Kinder- und Jugendbuch

„Es gibt nichts, was es nicht gibt.“

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2019

Die mediale Aufmerksamkeit richtet sich meist auf Dinge, die verloren zu gehen drohen. Die Natur ist in großer Gefahr. Ihr erbarmungslosester Widersacher ist der homo sapiens. So scheint es sinnvoll, bereits die Aufmerksamkeit der Kinder auf die sie umgebende Fauna und Flora zu lenken, und für ihren Respekt vor ihr zu werben. Eine große Anzahl Bilderbücher über Bäume, Bienen, ausgestorbene und aussterbende Tiere unseres Planeten sind jungen Lesern gewidmet, können aber gleichermaßen die Neugier ihrer Eltern wecken.

 

Peter Wohlleben: Hörst du, wie die Bäume sprechen? Eine kleine Entdeckungsreise durch den Wald. 128 S., Oetinger, Hamburg 2017. 16,99 €. Ab 6

Peter Wohllebens Buch über Das geheime Leben der Bäume (2015) über­raschte durch seine hohen Verkaufs­zahlen. Was lag näher für den Autor, als das Thema auch für ein Kinder­buch aufzugreifen. Den richtigen Ton zwischen Information und spannender Erzählung zu finden, fiel dem Förster nicht schwer, da er bereits seit Jah­ren Kinderführungen durch den Wald organisiert. In seinem großen Sach­bilderbuch Hörst du, wie die Bäume sprechen? finden intensive Beobach­tungen ihren Niederschlag. Hier geht es um den Wald und die Tiere, die in ihm ihren Lebensraum finden. Dieser ist außerordentlich vielfältig, begin­nend bei den Vögeln im Blätterdach in luftiger Höhe und endend mit den In­sekten und Würmern in den Wurzeln tief unter der Erde. Wohlleben erklärt ein eng unter sich kommunizierendes System. Seine besondere Gabe besteht darin, die Bäume wie menschenähn­liche Wesen zu betrachten, über de­ ren Sprache und familiäre Solidarität er fast märchenhaft zu erzählen weiß. Viele Fotos begleiten den gut gegliederten und in einem abwechslungsrei­chen Layout gestalteten Text.

 

Piotr Socha: Bienen. 80 S., aus dem Poln. von Thomas Weiler. Gerstenberg, Hildesheim 2016. 24,95 €. Ab 8

Auch das großformatige Bilderbuch Bienen des polnischen Designers Piotr Sacha erntete vermutlich vor dem Hin­tergrund des alarmierenden Bienen­sterbens große Aufmerksamkeit. Hier geht es um die uralte Geschichte dieser kleinen Insekten, deren Nützlichkeit nicht nur in der Produktion von Honig liegt. 100 Millionen Jahre lang sollen sie bereits über unsere Erde fliegen, und schon die alten Ägypter bauten Bienenstöcke. Die Methoden der mo­dernen Imkerei sind präzise in Bild und Wort wiedergegeben. Die sehr breit angelegte Darstellung dieser unver­zichtbaren Insekten, insbesondere ih­res sozialen Zusammenlebens, besticht vor allem durch ihre ungewöhnliche Bebilderung. Die Zeichnungen sind in regelmäßigen Reihen angeordnet und beweisen trotz großer Präzision einen eigenwilligen, altmodisch anmuten­ den Stil. Socha nennt sie Tafeln. Ihnen ist ein durchgängiger Text am jeweils unteren Bildrand gewidmet. Diese Seitengestaltung strahlt eine wohltu­ende optische Ruhe aus. Bienen wur­de verdientermaßen mit dem deut­schen Sachbuch-Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

 

Hélène Rajcak, Damien Laverdunt: Unglaubliche Geschichten von ausgestorbenen Tieren. 80 S., aus dem Franz. von Sarah Pasquay. Jacoby  & Stuart, Berlin 2012. 18,95 €. Ab 8

Mit riesigen Exemplaren ehemaliger Tierwelten dagegen beschäftigt sich das Bilderbuch Unglaubliche Geschichten von ausgestorbenen Tie­ren. Für jeden Erdteil haben die Autoren einige Tiere ausgewählt, von denen wir heute nicht nur Knochenres­te, sondern auch Zeichnungen und schriftliche Zeugnisse besitzen. Be­ sonders verheerend hat der Mensch in die Fauna Australiens eingegriffen, das vormals von vielen Beuteltierarten bevölkert war. Diese, früher ohne na­ türliche Feinde, wurden eine leichte Beute für die Einwanderer. Auch der Riesenmoa, ein etwa drei Meter ho­ her nicht flugfähiger Vogel überlebte die Besiedlung Neuseelands durch die Maoris (Moa-Jäger) nicht. Und Dar­win traf noch auf den Falklandfuchs, dessen Fell so begehrt war, dass die­ser sein Aussterben vorhersagte. Auch dieses Buch gewinnt durch farblich und graphisch klare Illustrationen mit kräftigen Linien und der Abwechs­lung von ganzseitigen Bildern und Comic ähnlichen Bildbändern mit Sprechblasen.

 

Hubert Reeves (Text u. Ill.), Nelly Boutinot, Daniel Casanave, Claire Champion (Ill.): Artenvielfalt. 64 S., aus dem Franz. von Edmund Jacoby. Jacoby&Stuart, Berlin 2019. 18,00 €. Ab 12

Artenvielfalt lautet der Titel ei­nes französischen Comics, in dem das Gleich- und Ungleichgewicht von Pflanzen, Tieren und Menschen in Bildern und Dialogen thematisiert wird. Ein weißbärtiger Mann führt eine Schülergruppe durch ihre nähe­re Umgebung und erzählt vom Zu­sammenhang zwischen Urgeschichte und Gegenwart, von menschlichem Eingreifen und naturwüchsigen Ver­änderungen unseres Planeten. Seien es moderne Bauwerke aus Beton und Stahl oder unsere Fortbewegungsmit­tel, alles beruht auf dem langsamen Werden und Vergehen vielfältiger Lebensformen. Die staunenden Kin­der erfahren von der Herkunft fossi­ler Energien, der Aktivität der Wälder und Algen für den Sauerstoff und die Arbeit der Würmer für guten, lockeren Boden. Die dynamischen, einfallsrei­chen Illustrationen lockern den be­lehrenden Text wohltuend auf. Man hätte dem Buch eine kritischere Ein­stellung zu menschlichem Eingreifen gewünscht, denn die Ausbeutung der Artenvielfalt für Energie, Wasser, Wol­le, Baumwolle usw. haben vor allem schädliche Monokulturen hervorge­bracht und keineswegs „gezüchtete Artenvielfalt“. ¡ Richtig spannend wird es in Katha­rina van der Gathens Das Liebesleben der Tiere. Der vielfach tätigen Sexu­alpädagogin geht es aber nicht nur um die eigentliche Paarung in der Luft, auf der Erde und unter Wasser, sondern auch um Verführungsküns­te, Geschenke, Schwangerschaft und tierisches Familienleben. Im Register finden wir vom Blauwal über den in Bildern und Dialogen thematisiert wird. Ein weißbärtiger Mann führt eine Schülergruppe durch ihre nähe­re Umgebung und erzählt vom Zu­sammenhang zwischen Urgeschichte und Gegenwart, von menschlichem Eingreifen und naturwüchsigen Ver­änderungen unseres Planeten. Seien es moderne Bauwerke aus Beton und Stahl oder unsere Fortbewegungsmit­tel, alles beruht auf dem langsamen Werden und Vergehen vielfältiger Lebensformen. Die staunenden Kin­der erfahren von der Herkunft fossi­ler Energien, der Aktivität der Wälder und Algen für den Sauerstoff und die Arbeit der Würmer für guten, lockeren Boden. Die dynamischen, einfallsrei­chen Illustrationen lockern den be­lehrenden Text wohltuend auf. Man hätte dem Buch eine kritischere Ein­stellung zu menschlichem Eingreifen gewünscht, denn die Ausbeutung der Artenvielfalt für Energie, Wasser, Wol­le, Baumwolle usw. haben vor allem schädliche Monokulturen hervorge­bracht und keineswegs „gezüchtete Artenvielfalt“.

 

Katharina van der Gaten (Text), Anke Kuhl (Ill.): Das Liebesleben der Tiere. 144 S., Klett Kinderbuch, Leipzig 2017. 18.00 €. Ab 8

Richtig spannend wird es in Katha­rina van der Gathens Das Liebesleben der Tiere. Der vielfach tätigen Sexu­alpädagogin geht es aber nicht nur um die eigentliche Paarung in der Luft, auf der Erde und unter Wasser, sondern auch um Verführungsküns­ te, Geschenke, Schwangerschaft und tierisches Familienleben. Im Register finden wir vom Blauwal über den Plattwurm bis zur Fruchtfliege zahl­lose vertraute und völlig fremdartige Tiere. Zu dem wie ein Lexikon auf­gemachten Buch mit flotten und gut lesbaren Kurztexten hat Anke Kuhl zahlreiche Illustrationen beigesteuert. Sie entsprechen in ihrem Witz ganz und gar dem Esprit des Textes, der an keiner Stelle belehrender Öde verfällt.

 

Iela Mari: Ein Baum geht durch das Jahr. 36 S., Heinrich Ellermann, München 1973 (jetzt: Minimax Belt&Gelberg, Weinheim 2017). 6,50 €. Ab 3

In dieser Reihe darf ein kleines Buch der Mailänder Grafikerin Iela Mari nicht unerwähnt bleiben, dessen deutsche Erstausgabe bereits 1973 erschien. Ein Baum geht durch das Jahr war nicht nur thematisch, son­dern auch gestalterisch seiner Zeit weit voraus. Die Bilder einer mächti­gen Eiche und ihrer Verwandlungen quer durch das Jahr erzählen ohne Worte, langsam und dennoch beredt und sehr genau. Nichts erscheint ver­ spielt oder überflüssig. Die Farben verweisen auf das Wesen der Jahres­zeiten, mehr noch auf ihre Stimmun­gen. Die Freude über das erste Grün vermittelt sich ebenso wie die Melan­ cholie des Herbstes und die schläfrige Einsamkeit des Winters mit dem Ver­sprechen auf neues Leben. ˜

Dr. Barbara von Korff Schmising arbeitet als Rezensentin und Publizistin überwiegend im Bereich Kinder- und Jugendliteratur. Sie ist als Referentin in der Erwachsenenbildung tätig und hat 25 Jahre lang die „Silberne Feder“, den Kinder- und Jugendbuchpreis des Dt. Ärztinnenbundes geleitet.

bschmising@gmx.de

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