Bilderbücher über den Tod haben seit Jahrzehnten Konjunktur. Hier sterben Nachbarn, Großeltern, aber auch Väter und Mütter. Sogar der Tod junger Menschen gehört zu den aufklärerischen Themen für Kinder. Ob schlichte Ratgeber oder spannend erzählt und virtuos gezeichnet, sie bleiben oft unberührt von der Schnelllebigkeit des Buchmarktes und erleben ungewöhnlich viele Neuauflagen, werden zu Klassikern.
■ Das Duo Katharina von der Gathen und Anke Kuhl, bisher mit lebenszugewandten Themen wie Aufklärung über Sex und Liebe bekannt geworden, haben sich diesmal unter dem Titel Radieschen von unten dem Tod gewidmet. Von diesem ebenso drastisch wie humorvoll bebilderten Sachbuch, das uns den Weg eines soeben Verstorbenen bis zu seiner würdigen Bestattung auf einem Friedhof schildert, kann auch ein Erwachsener noch eine Menge lernen. Ausführlich und Praxis bezogen sprechen hier ein Krankenpfleger und eine Sterbebegleiterin über den Umgang mit hoffnungslos kranken Menschen und trauernden Hinterbliebenen. Ein Friedhofsgärtner beschreibt den Aushub eines Grabes und die menschlichen Restfundstücke in dieser Erde. Die Leichenpflege in einem Bestattungshaus und die Vorgänge in einem Krematorium kommen ausführlich zur Sprache. Es fehlt nicht der historische Rückblick auf das Sterben zu Hause, die Sitte der Totenwache und die Pflicht zur Trauerkleidung. In der Schilderung von Trauer- und Beileidsgesten, in den eingestreuten kurzen Witzen erkennen wir zwar eine große Portion Galgenhumor im Hinblick auf unseren ritualisierten, mitunter verdrucksten Umgang mit dem Sterben, aber keinerlei Respektlosigkeit vor den Gefühlen Trauernder. Im Gegenteil haben wir es hier mit einer aufrichtigen, teils unverblümten Darstellung über die natürlichste Sache der Welt zu tun.
■ Die Farbe von Zitronen erzählt dagegen vom Tod, ganz ohne ihn zu erwähnen. Eishas Mutter arbeitet, wie die afroamerikanische Autorin und Illustratorin selbst, als Keramikkünstlerin. Eisha würde gerne mit diesen Kunstwerken spielen, die im Atelier der Mutter entstehen, die Tongefäße aber sind zerbrechlich und ihre Herstellung braucht Geschick und Fantasie. Das Mädchen darf deshalb selbst eine Zitrone formen, die sie leuchtend gelb anmalt. Mit dieser Farbe aber kommt ihr plötzlich der Vater in den Sinn. Haben sie im letzten Jahr doch noch gemeinsam Zitronen gepflückt! Jetzt aber hat er eine Leerstelle im Haus von Mutter und Tochter hinterlassen. Als die Zitrone beim Spielen zerbricht, ist die Trauer unvermittelt da. Das Bilderbuch beeindruckt vor allem mit seinen Illustrationen. Sie sind aus Papierkollagen verfertigt, die trotz ihrer partiellen Übermalung monochrom und flächig wirken. Beinahe abstrakt und in gedämpften Farben setzen sie die kunstvollen Gefäße ins Bild. Im Rahmen der Erzählung erinnern diese Formen aus Ton, keine wie die andere, auch an die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Einzigartigkeit eines jeden Menschen. Der Autorin Kenesha Sneed gelingt es mit einer ungewöhnlichen Ästhetik eine unaufdringliche und doch überzeugende Botschaft der Trauer zu vermitteln.
■ So groß wie der Himmel handelt von Eddie, dem Fuchs. Er lässt uns sofort an Aesop und die Tiere in seinen Fabeln denken, denn er trägt Kleider wie ein Mensch und agiert wie ein Mensch. Die Gartenleidenschaft und die Freundschaft mit seinem Hund bestimmen sein Dasein. Übermütig blitzende Augen, die buschige, feuer rote Rute und ein gleißendes Sonnenlicht sind die Zeichen seiner tätigen, fröhlichen Tage. „Doch eines Tages geschah das Unvorstellbare.“ Der Hund liegt tot in seinem Korb. Es ist, als ginge das Licht in diesem Bilderbuch aus. Eddie zerstört seinen Garten, er köpft die Blumen, hässliches Unkraut übernimmt das Revier. Aber eines Tages sehen wir ihn auf dem Jahrmarkt wieder, er fährt Achterbahn, stürzt sich heißhungrig auf alles Essbare und fährt schließlich mit einem Welpen, dem „zweiten Preis“, nach Hause. Der amerikanische Cartoonist Brian Lies vermischt virtuos einen alten Illustrationsstil der Fabel und des Märchens mit Elementen der übertreibenden Karikatur und des expressiven Comics. Deren Tempo und wankende Perspektiven bedürfen nicht vieler Worte, um die wechselnden, extremen Gefühlslagen des Fuchses deutlich zu machen.
■ Nicht den Tod, aber dessen bedrohliche Nähe, schildert Als Mama einmal unsichtbar war. Henriettes Mutter ist nicht abwesend, sondern an Krebs erkrankt. Zuerst verstummen die hilflosen Freunde, dann schwinden die Kräfte der Mutter, dann der Appetit, schließlich fallen ihre Haare aus und zum Schluss ist sie selbst kaum noch zu sehen. Denn die anstrengende Behandlung zwingt die Kranke tagelang ins verdunkelte Schlafzimmer. Gleichzeitig verwandelt sich Henriettes anfängliche Tapferkeit in eine maßlose Wut, die den Tränen endlich freien Lauf lässt und das innere Gleichgewicht des kleinen Kindes wieder herstellt. Ein letztes Bild von Mutter, Tochter und Vater verspricht eine optimistische Perspektive. „Jetzt können wir wieder gesund werden“, sagt Mama. „Wir drei!“. Der gerad linige, einfach formulierte Text und die farblich kräftigen, konventionellen Illustrationen richten sich vor allem an betroffene junge Familien.
Dr. Barbara von Korff Schmising arbeitet als Rezensentin und Publizistin überwiegend im Bereich Kinder- und Jugendliteratur. Sie hat 25 Jahre lang die „Silberne Feder“, den Kinder- und Jugendbuchpreis des Dt. Ärztinnenbundes als Geschäftsführerin geleitet.“ bschmising@gmx.de
Katharina von der Gathen (Text), Anke Kuhl (Ill.): Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder. 160 S., Klett Kinderbuch, Leipzig 2023, € 22,00. Ab 7 J.
Kenesha Sneed: Die Farben von Zitronen. Eine Geschichte über Abschied und Erinnerung. 52 S., Aus dem Amerik. von Kathrin Köller, Prestel, München 2021, € 16,00. Ab 5 J.
Brian Lies: So groß wie der Himmel, aus dem Amerk. von Anna Klein, Peter Hammer, Wuppertal 2022, € 18,50. Ab 5 J.
Julia Rosenkranz (Text), Nele Palmtag (Ill.): Als Mama einmal unsichtbar war, 32 S., Klett Kinderbuch, Leipzig 2023, € 16,00. Ab 4 J.