Im Fokus

Kampf für Gerechtigkeit

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 1/2022

Die Welt ist seit den ersten internationalen Gerichtsverfahren zu den Kriegen in Jugoslawien und Ruanda kein gerechterer Ort geworden. Internationales Recht wird nicht angewandt, weil der politische Wille dazu fehlt. Carla Del Ponte fordert in ihrem flammenden Plädoyer dringend notwendige Reformen der UN und eine aktive Rolle der EU, damit Völkerrecht endlich konsequent durchgesetzt werden kann.

Carla Del Ponte, Ich bin keine Heldin. Mein langer Kampf für Gerechtigkeit. Westend, Frankfurt/Main 2021, 176 S., kartoniert, ISBN 978-3-86489-113-7. € 18,00.

Schon der Titel macht deutlich, dass die Autorin die (als Wort inzwischen bis zum Überdruss verbrauchte) „Herausforderung“, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, angenommen hat, den Titel einer Heldin aber, trotz einiger bedeutender Erfolge und verschiedentlich erforderlich gewordenen ­Polizeischutzes, ablehnt („Ich bin keine Heldin, ich bin ein Mensch“, S. 132). Warum das so ist, macht Carla Del Pon­te in ihrem Bericht sehr deutlich. Zu ihren Tätigkeiten im Verlauf der von ihr geschilderten Jahre erfährt der Leser Folgendes: Von 1999–2007 war sie Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien und Ruanda (S. 45), danach Botschafterin für die Schweiz in Argentinien bis zur Pensionierung 2011 und noch in diesem Jahr Mitglied einer UN-Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Syrien (S. 105, 107). 2017 hatte sie „die Nase voll davon, gegen Wände zu rennen und verließ die Kommission“ (S. 130 f.).

 

Die Autorin, 1947 im Kanton Tessin geboren, hat in der Schweiz (in Bern und Genf) und in ­Großbritannien Rechtswissenschaft studiert. Ab 1972 arbeitete sie als Rechtsanwältin, wechselte 1981 zur Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin, wo sie insbesondere mit Geldwäsche, organisierter Kriminalität, Waffenschmuggel und grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität zu tun hatte. Sie galt (bei Allen?) als kompromisslos, wie es im Eintrag bei Wikipedia (abgerufen am 13.01.2022) heißt. 1989 entging sie, im Zusammenhang mit Ermittlungen zusammen mit Giovanni Falcone gegen die Mafia in Sizilien tätig, nur knapp einem Sprengstoffanschlag.

1994 wurde sie Bundesanwältin der Schweiz und ermittelte u.a. wegen Geldwäsche und Korruption im engeren Umfeld Boris Jelzins und gegen den Bruder des mexikanischen Ex-Präsidenten Salinas. Im September 1999 sah man sie dann, wie schon erwähnt, als Chefanklägerin beim Tribunal für Jugoslawien.

 

Es ist momentan schlecht um die Menschenrechte und die internationale Gerichtsbarkeit bestellt. Wir müssen uns fragen, welche Bedeutung sie für uns haben und welche Rolle sie in Zukunft spielen sollen. Wenn wir wollen, dass die Welt eine bessere wird, müssen wir die internationale Gemeinschaft aufwecken und dem Schutz der unveräußerlichen Rechte, die alle Menschen auf diesem Planeten genießen sollten, wieder die gebührende Bedeutung zukommen lassen. Und ohne die internationale Gerichtsbarkeit ist das nicht möglich. Nur sie schafft Gerechtigkeit für die Hunderttausenden Opfer und ihre Hinterbliebenen.

