger Weise in das nationale deutsche Verfassungsrecht implementiert hat. Der Autor weist insoweit zu Recht darauf hin, dass der im Völkerrecht ohne klare Verpflichtung entwickelte Gedanke der nachhaltigen Entwicklung ein Zieldreieck ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte bezeichnet, das nach Art. 3 Abs. 3 EUV auch im Europarecht anerkannt ist, jedoch in der einseitig ökologisch ausgerichteten Position des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausdruck kommt. Schon der mit der Corona-Krise und erst recht mit dem Ukraine-Krieg erfolgte Einbruch der Geschichte in die intellektuelle Introvertiertheit der deutschen Rechtskultur hat die an richterliche Anmaßung grenzende Übergriffigkeit dieser Position gegenüber der Verantwortung anderer Träger der Staatsgewalt deutlich werden lassen. Schwerpunkt der Ausführungen des Autors bleibt deshalb mit gutem Grund das Klimaeuroparecht, dem er zentrale Bedeutung für den Klimaschutz beimisst und das dem nationalen Klimaschutzgebot auch in der Ausprägung durch das Bundesverfassungsgericht vorgehe. Der den bisherigen verfassungsrechtlichen Kontext sprengende sensationelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit seinem völlig neuen Ansatz zur Grundrechtsdogmatik wird von ihm gleichwohl ausführlich dargelegt und kritisch gewürdigt. Er könne zu einer tiefgreifenden ökologischen Umgestaltung unseres Verfassungssystems führen und sei insoweit von gar nicht hoch genug anzusiedelnder Bedeutung: An die Stelle des liberalen trete der ökologische Verfassungsstaat, in dem sich Freiheit nur noch nach Maßgabe des nach richterlicher Wertung „objektiv“ notwendigen Klimaschutzes, genauer: innerhalb eines vom Bundesverfassungsgericht mit 6,7 Gigatonnen vorgezeichneten nationalen Restbudgets für CO2-Emissionen, bemesse. Dieser grundsätzliche Bedeutungswandel von ursprünglich ungebundener Freiheit, wie sie dem freiheitlichen Rechtsstaat bisheriger Konzeption entspreche, zu einer durch den Klimaschutz „eingerahmten“ Freiheit könne in einen „totalen Klimastaat“ führen, wenn der Klimaschutz absolut wirken und sich gegen die CO2 -relevante Freiheit in vollem Umfang durchsetzen würde. Statt die Einschränkbarkeit der Freiheit durch den Klimaschutz der Abwägung durch den Gesetzgeber zu überlassen, habe das Bundesverfassungsgericht aus der im Ansatz erst ausgestaltungsbedürftigen Umweltstaatszielbestimmung des Art. 20a GG ein unmittelbar wirkendes Klimaschutzgebot mit praktisch absolutem Charakter abgeleitet, ohne die zur Nachhaltigkeit gehörenden sozialen und ökonomischen Belange zu erwähnen. Diese richterrechtliche Aufladung einer Staatszielbestimmung widerspreche den wesentlich größeren Spielräumen, die das Völkerrecht und das Europarecht den nationalen Rechtsordnungen ließen, und auch der im deutschen Verfassungsrecht sonst anerkannten Wesentlichkeitstheorie, wonach der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen treffen müsse. Sie stehe auch in Widerspruch zu der schwächeren Konzeption der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu den grundrechtlichen Schutzpflichten. Stattdessen plädiert der Autor für eine Anreicherung der grundrechtlichen Schutzpflichten um den Grundrechtsvoraussetzungsschutz, für die Anerkennung eines Grundrechts auf ökologisches Existenzminimum auf der Grundlage der Menschenwürde und für dessen Konkretisierung durch den Gesetzgeber anhand eines normativ festzulegenden EU-Gesamtrestbudgets.

