Recht

Zivilprozessrecht

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 2/2017

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivil prozessordnung, Verlag C.H.Beck, 75. Auflage, München 2017, 3341 S., ISBN 978-3-406-69501-8. € 169,00

Nun erscheint er also in seiner 75. Auflage, der Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, seit geraumer Zeit alleine verfasst von Peter Hartmann. Zwar wurde auch die erste Auflage von nur einem Autor geschrieben, Adolf Baumbach zeichnete im Jahre 1924 für sie verantwortlich. Ohne die damalige Leistung schmälern zu wollen, so muss man doch dem nunmehrigen Alleinautor Hartmann höchste Anerkennung für die Sisyphusarbeit zollen, einen jedes Jahr neu erscheinenden Prozessrechtskommentar zu verfassen. Aus 650 Seiten im Jahre 1924 wurden 3.341 Seiten im Jahre 2016. Die Qualität des Kommentars beweist am deutlichsten die Tatsache, dass er ungeachtet vieler Konkurrenzwerke nach wie vor zu den beliebtesten Erläuterungsbüchern des Zivilprozessrechts zählt. Gegenüber den mehrbändigen und natürlich deutlich teureren „Kommentarungetümen“ nimmt sich der Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann sympathisch übersichtlich aus. Immerhin kommt der nunmehr alleinige Autor Hartmann trotz der unendlichen Fülle des Materials mit nur einem Band aus; ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber mehrbändigen Werken.

Generationen von Studenten haben in den Literaturverzeichnissen zur ZPO-Vorlesung den Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann an vorderster Stelle der Empfehlungen vorgefunden, woran sich auch heute nichts geändert hat. Und ebenso zahllos sind die Rezensionen; was will man also noch Neues sagen, außer dass natürlich sämtliche vom Gesetzgeber für nötig befundenen Änderungen sowie die aktuelle Rechtsprechung und Literatur vollständig eingearbeitet worden sind? Ins Auge sticht die Beilage, im Werk als „Nachtrag“ bezeichnet. Es ist die erste, naturgemäß noch knappe Kommentierung der §§ 19 – 32 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und – postfachverordnung – RAVPV). Was ist daran so besonders? Sie datiert vom 23.9.2016 (BGBl. 2167), also knapp einen Monat vor Auslieferung des Buches. Aktueller geht es nun wirklich nicht mehr! Um beim Tagesgeschehen zu bleiben: Auch die am 23.9.2016 verkündungsreif gewordene Novelle zur Änderung des Rechts der Sachverständigen, die am 22.9.2016 im Bundestag beschlossene Novelle zur Europäischen vorläufigen Kontenpfändung und die zum 18.1.2017 in Kraft tretenden Änderungen des Zwangsvollstreckungsrechts sind schon berücksichtigt und an den entsprechenden Stellen eingearbeitet.

Dabei enthält der Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann beileibe nicht nur eine Kommentierung der Zivilprozessordnung, auf welcher naturgemäß der inhaltliche Schwerpunkt liegt. Ausführlich erläutert werden zudem das FamFG sowie das GVG, natürlich auch EGZPO und EGGVG. Im Rahmen von „Buch 11. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ werden nicht nur die ZPO-Normen kommentiert, sondern sind auch die einschlägigen Rechtsakte der EU – teilweise mit Hinweisen – abgedruckt. EuZustVO, EuBewVO, PKHRichtlinie, EuVTVO und wie sie alle heißen kann man sich so unschwer und im richtigen Zusammenhang erschließen. Die sicherlich bedeutendste Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), welche die lange Jahre geltende Verordnung (EG) Nr. 44/2001 zum 10.1.2015 abgelöst hat, wird im Schlussanhang ausführlich kommentiert (S. 3167 ff.). Dass sich das Werk durch ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis und ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auszeichnet, verdient ebenfalls Erwähnung. Gerade Studierende und im Referendariat befindliche Personen werden auch das Inhaltsverzeichnis dankbar zur Kenntnis nehmen. Lobenswert ist der Umgang mit Zitaten. Bei manch anderer Kommentierung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die eigene Gedankenleistung werde durch die Aneinanderreihung mehr oder weniger sinnvoller Verweise ersetzt. Hartmann zitiert maßvoll, brandaktuell und immer da, wo man eine Fundstelle sucht, findet man auch eine. Es steht allerdings zu vermuten, dass durch das erschöpfende Eingehen auf die einzelnen Probleme nicht allzu viel nachgelesen wird; es steht ja alles Wissenswerte schon im Kommentar.

