Recht

Arbeitsrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2018

Löwisch, Manfred/Schlünder, Guido/Spinner, Günter/ Wertheimer, Frank, KSchG, Kündigungsschutzgesetz, Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, 11. Auflage, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-8005-3290-2, 711 S., € 149,00

Kommentare zum Kündigungsschutzgesetz gibt es eine ganze Reihe, das von dem renommierten Arbeitsrechtsprofessor Manfred Löwisch vor Jahrzehnten begründete Werk zählt sicherlich zu den besten seiner Art. Neben dem Schöpfer des Werkes zeichnen wie schon in der Vorauflage Günter Spinner, seines Zeichens Richter am Bundesarbeitsgericht und Rechtsanwalt Frank Wertheimer für die Bearbeitung verantwortlich. Hinzugekommen ist in der Neuauflage Guido Schlünder, ebenfalls Richter am höchsten deutschen Arbeitsgericht. Wissenschaft und Praxis teilen sich die Autorenschaft also in Idealbesetzung. Zwar wurde das Kündigungsschutzgesetz in seinen wesentlichen Inhalten seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr geändert. Angesichts der nach wie vor munter sprudelnden Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit und insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kommt die Neuauflage aber zur rechten Zeit.

Begonnen wird das Werk mit einer von Löwisch verfassten Einführung. Gerade für den weniger im Kündigungsrecht beheimateten Leser finden sich hier wertvolle Ausführungen zum Geltungsbereich des KSchG, zur Systematik des Kündigungsrechts, zur gesetzlichen Beschränkung von Arbeitgeberkündigungen – auf Arbeitnehmerseite spielen diese ja kaum eine Rolle –, zum Sonderkündigungsschutz und vieles mehr. Vieles wird verständlicher, wenn man einige Grundprinzipien des Kündigungsrechts beherrscht. Auch für den Kundigen lesenswert sind die Überlegungen zum Verhältnis Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Vor § 1 Rn. 24 ff.). Interessant ist die Auffassung von Löwisch, tarifliche Unkündbarkeitsbestimmungen zugunsten älterer Beschäftigter könnten im Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer unwirksam sein (Vor § 1 Rn. 35 f.). Den Schwerpunkt der Kommentierung macht – wie könnte es auch anders sein – § 1 KSchG aus. Gut ein Drittel des Kommentars bestreitet Schlünder mit seinen Ausführungen zu dieser Grundnorm des Kündigungsschutzes. Hervorzuheben ist, dass Schlünder für das Verständnis der Regelung erforderliche „Nebenfragen“ regelmäßig mitbehandelt. Dies gilt etwa für die zentrale Frage des Arbeitnehmerbegriffs (§ 1 Rn. 2 ff.). Und beim Nachschieben von zuvor nicht mitgeteilten Gründen im Kündigungsschutzprozess wird auf die betriebs verfassungsrechtlichen und prozessualen Hindernisse eines solchen Tuns hingewiesen (§ 1 Rn. 107 ff.). Es versteht sich von selbst, dass die betriebs-, personen- und verhaltensbedingte Kündigung unter sämtlichen einschlägigen Aspekten behandelt wird. Bei der Sozialauswahl vertritt Schlünder die Auffassung, eine Herausnahme aus derselben wegen kollektivrechtlicher oder einzelvertraglicher Unkündbarkeitsregelungen komme nicht in Frage (§ 1 Rn. 441 ff.). Demgegenüber soll eine Altersgruppenbildung grundsätzlich zulässig sein, wobei allerdings das BAG mit seinen Einschränkungen nicht gut wegkommt (§ 1 Rn. 480). Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz – von § 13 Abs. 1 einmal abgesehen – in erster Linie die ordentliche Kündigung im Blick hat, wird die außerordentliche Kündigung an den relevanten Stellen jeweils mitbehandelt. Man erfährt also auch Wissenswertes zu § 626 BGB. Die Abfindungsregelung in § 1 a KSchG wird dann ebenfalls von Schlünder erläutert.

Die Kommentierung der in § 2 KSchG normierten Änderungskündigung wird von Wertheimer besorgt. Auch hier geht das Werk durchaus eigene Wege, so wenn im Widerspruch zum Bundesarbeitsgericht die Meinung vertreten wird, dass für die Änderungskündigung weniger strenge Maßstäbe zu gelten hätten als für die Beendigungskündigung (§ 2 Rn. 49). Ebenso wenig ist der Verfasser mit dessen Rechtsprechung zur Entgeltabsenkung durch Änderungskündigung einverstanden (§ 2 Rn. 80). In der Tat könnte man flapsig formulieren, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Änderungskündigung wegen ihrer Aussichtslosigkeit am besten von vorneherein sein lässt. Zweckmäßigerweise behandelt Wertheimer auch die Änderung von Arbeitsbedingungen ohne Änderungskündigung (§ 2 Rn. 153 ff.). Wiederum wendet er sich gegen das Bundesarbeitsgericht, wenn dessen Auffassung zum Verhältnis Änderungskündigung – Direktionsrecht kritisiert wird (§ 2 Rn. 17 ff., 165).

