Baur, Fritz / Stürner, Rolf / Bruns, Alexander, Zwangsvollstreckungsrecht. C.F. Müller, 14. Aufl., Heidelberg 2022, ISBN 978-3-8114-5532-0, 945 S., € 145,00.
Das Zwangsvollstreckungsrecht gehört zu den literarisch eher vernachlässigten Rechtsgebieten, umso erfreulicher ist es, dass das traditionsbehaftete Lehrbuch, begründet von Schönke und dann fortgeführt von Baur und Stürner, nunmehr aus der Feder von Bruns neu erscheint. Schon ein Blick auf den Umfang macht deutlich, dass es sich um ein „Lehrbuch“ handelt. Es geht also nicht darum, den gängigen Lehr- und Prüfungsstoff mundgerecht aufzubereiten – also um ein besseres, mit Zitaten versehenes Vorlesungsmanuskript –, sondern im Vordergrund steht neben der Vermittlung des Stoffes auch die Kenntlichmachung übergreifender Zusammenhänge. Hervorzuheben ist noch, dass die 13. Auflage im Jahre 2006 erschien. Bis zur Neuauflage musste man also 16 Jahre warten – für ein Lehrbuch eher ungewöhnlich. Dass eine Vielzahl von nationalen und supranationalen gesetzlichen Neuregelungen einzuarbeiten war, liegt auf der Hand. Und natürlich mussten auch Literatur und Rechtsprechung aus diesem Zeitraum berücksichtigt werden.
Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel. Im ersten Kapitel (§§ 1 – 7) geht es um Grundlagen und Teleologie der Einzelzwangsvollstreckung. Auch der Einfluss der Verfassung (S. 86 – 102) wird beleuchtet. Das zweite Kapitel (§§ 8 – 11) ist mit „Die Vollstreckungsorgane und das Vollstreckungsverfahren“ überschrieben. In diesem Zusammenhang werden auch die Vollstreckungsverträge beleuchtet. Das dritte Kapitel (§§ 12 – 21) ist den Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gewidmet. Die Trias „Titel, Klausel, Zustellung“ wird hier dem Leser nahegebracht, natürlich dürfen auch keine Vollstreckungshindernisse bestehen. In diesem Abschnitt werden auch besondere Fallgestaltungen erörtert wie die Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten sowie in den Nachlass (S. 233 – 265). Im vierten Kapitel (§§ 22 – 26) geht es darum, in was vollstreckt werden kann – und in was nicht. In diesem Zusammenhang wird auch die Gläubigeranfechtung erläutert, im Gegensatz zur geläufigen Insolvenz anfechtung eine weniger im Blickpunkt des Interesses stehende Materie. Die einzelnen Arten der Zwangsvollstreckung sind dann Gegenstand von Kapitel 5 (§§ 27 – 39), welches sich in zwei Abschnitte gliedert. Im ersten Abschnitt geht es um die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen, der erste Unterabschnitt behandelt die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen.
Zunächst geht es um Pfändung und Pfändungspfandrecht (§ 27), danach steht die Vollstreckung in bewegliche Sachen im Fokus (§§ 28, 29), schließlich geht es noch um Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 30 – 33). Die Immobiliarvollstreckung ist dann Thema des zweiten Unterabschnitts (§§ 34 – 38). Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung und Zwangshypothek kommen hier zu ihrem Recht. Im dann folgenden zweiten Abschnitt dieses Kapitels werden die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen (§ 39), zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen (§ 40) sowie die Vollziehung der Urteile zur Abgabe einer Willenserklärung beleuchtet (§ 41). Bei den im sechsten Kapitel behandelten Rechtbehelfen in der Zwangsvollstreckung (§§ 42 – 47) lernt mal alles Wissenswerte insbesondere zur Vollstreckungserinnerung, der sofortigen Beschwerde, der Vollstreckungsgegenklage sowie der Drittwiderspruchsklage. Ratio des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009, welches das Verfahren zum 1.1.2013 in neue Bahnen lenkte, waren die Belange des Gläubigers, wenn dessen Möglichkeiten der Informationsgewinnung über das pfändbare Vermögen des Schuldners verbessert werden sollten. Auch die Neuerungen im Hinblick auf Schuldnerverzeichnis und Vermögensverzeichnis wurden mit der Effektivitätssteigerung in Bezug auf Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers begründet. Im siebenten Kapitel kann man die Einzelheiten nachlesen (§ 48). Natürlich geht es immer auch um die Kosten der Zwangsvollstreckung (8. Kapitel, § 49). Der einstweilige Rechtsschutz wird schon wegen seiner systematischen Stellung in der Zivilprozessordnung beim Zwangsvollstreckungsrecht traditionell mitbehandelt. Arrest (§§ 51, 52) und einstweilige Verfügung (§§ 53, 54) sind demgemäß Gegenstand des neunten Kapitels. Und kaum ein Lehrbuch kommt mittlerweile ohne internationale Bezüge aus, demgemäß werden im zehnten Kapitel (§§ 55 – 59) entsprechende Fragen des internationalen und ausländischen Vollstreckungsrechts behandelt. Hervorgehoben sei die rechtsvergleichende Darstellung verschiedener ausländischer Zwangsvollstreckungsrechte (§ 59).
Welche Leserschaft will das Lehrbuch ansprechen? Lehrbücher und Lernbücher richten sich zunächst einmal an die Studierenden. Angesichts der eher geringen Bedeutung des Zwangsvollstreckungsrechts im Hinblick auf die Prüfungsanforderungen im ersten juristischen Staatsexamen sowie der sich in Grenzen haltenden Beliebtheit der Materie dürfte ein Opus dieser Größe (und zu diesem Preis) in der Studentenschaft kaum Anklang finden. Im Referendariat mag dies anders aussehen, freilich lauten hier die gängigen Empfehlungen, eher zu einem Werk zu greifen, welches den Stoff anhand von Antragsmustern, Beispielen, Fällen und Schaubildern aufbereitet. Um solchermaßen spezielle Referendarliteratur handelt es sich beim Lehrbuch von Baur, Stürner und Bruns aber auch nicht. Das Werk ist also eher für den „fertigen“ Juristen gedacht, der sich mit dem Zwangsvollstreckungsrecht vertieft befassen möchte – und: bereit ist, dafür auch Zeit aufzubringen! Von Wissenschaft und Praxis ist auch im Vorwort die Rede. Man kann nur hoffen, dass die Kalkulation für den Verlag aufgeht. Ohnedies gehört eine gehörige Portion Mut dazu, neue Lehrbücher dieses Umfangs und zu diesem Preis als Printmedium herauszugeben. Nachdem manches Werk schon „open access“ steht bzw. auf Lehrstuhlseiten vorgehalten wird, kann man sich die Zukunft leicht vorstellen: Die Studienliteratur findet sich kostenlos im Netz oder ist als e-book für einen – im Vergleich zu den gedruckten Büchern – lächerlichen Betrag verfügbar. Studierende und Referendare laden sich die Werke auf ihre Laptops oder E-Book-Reader herunter, haben die nötige Literatur jederzeit zur Hand, sparen zudem eine Menge Geld und brauchen sich auch nicht mehr als Packesel zu fühlen. Denn anstelle einiger Kilo Bücher brauchen sie nur noch ihren federleichten E-Book-Reader oder Laptop mit sich „herumzuschleppen“. Wenn man von Verlagsseite hört, „der Studierende möchte alles noch gerne in einem richtigen Buch lesen“, so dürfte das jedenfalls auf die Dauer gesehen ein eher frommer Wunsch bleiben. Um nicht missverstanden zu werden: Der Autor dieser Zeilen ist ebenfalls Mitverfasser eines – noch gedruckt erscheinenden – Lehrbuches. Nur kann sich der Zukunft auf Dauer niemand verschließen und kein Verlag kann es sich leisten, nicht absatzfähige Printmedien herauszubringen. Dabei soll hier die Honorarfrage ausgeblendet bleiben, zu der es einiges zu sagen gäbe. Vor dem genannten Hintergrund kann jedenfalls niemand leugnen, dass der „durchschnittliche“ Konsument es sich gut überlegen wird, 159,00 € für ein Lehrbuch auszugeben, wenn er – sei es auch qualitativ deutlich (!) schlechter – Ersatzprodukte entweder viel billiger oder aber nahezu kostenlos im Netz erhält. Insoweit bleibt zu hoffen, dass die Rechnung für Autoren und Verlag aufgeht. Zu wünschen ist es dem „Zwangsvollstreckungsrecht“ von Baur, Stürner und Bruns, einem klassischen Lehrbuch von sehr hoher Güte. (cwh)
Zivilprozessrecht
Stöber, Kurt: Zwangsversteigerungsgesetz. Kommentar zum ZVG und EGZVG mit einem Anhang einschlägiger Texte und Tabellen, C. H. Beck, 23. Aufl., München 2022, ISBN 978-3-406-77224-5, XXIX und 2199 S., € 159,00.
