Recht

Staatsangehörigkeitsrecht

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 5/2017

Bevor ein Werk zum Staatsangehörigkeitsrecht vorgestellt wird (s.u. IV.), soll in der gebotenen Kürze skizziert werden, was darunter zu verstehen ist. Das Staatsangehörigkeitsrecht besteht aus den Vorschriften, die den Erwerb und den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit normieren. Es regelt nicht die Rechte und Pflichten der deutschen Staatsangehörigen; jene ergeben sich aus unzähligen anderen Gesetzen und Verordnungen. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die Rechte und Pflichten der Deutschen kaum noch von denen der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer, insbesondere von denen der Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dennoch gibt es noch immer bestimmte Rechte, die den Deutschen vorbehalten sind, z.B. Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), Vereinsfreiheit (Art. 9 GG), Freizügigkeit (Art. 11 GG), Berufsfreiheit (Art. 12 GG), Schutz vor Ausbürgerung und Auslieferung (Art. 16 GG) und das Wahlrecht zum Bundestag und zu den Landtagen. Deshalb ist es eben doch von Belang, ob jemand die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht.

I. Vom Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz zum Staatsangehörigkeitsgesetz

Das Staatsangehörigkeitsrecht ist normiert in dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vom 22. Juli 1913 (Reichsgesetzblatt 1913 S. 583). Erlassen wurde es damals als „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG)“, das kurz vor dem Untergang der Monarchie in Deutschland von „Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.“ ausgefertigt wurde. Den neuen Namen erhielt das Gesetz, das heute ein Bundesgesetz ist, durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618). Vor und nach diesem Reformgesetz hat das Gesetz zahlreiche Änderungen erfahren; die vorläufig letzte datiert vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2218).

Stellt man das RuStAG und das StAG einander gegenüber, wird deutlich, wie sehr sich das Rechtsverständnis im Verlaufe der letzten hundert Jahre gewandelt hat. Das gilt vor allem für die Stellung der Frau. Durch die Eheschließung mit einem deutschen Mann erwarb die Frau dessen Staatsangehörigkeit (§ 6 RuStAG); die Eheschließung einer deutschen Frau mit einem Ausländer hingegen hatte diese Wirkung nicht. Die Einbürgerung einer Frau bedurfte der Zustimmung ihres Ehemannes (§ 7 Abs. 2 RuStAG). Nur eine Frau (nicht auch ein Mann) verlor durch die Eheschließung mit einem Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 17 Nr. 6 RuStAG). Die Entlassung einer Ehefrau aus der Staatsbürgerschaft konnte nur von ihrem Mann und, sofern dieser ein Deutscher war, nur zugleich mit seiner eigenen Entlassung beantragt werden; der Antrag bedurfte freilich der Zustimmung der Frau (§ 18 RuStAG). Das alles gilt selbstverständlich schon lange nicht mehr.

Heute gibt es nur die deutsche Staatsangehörigkeit, keine bayerische, hamburgische oder niedersächsische. Das war unter der Herrschaft des RuStAG zunächst anders. Dessen § 1 bestimmte: „Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§ 3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt.“ Letztere bildete eine rare Ausnahme. Sie konnte u.a. verliehen werden „einem Ausländer, der sich in einem Schutzgebiete (§ 33 Nr. 1 RuStAG) niedergelassen hat, oder einem Eingeborenen in einem Schutzgebiete“. Mit dem Verlust der Kolonien infolge des Ersten Weltkriegs wurde diese Regelung schon bald gegenstandslos. Die meisten Deutschen waren in erster Linie Staatsangehörige eines der damals 25 Bundesstaaten (also etwa preußische, bayerische oder sächsische Staatsangehörige) und nur mittelbare Reichsangehörige.