Wer eine Kündigungsschutzklage erheben möchte, dem seien die Ausführungen zu § 4 von Spinner empfohlen. Jede relevante Frage wird hier behandelt. Ob man neben dem punktuellen Kündigungsschutzantrag auch eine allgemeine Feststellungsklage erheben soll und wie es sich mit der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsantrags verhält, erfährt man natürlich auch. Nicht selten wird der gekündigte Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist der §§ 4, 7 KSchG einen Rechtsbeistand aufsuchen, in der Kommentierung zu § 5 mag man vielleicht dann noch einen Ausweg finden. Die Überlegungen zu § 6 sind vor allem deshalb interessant, weil Spinner deutlich macht, dass die Überschreitung der Dreiwochenfrist noch „geheilt“ werden kann, wenn zuvor eine andere Rechtsschutzform als die Kündigungsschutzklage gewählt wurde (§ 6 Rn. 4 ff.). Nachdem die prozessualen Fragen von Spinner behandelt werden, fallen auch die §§ 9 und 10 in sein Betätigungsfeld. Hier erfährt man alles Notwendige über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts und die damit verbundenen Fragen in Bezug auf die Zahlung einer Abfindung.

Ebenso wie § 11 und § 12 wird auch § 13 ebenfalls von Spinner besorgt. In diesem Zusammenhang geht er auch näher auf die sittenwidrige Kündigung ein. Insbesondere die Abgrenzung zur treuwidrigen Kündigung wird hier dargestellt (§ 13 Rn. 38). Selbstredend erfolgt auch ein Hinweis auf sonstige Unwirksamkeitsgründe (§ 13 Rn. 51 ff.)

In seiner Kommentierung des § 14 berücksichtigt Wertheimer gleich zu Beginn die Danosa-Entscheidung des EuGH (§ 14 Rn. 1). Seine These, das Urteil habe vorrangig nur das Organschaftsverhältnis der Geschäftsführerin betroffen, wird freilich nicht jedermann teilen, auch wenn sie gut vertretbar ist. Von großer praktischer Bedeutung sind die Ausführungen zum Nebeneinanderbestehen von Organ- und Arbeitnehmerstellung (§ 14 Rn. 14 ff.), wenn man an den betriebsinternen Aufstieg denkt.

Den Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und Personalvertretung, sprich die §§ 15 und 16, behandelt ebenfalls Wertheimer. Dass die Kommentierung ausführlich auf die Ersatzmitglieder eingeht (§ 15 Rn. 34 ff.), wird jedenfalls den kundigen Leser nicht wundern können. Zahlreich sind hier die Probleme, was sich nicht zuletzt in einer bisweilen von der Rechtsprechung abweichenden Meinung von Wertheimer wiederspiegelt (§ 15 Rn. 38, 44). Eingehend beleuchtet wird auch die Kündigung im Falle der Betriebsstilllegung (§ 15 Rn. 78 ff.).

Eine kleine Revolution im Massenentlassungsschutz hatte seinerzeit die Junk-Entscheidung des EuGH bewirkt. Mit der Gleichsetzung von Entlassung und Kündigung war eine Vielzahl von Einzelproblemen in Bezug auf die §§ 17, 18 KSchG verbunden. Seine Kommentierung des § 17 unterteilt Wertheimer in Anzeigepflicht, Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats, Anzeigeverfahren und Rechtsfolgen der Anzeige. Mit dem Bundesarbeitsgericht hält er eine Kündigung nach einer unwirksamen Anzeige für nichtig (§ 17 Rn. 73). Von großer praktischer Relevanz sind die sich anschließenden Ausführungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Anzeige unwirksam ist. Bei der Kommentierung von § 18 KSchG ist das Verständnis der sog. Freifrist nach Abs. 4 hervorzuheben: Die Kündigungen seien binnen 90 Tagen auszusprechen (§ 18 Rn. 18). Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die Freifrist beginne nach dem Ablauf der Sperrfrist, wird allerdings nicht jedermann teilen. Die Schlussbestimmungen übernimmt wieder Löwisch. Die kundige Bearbeitung spiegelt sich etwa in § 23 Rn. 28 ff. wieder, wo die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.1.2013 zur Frage der Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Berechnung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl kritisiert wird. In § 24 ist schon die neue Rechtslage kommentiert. Der Gesetzgeber hat durch Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze vom 17.7.2017 (BGBl. 2017 I 2509) § 23 Abs. 2 S. 2 aF KSchG, welcher den dritten Abschnitt des KSchG für Seeschiffe und ihre Besatzungen ausgeschlossen hatte, aufgehoben und in § 24 KSchG einen neuen Abs. 5 eingefügt. Löwisch erklärt das Notwendige (§ 24 Rn. 18 ff.).

Fazit: Das Werk hält, was die Namen versprechen. Nicht nur wer für eine bestimmte Frage kündigungsschutzrechtlicher Art eine Antwort sucht, sondern auch wer tieferschürfend systematische Ansprüche hat, wird im Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung erfahren. Was will man mehr von einem guten Kommentar? (cwh)

Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

cwh@uni-mainz.de

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