Editorial

Leuchttürme

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2019

Das ist doch mal eine gute Nachricht: 66 kleine und unabhängige Verlage aus ganz Deutschland können sich über die Auszeichnung mit dem Deutschen Verlagspreis freuen. Am 18. Oktober wird Kulturstaatsministerin Monika Grütters den von ihr im vergangenen Jahr initiierten Preis auf der Frankfurter Buchmesse zum ersten Mal verleihen. Mit Blick auf die Juryentscheidung gratulierte die Ministerin den Gewinnern: „Die aus­gezeichneten Verlage sind Leuchttürme in unserer weltweit einzigartig vielfältigen Literaturlandschaft. Dies ist etwas, worauf wir im Land der Dichter und Denker sehr stolz sein können. Es ist mir ein Herzensanliegen, die wertvolle Arbeit der Verlage mit dem Deutschen Verlagspreis noch sichtbarer für die Öffentlichkeit zu machen.“

Ich lese die Nachricht in meinem Urlaubsort an der bretonischen Küste, im Finistère, „am Ende der Welt“. Allabendlich nach Sonnenuntergang sehe ich hier staunend, wie viele unterschiedliche Leuchttürme mit ihren individuellen Signalen und Lichtstärken denjenigen, die auf dem Meer unterwegs sind, weithin einen sicheren Weg durch die hier sehr gefährliche See weisen. Verlage als Leuchttürme? Die Analogie ging mir hier in diesen Tagen am Meer natürlich durch den Kopf. Um annähernd so sichtbar zu werden wie die „echten“ Leuchttürme hier am Meer, wenn der Vergleich also ernst gemeint ist, benötigen die unabhängigen Verlage sehr viel Aufmerksamkeit, sehr viel öffentliche Wahrnehmung, sehr viel tatkräftige Unterstützung! – Aber der Anfang ist ja jetzt gemacht.

Um den Vergleich auf die Spitze zu treiben: Verleger als Leuchtturmwärter? In einer SpiegelOnline Reportage hat mare-Autor Sergio Ramazzotti im Oktober 2011 Leuchtturmwärter in ganz Europa porträtiert. An der ebenfalls sehr gefährlichen galizischen Küste sprach er mit dem damals 57 Jahre alten Wärter von Punta Estaca de Bares: „Für mich ist es das ganze Leben. Es ist keine romantische Arbeit […]. Aber der Platz! Und der Stolz auf deine Arbeit: Du […] hilfst bei der Navigation und trägst vielleicht indirekt dazu bei, Leben zu retten. […] Ich würde nie in ein anderes Leben zurückkehren.“ Leben retten ist bei meinem Vergleich sicher etwas hoch gegriffen. Aber Navigationshelfer, die den individuellen Horizont weiten wollen, sind die mir bekannten unabhängigen Verlegerinnen und Verleger allemal. Beruf als Berufung.

Es ist tatsächlich das ganze Leben. Und Britta Jürgs, die Verlegerin des ebenfalls ausgezeichneten AvivA Verlags, gibt in unserem Fragebogen auf der letzten Seite auch deren Wünsche preis, „dass Leserinnen und Leser zunehmend das schätzen und würdigen, wofür wir unabhängige Verlegerinnen und Verleger stehen: für ausgewählte, qualitativ hochwertige Programme und für besondere Bücher, die den Horizont erweitern.“

In dieser großen Buchmesse-Ausgabe des fachbuchjournals werden Sie sicher viele solcher besonderen Bücher entdecken. Fangen Sie bei den Neuerscheinungen an, die zu Alexander von Humboldts 250. Geburtstag erschienen sind und die im Fokus dieser Ausgabe stehen. Der bedeutende Gelehrte hat – und unser Rezensent Prof. Dr. Dittmar Dahlmann fasst dies detailreich zusammen – seinen Horizont in fast unglaublicher Weise ständig erweitert, er war unter anderem Physiker, Chemiker, Geograph, Botaniker, Zoologe, Meteorologe, Anthropologe, Ethnologe, Kartograph, Historiker. Und er war ein überzeugter Liberaler, ein Demokrat, Verfechter der Menschenrechte der Französischen Revolution und fast immer ein entschiedener Gegner der Sklaverei, die, wie er schrieb, die Würde des Menschen „entadele“. Die Feststellung aus der bereits vor rund 60 Jahren erschienenen zweibändigen Humboldt-Biografie von Hanno Beck ist angesichts der weltweiten Entwicklungen heute besonders aktuell: „Über allem aber leuchtet seine Menschlichkeit, die ihn den Rassenwahn verachten ließ. Er kannte keine höheren und niederen Völker, sondern nur Entwicklungsstadien und Bildungsaufgaben und entwarf damit auch für unsere europäische Welt das Programm, dem wir folgen müssen, wenn wir nicht untergehen wollen.“

In wenigen Tagen öffnet die Frankfurter Buchmesse ihre Tore. Wir vom fachbuchjournal werden, wie in den letzten Jahren, mit unseren Schwesterpublikationen b.i.t.online und Library Essentials aus dem b.i.t.verlag an den Fachbesuchertagen täglich auf dem b.i.t.Sofa Themen zur Diskussion stellen, die auf den Nägeln brennen. Die Details dazu finden Sie auf Seite 4. Wir laden Sie herzlich zur Teilnahme ein. Oder kommen Sie einfach mal bei uns am Verlagsstand M 68 in Halle 4.2 vorbei. Dort präsentieren wir neben unseren Fachzeitschriften auch druckfrische Bücher aus unserem Verlagsprogramm.

Angelika Beyreuther

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