Hermann-Josef Bunte / Kai Zahrte, AGB-Banken, AGB -Sparkassen, Sonderbedingungen, 6. Aufl., Verlag C.H. Beck, München 2023. ISBN 978-3-40678685-3. XLIV, 1099 S., € 189,00.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) spielen eine wichtige Rolle im Bankrecht. Neben den gesetzlichen Regelungen bilden sie den Rechtsrahmen für die einzelnen Bankgeschäfte. Mit Hilfe von AGB können gleichartige Verträge typisiert und standardisiert werden; die Standardisierung bringt neben Rationalisierungseffekten auch Rechtssicherheit, weil die vertraglichen Inhalte in der Bank-Kunden-Beziehung transparenter werden. Neben den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gibt es im Bankrecht zahlreiche Sonderbedingungen (SB) für einzelne Geschäftsbeziehungen, vom Überweisungs-, Scheck-, Lastschrift- und Sparverkehr über das Online-Banking bis zu Bedingungen für die Vermietung von Schließfächern. Der in der gelben Reihe des Beck-Verlags erstmals 2007 erschienene Kommentar zu den AGB der Kreditinstitute hat es in kurzer Zeit zu sechs Auflagen (Besprechung der Vorauflage in fbj 2/2020 S. 44) gebracht. Dies erklärt sich auch, aber nicht nur mit der rasanten Entwicklung im privaten Bankrecht und den dadurch notwendig werdenden Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein weiterer Grund für den Erfolg des Werks liegt sicherlich darin, dass es in eine der wenigen noch verbliebenen Marktlücken gestoßen ist und diese offensichtlich zur Zufriedenheit seiner Nutzer geschlossen hat. Das schmale Bändchen der 1. Auflage hat im Laufe der Jahre kräftig zugelegt und inzwischen die 1.000 Seiten-Grenze deutlich überschritten.
Die 6. Auflage markiert eine Zäsur. Der Begründer des Werks, Hermann-Josef Bunte, früher Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und heute Rechtsanwalt in Bielefeld fungiert zwar noch als Mitherausgeber, die für die Neuauflage erforderlichen Überarbeitungen und Ergänzungen stammen aus der Feder von Kai Zahrte, seines Zeichens Ministerialrat im Finanzreferat einer obersten Bundesbehörde, der bereits in der 5. Auflage für die Kommentierung der Sonderbedingungen verantwortlich zeichnete und darüber hinaus durch zahlreiche bankrechtliche Veröffentlichungen, u.a. im Münchener Kommentar zum HGB und im Beck‘schen Online-Großkommentar als Experte bestens ausgewiesen ist. Die Neuauflage berücksichtigt alle Entwicklungen nach dem Erscheinen der Vorauflage vor drei Jahren. Hervorzu- heben ist aus der Rechtsprechung dabei die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken (Postbank-Entscheidung), die im Abschnitt AGB-Banken Rn. 36 ff. eingehend dargestellt und kritisch bewertet wird. Anlass zu Änderungen und Überarbeitungen gaben ferner zahlreiche technischen Neuheiten im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs. Als wichtige gesetzliche Änderung ist die EU-Verordnung über Technische Regulierungsstandards für starke Kundenauthentifizierung und sichere Kommunikation (PSD2-RTS) zu nennen, in deren Folge neue Anforderungen an Kontozugangsschnittstellen und Sicherheitsverfahren im Internetzahlungsverkehr gelten.
Eingeleitet wird die Darstellung durch einen Überblick über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305–310 BGB), wobei die Themen Anwendungsbereich, Einbeziehung in den Bankvertrag, Auslegung von AGB und deren Inhaltskontrolle im Mittelpunkt stehen. Bereits hier wird erkennbar, dass Zahrte nicht einfach den bestehenden Text übernommen, sondern durchaus Eingriffe in Aufbau und Inhalt der Darstellung vorgenommen hat.
Im 2. Teil folgen auf einen vollständigen Textabdruck der AGB-Banken (Stand September 2021) ausführliche „Vorbemerkungen“, in denen Entstehung, Aufgabe und Bedeutung der AGB erläutert werden. Den Hauptteil des Werkes macht die Einzelkommentierung der aus 21 Nummern bestehenden AGB-Banken und der (zahlenmäßig) etwas umfangreicheren AGB-Sparkassen (Teil 3) aus. Sehr stark in der rechtlichen Diskussion stehen seit einiger Zeit die Regelungen in den AGB über Zinsen, Entgelte und Auslagen im Geschäft mit Verbrauchern (Nr. 12 Abs. 1 AGB-Banken bzw. Nr. 17 Abs. 1 AGB-Sparkassen). Die umfangreiche Rechtsprechung hierzu wird in einem Überblick von A (Abtretungserklärung) bis Z (Zessionsbearbeitung) bei den Erläuterungen zu Nr. 12 AGB-Banken zusammengefasst. Auch die Entscheidung des BGH vom 15. November 2022 zum „Jahresentgelt“ einer Bausparkasse in der Sparphase des Bausparvertrags hat hier schon Eingang gefunden. Die Sonderbedingungen sind im 4. Teil des Werks auf ca. 630 Seiten abgedruckt und kommentiert. Bei den Sonderbedingungen für den fast bedeutungslos gewordenen Scheckverkehr (SchB) ist, wie die Fußnoten zeigen, nicht viel neues dazugekommen. Im Literaturverzeichnis hierzu sind einige Werke (z.B. Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch oder Schwintowski, Bankrecht) mit veralteten Auflagen angegeben. Es folgen die Sonderbedingungen für die Sparkassen-Card (SB Debitkarte). Gründlich überarbeitet wurden die Erläuterungen zu den Sonderbedingungen Sparverkehr. Nach den Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr und für Echtzeit-Überweisungen werden die Sonderbedingungen Online-Banking dargestellt, die bereits für die Vorauflage einer sorgfältigen Überarbeitung unterzogen worden waren. Bei der Kommentierung bildet erwartungsgemäß die Klausel zur Haftung (Nr. 10 SB online) den Schwerpunkt.