 

Am Funktionieren des Völkerstrafrechts Interessierte erwartet ein sehr eingängig geschriebener, lehrreicher Text einer selbstbewussten, mutigen, für ihre Themen brennenden Juristin. – Das Buch ist in sieben Abschnitte unterteilt. Der erste enthält eine Art vorgezogenes Resümee ihres Wollens und auch der Aufgaben, die sich ihr während ihrer Tätigkeit stellten. Eine Reihe von Kriegen führt Del Ponte hier auf (S. 7), die bis auf den in Syrien und heute der Folgen wegen, den vergangenen in Afghanistan kaum noch öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, trotz der zahllosen „Kriegsverbrechen gegen Personen“ (§§ 8-12 VStGB) und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (§ 7 VStGB) – Normen, die allesamt Gruselkabinettbeschreibungen als unmenschlich zu bezeichnender Taten enthalten. Es geht also um ihr wichtigste Themen: das Völkerrecht, Menschenrechte und die internationale Gerichtsbarkeit, die diese Rechte durchsetzen soll (S. 8). An den Verfahren des IStGH in den 1990er Jahren wegen Kriegsverbrechen in Jugoslawien (ab 1993) und Völkermord (§ 6 VStGB) in Ruanda (ab 1994) hatte sie jeweils als Chefanklägerin teilgenommen, kennt die Vorgänge also bestens, über die sie schreibt. Sicherer ist die Welt seither, so ihr Urteil, nicht geworden, im Gegenteil: Es fehlt ihres Erachtens der „politische Wille“, das internationale Strafrecht anzu­ wenden, wobei sie hier die mächtigen Staaten im Blick hat, „die permanenten Mitglieder im Sicherheitsrat China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA“ (S. 128). „Diese verfügen über ein Vetorecht, mit dem sie jede Resolution, also jeden Beschluss des Sicherheitsrats aufhalten können. Das versetzt sie in die Lage, gewisse Entscheidungen, die wichtig für Gerechtigkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind, zu blockieren. Eine Reform dieses Systems war nie möglich“ (S. 9). Folge: ein katastrophaler Zustand des Völkerrechts. Dabei war die Hoffnung groß gewesen, mit Milosevic und nahezu der gesamten Regierung Ruandas nun auch Verantwortliche der Führungsebene zur Rechenschaft zu ziehen und sie als Drahtzieher zu verurteilen (näher dazu S. 9 f.). Große Erfolge also, auf die Del Ponte zu Recht zufrieden hinweist. Die beiden Tribunale für Jugoslawien und Ruanda waren außerdem Wegbereiter des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), dessen Grundlage das am 17. Juli 1998 verabschiedete Rom-Statut bildet, unterzeichnet und ratifiziert (= völkerrechtlich verbindlich gemacht) von immerhin 123 Staaten (S. 10 f.). Nicht ratifiziert haben u.a. die USA und Angola. Diese können deshalb nicht Mitglieder des Gerichtshofs sein, der unabhängig von der UNO ist (dazu S. 12). Dass dieser Erfolg ein zartes Pflänzchen ist, weiß der Beobachter der Zeitläufte: Allein 2019 gab es nämlich „158 gewaltsame Krisen …, davon 27 bewaffnete Konflikte und Kriege“ (S. 12; Nachweise zu allen wichtigen Informationen finden sich in den Anmerkungen, S. 165-176). Die Diagnose des Ist-Zustands ist mithin wahrlich nicht ermutigend, und so zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Bericht, dass in diesem Bereich des Rechts die Politik einen weit größeren Einfluss hat als im nationalen, die „abschreckende Wirkung der Tribunale … nie eingesetzt (hat), und die Drahtzieher der Gewalt­ exzesse … nach wie vor auf Straflosigkeit“ setzen können (S. 13). „Es ist momentan schlecht um die Menschenrechte und die internationale Gerichtsbarkeit bestellt“ (S. 15). Zudem haben sich, so die Autorin, „in den letzten Jahren … mehrere Staaten aus dem Internationalen Strafgerichtshof zurückgezogen“. Der Anlass für ihr Buch ist ihre Diagnose, ­ dass es „momentan schlecht um die Menschenrechte und die internationale Gerichtsbarkeit bestellt“ ist (S. 15). Deshalb heißt es am Ende des ersten Abschnitts: „Mein Kampf für Gerechtigkeit ist also nicht vorbei, sondern beginnt jeden Tag von Neuem“; aber für Carla Del Ponte wohl nicht mehr auf dem so schlüpfrigen Parkett des tatsächlich praktizierten internationalen Rechts, „in dieser Grauzone zwischen Recht und Politik, zwischen nationaler Souveränität und internationaler Verantwortung“ (S. 15). Genau da aber liegt der Hase im Pfeffer, im Vorrang der Interessen der Mächtigen, die sich diesem Bastard eben nicht beugen müssen.

 

Ein Wegweiser in die richtige Richtung ist das sogenannte Weltrechtsprinzip, auch Prinzip der Universellen Jurisdiktion genannt. Es sieht vor, dass ein Staat die völkerrechtliche Verfolgung von Straftaten aufnehmen kann, selbst wenn diese nicht auf seinem Hoheitsgebiet stattgefunden haben, sich gegen einen seiner Staatsbürger gerichtet haben oder von einem seiner Staatsbürger ausgeübt worden sind. Nach dem Weltrechtsprinzip können also nationale Gerichte Straftaten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit juristisch aufbereiten, unabhängig davon, wo sie sich auf der Welt ereignen. Das gilt sowohl für hochrangige als auch für niedrigere Täter.

 

„Der lange Weg nach Den Haag“ (S. 17-36) schildert sodann instruktiv den Weg zum Völkerrecht in anschaulicher Sprache. Der umfangreichste dritte Abschnitt behandelt das Thema „Kriegsverbrecher vor Gericht“ (S. 36-92), beginnend mit den Prozessen von Nürnberg und Tokyo (in denen die neuen Begriffe „Genozid“, geprägt von ­Raphael Lembin, und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, von Hersch Lauterpacht, erstmals verwendet werden und dann in das Völkerrecht gelangen). Während der Nürnberger Prozess noch von den Siegerstaaten geführt worden war, hatte die Tribunale von Jugoslawien und Ruanda der UNSicherheitsrat einberufen (Näheres S. 38 ff.). In der ersteren Einberufung sieht Del Ponte einen „Meilenstein im Völkerrecht …, die Geburtsstunde der internationalen Justiz“ (S. 40), weshalb sie den Prozess und seine Vorgeschichte ausführlich darstellt. Mehrfach rügt sie offensichtliche Einmischungen „der Politik“, die die Unabhängigkeit der Justiz verletzten (etwa S. 56, 59, 65; ferner S. 65 ff. zur NATO und einem Kriegsverbrechen). An Beliebtheit durch Schweigen ist ihr offenkundig nicht gelegen, wie immer wieder deutlich wird. Danach folgt der Bericht zu „Ruanda: 100 Tage Grauen“ (S. 6885), beginnend mit der Erinnerung daran, dass „ursprünglich die europäischen Kolonialmächte“ für die Zwietracht zwischen Tutsi und Hutu verantwortlich waren … (S. 68). Deren Gewicht wird durch die Schilderung der furchtbaren Folgen auf beiden Seiten besonders deutlich.

Die Schilderung des Ruandas-Tribunals schließt sich an (S. 72 ff.). Aber, wie schon im Jugoslawien-Tribunal, bestimmten auch hier Zeit und Geld die Grenzen der Ermittlungen (S. 76). Schlimm, um nur einen Aspekt unter vielen herauszugreifen, was sich unter „Von den USA zur Siegerjustiz gezwungen“ (S. 79 ff.) findet, nämlich, dass nur die Verbrechen der Hutu an den Tutsi abgeurteilt wurden, nicht aber die der Tutsi an den Hutu, eine völlig trostlose Passage, Beispiel einer Siegerjustiz mit Erlaubnis und Unterstützung der USA und Großbritanniens (S. 84 f.). Entsprechend fällt das Fazit zu diesen beiden Tribunalen aus: „Das Völkerrecht hat politische Grenzen“, S. 85 ff., und „Das Versagen der UNO“, S. 87-92.

Noch trostloser, wenn das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt noch angemessen ist, stellt sich der vierte Abschnitt „Triumph der Straflosigkeit in Syrien“ dar (S. 93-136 mit erschreckenden Zahlen und Daten). Die immer noch nicht enden wollenden Folgen dieses Kriegs sind enorm (S. 95 ff.). Zu seiner Vorgeschichte bietet Del Ponte zunächst einen „Rückblick: Assads Syrien und die Proteste 2011“, gefolgt von „Eskalation zum internationalen Stellvertreterkrieg“ (S. 95-100; 100-105). Ihr Urteil: „Iran, Russland, Türkei, Israel, USA und diverse europäische Staaten – alle sind an den Kampfhandlungen beteiligt, und ausnahmslos alle haben Kriegsverbrechen begangen. Offiziell ist von einem ‚nicht internationalen bewaffneten Konflikt‘ die Rede, also einem Bürgerkrieg zwischen Regime und Rebellen. Das Völkerrecht tritt man dabei mit Füßen“ (S. 100 f.) „Für alle am Krieg beteiligten Parteien gilt, dass sie sowohl das Völkerrecht gebrochen als auch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Eine Kultur der Straflosigkeit hat sich in Syrien etabliert“ (S. 104 und schon S. 91 f.), schreckliche Sätze zum Innehalten und Wiederlesen. Oft sind in dieser Philippika schon die Überschriften aussagekräftig, so hier: „Die Syrien-Kommission: Kampf gegen Windmühlen“ (S. 105-114). Im Gegensatz zu den Berichten über die Scheußlichkeiten im Jugoslawien-Krieg und in Ruanda, wo jeweils schon nach den ersten von der UNO Tribunale eingerichtet worden waren, geschah hier: nichts! (S. 106 ff.; zu den „Behinderungen“ der Ermittlungen, S. 109 f.). Da Syrien kein Mitglied des Römischen Statuts des IStGH vom 17.07.1989 ist, wäre, um Anklage erheben zu können, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats erforderlich gewesen, die aber unterblieb (Veto Russlands und Chinas, S. 111 f.). Honny soit qui mal y pense.– Breiten Raum räumt Del Ponte dem Thema „Das makabre Spiel mit Giftgas“ ein (S. 114-128). Wer dafür verantwortlich war, blieb unklar. „Die meisten Angriffe gingen von der Regierung aus, meint die Autorin (S. 117 mit einer Dokumentation aller bekannt gewordenen Angriffe, S. 118-122). Berichte über die Versuche, „unsere Arbeit zu boykottieren“ (S. 123 f.) folgen; ferner zu dem Dauerthema, wer von wem mit welchen Waffen beliefert wurde (nebenbei: um viel Geld und Erprobung neuer Waffen geht es regelmäßig ja auch). Der Kommissionspräsident unterband die Publikation der Erkenntnisse, denn „das wäre für einige der beteiligten Staaten eine große Schande gewesen“ (S. 125). Del Pontes Fazit: „Die Kommission war eine Alibi-Veranstaltung“ (S. 128). Sie hatte „die Nase voll“ und trat im September „öffentlichkeitswirksam“ zurück (S. 131). Ihr Fazit ist, unüberlesbar, von Bitternis geprägt (S. 132 ff.). Abschließend mögen die noch folgenden Überschriften genügen, um entscheiden zu können, ob der jeweilige Inhalt noch überraschen könnte: „Amerika first. Über die Relativität v ­ on Werten und Normen“ (S. 136 ff.). „Wer bezahlt, befiehlt: die Finanzierung der UNO“ (S. 142-145: Am meisten, nämlich 22% stemmten bisher die USA; es folgt mit 12 % China, sodann mit 8,5 % Japan und mit 6 % Deutschland). Wenig überraschend lautet die letzte Überschrift zum Ist-Stand 2020/21: „In der Grauzone: Das internationale Recht ist nicht unabhängig“ (S. 146-155). Diese Klage über den Zustand des Völker(straf)rechts einschließlich der tatsächlichen Umsetzung des Völkerstrafgesetzbuchs enthält eine Fülle von Fakten, die dokumentieren, oder – zumindest – nahelegen, was die Autorin hier festgehalten hat. Man sieht, was für Interessierte zumindest schon zu ahnen war: Bei den Begriffen Völkerrecht und Völkerstrafrecht suggeriert die Beifügung des Worts Recht etwas, das hier gerade nicht garantiert ist: nämlich in diesem Zusammenhang Unabhängigkeit der in diesem Bereich Handelnden, auch und gerade von den Interessen der Staaten mit Veto-Recht, also China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA. Die aber besteht evident nicht! Das Recht kann sich nämlich nur dort – bestenfalls – durchsetzen, wo nicht „entscheidende“ Interessen eines „Veto-Staats“ entgegenstehen, wo also kein Veto eingelegt wird. Wenn es aber gerade die ureigene Aufgabe des Strafrechts als Teil des öffentlichen Rechts eines demokratischen Staats ist, jeglicher Macht entgegenzutreten, sie in die Schranken des Rechts zu verweisen, wenn sie den Rechtsboden verlassen hat oder verlässt, so ist hier dieses Recht gar nicht gemeint, wenn eine der Mächte ein Verfahren vor dem IStGH blockiert, also nicht zur Geltung kommen lässt. Aber selbst, wo dies nicht unmittelbar der Fall ist, bleiben Wege offen, dieses Recht nicht zur Geltung gelangen zu lassen. Auch dafür hat Carla Del Ponte schlagende Belege gebracht. Im Völker(straf)recht besteht mithinein Vorbehalt, der dem Wesen des Strafrechts glatt widerspricht. Darin mag man einen Verstoß gegen die „Firmenwahrheit“ sehen, jedenfalls wirkt das wie eine Irreführung der Unwissenden. Wer dies, wie die Autorin, offenlegt, macht sich unter den in diesem Bereich Tätigen wohl nicht allzu viele Freunde. Sie störte eben mit ihrer Beharrlichkeit und Zivilcourage die Kreise derer, die von diesem defizitären Zustand mittelbar oder unmittelbar profitieren. Was Carla Del Ponte also rügt, sind genau die konkreten Auswirkungen der Schwachpunkte der Vertragskonstruktion, in der die „mächtigen“ fünf Staaten sich Privilegien haben einräumen lassen, die den rechtlichen Grundgedanken des Vertrags zuwiderlaufen. Was für eine bemerkenswerte Juristin, die zumindest immer versucht hat, Täter zu fassen und vor den Gerichtshof zu stellen, um so der Gerechtigkeit und auch dem Empfinden der Opfer zu genügen! Im Januar 2022 hat ein Strafsenat des OLG Koblenz einen syrischen Oberst im Geheimdienst unter Anwendung des Weltrechtsgrundsatzes, wonach in § 6 StGB bestimmte, im Ausland begangene Straftaten unabhängig vom Recht des Tatorts in Deutschland verfolgt und bestraft werden können, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt (dazu ein Bericht in der FAZ vom 14.01.2022, S. 3). Das ist eine Sensation! Denn hier tut sich, außerhalb des vertraglichen Völkerstrafrechts ein neuer, jetzt autonomer Weg auf, der kein Veto durch andere Staaten kennt. Wenn er Schule macht, wird das den IStGH entlasten, und wenn viele Staaten ihn aktiv mitgehen, womöglich das bisherige Völkerstrafrecht Zug um Zug ablösen. (mh)

Univ. Prof. Dr. iur. utr. Michael Hettinger (mh). Promotion 1981, Habilitation 1987, jeweils in Heidelberg (Lehrbefugnis für Straf­ recht, Strafprozessrecht und Strafrechtsgeschichte). 1991 Profes­ sur an der Universität Göttingen, 1992 Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht in Würzburg, von 1998 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 in Mainz. Mit­herausgeber der Zeitschrift„Goltdammer’s Archiv für Strafrecht“.

hettinger-michael@web.de

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