Rüdiger Litten, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Finanzinstrumente (RWS Skript, Bd. 393), RWS-Verlag Köln 2022. ISBN 978-3-8145-0393-6. LI, 399 S., € 79,00.
Das Kapitalmarktrecht hat sich von einer eng umrissenen Materie für Spezialisten zu einem Kernbestandteil des Wirtschaftsrechts entwickelt. Insbesondere seit der Finanzkrise 2008 hat dieses Rechtsgebiet an Relevanz und Dynamik gewonnen, allein schon wegen der großen Zahl der auf europäischer Ebene verabschiedeten Rechtsakte. Die größte Herausforderung liegt heute, wie der Autor im Vorwort zu Recht betont, darin, den Überblick zu behalten und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Regelungsfeldern des Kapitalmarktrechts zu erkennen. Neben dem Kommentar von Wolfgang Groß zum Kapitalmarkrecht (8. Aufl. 2022) zu wichtigen Gesetzen des Kapitalmarktrechts, dem Handbuch von Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried (Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022), dem Lehrbuch von Dorothea Einsele (Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2022) gibt es inzwischen eine Auswahl an Studienliteratur unterschiedlichen Zuschnitts. Neben den eingeführten Werken – in alphabetischer Reihenfolge – von Petra Buck-Heeb (Kapitalmarktrecht, 12. Aufl. 2022), Grunewald/Schlitt (Einführung in das Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2020), Matthias Lehmann (Grundriss des Bankund Kapitalmarktrechts, 2. Aufl. 2023), Dörte Poelzig (Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2021) ist ein weiteres für Sommer 2023 angekündigt: Rüdiger Wilhelmi (Kapitalmarktrecht). Das vorliegende Werk wendet sich nicht nur an Studenten, sondern auch an Praktiker, aus deren Reihen der Autor als Partner in einer internationalen Großkanzlei selbst stammt. Es ist in sechs Abschnitte gegliedert. Nach einem Einführungskapitel (Der Kapitalmarkt und sein Recht), in dem Grundbegriffe, Geschichte sowie Struktur und Rechtsquellen des Rechtsgebiets vorgestellt werden, wird auf etwa 200 Seiten das Kapitalmarktaufsichtsrecht behandelt. Es folgt als zweiter Schwerpunkt das Kapitalmarktzivilrecht (S. 229–320) und danach ein kurzes Kapitel zum Kapitalmarktsanktionsrecht. Da die Digitalisierung alle Finanzakteure betrifft und sowohl Dienstleistungen und Produkte als auch organisatorische Prozesse erfasst, widmet Litten diesem Thema ein eigenes Kapitel. Etwas unüblich, aber hilfreich ist die abschließende Tabelle über die Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts. Hier werden alle einschlägigen Rechtsakte und sonstigen offiziellen Quellen auf europäischer und deutscher Ebene in Lang- und Kurzbezeichnung mit ihrem Regelungsgegenstand aufgelistet. Verglichen mit gängigen Lehrbüchern und Studienliteratur zum Kapitalmarktrecht fällt hier einiges aus dem Rahmen. Der leider uneinheitlichen Zitierweise in juristischen Abhandlungen fügt Litten eine weitere Variante hinzu, wenn er etwa den Münchener Kommentar wie folgt zitiert: Mü-
Ko-BGB-Wendehorst. Ungewöhnlich und für viele Leser eher abschreckend ist der ausufernde Fußnotenapparat. Im Schnitt bleibt allenfalls die Hälfte einer Seite für den Fließtext – oft sogar nur wenige Zeilen. In den vorangestellten (S. XXI/XXII) „Benutzerhinweisen“ weist der Autor darauf hin, dass der Fließtext Überblick und Grundinformation bietet.: „Wer an Einzelheiten und Zweideutigkeiten interessiert ist, der lese bitte (auch) die Fußnoten!“ Die darauf basierende Aufteilung und Zuordnung leuchtet nicht immer ein. So wird ein Überblick über das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, ein wichtiges Element des kollektiven Rechtsschutzes im Kapitalmarktrecht (und gerade nicht eine Einzelheit oder Zweideutigkeit im Sinne der Benutzerhinweise) in einer umfangreichen Fußnote versteckt. Der überbordende Umfang der Fußnoten beruht nicht auf einer ausgiebigen Zitierung von Rechtsprechung und Literatur, sondern eher auf der Neigung des Autors, (fast) alles näher zu erläutern oder zu kommentieren. Manches ist sicherlich hilfreich und weiterführend, bei anderem fragt man sich schon nach dem Sinn, etwa wenn Litten erklärt, welches juristische Lehrbuch (aus einem anderen Rechtsgebiet) nach seiner Auffassung am besten die Erkenntnis umsetzt, dass der Student für den Normalfall lernen und „nicht die Steckenpferde seines Lehrers reiten soll“ (Fn. 7) oder wenn er bekennt, sich Paul Schmitthenners architektonisches Werk als Vorbild für „in der Ordnung ruhende Schönheit“ genommen zu haben (Fn. 1). Wie immer, wenn konkurrierende Werke auf dem Markt sind, kann die erste Empfehlung nur lauten, sich kurz „einzulesen“ und die Entscheidung nach eigenen Vorlieben zu treffen. Wer sich mit der gelegentlich etwas eigenwilligen Darstellung des Autors anfreunden kann, hat mit diesem Buch eine – im Fließtext gut lesbare- Einführung in das Kapitalmarktrecht zur Hand, die sowohl einen ersten Zugang zu diesem Rechtsgebiet ermöglicht als auch Verständnis für Zusammenhänge vermittelt. (bmc)
Jürgen Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken. RWS-Skript 226, RWS Verlag Kommunikationsforum, 13. Aufl., Köln 2022, ISBN 978-3-8145-7809-5. XLI, 246 S., € 59,00.