Die §§ 864 bis 871 ZPO regeln die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuldners, der sich einem Vollstreckungstitel ausgesetzt sieht. Hinsichtlich der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung verweist § 869 ZPO auf ein besonderes Gesetz. Das damit angesprochene Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) ist damit ein Teil der Zivilprozessordnung. In Kraft trat es am 1.1.1900. Nun gibt es Kommentare zur Zivilprozessordnung deren viele, angefangen beim kleinen Handkommentar bis hin zum mehrbändigen Großkommentar. Bei weitem nicht so üppig sieht es mit Kommentierungen zum ZVG aus, wie überhaupt diese Materie literarisch eher vernachlässigt wird. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass der „Stöber“ eine Neuauflage erfahren hat. Das Buch hat eine lange Tradition: Walter Wilhelmi begründete es im Jahre 1934 und war auch für die 2. Auflage 1937 verantwortlich. Nach einer langen Pause erschien dann 1952 die 3. Auflage, für welche Hermann Vogel verantwortlich zeichnete. Ab der im Jahre 1965 auf den Markt gekommenen 6. Auflage wirkte dann Friedrich Zeller mit, bevor Kurt Stöber, der jetzige Namensgeber, hinzustieß. Von der im Jahre 1983 erschienenen 11. Auflage bis zur 21. Auflage, welche 2016 das Licht der Fachöffentlichkeit erblickte, war Stöber alleiniger Verfasser des Kommentars. Ein Blick auf das Bearbeiterverzeichnis der nunmehrigen 23. Auflage weist sieben (!) Kommentatoren aus. Was einstmals Kurt Stöber alleine vollbracht hatte, teilen sich nunmehr mehrere Personen. Umso mehr muss man Stöber höchste Anerkennung für die Sisyphusarbeit zollen, einen regelmäßig neu erscheinenden Zwangsversteigerungsrechtskommentar mit über 2.000 Seiten verfasst zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Homogenität der Kommentierung durch die Versiebenfachung (!) der Autorenschaft nicht leiden wird. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass es heutzutage wohl kaum mehr möglich ist, dass eine einzige Person für die Bearbeitung eines umfangreichen Rechtsgebietes verantwortlich zeichnet
Seit der letzten Auflage sind rund drei Jahre vergangen, Gesetzgebung und höchstrichterliche Rechtsprechung sind seither nicht untätig geblieben, den Autoren ging also die Arbeit nicht aus. Zu erwähnen ist, dass ein Blick auf deren angegebene Berufe schon deutlich macht, wer mit Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltungen in erster Linie zu tun hat: nämlich die Rechtspflegerschaft. Ein Blick in § 3 Nr. 1 i Rechtspflegergesetz lehrt, dass die Verfahren nach dem ZVG den Rechtspflegern übertragen sind. Es liegt also nahe, dass diejenigen, die damit beruflich zu tun haben, auch die literarische Verantwortung für das richtige Verständnis der Vorschriften übernehmen. Einzuarbeiten waren zuvorderst die Neuerungen durch das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2020, das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 22.12.2020 sowie die modifizierten Vorschriften in der Zivilprozessordnung zum elektronischen Rechtverkehr. In ihrem Vorwort monieren die Autoren des Stöber, dass der Reformeifer des Gesetzgebers das Zwangsvollstreckungsrecht bislang nicht erreicht habe. Am Rande sei daher bemerkt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz das ZVG hat evaluieren lassen. Für den Abschlussbericht in rechtsvergleichender Hinsicht, welcher auch Grundlage von Reformvorschlägen sein sollte, zeichneten Klaus Bartels und Marie-Louise Noll verantwortlich. Wer also über den Tellerrand des nationalen Rechts in einzelnen Fragen hinausblicken will, dem sei ein Blick in diesen Bericht empfohlen.
Die eigentliche Kommentierung umfasst stolze 2.083 Seiten. Erläutert werden nicht nur die 186 Paragrafen des ZVG, auch das Einführungsgesetz dazu (EGZVG) wird besprochen. Dass relevanten Entwicklungen Beachtung geschenkt wird, beweisen unter anderem die Ausführungen zu den Konsequenzen der Rechtsprechung zur Rechtsund Grundbuchfähigkeit der BGBGesellschaft im Hinblick auf die Zwangsversteigerung (§ 15 ZVG Rn. 130 ff., § 71 ZVG Rn. 63) sowie zur Verfahrenseinstellung aufgrund vorgetragener Suizidgefahr (Einl. Rn. 270 ff.). Was die Zwangsverwaltung betrifft, sind Fragen der Auswahl, der Aufgaben und der Stellung des Zwangsverwalters immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung (§ 152 ZVG Rn. 11 ff.).
„Versteigerungsverhinderer“ erfahren ebenfalls Beachtung (Einl. Rn. 91 a). Selbst bei eher entlegenen Rechtsinstituten wie dem Stockwerkseigentum (§ 2 EGZVG Rn. 12 f.) wird man nicht alleine gelassen, kaum jemand weiß noch, was Fideikomisse oder Revenuenhypotheken sind (§ 2 EGZVG Rn. 5). In einem Textanhang werden einschlägige Vorschriften abgedruckt, genannt sei beispielhaft die Zwangsverwalterverordnung (T 3.). Der Tabellenanhang beinhaltet beispielsweise Zins- und Diskontierungsformeln (S. 2135 ff.).
Der Stöber hält nach alledem auch in der Neuauflage, was der Name verspricht. Schon der Umfang der Kommentierung lässt erahnen, wie detailliert den Einzelproblemen nachgegangen wird. Fazit: Wer sich mit schwierigen Fragen zum Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsrecht auseinanderzusetzen hat, wird jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung in der Neuauflage des aktuellen Stöber erfahren. Was will man mehr von einem Kommentar zu diesen Themen? (cwh) ˜
Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.
cwh@uni-mainz.de