Fazit: Wer sich kurz und prägnant sowie mit dem nötigen Tiefgang informieren möchte, ist mit dem Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann bestens beraten. Ob irgendwann einmal online-Kommentierungen die Printwerke ganz verdrängen werden, steht noch in den Sternen, es ist aber jedenfalls nicht ausgeschlossen. Beim Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann wird es jedenfalls noch eine ganze Weile dauern, bis es soweit ist.

 

 

Oberheim Rainer, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess, Luchterhand Verlag, 7. Aufl., Köln 2017, 832 und LI S., ISBN 978-3-472-08950-6. € 99,00

Ein altes Sprichwort lautet: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“ Was heißen will, dass „Recht haben“ noch lange nicht „Recht bekommen“ bedeutet. Maßgeblichen Anteil am Prozesserfolg hat die Rechtsanwaltschaft. Ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage in einem gerichtlichen Verfahren sind nicht zuletzt auch taktische Überlegungen. Hier will Oberheim mit seinem Handbuch helfen. Es geht ihm nicht um die Vermittlung von Grundwissen, sondern um die Anwendung des Prozessrechts in seiner konkreten praktischen Situation. Dabei wird nicht nur das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren behandelt, sondern man bekommt auch taktische Ratschläge zur Zwangsvollstreckung. Denn was nützt das schönste Urteil, wenn man es nicht umsetzen kann. Das Buch gliedert sich in neun Kapitel. In einer kurzen Einführung (1. Kapitel, S. 1 – 25) wird der Leser zunächst einmal mit Grundlagen des zivilprozessualen Verfahrens vertraut gemacht, hier erfolgt auch ein Ausblick auf anstehende Reformen der ZPO. Wie man sich auf den Prozess vorbereitet, liest man im 2. Kapitel (S. 26 – 91). Im Vordergrund steht hier naturgemäß das Mandantengespräch und was es hierbei zu bedenken gilt. Gefragt ist nicht zuletzt die „ehrliche Beratung“ (Rn. 257 ff.). Nachdem die Versäumung von Fristen stets ein Haftungsrisiko darstellt, widmet sich Oberheim diesem Thema ausführlich (Rn. 304 ff.). Es kann geboten sein, rechtssichernde Maßnahmen zu ergreifen, demgemäß liest man im 3. Kapitel (S. 92 – 111) alles Nötige zu Arrest und einstweiliger Verfügung. Für viele besonders wertvoll dürften die taktischen Erwägungen zum Beweissicherungsverfahren sein (Rn. 446 ff.). Ein erster Schwerpunkt des Buches ist das mit „Rechtstitulierung im allgemeinen Klageverfahren“ überschriebene 5. Kapitel (S. 112 – 346). Zunächst geht es um die Grundentscheidungen, welche vor der Einleitung des Gerichtsverfahrens zu treffen sind. Ausführlich wird dann auf die Anforderungen an die Klageschrift eingegangen. Wie man als Beklagter zu reagieren hat, schildert Oberheim im Anschluss hieran. Beim gerichtlichen Vorverfahren nehmen die Erläuterungen zur Präklusion breiten Raum ein (Rn. 1259 – 1356). Und auch in der mündlichen Verhandlung wird man nicht allein gelassen. Das 5. Kapitel (S. 347 – 461) ist der Beweisaufnahme gewidmet. Ausführlich wird auf Beweisgrundsätze und die Beweiserhebung eingegangen, hervorzuheben ist auch die Aufzählung wichtiger Beweisthemen. Wer muss was beweisen, wenn die klagende Partei Rückzahlung aus Darlehen begehrt und die Beklagtenseite Schenkung einwendet? (Rn. 2070 ff.). Beweisrechtliche Verfahrensfehler schließen die Darstellung ab (Rn. 2081 ff.). Die Rechtstitulierung in besonderen Verfahren wird im 6. Kapitel (S. 462 – 501) dargestellt, hier findet man erwartungsgemäß Mahnverfahren, Urkundenprozess und amtsgerichtliches Verfahren. Oberheim nimmt sich aber auch der Musterverfahren sowie des Adhäsionsprozesses an. Wie man erfolgreiche Anträge im Vollstreckungsverfahren stellt, erfährt der Leser im 7. Kapitel (S. 500 – 555). Insbesondere die Rechtsbehelfe werden hier viele interessieren (Rn. 2456 – 2525). In vielerlei Hinsicht ist es denkbar, dass sich an der ursprünglichen Verfahrenskonzeption etwas ändert. Dies mag den Hinzutritt weiterer Parteien oder auch von Streithelfern betreffen, aber auch der Streitgegenstand kann Änderungen unterworfen sein. Wie man entsprechende Situationen taktisch meistert, wird im 8. Kapitel (S. 556 – 634) erklärt. Ein Prozess geht häufig anders aus, als sich die Beteiligten dies wünschen. Breiten Raum nimmt deshalb das abschließende 9.