Bereits in 13. Auflage ist in der Reihe „Wirtschaftsrecht aktuell“ des RWS-Verlags der Band „Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken“ erschienen. Der Autor, Rechtsanwalt in Cloppenburg, ist ausgewiesen durch zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften zu bankrechtlichen Themen. Das Werk bietet auf der Grundlage der Rechtsprechung einen systematischen Überblick über das umfangreiche „case law“ in dem Bereich der Aufklärungs-, Beratungs- und Warnpflichten. Die 1. Auflage ist 1991 erschienen, als das Thema Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute gerade aufgekommen war. Auch nach 30 Jahren ist das Thema noch aktuell, auch wenn die Zahl der Entscheidungen, wie der Autor im Vorwort konstatiert, deutlich abgenommen hat.
In den einleitenden Grundlagen wird knapp der Pflichtenkatalog der Banken erläutert. Den klassischen Pflichten zur Aufklärung und Beratung des Kunden werden die durch die Rechtsprechung entwickelten Nachforschungs-, Überwachungs- und Benachrichtigungspflichten zur Seite gestellt. Es folgen Begriffsbestimmungen bezüglich dieser Pflichtenkreise sowie Darstellungen der Haftungsgrundlagen (vertraglich, gesetzlich) mit ihren einzelnen Voraussetzungen. Der zweite Teil ist – differenziert nach den Geschäftszweigen eines Kreditinstituts – den besonderen Aufklärungs-, Beratungs- und sonstigen Warnpflichten der Bank gewidmet. Angefangen mit der Kontoverbindung wird weiter eingegangen auf das Kreditgeschäft, Kreditsicherheiten, Einlagengeschäft, Zahlungsverkehr, Depotgeschäft, Testamentsvollstreckung, Kapitalanlagen und Vermögensverwaltung. Am Ende werden in aller Kürze Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen, Insolvenzverfahren und Steuerfahndungsverfahren angesprochen.
Mit der Wiedergabe eigener Auffassungen hält sich der Autor zurück. Das Werk ist vielmehr als Rechtsprechungsübersicht konzipiert und als solche umfassend, zuverlässig und aktuell. Der Leser findet zu den einzelnen Themen nicht nur die einschlägigen Entscheidungen, sondern auch die dazu veröffentlichten Anmerkungen und Aufsätze in den Fachzeitschriften sowie weiterführende Hinweise auf Kommentare und Monografien. Besonders wichtige Passagen werden auszugsweise wörtlich wiedergegeben. Die Verwendung von Randnummern erleichtert das Zitieren und Auffinden der Fundstellen.
Fast 60 Euro sind für diesen schmalen Bank kein geringer Preis. Dafür erhält man eine umfassende präzise Auswertung der Rechtsprechung in einer durchweg klaren und gut strukturierten Darstellung, die eine zügige und effektive Suche nach einschlägigen Entscheidungen ermöglicht. Weitere Argumente für die Empfehlung des Buches als Nachschlagewerk für den praktisch arbeitenden Juristen im Bank- und Kapitalmarktrecht sind das ausführliche und aktuelle Literaturverzeichnis und das umfangreiche Stichwortregister. (bmc)
VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann war von 2002 bis Ende Februar 2016 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe. Er ist Mitautor in mehreren juristischen Kommentaren und Autor in juristischen Fachzeitschriften.
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