Ein letztes Beispiel zur Veranschaulichung der Veränderungen des Staatsangehörigkeitsrechts: Nach dem heute geltenden Beamtenrecht setzt die Berufung in das Beamtenverhältnis grundsätzlich voraus, dass der Bewerber Deutscher im Sinne von Art. 116 GG oder Staatsangehöriger eines anderen EU-Mitgliedstaates ist. Dagegen sah § 14 RuStAG in seiner ursprünglichen Fassung gewissermaßen umgekehrt vor, dass die Anstellung eines Ausländers im Staatsdienst seine Einbürgerung bewirkte. Auf diesem Wege erlangte Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war im April 1925 auf seinen Antrag hin aus der österreichischen Staatsbürgerschaft, die er seit seiner Geburt innegehabt hatte, entlassen worden und seither staatenlos; schon vorher hatte er mehrfach seine österreichische Staatsangehörigkeit verleugnet. Um bei der Reichspräsidentenwahl am 13. März 1932 kandidieren zu können, musste er laut Weimarer Verfassung Deutscher sein. Nachdem zuvor mehrere Versuche, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, gescheitert waren, ernannte ihn der Freistaat Braunschweig am 25. Februar 1932 zum Regierungsrat. Dadurch erwarb er aufgrund des § 14 RuStAG die braunschweigische Staatsbürgerschaft und zugleich die mittelbare Reichsbürgerschaft. Das Amt als Regierungsrat hat er keinen einzigen Tag wahrgenommen. Bei der Reichspräsidentenwahl unterlag er Paul von Hindenburg, der ihn nicht einmal ein Jahr später, am 30. Januar 1933, contre cœur zum Reichskanzler ernannte.

II. Überblick über die Regelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG)

1. Begriff des Deutschen

Das Gesetz beginnt mit einer Legaldefinition des Begriffs Deutscher (§ 1):

„Deutscher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“

Diese Begriffsbestimmung beansprucht Geltung nur für das StAG, wie sich aus den Worten „im Sinne dieses Gesetzes“ ergibt. Einen darüber hinausgehenden Deutschenbegriff verwendet das Grundgesetz, denn Art. 116 Abs. 1 GG bestimmt:

„Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“

Wenn das GG von Deutschen spricht (z.B. in Art. 8, 9, 11, 12 oder 16), so meint es daher nicht nur die deutschen Staatsangehörigen, sondern auch die sog. Status-Deutschen, die in der zweiten Alternative des Art. 116 Abs. 1 GG definiert sind.

Der § 2 ist unbesetzt. Er bestimmte in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes von 1913, Elsass-Lothringen gelte als Bundesstaat und die Schutzgebiete gälten als Inland. Hier zeigt sich, dass RuStAG und StAG identisch sind, obwohl sich der Inhalt seit 1913 wesentlich gewandelt hat.

2. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Den Erwerb der Staatsangehörigkeit normieren die §§ 3 bis 16. § 3 Abs. 1 fasst die wichtigsten Erwerbsgründe zusammen, die in den darauffolgenden Bestimmungen präzisiert werden. Die Staatsangehörigkeit wird erworben

1. durch Geburt (§ 4),

2. durch Erklärung nach § 5,

3. durch Annahme als Kind (§ 6),

4. durch Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), 4a. durch Überleitung als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG,

5. für einen Ausländer durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b, 40c).

Von diesen Erwerbsgründen sind Geburt und Einbürgerung die bei Weitem wichtigsten, nur auf sie soll im Folgenden in der gebotenen Kürze eingegangen werden. Das deutsche Recht ist herkömmlich durch den Grundsatz geprägt, dass die Staatsangehörigkeit den Kindern von den Eltern gewissermaßen vererbt wird (Erwerb durch Geburt, kraft Abstammung, ius sanguinis). Infolgedessen bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 1: „Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“ Ob dieser Elternteil der Vater oder die Mutter ist, spielt heute – anders als zur Kaiserzeit – keine Rolle. Grundsätzlich ohne Belang ist auch, ob das Kind im In- oder im Ausland geboren wird. Hiervon macht § 3 Abs. 4 allerdings eine Ausnahme: Das Kind erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit bei seiner Geburt im Ausland dann nicht, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort zum Zeitpunkt der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos.

Das deutsche wie auch das Völkerrecht sind bestrebt, die Staatenlosigkeit einer Person tunlichst zu vermeiden. Das wird teilweise auf die Spitze getrieben; so kann ein Deutscher die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nur dann verlangen, wenn sichergestellt ist, dass er nicht staatenlos wird (§ 18). Auf sie verzichten kann er nur dann, wenn er mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt (§ 26), er durch den Verzicht also nicht staatenlos wird. Ob dies noch zeitgemäß ist, erscheint durchaus zweifelhaft.

Den Gegensatz zu dem ius sanguinis (lat., Recht des Blutes) bildet das ius soli (Recht des Bodens, Geburtsortprinzip), das beispielsweise in den USA gilt. Danach erwirbt die Staatsangehörigkeit jeder, der auf dem Staatsgebiet geboren wird. Demzufolge erwirbt ein Kind deutscher Eltern, das in den USA zur Welt kommt, sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit und wird dadurch zum „Doppelstaater“ (manchmal auch als Doppelstaatler bezeichnet). Das ius soli war dem deutschen Recht bis vor wenigen Jahren fast völlig fremd. Es wurde in erheblichem Umfang eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999, das dem § 4 einen neuen Abs. 3 einfügte, dessen Satz 1 in der heute geltenden Fassung folgendes bestimmt:

„Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1. seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und

2. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht … besitzt.“

Der Gesetzgeber erhoffte sich von dieser Regelung eine bessere Integration junger Menschen, die als Kinder ausländischer Eltern in Deutschland geboren werden. Ob sich diese Hoffnung erfüllt hat, ist bisher nicht geklärt. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass die in Deutschland geborenen Deutschen mit ausländischen Wurzeln unserem Gemeinwesen skeptischer, ja feindseliger gegenüber stehen als ihre eingewanderten Eltern.

Eine Person, die auf diesem Wege die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und außerdem über eine ausländische Staatsangehörigkeit (z.B. die von ihren Eltern „geerbte“) verfügt, muss allerdings nach Vollendung des 21. Lebensjahres zwischen diesen beiden Staatsangehörigkeiten wählen (sog. Optionspflicht, § 29), denn das deutsche Recht ist nach wie vor bestrebt, Doppelstaatigkeit zu vermeiden. Diese Pflicht besteht allerdings dann nicht, wenn der Betreffende neben der deutschen die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates (etwa Frankreichs oder Polens) oder der Schweiz besitzt. Gleiches gilt, wenn der Jugendliche im Inland aufgewachsen ist; unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, regelt § 29 Abs. 1a.

Die Optionspflicht, von der insbesondere die Kinder türkischer Eltern betroffen sind, ist nach wie vor heftig umstritten. Einige politische Parteien würden sie gern abschaffen und in noch größerem Umfang als bis dato die Doppelstaatigkeit zulassen. Ich möchte davor warnen. Doppelstaater können leicht in Interessen- und Loyalitätskonflikte geraten. Die von dem türkischen Staatspräsidenten Erdo ˘gan immer wieder unternommenen Versuche, die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Deutschen gegen deutsche Staatsorgane und Staatsmänner aufzuhetzen, verdeutlichen das zur Genüge. Erhebliche Probleme kann auch die diplomatische und konsularische Vertretung von Doppelstaatern aufwerfen, wie die Verhaftung von Deutschen, die auch über einen türkischen Pass verfügen, durch türkische Polizei- und Justizbehörden veranschaulicht. Wenn deutsche diplomatische Vertretungen in einem derartigen Fall bei den türkischen Behörden intervenieren, können diese das nach herkömmlichem Verständnis, das allerdings nicht mehr unumstritten ist, als Eingriff in die Souveränität der Türkei zurückweisen. Die Doppelstaatigkeit kann auf diese Weise auch leicht zu Konflikten zwischen den Staaten führen, deren Staatsangehörigkeit eine Person besitzt. Sie sollte deshalb tunlichst vermieden werden.

Während der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt keines staatlichen Hoheitsaktes bedarf, geschieht die Einbürgerung durch Verwaltungsakt. Traditionell steht die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft im Ermessen der zuständigen staatlichen Behörde und setzt voraus, dass bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Daran hält § 8 als Grundsatz fest. Davon abweichend gewährt § 10 einem Ausländer jedoch bei Vorliegen strengerer Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. § 11 nennt eine Reihe von Umstände, die die Einbürgerung ausschließen. Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.

3. Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit

Die – wie auch immer erworbene – Staatsangehörigkeit kann auch wieder verloren gehen, wie sich aus §§ 17 bis 29 und § 35 ergibt, nämlich u.a. durch Entlassung aufgrund eines Antrags des Betroffenen, durch Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, Verzicht, Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates oder durch Rücknahme der Einbürgerung, wenn diese erschlichen worden ist. Nur auf drei der Verlustfälle kann eingegangen werden.

Das Gesetz geht nach wie vor von dem Grundsatz aus, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit (egal, wie er sie erworben hat) verliert, wenn er auf seinen Antrag eine ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt (§ 25 Abs. 1 Satz 1). Auf diese Weise soll die unerwünschte Doppelstaatigkeit (s.o.) vermieden werden. Dieser Grundsatz ist freilich in zunehmendem Maße durchbrochen worden. So tritt der Verlust beispielsweise dann nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz erwirbt (§ 25 Abs. 1 Satz 2). In anderen Fällen kann die zuständige Behörde die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit gestatten (§ 25 Abs. 2, sog. Beibehaltungsgenehmigung). Die ursprüngliche Fassung von § 25 Abs. 1 sah vor, dass ein Ausländer bei Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit die deutsche nur dann verlor, wenn er im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hatte, also im Ausland lebte. Diese sog. Inlandsklausel wurde – insbesondere von Deutschen mit türkischen Wurzeln – häufig missbraucht, indem sie nach Erwerb der deutschen (erneut) heimlich die türkische Staatsbürgerschaft annahmen. Um das zu verhindern, wurde die Inlandsklausel durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 15. Juli 1999 mit Wirkung am 1. Januar 2000 gestrichen.

Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit auch dann, wenn er aufgrund freiwilliger Verpflichtung und ohne Zustimmung des Bundesverteidigungsministeriums in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren Verband des ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt (§ 28). Da der sog. Islamische Staat (IS), der in Syrien und im Irak sein Unwesen treibt, kein Staat im Sinne dieser Vorschrift (und im Sinne des Völkerrechts) ist, verliert ein Deutscher, der sich dieser Verbrecherbande anschließt, nicht seine deutsche Staatsangehörigkeit. Der Gesetzgeber sollte ernsthafter als bisher überlegen, ob nicht die Vorschrift entsprechend geändert werden sollte. Es ist auch nicht recht einzusehen, weshalb der Verlust nur dann eintritt, wenn der Betreffende in die Streitkräfte eines Staates eintritt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und nicht auch dann, wenn er sich den Streitkräften eines anderen Staates anschließt, dessen Staatsbürger er nicht ist. Dass er dann möglicherweise staatenlos wird, hat er sich selbst zuzuschreiben.

Abweichend von § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der die Rücknahme rechtswidrigen Verwaltungsakte normiert, kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur dann zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die für die Entscheidung wesentlich gewesen sind, erwirkt worden ist (§ 35 Abs. 1 StAG). Überdies darf die Rücknahme nur innerhalb von fünf Jahren nach Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (§ 35 Abs. 3). Diese und die anderen zu Buche stehenden Varianten des Verlusts der Staatsangehörigkeit widersprechen nach ganz herrschender Meinung nicht Art. 16 Abs. 1 GG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf und der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten darf, wenn der Betroffene nicht staatenlos wird.

III. Ausländische Bevölkerung in Deutschland und Einbürgerung

Um die Relevanz des soeben grob skizzierten Staatsangehörigkeitsrechts zu veranschaulichen, ein paar jüngst veröffentlichte Zahlen, die der vom Statistischen Bundesamt (StBA) herausgegebenen Analyse „Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Einbürgerung“, erschienen am 13. Juni 2017, bzw. dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) herausgegebenen „Migrationsbericht 2015“ (Stand: Dezember 2016) entnommen sind.

Am 31. Dezember 2015 (die Zahlen für Jahresultimo 2016 liegen noch nicht komplett vor) bestand die Wohnbevölkerung (Deutsche und Ausländer) aus 82.175.700 Personen. Davon waren 8.652.000 Ausländer. Im Verlaufe desselben Jahres wurden 107.317 Ausländer eingebürgert, 2016 waren es 110.383. Näheres über die Entwicklung dieser Zahlen ist aus der Tabelle „Bevölkerung insgesamt, ausländische Bevölkerung und Einbürgerungen 1961 bis 2015“ ersichtlich, die der Publikation des StBA (S. 16) entnommen ist.

1 Bevölkerung insgesamt, ausländische Bevölkerung und Einbürgerungen 1961 bis 2015

 

1 Das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial (aEP) bezieht die Einbürgerungen auf die Ausländer mit einer Aufenthaltsdauer von 10 Jahren und mehr.

2 Im Jahr 2004 wurde eine umfassende Registerbereinigung des AZR durchgeführt. Die Bereinigungen schlagen sich in einem geringeren Bestand nieder. Der Unterschied ist grafisch deutlich gemacht.

3 Ab 1990 basieren die Daten der Bevölkerungsfortschreibung auf der Volkszählung 1987. Ab 2011 sind die Daten der Bevölkerungsfortschreibung an die Ergebnisse des Zensus 2011angepasst. Der Unterschied ist grafisch deutlich gemacht.

4 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lagen noch keine Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung und des AZR vor. Die Fachserie wird aktualisiert,sobald die Daten verfügbar sind.

Quelle: 1871-1970 Ergebnisse der Volkszählungen; ab 1975 Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung bzw. des Ausländerzentralregisters (AZR), Einbürgerungsstatistik Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe2.1,2016

Abbildung 7-13: Einbürgerungen in Deutschland von 1997 bis 20151

 

1) Davon getrennt zu sehen sind die Einbürgerungen von (Spät-)Aussiedlern, die bis 1999 ebenfalls in der Einbürgerungsstatistik enthalten waren, hier jedoch nicht betrachtet werden.

Quelle: Statistisches Bundesamt

In seinem Migrationsbericht (S. 176 f.) skizziert das BAMF die Entwicklung der Einbürgerung während der letzten Jahre wie folgt:

„Nach dem Höchststand im Jahr 2000 mit 186.672 registrierten Einbürgerungen sank die Zahl bis auf 94.470 Einbürgerungen im Jahr 2008. In den Folgejahren konnte ein kontinuierlicher Wiederanstieg verzeichnet werden. Im Jahr 2015 wurden 107.317 Einbürgerungen registriert. Das waren 1,0 % weniger im Vergleich zum Vorjahr (vgl. Abbildung 7-13).

53,2 % der eingebürgerten Personen waren Frauen (2014: 52,3 %). Insgesamt wurden seit dem Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts 1.981.537 Personen eingebürgert.

Für das Jahr 2015 hat das Statistische Bundesamt wie im Vorjahr das sogenannte ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial errechnet. Dabei wird die Zahl der Einbürgerungen (ohne Einbürgerungen im Ausland) auf die Zahl der Ausländer im Inland, die sich seit mindestens zehn Jahren in Deutschland aufhalten, bezogen. Die weiteren Anforderungen für eine Einbürgerung (z. B. Sprachkenntnisse) bleiben dabei unberücksichtigt.

Im Jahr 2015 betrug das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial 2,2 %. Die höchsten Quoten wurden für Libyen (28,2 %), Jemen (26,7 %), Kamerun (22,4 %), Mexiko (15,0 %) und Ägypten (12,4 %) registriert. Überproportional fällt das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial auch im Falle Nigerias (12,1 %), Syriens (11,5 %), des Irak (11,1 %), Afghanistans (10,5 %), Pakistans (9,2 %), des Iran (9,0 %) und Bulgariens (6,6 %) aus.

Von den im Jahr 2015 Eingebürgerten stammten 19.695 Personen (18,4 %) aus der Türkei, 5.957 aus Polen (5,6 %), 4.168 aus der Ukraine (3,9 %) und 3.822 aus dem Kosovo (3,6 %) (vgl. Abbildung 7-14 und Tabelle 7-15 im Anhang).