Kapitel ein (S. 635 – 818). In diesem geht es um die Rechtsbehelfe, vor allem der Berufung wird hier besondere Beachtung geschenkt (Rn. 3186 – 3645).

Bei der Suche nach der erfolgreichen Taktik im Zivilprozess helfen die zahlreichen Beispiele und Praxistipps weiter, die im Text jeweils gesondert gekennzeichnet dem Leser den Weg durch den prozessualen Dschungel erleichtern. Dass das Handbuch ein ausführliches Stichwortverzeichnis sein eigen nennt, ist nach alledem fast selbstverständlich. Insbesondere Berufsanfängern bzw. weniger erfahrenen Prozessvertretern ist das Buch ans Herz zu legen, aber auch der „Profi“ wird mit Gewinn darauf zurückgreifen können.

 

Eichele, Karl/Hirtz, Bernd/Oberheim Rainer (Hrsg.), Berufung im Zivilprozess, Luchterhand Verlag, 5. Aufl., Köln 2017, 826 und XXX S., ISBN 978-3-472-08951-3. € 128,00

Der deutsche Zivilprozess zeichnet sich durch einen mehrstufigen Gerichtsaufbau aus. Wer in der ersten Instanz – sei es auch nur teilweise – unterliegt, dem stehen regelmäßig Rechtsmittel offen. Der Regelinstanzenzug sieht als zweite Tatsacheninstanz die Berufung vor, unter bestimmten Voraussetzungen mag auch noch die Revision zum Bundesgerichtshof in Betracht kommen. Gegen dessen Entscheidungen ist dann immer noch die Urteilsverfassungsbeschwerde denkbar. Das alles mag man als übertrieben ansehen, so wurde durchaus ernsthaft darüber diskutiert, ob man es nicht bei einer Tatsacheninstanz belassen sollte. Solange entsprechende Reformbestrebungen beim Bundesgesetzgeber indes kein Gehör finden, muss die Jurisprudenz mit dem gegenwärtigen System leben – und zu diesem gehört nun einmal die Berufung. Ihr ist das von Eichele/Hirtz/Oberheim herausgegebene Handbuch gewidmet, das sich an Rechtsanwälte und Richter wendet, die entweder über dieses Rechtsmittel zu entscheiden haben oder es für den Prozesserfolg ihrer Mandantschaft in Anspruch nehmen wollen. Bemerkenswert im Hinblick auf die damit verbundene Charakterisierung der rechtsprechenden Gewalt ist die Zielsetzung des Werkes, wie sie sich im Vorwort findet: „Dem Ziel, den Anteil an unrichtigen Entscheidungen so gering wie möglich zu halten, diene eine Berufungsinstanz, die zur möglichst zutreffenden Sachverhaltsrekonstruktion einerseits und zur richtigen Rechtsanwendung anderseits führt.“ Diese Aussage impliziert, dass es auch „unrichtige“ Urteile gibt; mit anderen Worten, dass Prozesse auch falsch entschieden werden. Wen dies auf den ersten Blick stutzig machen mag, der sei daran erinnert, dass es im Zivilprozess mit seinem Beibringungsgrundsatz und seinen Präklusionsvorschriften von vorneherein nur um eine „formale Wahrheit“ gehen kann. Quod non est in actis, non est in mundo, lautet ein alter Rechtsgrundsatz, der die Schriftlichkeit des Verfahrens betont. Umso mehr müssen diejenigen, welche mit dem Rechtsmittel der Berufung zu tun haben, über die jeweils richtige prozessuale Vorgehensweise Bescheid wissen. In vierundzwanzig Kapiteln erfährt der Leser alles Wesentliche. Neben den Herausgebern gehören noch Ahrens, Luczak und Norbert Schneider zum Team der Autoren.

Im 1. Kapitel (S. 1 – 23) wird man mit den verschiedenen Arten von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen vertraut gemacht. Das 2. Kapitel (S. 24 – 59) macht deutlich, dass die zweite Tatsacheninstanz sowohl an die Rechtsanwaltschaft als auch die Richtergilde besondere Anforderungen stellt. Wie man die Berufung vorzubereiten hat, ist Gegenstand des 3. Kapitels (S. 60 – 71). Hier wird auch auf die beliebte Strategieüberlegung „Prozesskostenhilfegesuch statt Berufung“ eingegangen. Der Gegenstand der Berufung, nämlich das Verfahren sowie das erstinstanzliche Urteil, sind Inhalt des 4. Kapitels (S. 72 – 122). Längere Darlegungen verlangt dann die Zulässigkeitsfrage (5. Kapitel, S. 123 – 198). Rund 70 Seiten sind nötig, um alle Aspekte zu beleuchten. Bei den alternativen Formen der Verfahrensbeendigung (6. Kapitel, S. 199 – 207) ist vor allem der Vergleich aus den unterschiedlichsten Gründen – die durchaus ehrlich genannt werden (S. 204) – eine Option. Ein Rechtsmittel hat nur dann Erfolg, wenn es Gründe für die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung gibt; das gilt auch für die Berufung (7. Kapitel, S. 208 – 244). Antragsänderungen sowie Probleme von Aufrechnung und Widerklage folgen in der Darstellung (8. Kapitel, S. 245 – 253). Wie man eine Berufungsbegründung aufbaut, liest man im 9. Kapitel (S. 254 – 269). Fragen der Zwangsvollstreckung während des Berufungsverfahrens werden anschließend erörtert (10. Kapitel, S. 270 – 282). Streitgenossen und sonstige Dritte gibt es auch im Rechtsmittelverfahren (11. Kapitel, S. 283 – 296). Wer die erste Instanz gewonnen hat und sich nun in der Rolle des Berufungsbeklagten sieht, wird im 12. Kapitel (S. 297 – 304) bedient. Was er zu tun hat, wenn er nun seinerseits Anschlussberufung einlegen will, steht im 13. Kapitel (S. 305 – 343). Konsequenzen einer erkennbar aussichtslosen Berufung sind Gegenstand des 14. Kapitels (S. 344 – 376). Es folgen Verfahrensfragen, so die Rolle des Einzelrichters (15. Kapitel, S. 375 – 398), der Ablauf der mündlichen Verhandlung (16. Kapitel, S. 399 – 458) und das Versäumnisverfahren (17. Kapitel, S. 459 – 463). Wie ein Berufungsurteil auszusehen hat, liest man im 18. Kapitel (S. 464 – 530) und dann stellt sich für die unterlegene Partei ja schon die Frage nach der Revision (19. Kapitel, S. 531 – 539). Zurückverweisungen können durch beide Rechtsmittelinstanzen erfolgen (20. Kapitel, S. 540 – 552). Die Kostenfrage interessiert naturgemäß besonders die unterlegene Partei sowie die beteiligten Anwälte (21. Kapitel, S. 553 – 690). Auch das Berufungsgericht kann einstweiligen Rechtsschutz gewähren (Kapitel 22, S. 691 – 702) ebenso wie es über die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheidungen über den einstweiligen Rechtsschutz entscheiden muss (Kapitel 23, S. 703 – 712). Mancherlei Besonderheiten weist der Arbeitsgerichtsprozess auf, deshalb wird abschließend sowohl auf die Berufung im Urteilsverfahren als auf die dieser entsprechende Beschwerde im Beschlussverfahren eingegangen (24. Kapitel, S. 713 – 770).

Auf 826 Seiten erfährt der Leser also alles Wesentliche für den Weg in die Berufungsinstanz. Das ausführliche Stichwortverzeichnis hilft bei der Suche nach bestimmten Fragestellungen zuverlässig weiter, hervorgehoben seien auch noch die zahlreichen Praxistipps. Am Schluss des Buches sind noch die relevanten gesetzlichen Grundlagen abgedruckt. Fazit: Wer Berufungen einlegen will oder soll oder über sie entscheiden muss, ist mit dem Eichele/Hirtz/Oberheim sehr gut beraten.

 

 

Stein, Friedrich/Jonas, Martin, ZPO, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Mohr Siebeck, 23. Auflage, Tübingen 2016, 1257 S., ISBN 978-3-16-152897-2. € 344,00

Kommentare zur Zivilprozessordnung gibt es viele, angefangen beim kleinen Handkommentar bis hin zum mehrbändigen Großkommentar. Zu den umfangreichsten, aber eben auch traditionsreichsten und fundiertesten gehört seit je her der Stein/Jonas. Er geht zurück auf das Jahr 1879, in welchem Friedrich Ludwig Gaupp beschlossen hatte, sich dem Zivilprozessrecht in einem Werk zu widmen, welches die Erläuterung der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes in ihrer numerischen Abfolge beinhaltete, ohne dass dadurch der systematische Zusammenhang verloren gehen sollte. Ab der 3. Auflage 1897 beteiligte sich einer der beiden heutigen Namensgeber, Friedrich Stein, an der Bearbeitung. Nach dem Tode von Gaupp im Jahre 1901 führte er die Kommentierung alleine fort. Im Jahre 1925 übernahm Martin Jonas, später Senatspräsident am Reichsgericht, diese Aufgabe, der er sich bis 1943 widmete. Der Stein/Jonas hat also eine lange Geschichte, viele Juristengenerationen bedienten sich seiner, um die Tiefen und Untiefen des Zivilprozessrechts zu erkunden. Nicht umsonst hat das Werk bisher 22 Auflagen erlebt und einen führenden Platz in der zivilprozessualen Kommentarliteratur eingenommen. Die nun aktuelle 23. Auflage wird von Reinhard Bork und Herbert Roth herausgegeben und ist auf zwölf Bände angelegt. Bedenkt man, dass alleine der nun vorliegende Band 2 schon auf die 1.300 Seiten zusteuert, kann man sich leicht vorstellen, zu welch gewaltigem Werk der Stein/Jonas im Verlauf der Jahrhunderte geworden ist. Die kommentierten Bestimmungen in Bd. 2 stehen systematisch im Buch 2 der Zivilprozessordung, wobei die §§ 78 – 127 ZPO in den mit „Parteien“ überschriebenen Abschnitt 2 gehören, wogegen die §§ 128 – 147 ZPO im 3. Abschnitt „Verfahren“ niedergelegt sind. Titel 4 des 2. Abschnitts ist den Prozessbevollmächtigen und Beiständen gewidmet, die darunter zu subsumierenden §§ 78 – 90 ZPO erläutert Jacoby. Wichtig sind schon zu Beginn die Ausführungen zu § 78 ZPO, welcher den Anwaltszwang für bestimmte Gerichte statuiert. Ausführlich wird auch auf die mit der Prozessvollmacht verbundenen Fragen eingegangen, bemerkenswert ist, wie oft sich in der Kommentierung zu § 81 ZPO in den Fußnoten ein Hinweis auf andere Meinungen findet. Hier ist doch einiges umstritten. Die zentrale Frage der Prozesskosten (§§ 91 – 107 ZPO) behandelt auf fast 300 Seiten Muthorst. Das deutsche Zivilprozessrecht ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kostentragungspflicht gem. § 91 ZPO grundsätzlich nach dem Prozesserfolg richtet. Aber eben nur grundsätzlich, das Literaturverzeichnis zu § 91 ZPO zieht sich über vier Seiten hin und in den Erläuterungen zu den folgenden Paragrafen finden sich die