Neue Kapitel des Werkes behandeln die Möglichkeiten einer nationalen CO2-Besteuerung mit Blick auf die Finanzverfassung und das EU-Beihilfenverbot sowie einer zum klimagerechten Umbau des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems notwendigen klimafreundlichen Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Weitere Kapitel befassen sich mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz und dem begleitenden Maßnahmenpaket der Bundesregierung, mit dem Emissionshandel, den Förderregeln für energetische Maßnahmen, Mobilität und erneuerbare Energien, mit dem Kohleausstieg, der Digitalisierung im Interesse des Klimaschutzes und ihrer Limitierung durch denselben sowie mit Luftreinhalteplänen und Dieselfahrverboten. Die beiden abschließenden Sachkapitel thematisieren aus rechtsdogmatischer Sicht den Konflikt zwischen einschneidenden Maßnahmen zum Klimaschutz und den davon betroffenen Grundrechten sowie die Haftung für Klimaschäden. Der Verfasser vertritthier die Ansicht, dass der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Vorrang des Klimaschutzgebots im Gegensatz zum europäischen Grundrechtsschutz stehe, der auf einen Ausgleich ziele und die möglichst weitgehende Wahrung der wirtschaftlichen Bedürfnisse sowie der Beschäftigungslage auch im Rahmen der CO2-Reduktion betone.

Am Ende hilft ein Fragenkatalog mit Lösungsvorschlägen in didaktisch wertvoller Weise den Adressaten, die dieses Lehrbuch durchgearbeitet haben, sich dessen wichtigste Aussagen zum Inhalt des „Klimabeschlusses“ des Bundesverfassungsgerichts, zu dessen rechtsdogmatischer Einordnung und zu den rechtspolitischen Folgen nochmals zu vergegenwärtigen. Auch die Gliederung des Gesamttextes in Randnummern sowie ein darauf abgestimmtes ausführliches Stichwortverzeichnis erleichtern die Durchdringung und Auswertung des sehr anspruchsvollen Stoffes.

 

Walter Frenz (Hrsg.), Klimaschutzrecht. EU-Klimagesetz, KSG Bund und NRW, BEHG, Steuerrecht, Querschnittsthemen. Gesamtkommentar, Erich Schmidt, 2. Aufl. Berlin 2022. ISBN 978-3-50320686-5; 1213 S., geb., € 178,00.

Die Dynamik des Klimaschutzrechts hat parallel zu dem zuvor besprochenen Lehrbuch eine ebenso rasche Neuauflage des von dessen Autor herausgegebenen „Gesamtkommentars“ (zur Erstauflage mit Stand Dezember 2020 vgl. fachbuchjournal 2021, 32 ff.) erforderlich gemacht. Das Werk wurde ebenfalls nicht nur umfangreich neu bearbeitet, sondern auch um mehr als ein Drittel erweitert und befindet sich jetzt auf dem Stand von Februar 2022. Der Verlag bietet auch hierzu ein digitales Add-on mit den Texten einschlägiger Richtlinienvorschläge und Mitteilungen der Europäischen Kommission, Gerichtsentscheidungen und Vorschriften des Bundesrechts.

Das überwiegend vom Herausgeber selbst verfasste Kapitel „Querschnittsthemen“, das fast ein Drittel des Buches ausmacht, behandelt den Klimaschutz in seinen politischen, wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Aspekten. Wie in der Erstauflage liegt der Schwerpunkt dabei in der Darstellung der von Frenz für entscheidend gehaltenen rechtlichen und politischen Entwicklung auf europäischer Ebene. Seine pointierten Ausführungen zum Verhältnis von Klimaschutz und Grundrechten enthalten dementsprechend nicht nur eine eingehende Erläuterung und kritische Würdigung des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts, sondern vertiefen dieses Thema auch durch einen eigenständigen Abschnitt zu den für das Klimaeuroparecht maßgeblichen europäischen Grundrechten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof, die die neue, einseitig ökologisch ausgerichtete Grundrechtskonzeption des Bundesverfassungsgerichts ins Leere laufen ließen. Erweitert wurden die „Querschnittsthemen“ um neue, sehr detailreiche und aktualitätsbezogene Abschnitte zu den Entlastungen des zur Herstellung von Wasserstoff verwendeten Stroms von der EEG-Umlage und zu den Änderungen bei den Ausschreibungen für die Förderung von Windkraft- und Solaranlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz in der Fassung von 2021, zu den Ergebnissen der 26. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in Glasgow, zu den nach dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom November 2021 für den Klimaschutz in Deutschland zu erwartenden Entwicklung sowie zu den betriebswirtschaftlichen und beteiligungsrechtlichen Aspekten, die beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft auf kommunaler Ebene zu betrachten seien. Deutlich wird das bei einem gebundenen Werk dieser Preisklasse sehr anspruchsvolle Bemühen, mit dem Tempo der fortlaufenden Neuerungen und rechtspolitischen Herausforderungen literarisch Schritt zu halten. Der anschließende Hauptteil des Werkes enthält eine neue eigenständige Kommentierung der hochtrabend als „Europäisches Klimagesetz“ bezeichneten Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität sowie ausführliche Kommentierungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes in der 2021 geänderten Fassung, des Gesetzes zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen von 2021 und des Brennstoffemissionshandelsgesetzes. Die Gesetzestexte sind jeweils vollständig abgedruckt und die Erläuterungen der einzelnen Vorschriften mustergültig mit Inhaltsübersichten und weiterführenden Anmerkungen versehen. Das dem Steuerrecht gewidmete Schlusskapitel ist gegenüber der Vorauflage inhaltlich fast unverändert geblieben, leidet aber sehr unter dem vollständigen Fehlen einer Inhaltsübersicht.