Abbildung 7-14: Eingebürgerte Personen im Jahr 2015 nach bisheriger Staatsangehörigkeit

 

Tabelle 7-15: Einbürgerungen nach ausgewählten Herkunftsstaaten von 2000 bis 2015 

 

Allerdings ist insbesondere die Zahl der Einbürgerungen von Personen türkischer Herkunft, die seit Jahren die größte Gruppe der Eingebürgerten stellen, seit dem Jahr 2000, in dem noch 82.861 türkische Staatsangehörige eingebürgert wurden, deutlich zurückgegangen. Nach einem Zuwachs der Einbürgerungen im Jahr 2012 war in den drei Folgejahren wieder ein Rückgang festzustellen (von 2014 auf 2015 um 12,3 %) (vgl. Tabelle 7-15 im Anhang).

Die größte Zunahme gegenüber dem Vorjahr wurde bei Einbürgerungen aus Thailand (+34,4 %), der Ukraine (+32,7 %), Ägypten (+30,2 %), Albanien (+27,3 %) und Nigeria (+20,4 %) registriert, der größte Rückgang bei Einbürgerungen aus Kasachstan (-20,8 %), der Russischen Föderation (-15,1 %), Kroatien (-14,6 %), Afghanistan (-14,3 %) und Serbien (-12,7 %).

Trotz eines fast ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses bei den Eingebürgerten (Frauenanteil 2015: 53,2 %) insgesamt zeigen sich bei Betrachtung einzelner Herkunftsländer zum Teil deutliche Unterschiede. So weisen etwa Eingebürgerte aus den neuen mittelund osteuropäischen EU-Staaten einen deutlich überproportionalen Frauenanteil auf. Jeweils mehr als zwei Drittel der im Jahr 2015 Eingebürgerten aus Lettland (75,2 %), Litauen (74,5 %), der Slowakei (74,4 %), Polen (71,6 %) und Rumänien (69,9 %) waren Frauen. Ein hoher Frauenanteil wurde auch bei Eingebürgerten von den Philippinen (84,6 %) und Thailand (77,4 %) registriert. Weniger als ein Drittel betrug der Frauenanteil dagegen bei Eingebürgerten aus Tunesien (32,6 %) und Ägypten (32,2 %). Diese Differenzen sind auf die unterschiedlichen Migrationsmuster (z. B. Heirats-, Arbeits-, Fluchtmigration) und die daraus resultierende unterschiedliche Geschlechtsstruktur der einzelnen Nationalitäten in Deutschland zurückzuführen.

Von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit sind nach § 12 StAG eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen, in denen Mehrstaatigkeit hingenommen wird. Im Jahr 2015 erfolgten 54,2% aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit (2014: 53,6 %; 2013: 49,7 %) (vgl. Tabelle 7-5). Von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit wird insbesondere bei Staatsangehörigen aus Afghanistan, Algerien, Angola, Eritrea, aus dem Iran, Kuba, aus dem Libanon, von den Malediven, Marokko, Nigeria, Syrien, Thailand und Tunesien abgesehen, da diese Länder in der Regel eine Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit verweigern. Insofern besteht bei mehr als 99 % der Eingebürgerten aus diesen Ländern die bisherige Staatsangehörigkeit fort. Auch bei Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzen, erfolgen die Einbürgerungen fast ausnahmslos unter Beibehaltung der früheren Staatsangehörigkeit.“

IV. Literatur zum Staatsangehörigkeitsrecht

Der Strom der Literatur zum Staatsangehörigkeitsrecht fließt viel schmäler und gemächlicher dahin als der zum Ausländerund Asylrecht, über den in früheren Ausgaben berichtet wurde. Umso mehr freue ich mich, ein Werk vorstellen zu können, das einen ausgezeichneten Wegweiser durch den Dschungel des Staatsangehörigkeitsrechts darstellt:

Kay Hailbronner/Hans-Georg Maaßen/Jan Hecker/Marcel Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6., neu bearbeitete Auflage, München 2017, ISBN 978-3-406-67620-8. Leinen, XLI, 939 Seiten, 149,- €.

Hailbronner und Kau sind Professoren, Maaßen ist Präsident der Bundesamtes für Verfassungsschutz und Hecker Ministerialbeamter im Bundeskanzleramt. Zum Teil haben sie die Erläuterungen gemeinsam, überwiegend jedoch jeder für sich solo verfasst.

Das Werk besteht – neben den üblichen Registern (Inhalts-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis, Sachregister) – aus drei Teilen. Den Teil I (Grundlagen des Staatsangehörigkeitsrechts, S. 1 – 151) bestreitet Hailbronner allein. Es handelt sich dabei um eine weitausgreifende, lehrbuchartige Darstellung in acht Abschnitten (A – H): Neuere Entwicklungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts (A), Begriff und Rechtsnatur der Staatsangehörigkeit (B), Staatsangehörigkeit und Internationales Privatrecht (C), Staatsangehörigkeit und Völkerrecht (D), Mehrfache Staatsangehörigkeit (E), Staatenlosigkeit (F), Deutsche Staatsangehörigkeit und Wiedervereinigung (G) sowie Deutsche Staatsangehörigkeit und Unionsbürgerschaft (H).

Teil II ist überschrieben Kommentierungen (S. 153 – 631) und enthält zunächst umfangreiche Erläuterungen zu Art. 16 Abs. 1 und Art. 116 GG, die sich mit jeder Kommentierung dieser Vorschriften in den großen GG-Kommentaren messen lassen können (S. 153 – 209). Auch dieser Teil geht ausschließlich auf das Konto Hailbronners. Daran schließen sich die Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften des StAG an (S. 210 – 631). Sie werden in aller Regel eingeleitet durch eine Inhaltsübersicht und die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Teil III (Texte und Urkunden, S. 633 – 923) enthält die unkommentierten Texte von Gesetzen und Verordnungen, zwischenstaatlichen Abkommen und Verwaltungsvorschriften sowie ein paar Urkundenmuster. Hier findet sich der Wortlaut sowohl der geltenden Fassung des StAG (S. 633 – 649), die am Anfang des Bandes besser aufgehoben wäre, als auch der des RuStAG vom 1913 (S. 677 – 686) sowie zahlreiche Änderungsgesetze zu diesen beiden Texten. Ob alle diese Änderungsgesetze den Praktiker interessieren, erscheint fraglich. Von größerer Relevanz für ihn dürften einige der völkerrechtlichen Verträge und die Verwaltungsvorschriften sein. Das Werk befindet sich auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung (s.o. vor I). Lobenswert ist, dass die Sätze der Vorschriften ganz überwiegend (im Kommentarteil durchgängig) durchnummeriert sind, was das Zitieren sehr erleichtert. Die Übersichtlichkeit wird dadurch erhöht, dass wichtige Schlagwörter fett gedruckt sind. Unglücklich ist dagegen, dass die Belege in den Text integriert sind; Fußnoten kennt das Werk nicht. Störend wirken die zahlreichen ungewohnten Abkürzungen, wie asylr (asylrechtlich), asylvfr (asylverfahrensrechtlich), auslr (ausländerrechtlich), Einb. (Einbürgerung), Einbbew. (Einbürgerungsbewerber) und stangr (staatsangehörigkeitsrechtlich), die zwar im Abkürzungsverzeichnis erklärt werden, über die man aber doch immer wieder stolpert; ob sie sehr viel Platz sparen, erscheint zweifelhaft. Abschließend ist festzustellen, dass das Werk ein unentbehrliches Arbeitsmittel für jeden darstellt, der sich mit dem Staatsangehörigkeitsrecht befasst.

Univ.-Prof. Dr. jur. Hans-Werner Laubinger, M.C.L., hatte bis zum Eintritt in den Ruhestand den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne, an der er noch heute als Forscher tätig ist. Er ist Mitherausgeber des Verwaltungsarchivs, dessen Schriftleiter er von 1983 bis 2001 war.

hwlaubinger@t-online.de

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