Ausnahmen zum Grundsatz kundig dargestellt. Muthorst ist es auch, der die Sicherheitsleistung und damit die §§ 108 – 113 ZPO erläutert. Dass die Prozesskostensicherheit bei Klägern mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union eine Wissenschaft für sich ist, macht die Kommentierung zu § 110 ZPO deutlich. Mit „Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss“ ist in der Zivilprozessordnung Titel 7 überschrieben, Bork unternimmt es, die dazu gehörigen §§ 114 bis 127 a ZPO zu kommentieren. Auch das früher so genannte „Armenrecht“ hat seine Tücken, das gilt nicht nur für die Feststellung der Leistungsunfähigkeit, sondern auch für die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Ausführlich behandelt Bork den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO), schließlich soll ja nur die bedürftige Partei in den Genuss von Prozesskostenhilfe kommen. Auch wer sich erstmals mit dem Gesamtkomplex vertraut machen will, ist mit der Lektüre der Ausführungen gut beraten. §§ 128 ff. ZPO regeln die mündliche Verhandlung, in Band 2 reicht die Kommentierung bis § 147. Davon übernimmt Kern die §§ 128 – 140, den Rest besorgt Althammer. In den Vorbemerkungen zu § 128 ZPO sticht die ausführliche Darstellung der Verfahrensgrundsätze hervor, nicht minder sorgfältig geht Kern auf die Prozesshandlungen ein. Hervorgehoben seien weiter die Kommentierungen zu § 128 ZPO (Grundsatz der Mündlichkeit), zu § 138 ZPO (prozessuale Wahrheitspflicht) und natürlich zu § 139 ZPO (materielle Prozessleitung). Althammer beginnt seine Kommentierung mit der Erläuterung von § 141 ZPO, der die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien normiert. Anders als im Arbeitsgerichtsprozess, wo der weithin unbekannte § 51 Abs. 2 S. 1 ArbGG den Erlass eines Versäumnisurteils auch dann ermöglicht, wenn die nicht erschienene Partei im Termin anwaltlich vertreten ist, ist im Zivilprozess nur Ordnungsgeld vorgesehen (§ 141 Rn. 48 ff.). Hingewiesen sei ferner auf die eingehende Kommentierung des § 142 ZPO, welcher die Anordnung der Vorlegung von Urkunden regelt. Auch Prozesstrennung und Prozessverbindung werden von Althammer näher besprochen. Der Stein/Jonas hält nach alledem auch in seinem Band 2, was der Name verspricht. Schon der Umfang der Kommentierung lässt erahnen, wie detailliert den Einzelproblemen nachgegangen wird. Wie gelesen kommt die Erläuterung zu den §§ 78 – 147 ZPO gleichwohl mit nur fünf Autoren aus, was aus Homogenitätsgründen uneingeschränkt zu begrüßen ist. Auf den ersten Blick ungewöhnlich ist, dass das Stichwortverzeichnis nicht am Ende des Buches zu finden ist, sondern sich vor jedem Abschnitt eine auf die betreffenden Ausführungen beziehende Sammlung von Stichwörtern befindet. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass die Verzeichnisse übersichtlich bleiben und nichts Unnötiges enthalten. Fazit: Wer mit schwierigen Fragen zu den Prozessbevollmächtigten, den Prozesskosten, der Sicherheitsleistung und der Prozesskostenhilfe befasst ist, wird jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung im Band 2 des Stein/ Jonas erfahren. Und wesentliche Grundsätze der mündlichen Verhandlung erfährt man auch. Was will man mehr von einem Großkommentar zu diesen Themen?

Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

cwh@uni-mainz.de

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