Heinz Bütler, «Lebt Anker noch?» Albert Anker, Kunstmaler, Ins. Schwabe Verlag, Basel 2023. 446 S., 339 farb. Abb., geb., ISBN 978-3-7965-4862-8. € 48,00.
Dieses großzügig und schön gestaltete Buch über den Schweizer Maler Albert Anker (1831–1910) ist eine Überraschung! Die Auswahl der Texte und Abbildungen zeigt den Künstler abseits der gängigen Klischees, die seine Popularität als Schweizer „Nationalmaler“ begründet haben.
Autor Heinz Bütler konzentriert sich auf vordergründig Unscheinbares, auf Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen, aber natürlich sind auch Werke in Öl abgebildet, besonders beeindruckend Ankers Kinderdarstellungen. Von seinen etwa 600 Werken in Öl zeigen gut 250 Werke Darstellungen von Kindern, alleine oder in Gruppen. Verschiedene Essays geben Einblick in Albert Ankers Welt, die Winteraufenthalte in Paris, die italienischen Reisen, seine Kindergeschichten, die Stillleben und seine Notizhefte, die Carnets, die er mit sich führte. Den Fotografien von Ankers Atelier im Haus im Seeländer Dorf Ins, das vollständig im Originalzustand erhalten ist (und besichtigt werden kann), folgt eine wunderbare Auswahl an Briefen, die den weiten Horizont, die humanistische Bildung und den Humor dieses Künstlers dokumentieren. (red)
Lebt Anker noch?
Ich denke oft an seine Arbeiten.
Ich finde sie so treffend und fein
empfunden. Er ist noch ganz vom alten Schlag, so wie Brion.
Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo, 11. April 1883
Mir war Albert Anker in seiner Herzlichkeit und Menschenkenntnis bislang nur in groben Umrissen deutlich. Allein die Briefe! Wunderbar. Die schönen Essays haben mir auch die Augen geöffnet. Am liebsten würde ich sofort losfahren und das Atelier anschauen.
Michael Krüger, Autor und Verleger
Ah! In diesen schönen
mediterranen Nächten, in
denen es gilt, die Gedanken
in Einklang mit der Natur zu
bringen und von den Dingen
zu träumen, die allein das
Leben wertvoller machen:
tätige Gerechtigkeit, Liebe und
Freiheit.
Eintrag Albert Ankers in einem seiner „Carnets“
Hier (Perugia) ist alles schön, doch nicht im gleichen Mass wie Rom oder Neapel. V on allen Städten, die ich besucht habe, ist für mich Neapel die originellste, was die Bewohner anbelangt. Welch ein Leben, welch eine Sorglosigkeit, wie viele Faulenzer, Nichtsnutze – und welcher Frohmut! Ich schreibe in einem Café, das sich mit Leuten füllt. Hier konsumiert man Glacen und Spezialitäten, die ich nicht kenne. Eine herrliche Sprache hört man hier. Das Italienische wird ausgesprochen, wie es auch geschrieben wird. Hier verstehe ich selbst die Frauen. Es ist eine Freude, den Leuten im Café zuzuhören – jeder spricht so gut wie ein Prediger. Auf Wiedersehen Papa
An die Familie, Perugia, 15. Mai 1887