Editorial

Unsere Aufgabe ist es, gute Verleger zu sein

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2021

Kulturstaatsministerin Monika Grütters zeichnete am 1. Juli 2021 bereits zum dritten Mal 66 unabhängige Verlage mit dem Deutschen Verlagspreis aus. Die drei mit je 60.000 Euro dotierten Spitzenpreise gingen dieses Jahr an den Korbinian Verlag aus Berlin, den Leipziger Verlag Klett Kinderbuch und Hartmann Books aus Stuttgart. „Mit ihrem feinen Gespür für außergewöhnliche Lesestoffe haben die ausgezeichneten Verlegerinnen und Verleger gerade in dieser Zeit der Krise einmal mehr Mut zum unternehmerischen Risiko bewiesen. Als Wegbereiter für Bücher auch abseits des publizistischen Mainstreams fördern sie damit maßgeblich den kulturellen Reichtum unseres Landes. Umso mehr verdienen sie unsere Anerkennung.“

Den ausgezeichneten und bereits 2015 gegründeten Korbinian Verlag von Katharina Holzmann, David Rabolt und Sascha Ehlert kannte ich noch nicht. Die Begründung der Jury machte aber neugierig. „Die Erfolgsgeschichte des jungen Korbinian Verlags beruht auf Gespür und Glück, vor allem aber auf unkonventionellen Ideen und einer programmatischen Schärfe. Gegen die Konventionen des Betriebs setzt der Verlag konsequent Engagement, Leidenschaft und einen kollaborativen Ansatz. Gerade in Zeiten, in denen in vielen gesellschaftlichen Bereichen demokratische Kultur als die vorauseilende Erfüllung von Bedürfnissen verstanden wird, bedarf es eines solchen, davon unabhängigen verlegerischen Selbstverständnisses.“

Höchste Zeit also, sich mit dem Führungstrio des Verlags in Verbindung zu setzen. Und so ist meine Erkundungsempfehlung für die vorliegende Ausgabe des fachbuchjournals diese: Auch wenn es wieder von der ersten bis zur letzten Seite viele spannende Bücher zu einer Vielzahl von Themen zu entdecken gibt, fangen Sie ganz hinten mit dem Fragebogen an. Denn wir haben dieses Mal die drei KorbinianMacherInnen gefragt. Wenn manchmal die Kontaktaufnahmen Zeit in Anspruch nehmen, hier kamen die Antworten postwendend. Lassen Sie sich von ihrer Direktheit überraschen. Manche wird damit nichts anfangen können, mancher wird diese sogar ärgerlich finden. Dass „eine von Preisen unabhängige, flächendeckende Förderung für unabhängige Verlage“ gefordert wird, ist noch zu erwarten. Aber unsere letzte Frage, wie die Verlagslandschaft sich in den nächsten zehn Jahren verändern wird, wurde selten so knapp behandelt: „In den Worten unserer Autorin Nele Stuhler: KEINE AHNUNG.“

Nele Stuhlers Text Keine Ahnung wurde zunächst in Berlin auf die Bühne gebracht, dann als Hörstück im Deutschlandfunk gesendet und 2021 als Romandebüt bei Korbinian verlegt. Es ist ein Text über das Nichtwissen. Es ist ein Text über die Ahnungslosigkeit des Menschen, der dennoch an dieser nicht verzweifelt, nicht aufgibt, sondern fragt und fragt und fragt. Ich finde das wunderbar: Nichtwissen nicht als Schwäche zu sehen, sondern als interessierten „Grundblick in die Welt“. Um dann bei der Suche nach Wegen und Antworten auch auf pfiffige, unabhängige, unkonventionelle, unangepasste Ideen zu kommen. Sehen Sie sich den tollen Internet-Auftritt des Verlags und die überraschenden Titel an! Sie werden auch inspirierende Interviews mit den drei Protagonisten finden. 2016, in einem Gespräch mit Marie Krutmann von Litaffin, berichtet David Rabolt ganz unkompliziert über den mutigen Start ins Verlegerleben: „Man kann es vielleicht wirklich so sagen, dass wir, anstatt uns Verlagspraktika oder Jobs zu suchen, unsere Arbeit lieber selber geschaffen haben. Als wir vor einem Jahr mit dem Korbinian Verlag angefangen haben, kam immer wieder die Frage auf, warum wir das überhaupt machen. Ich glaube es ist wichtig, zu verstehen, dass man, um Verleger zu sein, nicht alt und wohlvermögend in einem großen Verlagshaus sitzen muss. Man kann einfach ein paar Kröten in die Hand nehmen und gute Texte produzieren. Wenn diese dann auch beim Publikum ankommen, ist das schön.“ Und 2019 resümiert Sascha Ehlert in einem langen Gespräch mit Thomas Venker vom Kölner Magazin Kaput: „Unsere Aufgabe ist es, gute Verleger zu sein.“

Auf den Punkt gebracht! Darüber, was das bedeutet, und über vieles mehr, werden wir hoffentlich bei der Frankfurter Buchmesse intensive Gespräche führen können.

Angelika Beyreuther

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