 

Frank Fellenberg / Annette Guckelberger (Hrsg.), Klimaschutzrecht. KSG, TEHG, BEHG. Kommentar, C.H.Beck, München 2022. ISBN 978-3-406-76400-4; 801 S., in Leinen, € 189,00.

Kompakter und mit anderer Schwerpunktsetzung präsentiert sich dieser Handkommentar zum selben Rechtsgebiet. Er erläutert – ebenfalls nach dem Stand von Februar 2022 – die drei zentralen Klimaschutzgesetze des Bundes, nämlich das Bundes-Klimaschutzgesetz als Rahmengesetz und die beiden Gesetzeswerke zum Emissionshandel als zentrale Bausteine auf dem Weg zur Treib­hausgasneutralität. Das überwiegend aus der Wissenschaft und der Anwaltschaft stammende Autorenteam bürgt für eine wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisorientierte Darstellung der dynamischen Materie. Eine von den Herausgebern verfasste, 53 Seiten starke Einleitung vermittelt einen systematischen Überblick über das gesamte internationale und nationale Klimaschutzrecht und dessen Grundlagen einschließlich des Rechtsschutzes und geht einführend auf die drei anschließend erläuterten Gesetze, ihre Entstehungsgeschichte, ihren Aufbau und ihren wesentlichen Regelungsgehalt ein. Besondere Berücksichtigung findet dabei auch hier der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021. Die Verfasser weisen jedoch zugleich darauf hin, dass die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen notwendigerweise einen entsprechenden politischen Willen erfordert, der sich durch die ohnehin begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten nur in sehr eingeschränktem Maße substituieren lässt. Vertieft werden diese Ausführungen dann in der gründlichen Kommentierung der einzelnen Gesetzesvorschriften. Dabei wird im Rahmen des § 3 KSG durch Arminvon Weschpfennig dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts und dessen kontroverser Diskussion ein umfangreicher eigener Abschnitt gewidmet. Der innovative Ansatz des Gerichts, einen Grundrechtsverstoß im Wege der eingriffsähnlichen Vorwirkung zu begründen, hinterlasse viele Fragezeichen. Grundrechtsdogmatisch könne er an wissenschaftliche Arbeiten von Schwabe und Murswiek zur Zurechnung privaten Handelns zum Staat anknüpfen, die in der Literatur bislang weit überwiegend abgelehnt werde. Mit diesem Ansatz werde die freiheitsrechtliche Ausrichtung des Grundgesetzes mit seinem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip auf den Kopf gestellt. Denn danach wäre die freiheitliche Entfaltung nicht mehr grundsätzlich unbegrenzt und nur nach abwehrrechtlichen Mechanismen beschränkbar, sondern grundrechtliche Freiheiten beruhten auf staatlicher Delegation: Treibhausgasemissionsrelevante Freiheit werde staatlich verteilte Freiheit nach Maßgabe des Klimaschutzes. Diese Eingriffskonstruktion werfe Fragen auf, die Rechtsprechung und Wissenschaft noch Jahre beschäftigen dürften. Insbesondere dürfte völlig unklar sein, wie der notwendigerweise extrem komplexe Instrumentenmix zur Umsetzung der Klima- und Emissionsziele am abwehrrechtlichen Maßstab zu prüfen sei und ob künftig nicht der Verwaltungsrechtsschutz neu gedacht werden müsse. Denn auch der unzureichende Ausbau erneuerbarer Energien und Leitungsinfrastrukturen sowie die mangelhafte Eindämmung treibhausgasemittierender Tätigkeiten wie Energieerzeugung, Verkehr oder Gebäudebau entfalteten ihrerseits eingriffsähnliche Vorwirkung. Die Übertragung dieser Sichtweise auf die Klage- und Antragsbefugnis im Verwaltungsprozess mit seinen kleinteiligen Kontrollgegenständen würde die bisherige Konzeption der Verletztenklage in weiten Teilen unterwandern. Jedenfalls blieben erhebliche Zweifel an der dogmatischen Konstruktion sowie die Frage, ob nicht eine Weiterentwicklung der Schutzpflichtdogmatik vorzugswürdiger, mit weniger Folgeproblemen behaftet und daher möglicherweise effektiver gewesen wäre. Zwingender künftiger Klimaschutz sei als Ergebnis einer antizipierten Abwägung nur der Hebel, um einen gegenwärtigen „Eingriff“ durch eingriffsähnliche Vorwirkung zu konstruieren; dies ermögliche keine wirkliche Abwägung zwischen Grundrechten gegenwärtiger und künftiger Menschen sowie Staatszielen. Außerdem gerate die Konstruktion zwangsläufig in ein Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip und werfe zudem die Frage nach einer etwaigen Selbstbindung des Gesetzgebers an das Bundes-Klimaschutzgesetz auf.

