Editorial

„unsere Augen waschen“

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 3/2017

Auf unserer grünen Seite direkt vorne beim Inhaltsverzeichnis weise ich Sie auf ein Buch hin, das mir besonders am Herzen liegt: „Der neue Iran. Eine Gesellschaft tritt aus dem Schatten.“ Die Autorin Charlotte Wiedemann bereist das Land seit vielen Jahren, sowohl als Journalistin wie als Privatperson. Ihr ist die tiefe Sympathie für den Iran und seine Bevölkerung anzumerken. Das trübt nicht ihre Ausgewogenheit. Ihre klare Analyse dieser Gesellschaft ist ein Plädoyer, diesen Vielvölkerstaat nicht in einfache Schubladen zu stecken. „Es ist an der Zeit“, schreibt sie im Vorwort, „dass wir ‚unsere Augen waschen‘, wie es in einer persischen Wendung heißt, und versuchen, dieses Land zu verstehen.“ Wer das in dieser von viel Dummheit und Ignoranz geprägten Zeit will, muss dieses mit Behutsamkeit und Genauigkeit geschriebene iranische Gesellschaftsporträt von Charlotte Wiedemann lesen.

Vom Iran nach Indien ist es nicht weit. Auch dieses Land ist immer für Überraschungen gut. „Wenn man den Subkontinent bereist, hat man den Eindruck, dass die Leute ‚gut drauf‘ sind“, meint unser Rezensent, der viel in diesem großen Subkontinent unterwegs und gerade von einer großen Reise zurückgekehrt ist. „Vom selbstbewussten ‚India Shining‘ der vergangenen Jahre ist zwar nicht mehr ganz so laut die Rede, und dass das Land regelmäßig hinter den Erwartungen seiner Beobachter zurückbleibt, gehört schon zur Normalität. Gerade das aber – die Berechenbarkeit – ist in der politischen Welt von heute eine Rarität, und so bietet das Land momentan das wohltuende Bild demokratischer Normalität.“ Die Bücher, die wir Ihnen in dieser Ausgabe vorstellen, zeigen viele neue Facetten dieses reichen Kulturlandes.

Spannend ist auch der im „Tagebuch einer Revolution“ festgehaltene Weg Indonesiens zur Demokratie. Und im landeskundlichen Teil über China stellen wir Bücher über die Menschen dort in den Mittelpunkt: Neuaufbruch, Verunsicherung, subjektives Befinden.

Außerdem berichten wir über zwei Verlage, die sich ganz im Landeskundlichen bewegen: Iudicium will mit seinen Büchern Selbstreflexion vor dem Hintergrund des interkulturellen Dialogs fördern und Michael Müller, der Klassiker für Individualreisende, hat seine City-Reiseführer komplett neu gestaltet. Über den aufwendigen Relaunch sprachen wir mit den Verlagsverantwortlichen.

Erfreulicherweise haben Verleger diese Signale gehört: Die Zeiten, in denen Kinder auf Bildungsreisen einfach mitgeschleppt wurden und sich gelangweilt auf Museums- oder Kirchenbänken räkelten, sind vorbei. Alle größeren kulturellen Einrichtungen bieten altersgerechte Informationen und Unterhaltung für Kinder an, und so gibt es auch immer mehr Reiseliteratur, die sich speziell an Kinder richtet. Einige stellen wir auf unseren zwei Kinder- und Jugendbuchseiten vor.

Wie immer gibt es viele weitere Themen in dieser Ausgabe und so hoffe ich, dass Sie beim Durchblättern – vielleicht bei einem Gläschen Wein an einem dieser lange hellen Sommerabende – bei uns besondere Bücher für sich und Ihre Kunden entdecken.

Mich begeistert das Verlagsprogramm von Schöffling & Co. aus Frankfurt am Main. Der Verlag wurde bei der Leipziger Buchmesse 2017 mit dem Kurt Wolff Preis geehrt. Und dass Klaus Schöffling auch immer wieder für Überraschungen gut ist, beweist er in unserem Fragebogen auf der letzten Seite. Er beantwortet die Frage, wie sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern werde, so: „Die Zukunft liegt bei den überschaubaren unabhängigen Verlagen!“ – Mit Ausrufezeichen! – Ob das die Elseviers schon wissen?

Angelika Beyreuther

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