Nach den Kommentierungen der Sonderbedingungen Lastschrift und der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte bilden die Erläuterungen zu den Sonderbedingungen für die Vermietung von Schrankfächern und für die Annahme von Verwahrstücken sowie zu den Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Notaren den Abschluss. In diesem 4. Teil könnte man die Darstellung etwas (platzsparend) straffen, indem man den gesonderten Textabdruck streicht, zumal der Regelungstext teilweise deutlich umfangreicher als die Erläuterung ist. Dadurch entfiele auch der doppelte Abdruck des Anhangs (S. 632 und S. 722).
Der Kommentar von Bunte/Zahrte kann im Bereich AGB und Sonderbedingungen der Kreditinstitute als unangefochtenes Standardwerk gelten. Das Werk zeichnet sich durch eine praxisorientierte, gut verständliche Darstellungsweise aus. Dass trotz der Konzentration auf das Wesentliche und einer erfreulichen Beschränkung bei den Fußnoten auf zentrale Entscheidungen und Literaturangaben der Umfang von Auflage zu Auflage zunimmt, erklärt sich durch die Komplexität der Materie und die Vielzahl der Änderungen. Mit dem Überschreiten der 1.000 Seiten-Marke ist allerdings, wie schon bei der Besprechung der Vorauflage moniert, die Grenze der Handlichkeit erreicht. Für die nächsten Auflagen wird deshalb der Verzicht auf die Kommentierung weniger bedeutsamer Regeln erwogen werden müssen. (bmc)
Florian König, Anlegerleitbilder und Anlegerschutz im Kapitalmarktrecht, Duncker & Humblot, Berlin 2022. ISBN 978-3-428-18589-4. 220 S., € 79,90.
„Wer als Verbraucher Finanzprodukte erwirbt, Finanzdienstleistungen in Anspruch nimmt oder dies plant, braucht Schutz.“ Mit diesem der Homepage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) entnommenen Zitat führt der Autor in das Themengebiet seiner Arbeit ein, in der er der Frage nach dem passenden Schutzniveau und dem damit verbundenen Anlegerleitbild nachgeht. Unter dem Anlegerleitbild versteht man die gedankliche Vorstellung des Anlegers, die bei der Regulierung des Kapitalmarkts und der Rechtsfindung zugrunde gelegt wird. Nachdem lange Zeit der „rationale oder mündige Anleger“ das Anlegerleitbild bestimmt hat, hat sich in den letzten Jahren vor allem durch paternalistische Regulierungstechniken der Maßstab verschoben. Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/22 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Dass sie in die renommierte Reihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ des Verlags Duncker & Humblot aufgenommen wurde, spricht prima facie für ihre Qualität. Nach einer knappen Einführung (A.) werden im ersten Teil der Untersuchung (B.) die Grundlagen des Anlegerschutzes dargestellt. Im Einzelnen geht es um die dem Anlegerschutz zugrundeliegenden ökonomischen Konzepte (Stichworte homo oeconomicus als grundlegendes Verhaltensmodell und Behavioral Finance als verhaltenswissenschaftliche Finanzmarktforschung), die Ziele und die Maßnahmen des Anlegerschutzes sowie um die Rolle der Aufsichtsbehörden – auf Bundesebene BaFin und auf europäischer Ebene European Securities and Market Authority (ESMA).
Kapitel C. widmet sich der Frage, wie das Anlegerleitbild aktuell in Gesetzgebung, Rechtsprechung und bei Aufsichtsbehörden ausgestaltet ist. An drei Modellen kann sich das Anlegerleitbild orientieren: das marktrational-optimistische, das marktrational-pessimistische und das paternalistische Modell. Diesen Modellen lassen sich wiederum verschiedene anlegerschützende Regelungstechniken zuordnen. Dem Versuch einer Einordnung und Bewertung des aktuellen Systems schickt König einen straffen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Anlegerschutzes und der Anlegerleitbilder in Deutschland und Europa voraus beginnend mit den strengen Regelungen des 1896 in Kraft getretenen Börsengesetzes bis hin zu den Maßnahmen nach der Finanzmarktkrise 2008. Dieser geschichtliche Überblick zeigt mehrere Entwicklungslinien auf: Neben einer Verschiebung von immer mehr Teilen der Regulierung auf die europäische Ebene (verbunden mit einer zunehmenden Verengung nationaler Spielräume) vor allem eine Betonung des Anlegerschutzes als Zielvorgabe für neue Regelungen. Im nächsten Abschnitt wird untersucht, welche Anlegerleitbilder der europäischen und der deutschen Gesetzgebung zugrunde liegen. Die Analyse zeigt auf, dass der Gesetzgeber bei seiner Regulierung nicht auf ein einheitliches Anlegerleitbild setzt, sondern Maßnahmen aus den drei genannten Modellen kombiniert, wobei der Trend weg vom Bild des rationalen Anlegers zu einem eher paternalistischen Modell geht.