Ausführlich behandelt von Weschpfennig im Rahmen des § 4 KSG auch dessen Abs. 1 Satz 10, wonach subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nicht begründet werden. Bedeutung und Reichweite dieser Norm, die eine der problematischsten Vorschriften des Gesetzes sei, würden Wissenschaft und Praxis sicherlich noch lange beschäftigen. Denn nach der Dogmatik des verfassungsrechtlichen Klimabeschlusses entfalte das Bundes-Klimaschutzgesetz eingriffsähnliche Vorwirkung, so dass es notwendig sein könnte, die rechtlichen Rahmenbedingungen des Klimaschutzes subjektiv-rechtlich auszugestalten. Damit sei fraglich, ob der in § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG normierte Ausschluss subjektiver Rechte nicht grundrechtlichen Mindeststandards zuwiderlaufe.

Ein mustergültig vollständiges Abkürzungsverzeichnis, sehr umfangreiche Literaturangaben in der Einleitung und bei den einzelnen Vorschriften sowie ein detailliertes Sachverzeichnis runden den Wert des Werkes für Wissenschaft und Praxis ab.

 

Constantin Beye, Die Klimaschutzgesetze der Bundesländer. Eine rechtliche Analyse und Bewertung der Landesklimaschutzgesetze unter besonderer Berücksichtigung des völker-, europa- und bundesrechtlichen Rahmens, Nomos, Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-8368-7; 526 S., brosch., € 148,00.