In der Rechtsprechung gibt es dagegen mit dem „durchschnittlichen Anleger“ im Bereich der Prospekthaftung und dem „verständigen Anleger“ im Bereich der Insiderinformation zwei typisierte Leitbilder. Bei der Anlageberatung hat der Bundesgerichtshof in der Bond-Entscheidung im Jahre 1993 im Wesentlichen ein marktrational-optimistisches Anlegerleitbild zugrunde gelegt. Dabei werden, wie König aufzeigt, wie bei der Auslegung der typisierten Bilder des verständigen und des durchschnittlichen Anlegers
Erkenntnisse der Behavioral Finance nur sehr zurückhaltend einbezogen. Der Überblick über die Anlegerleitbilder endet bei den Aufsichtsbehörden. Während die ESMA auf ein Leitbild setzt, das zwischen einem marktrationalpessimistischen und dem paternalistischen Modell anzusiedeln ist, ist bei der BaFin eine Tendenz in Richtung eines marktrational-optimistisches Modells festzustellen, freilich mit paternalistischen Zügen bei den Interventionsentscheidungen. Mit einem rechtsvergleichenden Blick in die USA, dem „Mutterland“ des Kapitalmarktrechts, in das Vereinigte Königreich und in die Schweiz wird das Kapitel über Anlegerleitbilder abgeschlossen.
Im nächsten Kapitel (D.), das im Vergleich zur vorangegangenen Bestandsaufnahme deutlich knapper ausfällt, geht es um die Weiterentwicklung des Anlegerleitbilds. Hier erörtert der Autor die Frage, ob und inwieweit die Erkenntnisse der Behavioral Finance Berücksichtigung finden sollen. Seine ausgewogenen Überlegungen münden in den Vorschlag, mit dem „semiprofessionellen Anleger“ eine weitere Kundenkategorie einzuführen und für die verbleibende Gruppe der Kleinanleger jedenfalls in der Entscheidungsphase auch paternalistische Eingriffe zuzulassen.
Im abschließenden Kapitel (E.) wird diskutiert, inwiefern das in der Arbeit entwickelte Anlegerleitbild zu gesetzlichem Reformbedarf führt. Dem Vorschlag, Finanzprodukte abhängig von ihrem Risiko mit einer Ampelkennzeichnung zu versehen (wie der sog. Nutri-Score bei Lebensmitteln) erteilt König zu Recht eine klare Absage. Wenig Sympathie zeigt er auch für die Einführung eines Finanz-TÜV. Beide Instrumente sind für die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Anleger zu pauschal und engmaschig. Angesichts der vorgeschlagenen Differenzierung zwischen Kleinanlegern und semiprofessionellen Anlegern erscheinen dagegen Produktverbote zum Schutz überforderter Kleinanleger ein gangbarer Weg.
Die übersichtlich strukturierte und gut lesbare Arbeit beleuchtet unter Berücksichtigung verhaltensökonomischer und rechtsvergleichender Aspekte das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Privatautonomie und Eigenverantwortlichkeit der Anleger auf der einen Seite und den tatsächlich festgestellten Irrationalitäten im Anlegerverhalten andererseits. Mit den nachvollziehbar begründeten Ergebnissen, die am Ende in neun Thesen zusammengefasst sind, liefert sie einen wertvollen Beitrag in der Diskussion um den Anlegerschutz im Kapitalmarktrecht. (bmc)
Jean-Claude Zerey (Hrsg.). Finanzderivate. Rechtshandbuch. 5. Aufl. Nomos, Baden-Baden 2023. ISBN 978-3-8487-7856-0. 1392 S., geb., € 199,00.
Derivate zählen zu den komplexesten Anlageprodukten. Gleichwohl hat der Markt für Derivate seit den 80er Jahren ein ständiges Wachstum erlebt. Derivate sind Finanzinstrumente, deren Preise sich nach den Kursschwankungen oder den Preiserwartungen anderer Investments richten. Daher lassen sie sich sowohl zur Absicherung gegen Wertverluste als auch zur Spekulation auf Kursgewinne des Basiswerts verwenden.
Das nunmehr in 5. Auflage vorliegende Rechtshandbuch ist das hochgelobte Referenzwerk für eine professionelle Beratung in allen wesentlichen Rechtsfragen zum Thema Finanzderivate. Die Neuauflage berücksichtigt alle Änderungen u.a. der (technischen) Regulierungsstandards zu den Risikominderungstechniken und den Vorgaben zur Vertragsdokumentation sowie neuere Entwicklungen in der Vertragspraxis.
Fast 50 Derivate-Expertinnen und Experten aus Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Banken und Rating-Agenturen, die im Autorenverzeichnis (S. 49-56) kurz vorgestellt werden, stellen sich unter der Herausgeberschaft des Frankfurter Rechtsanwalts Jean-Claude Zerey der anspruchsvollen Aufgabe, das Derivategeschäft aus unterschiedlicher Sicht zu beleuchten. Die systematische, klare Gliederung ermöglicht einen guten Zugriff auf das umfangreiche Themenspektrum der Finanzderivate. Im 1. Teil werden auf knapp 80 Seiten der wirtschaftliche Hintergrund, insbesondere die Funktionen und der Einsatz von Finanzderivaten und Zertifikaten (strukturierte Schuldverschreibungen) dargestellt. Der umfangreiche Teil 2 befasst sich mit den vertragsrechtlichen Verhältnissen. Kam die zehn Jahre zurückliegende 3. Auflage noch mit 7 Paragrafen zu diesem Themenbereich aus, sind es inzwischen 18 (§§ 9-27) geworden. Außerbörsliche Termingeschäfte (OTC-Derivatgeschäfte) werden ganz überwiegend national oder international anerkannten Vertragsbedingungen in Form von Rahmenverträgen unterstellt. Nach der Darstellung des deutschen Rahmenvertrags nebst Anhängen und des European Master Agree ments (EMA) (mit einem eingeschobenen Kapitel zur Behandlung negativer Zinsen) und der ISDA Dokumentation folgt ein Überblick über die Vertragsgestaltung bei Credit Default Swaps, der mit der Wiedergabe von einigen wegweisenden (überwiegend) ausländischen Gerichtsurteilen abgeschlossen wird. Es schließen sich an Abschnitte zum Collateralized/Secured Funding, zu Total Return Swaps (RTS), zu Derivaten im Zusammenhang mit Unternehmensbeteiligungen und zu Credit Linked Notes (CLN). In § 20 berichtet der Herausgeber des Handbuchs von ersten Erfahrungen aus der Praxis mit ESG-Linked Derivaten (Derivate im Kontext der Nachhaltigkeit). Die rechtlichen Aspekte von Aktienderivaten, Kryptoderivaten, von Zertifikaten sowie der in andere Finanzinstrumente eingebetteten Derivate, das Wertpapierdarlehen und das Wertpapierpensionsgeschäft sind Gegenstand weiterer knapper, präzise informierender Kapitel. Die insolvenzrechtliche Behandlung von Derivaten und hierbei die bedeutsame Netting-Thematik (Verrechnung gegenläufiger Zahlungsbewegungen) bilden einen weiteren Schwerpunkt (Teil 3). Durch Netting soll erreicht werden, dass im Insolvenzfall alle abgeschlossenen und noch laufenden Transaktionen gemeinsam beendet, bewertet und verrechnet werden. Die Wirksamkeit solcher NettingVereinbarungen bei Finanzderivaten vor der (drohenden) Insolvenz eines Vertragspartners zählt zu den am meisten diskutierten Rechtsfragen im OTC-Derivatebereich. Das Thema wird deshalb in einem Umfang und in einer Intensität in diesem Handbuch behandelt, das seiner praktischen Bedeutung angemessen ist.
Mit aufsichtsrechtlichen Aspekten und dem öffentlichen Recht im Bereich der Derivate befasst sich Teil 4. Neben dem Einsatz von Derivaten bei Pfandbriefbanken, bei Versicherungsunternehmen und in Investmentvermögen wird auch die noch immer aktuelle Problematik des Einsatzes derivater Finanzinstrumente durch Bund, Länder und Gemeinden einer differenzierten Betrachtung unterzogen. Bankenaufsichtsrecht, Bankenrisikosteuerung und Compliance sind die Themen des 5. Teils. Hier findet sich auch ein Kapitel zur Anlageberatung mit sorgfältiger Auswertung der Rechtsprechung. Nach einem Blick über die Grenzen (Luxemburg, Österreich, Schweiz) im 6. Teil bilden bilanz- und steuerrechtliche Erörterungen den Abschluss. Ein Glossar, eine Rechtsprechungsübersicht und der Abdruck des Deutschen Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte runden die Darstellung ab. Die Aktualität und die starke Praxisorientierung machen das Rechtshandbuch Finanzderivate zu einem zuverlässigen Ratgeber für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer sowie Juristen in Banken, Versicherungsunternehmen und Kapitalanlagegesellschaften. Es vermittelt einen umfassenden Überblick und lässt keine Frage offen. (bmc)
Dirk Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, 2. Auflage, C.H.BECK, München 2023, ISBN 978-3-406-72428-2, LI, 368 S. € 85,00.
Es war von Anfang an ein ambitioniertes Vorhaben, ein einführendes Kurzlehrbuch über die Regulierung der Banken- und Wertpapieraufsicht zu verfassen. Nach fast zehn Jahren (die 1. Auflage ist 2014 erschienen) war es Zeit für eine Neuauflage. Die vollständig überarbeitete 2. Auflage bildet die aktuellen regulatorischen Neuerungen auf europäischer und nationaler Ebene ab. Neben den umfassenden wertpapierrechtlichen Änderungen in Folge der MiFID II/MiFIR sind die Anpassungen durch die 4. EU-Geldwäscherichtlinie sowie die Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) zu erwähnen, die strenge Sicherheitsanforderungen für die Auslösung und Abwicklung elektronischer Zahlungen eingeführt hat. Ein Fokus der Neuauflage liegt nicht zuletzt auf aktuellen Fragen der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement). Neben dem Herausgeber Dirk Auerbach werden zehn weitere Autorinnen und Autoren in der Titelei aufgeführt, leider findet man keinerlei Hinweise, wer für welches Kapitel verantwortlich zeichnet oder worin sich die Mitarbeit der Genannten zeigt. Das Buch ist in sechs Kapitel gegliedert, beginnend mit einer kurzen Einführung in die Allfinanzaufsicht mit einem Überblick über die verschiedenen Aufsichtsbereiche und Tabellenauflistungen der wesentlichen Aufgaben von BaFin und Deutscher Bundesbank. Weiter wird ein Abriss der Entwicklung der europäischen Finanzaufsicht gegeben. Das über 200 Seiten umfassende Kapitel 2 hat die Aufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute zum Gegenstand. Nach einer kurzen Einführung zur Zwecksetzung der Bankenaufsicht wird das System der internationalen und nationalen Vorgaben geschildert. Der nächste Abschnitt befasst sich mit den Adressaten und regulierten Aktivitäten. Ausführlich werden unter der etwas blassen Überschrift Rahmenbedingungen zentrale Themen des Bankenaufsichtsrechts behandelt. Den Abschluss bildet eine Darstellung der Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeiten. Das knapp gehaltene Kapitel 3 befasst sich mit der Aufsicht über Zahlungsdienstleister und EGeldinstitute. Kapitel 4 erläutert die Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Nach einem Überblick über die Zwecksetzung der Wertpapieraufsicht, die europarechtlichen und die nationalen Rechtsgrundlagen, den Adressatenkreis und die regulierten Aktivitäten werden die wesentlichen Inhalte einschließlich der Überwachung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten dargestellt. Ähnlich in Aufbau und Darstellungsweise behandeln das 5. und 6.Kapitel die Aufsicht über Kapitalverwaltungsgesell schaften und über Wertpapierinstitute.
Das Werk gibt einen fundierten Überblick über die wesentlichen Aspekte der Banken- und Wertpapieraufsicht, wobei Zusammenhänge aufgezeigt und Entwicklungstendenzen beschrieben werden. Die komplexe Materie wird durch Graphiken und Tabellen veranschaulicht. Dadurch gewinnt die gut gegliederte Darstellung an Übersichtlichkeit und Verständlichkeit.
Für die Zielgruppe Rechtsanwaltschaft, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken, Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften ist es gut geeignet. Für die daneben in der Verlagswerbung genannten „Studierenden und Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, die sich einen Überblick über die Thematik verschaffen möchten“ scheint mir die Thematik zu speziell und komplex. (bmc)
Claussen Carsten Peter / Erne Roland, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage, C.H. Beck, München 2023. ISBN 978-3-406-72212-7, XVII, 509 S., € 99,00.
Nach fast zehn Jahren ist wieder eine Neuauflage des bewährten Handbuchs erschienen. Grund für die lange Zeitspanne zwischen den Auflagen war, wie im Vorwort erläutert wird, die Corona-Pandemie und die Beanspruchung von zwei als Rechtsanwälte tätigen Autoren durch die sog. „Diesel-Sammelklagen“. Im Autorenteam haben sich keine Änderungen ergeben. Neben den drei Düsseldorfer Rechtsanwälten Roland Erne, Norbert Bröcker und Marcel Kirchhartz – die Kanzlei, für die sie tätig sind, wird im Vorwort gleich zweimal erwähnt – die Professoren Jens Ekkenga (Universität Gießen) und Frank van Look (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig). Roland Erne, schon seit der 4. Auflage Mitherausgeber und Autor von Anfang an, erscheint nun auch als (Mit-)Namensgeber des Werks, in dessen Titel das Börsenrecht durch das der Themenvielfalt besser gerecht werdende Kapitalmarktrecht ersetzt wurde.
Die Darstellung ist in sieben Paragraphen gegliedert. In § 1 stellt Kirchhartz den Gegenstand des (öffentlichen und privaten) Bankrechts dar mit Ausführungen zu den zwei Ebenen des deutschen Kreditwesens und einem Überblick über die Bankenaufsicht, in dem die zahlreichen Änderungen durch europäische Vorgaben im Einzelnen behandelt werden. Das Kapitel Recht des Bankkontos wird wie bisher in bewährter Weise von Frank van Look bearbeitet. In dem von Kirchhartz verfassten § 3 „Einseitige Leistungsverpflichtungen der kontoführenden Bank gegenüber ihren Kunden“ geht es u.a. um das Bankgeheimnis, die Bankauskunft sowie um das wichtige Thema „Raterteilung und Beratungshaftung“. In § 4 – thematisch unklar mit „Das Recht der Bankverfügung“ überschrieben – befasst sich van Look im Wesentlichen mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr (Überweisung, Lastschrift, kartengesteuerter Zahlungsverkehr), aber auch mit dem Auslandszahlungsverkehr und der Zahlungssicherung. Von „Bankverfügungen“ spricht man in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht. Einen (umfangmäßigen) Schwerpunkt des Bandes bildet der Abschnitt zum Kreditrecht, für das der Herausgeber Erne verantwortlich zeichnet. Neben den einzelnen Kreditarten mit einem eigenen Kapitel zum Verbraucherdarlehen, das wegen zahlreicher Neuerungen gründlich überarbeitet und aktualisiert werden musste, werden hier die Kreditsicherheiten (Personalsicherheiten, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung, Grundpfandrechte) behandelt. § 6 trägt jetzt die Überschrift Kapitalmarktrecht (Bearbeiter Bröcker). Hier ist der Platz für Ausführungen über die Börse als Einrichtung und ihre Rechtsgrundlagen. Nach den Regelungen über die Zulassung zum Markt schließt ein Überblick über den Schutz des Wertpapieranlegers diesen Teil ab. Der abschließende § 7 (Wertpapierhandel, Bearbeiter Ekkenga) hat ebenfalls eine spürbare Aktualisierung erfahren.
Durch die großen Abstände zwischen den Auflagen kann das Werk leicht in Vergessenheit geraten. Das wäre bedauerlich, denn insgesamt handelt es sich um eine konzentrierte auf das Wesentliche beschränkte, gut verständliche Darstellung. Das Buch wendet sich an „Rechtsanwaltschaft, Richterschaft sowie an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken, Sparkassen und Finanzdienstleistern“. Die in der Vorauflage noch als Adressaten erwähnten „Studierenden von Wirtschaft, Recht und Bankwesen an Universitäten, Fachhochschulen und Akademien“ werden nicht mehr genannt. Für diese Personengruppe dürfte das Werk schlicht zu teuer sein. Bei einer leichten Reduzierung des Umfangs, der wohl auf der Verwendung eines anderen Schriftgrads beruht – ist der Preis deutlich angestiegen, von 59 Euro auf stolze 99 Euro. (bmc)
Matthias Lehmann, Grundriss des Bank- und Kapitalmarktrechts. 2. Aufl., C.F.Müller 2023. ISBN 978-3811454798 XXXV, 208 S., € 25,00.
Das Angebot an Studienliteratur zum Kapitalmarktrecht ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Neben den eingeführten Werken von Petra Buck-Heeb (Kapitalmarktrecht, 13. Aufl. 2023), Grunewald/Schlitt (Einführung in das Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2020), Dörte Poelzig (Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2021) ist ein weiteres für Sommer 2023 angekündigt: Rüdiger Wilhelmi (Kapitalmarktrecht). Während die genannten Bücher nur das Kapitalmarktecht zum Inhalt haben, gibt der vorliegende, nunmehr in 2. Auflage erschienene Grundriss auch einen Überblick über das Bankrecht. Er erscheint in der Reihe „Start ins Rechtsgebiet“, die sich durch eine komprimierte Darstellung für den schnellen Einstieg auszeichnet.
Das Buch ist auf der Grundlage von Vorlesungen des Autors entstanden; folgerichtig wendet es sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaft und der Wirtschaftswissenschaften, die einen Einstieg in das Bank- und Kapitalmarktrecht suchen, etwa im Rahmen eines juristischen Schwerpunktbereichs oder in einem Masterstudiengang. Dass sich auch die angesprochenen Praktiker damit eine schnellen Überblick verschaffen, wäre zwar durchaus möglich, ist aber eher unwahrscheinlich, weil Praktiker in der Regel nicht auf speziell für Ausbildungszwecke gedachte Literatur zurückgreifen.
Da sich insbesondere das Kapitalmarktrecht in einem fortwährenden Wandel befindet, waren für die Neuauflage zahlreiche Neuregelungen und Änderungen zu berücksichtigen. Eingearbeitet wurden im Bankrecht die CCR II und die CRD V (beide Abkürzungen tauchen im Abkürzungsverzeichnis nicht auf) und im Kapitalmarktrecht die Reform des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) durch die Umsetzung der MiFID II und die neue MiFIR. Die einschlägigen EU-Verordnungen und Richtlinien sind am Anfang des Buches (S. XXXI – XXXV) aufgelistet mit Hinweis zur Abrufbarkeit.
Auf eine Einleitung, in der nicht nur der wirtschaftliche Hintergrund des Bank- und Kapitalmarktrechts, die Regelungsziele und -instrumente sowie die Rechtsquellen aufgezeigt, sondern auch ein kurzer Überblick über die Grundsätze der Finanzmarktaufsicht gegeben wird, folgt der acht Paragraphen umfassende 1. Teil, das Bankrecht. Nach einführenden Darstellungen zum Bankensystem sowie zur Bankerlaubnis und Bankaufsicht beschäftigt sich § 4 mit dem schwierig zu definierenden Begriff des Geldes. Ab § 5, der das Bankkonto behandelt, tritt der didaktische Charakter der Darstellung deutlicher zutage, indem die Überschriften häufig als Frage formuliert sind. Weitere Themen sind der Zahlungsverkehr (§ 6), das Kreditgeschäft (§ 7) und – nicht so recht in den Zusammenhang passend – ein Abschnitt über Wertpapiere (§ 8).
Der 2. Teil, der das Kapitalmarktrecht zum Inhalt hat, umfasst 10 Paragraphen. Der einführende § 9 stellt Begriff, Segmente und rechtliche Regelungen des Kapitalmarktrechts vor, gefolgt von einem Überblick über die Börse und deren Funktionsweise. Sodann werden die Finanzinstrumente (§ 11) und speziell Investmentfonds (§ 12) erläutert. § 13 befasst sich aus öffentlichrechtlicher und aus zivilrechtlicher Sicht mit dem Anlagenvertrieb. Insiderhandel, Marktmanipulation und Publizitätspflichten sind die Themen der nächsten Paragraphen. Nach einer kurzen Darstellung des Übernahmerechts (§ 17) schließt ein Abriss des Rechtsschutzes für Anleger das Werk ab. Die von der Reihe „Start ins Rechtsgebiet“ angestrebte rasche Orientierung wird ermöglicht durch eine hohe Verständlichkeit des Textes, der durch anschauliche Beispiele und Vertiefungshinweise ergänzt wird. Noch mehr Wert wird in der Neuauflage auf die Vermittlung des ökonomischen Hintergrunds gelegt. Fußnoten setzt Lehmann nur sparsam und immer nur mit wirklich zentralen Hinweisen ein. Insgesamt eignet sich dieses Werk sehr gut als kompakte Einführungslektüre. (bmc)
Olaf Langner. Verwahrentgelt und Negativzinsen in der Bankpraxis, C.H.Beck München 2023, IBN 978-3-406-79648-7, XXVII, 155 S., € 69,00.
Negativzinsen (auch Strafzinsen oder Minuszinsen genannt) sind ein gesellschaftliches Reizthema. Dabei handelt es sich um Gebühren, die Banken in den Jahren 20142021 für hohe Kundeneinlagen erhoben, teilweise auch als Verwahrentgelte ausgestaltet.
Die meisten Kreditinstitute berechneten die Negativzinsen oder das Verwahrentgelt für hohe Guthaben auf Girokonten, Geschäftskonten, Tagesgeldkonten oder Verrechnungskonten. Hierbei wurde in der Regel ein Freibetrag gewährt, der im Schnitt bei 25.000 bis 50.000 € lag. Bei Überschreitung dieser Freigrenze fielen Negativzinsen von meist -0,50 % an. Was mathematisch leicht zu erklären ist, erweist sich als rechtlich äußerst komplex. Das vorliegende Werk bietet eine systematische und praxisbezogene Darstellung der zivilrechtlichen, steuerrechtlichen und europarechtlichen Fragestellungen rund um die Themen Verwahrentgelt und Negativzinsen im Verhältnis der Kreditinstitute zu ihren Kunden. Verfasst ist es von Olaf Langner, seines Zeichens Chefsyndikus des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands sowie Honorarprofessor an der Hochschule für Finanzwirtschaft und Management in Bonn. Das (weitere) sechsköpfige Autorenteam setzt sich zusammen aus Universitätsprofessoren, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.
Die Darstellung ist in fünf Paragrafen gegliedert. § 1 untersucht die Zulässigkeit von Verwahrentgelten oder Negativzinsen aus zivilrechtlicher Sicht, wobei mit überzeugender Begründung zwischen dem Passivgeschäft und dem Aktivgeschäft eines Kreditinstituts unterschieden wird. Nach einem knappen Kapitel zur steuerrechtlichen Bewertung folgt ein Bick aus europarechtlicher Perspektive (§ 3). Abgerundet und abgeschlossen wird das Werk durch eine Darstellung des Wirkzusammenhangs zwischen EZBZinspolitik und Verwahrentgelten der Kreditinstitute und mit einem rechtsvergleichenden Blick über die Grenzen mit Länderberichten Frankreich, Schweiz und Österreich. Im Anhang sind wesentliche Gesetzestexte abgedruckt; im „Vorspann“ findet sich – unterteilt in Passiv- und Aktivgeschäft – eine Auflistung von Entscheidungen deutscher Gerichte zu Verwahrentgelten und Negativzinsen. Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass ein Buch zum Thema Verwahrentgelte und Negativzinsen erst nach dem Zeitpunkt erscheint, an dem die EBZ den Einlagenzinssatz auf Null bzw. inzwischen wieder auf einen positiven Wert gesetzt hat. Doch durch die neueren Entscheidungen der EZB hat sich das Problem der Verwahrentgelte und Negativzinsen keineswegs erledigt. Auch wenn der negative Einlagenzinssatz eine Ursache für das Auftreten von Negativzinsen war, so war diese Geldpolitik weder rechtlich noch ökonomisch eine notwendige Bedingung hierfür. Unabhängig davon sind in diesem Bereich noch viele Fragen offen, nur vereinzelt hat sich bisher die Rechtsprechung zu möglichen rechtlichen Ausgestaltungen und deren Rechtsfolgen für die (kautelarjuristische) Praxis geäußert. Die jüngsten Entscheidungen des BGH zum Anspruch auf Zahlung von „Negativzinsen“ aus Schuldscheindarlehen aufgrund einer Zinsgleitklausel sind erst nach Erscheinen des Werkes ergangen.
Bei Streitfragen aus dem Bereich des Bankrechts haben Veröffentlichungen häufig ein erwartbares Ergebnis, weil sich der Verfasser/die Verfasserin dem Verbraucherschutz oder den Interessen der Kreditinstitute verpflichtet sieht. Als Chefsyndikus des Sparkassen- und Giroverbands ist der Herausgeber dieses Werks natürlich auch einem Lager zuzuordnen. Das mag Einfluss auf manche Ergebnisse der Abhandlung gehabt haben, nicht jedoch auf deren Qualität. Es handelt sich nicht um einen Schnellschuss zu einem aktuellen Thema, sondern um eine vertiefte, gehaltvolle Darstellung, die die Diskussion auf eine breitere Basis stellt. (bmc)
Felix Herzog / Olaf Achtelik (Hrsg.). Geldwäschegesetz (GwG), Kommentar, 5. Aufl. C.H. Beck München 2023. ISBN 978-3406788253. L, 1387 S., € 189,00.
Nach drei Jahren erscheint eine Neuauflage dieses Standardkommentars zum Geldwäschegesetz. Die 5. Auflage berücksichtigt insbesondere die umfassenden Änderungen des Geldwäschegesetzes durch das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz (TraFinG), die Änderungen des StGB durch das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche (GwStrRVG) sowie die Sanktionsdurchsetzungsgesetze (SDG I und SDG II). Sie befindet sich auf dem Stand Dezember 2022. Neben den beiden Herausgebern Felix Herzog, Professor an der Universität Bremen und Rechtsanwalt Olaf Achtelik wird das Werk bearbeitet von Julia Figura (Stadtkämmerin in Oldenburg), Mohamad El-Ghazi (Professor an der Universität Trier) sowie von Steffen Barreto da Rosa und (neu hinzugekommen) Bernadette Seehafer (über die man nichts weiter erfährt).
Vor der Kommentierung der einzelnen Vorschriften des GwG stellen die beiden Herausgeber in einer äußerst lesenswerten knapp 70 Seiten umfassenden Einleitung zunächst Begriffe, Modelle, Erscheinungsformen und Normen der Geldwäsche vor. Ein eigener Abschnitt ist der Terrorismusfinanzierung gewidmet. Dieser einleitende Teil endet mit bedenkenswerten Überlegungen zur Geldwäschebekämpfung als Teil einer expandierenden Sicherheitsarchitektur.
Die Kommentierung der Vorschriften des GwG (§§ 1-59) ist inzwischen auf ca. 1.000 Seiten angewachsen. Neben dem Geldwäschegesetz werden die geldwäscherelevanten Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) sowie aus dem StGB der Tatbestand der Terrorismusfinanzierung (§ 89 c StGB) und der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) ausführlich erläutert. Neu aufgenommen wurde eine Kommentierung der Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien und der Kryptowertetransferverordnung, die im Rahmen des § 15 GwG erfolgt. Berücksichtigung fanden auch verschiedene neuere Auslegungs- und Anwendungshinweise aus dem Banken- und Glücksspielbereich. Bei den geldwäscherechtlich Verpflichteten (vgl. die endlose Aufzählung in § 2 GwG) ist der Bedarf nach praxisgerechter Information angesichts der komplexen Anforderungen des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörden groß. Mit dem vorliegenden Kommentar steht ihnen in einem kompakten Band eine aktuelle, fundierte Arbeitshilfe zur Verfügung. Aber auch alle anderen, die mit Fragen der Geldwäsche befasst sind (Aufsichts- und Ermittlungsbehörden, Gerichte, Banken, Versicherungen, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer) finden in diesem handlichen Kommentar zuverlässig praxisorientierte Antworten. (bmc)
Julia Redler, Transparenz von Zuwendungen bei der Kapitalanlage, Duncker & Humblot, Berlin 2023. ISBN 978-3-428-18751-5, 350 S., € 99,90.
Seit vielen Jahren stehen die Aufklärungspflichten bezüglich Rückvergütungen, Innenprovisionen und Gewinnmargen und in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis und die Wechselwirkungen von Aufsichts- und Vertragsrecht im Fokus der Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahre 2014 (XI ZR 147/12) die Differenzierung zwischen Rückvergütungen und Innenprovisionen aufgegeben und ein nahezu flächendeckendes Transparenzgebot bezüglich der Aufklärung über Zuwendungen im Kapitalanlagerecht statuiert. Die Autorin nimmt dieses Urteil zum Anlass für eine Untersuchung, wie das Transparenzgebot im Spannungsverhältnis von Aufsichts- und Vertragsrecht dogmatisch zu verorten ist. Die Arbeit wurde 2022 vom Fachbereich Rechtswissenschaftlichen der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Dass sie in die renommierte Reihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ des Verlags Duncker & Humblot aufgenommen wurde, spricht prima facie für ihre Qualität.
Im 1. Kapitel (Grundlagen und Grundfragen) wird der Gegenstand der Untersuchung beschrieben: Es geht im Folgenden um die zentrale Frage, ob das aufsichtsrechtliche Prinzip der Transparenz zwingende Voraussetzung für ein umfassendes zivilrechtliches Transparenzgebot im Rahmen der Offenlegung von Zuwendungen ist oder ob dies schon unmittelbar aus dem zivilrechtlichen Grundsatz folgt, dass bei Fremdinteressenwahrungsverträgen (Auftrag, Geschäftsbesorgung, Treuhandvertrag) Interessenkonflikte zu vermeiden sind. Der Fokus liegt dabei auf den der Kapitalanlage und Kapitalanlageberatung zugrundeliegenden Vertragstypen, dem Anlageberatungsvertrag und dem Finanzkommissionsgeschäft. Zunächst wird das erwähnte Urteil des BGH dargestellt und die daraus sieben Thesen abgeleitet (zusammengefasst S. 37).
Das 2. Kapitel befasst sich mit dem vertragsrechtlichen Pflichtengefüge im Bereich der Kapitalanlageberatung. Die Vermarktung von Kapitalanlagen unterliegt von der Anbahnung bis zur Abwicklung geschäftsbesorgungsrechtlichen Grundsätzen und Regelungen. Das 3. Kapitel widmet sich der Bedeutung des Aufsichtsrechts für das vertragsrechtliche Pflichtengefüge. Verf. kommt zu dem überzeugend begründeten Ergebnis, dass die Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG reines Aufsichtsrecht sind und eine „automatische“ Anpassung des Zivilrechts an die Vorgaben des Aufsichtsrechts nicht erfolgt, vielmehr die zivilrechtlichen Pflichten eigenständig festzustellen sind. Im 4. Kapitel wird das Zusammenspiel von Vertragsrecht und Aufsichtsrecht am Beispiel der Offenlegung, Vermeidung und Lösung von Interessenkonflikten bei der Aufklärung über Zuwendungen dargestellt. Das Transparenzgebot im Hinblick auf Zuwendungen ist sowohl im Vertragsrecht als auch im Aufsichtsrecht verankert, sodass es keiner Inkorporation oder Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Grundsätze in das Vertragsrecht bedarf. Auf den Ausführungen der Kapitel 2 bis 4 aufbauend werden im abschließenden 5. Kapitel die dogmatische Herleitung, Begründung und Verankerung des Transparenzgebots als allgemeiner Rechtsgedanke zur Auflösung von Interessenkonflikten bei der Offenlegung von Zuwendungen analysiert. Das Beratungsrecht und damit auch die Beratungshaftung bleibt nach dem sorgfältig und überzeugend begründeten Ergebnis weiterhin eine Domäne des Zivilrechts. Die Schutzinstrumente der Aufklärungs- und Informationspflichten sind bereits vorhanden und müssen nicht über das Aufsichtsrecht in das Zivilrecht transportiert werden.
Die übersichtlich strukturierte und gut lesbare Arbeit liefert einen wertvollen Beitrag zum Spannungsfeld von Aufsichts- und Vertragsrecht. Eine souveräne Leistung. (bmc)
VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann war von 2002 bis Ende Februar 2016 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe. Er ist Mitautor in mehreren juristischen Kommentaren und Autor in juristischen Fachzeitschriften.
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