Diese Ende 2020 als Dissertation an der Universität Jena bei Matthias Knauff vorgelegte Arbeit unterstützt dessen im Handbuch Klimaschutzrecht zusammengefassten Befund, dass die Landesklimaschutzgesetze wegen ihres beschränkten Potentials zur Verhaltungssteuerung vor allem als symbolische Gesetzgebung zu qualifizieren seien und deshalb Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit aufwürfen. Die Nichtannahme gegen solche Gesetze gerichteter Verfassungsbeschwerden durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2022 bestätigt die relative Bedeutungslosigkeit der Landesregelungen in diesem Bereich. In umgekehrt proportionalem Verhältnis dazu steht der mit der Erarbeitung und medialen Vermarktung dieser Regelungen in den einzelnen Bundesländern verbundene Aufwand an administrativem und politischem Engagement. Das wirft auch die Frage auf, ob der sich im Kaufpreis des Buches niederschlagende Umfang der detaillierten Ausführungen des Autors zu den juristisch eher dürftigen Regelungsinhalten nicht unverhältnismäßig ist. Jedenfalls hätte eine Straffung dieser Ausführungen – auch durch Vereinfachung des oft unnötig verschachtelten Satzbaus – deren wissenschaftlichen Ertrag kaum gemindert und deren praktischen Wert für Gesetzgebung und Verwaltung in den Ländern erhöht. In einem vorangestellten Abschnitt wird zunächst der völkerrechtliche, europarechtliche und bundesrechtliche Rahmen für eine Klimaschutzgesetzgebung auf Landesebene untersucht. Dabei konnte die jüngste Weiterentwicklung dieses Rahmens durch Rechtsetzung und Rechtsprechung naturgemäß noch nicht berücksichtigt werden. Im Hauptteil des Werkes werden sodann Inhalt und Ausgestaltung der bis 2020 erlassenen Landesklimaschutzgesetze umfassend analysiert und in vergleichender Betrachtung kritisch gewürdigt. Die Analyse folgt einer Gliederung nach Themenkomplexen, bei der die unterschiedlichen Gesetze jeweils zusammen behandelt werden: Zwecksetzungen, Anwendungsbereiche, Klimaschutzziele, Adressaten und Instrumente. In einem abschließenden Fazit erfolgt eine Zusammenfassung der Erkenntnisse. Sie führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass der Beitrag der Landesklimaschutzgesetze zu einem effektiven Klimaschutz durchaus zu bezweifeln ist.

 

Daniel Schnittker, Die Klimaschutzgesetze der Bundesländer. Verfassungsmäßigkeit und Steuerungswirkung, Nomos, Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-8345-8; 325 S., brosch., € 89,00.

Diese ebenfalls als Dissertation angenommene Arbeit entstand an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster bei Sabine Schlacke und wurde nach dem Stand von Literatur und Rechtsprechung bis Ende 2020 überarbeitet. Sie ist stringenter formuliert und teilweise übersichtlicher aufgebaut als das fast gleichzeitig erschienene Werk von Beye zum selben Thema und kommt zu einem etwas positiveren Ergebnis. Im Anschluss an die Einleitung und die Bestimmung der im Kontext des Klimaschutzes verwendeten Begriffe wird zunächst der jenseits landesrechtlicher Klimaschutzgesetzgebung vorhandene Bestand des Klimaschutzrechts dargestellt. Dazu gehören das internationale, europäische und nationale Klimaschutzrecht, aber auch die kommunalen Klimaschutzbemühungen. Sodann werden im Hauptteil des Werkes die einzelnen Landesklimaschutzgesetze und auf Landesebene vorhandene Sekundärrechtsakte mit ihrem wesentlichen Inhalt vorab jeweils gesondert vorgestellt. Dabei wird untersucht, an welche Adressaten sie sich mit welcher Verbindlichkeit richten und welche Instrumente zur Operationalisierung sie bereithalten. Danach werden die Klimaschutzgesetze der Länder hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Ambition vergleichend analysiert und bewertet sowie auf ihre Verfassungsmäßigkeit einschließlich der Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht geprüft. Auf dieser Grundlage werden schließlich die Möglichkeiten und Grenzen der Integration der Gesetzesinhalte, insbesondere der abstrakten Klimaschutzziele, in die bestehende Rechtsordnung aufgezeigt, wo sie typischerweise nur bei Ermessens- und Abwägungsentscheidungen in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts als dabei zu berücksichtigende Belange eine Rolle spielen könnten. Daraus lasse sich ableiten, dass den Landesklimaschutzgesetzen nur eine begrenzte Steuerungswirkung zukomme. Ihre Normen seien weder auf unmittelbaren behördlichen Vollzug angelegt, noch könnten sie Teil einer Vereinbarkeitsprüfung sein. Dennoch gehe die rechtliche Wirkung der Klimaschutzziele über bloße Symbolik hinaus. Sie konkretisierten die Belange des Umweltschutzes in Form von Zielen für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und entfalteten hieran anknüpfend Wirkung bei der Anwendung sonstigen öffentlichen Rechts, wenn dieses durch Entscheidungsspielräume der Verwaltung Einfallstore für ihre Berücksichtigung biete. Sie erhöhten dann die Begründungslast, wenn Entscheidungen den Klimaschutz zugunsten anderer Belange zurückstellten. (us)

Diese Seite benutzt Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung