Recht

Neues zum Windenergierecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 1/2020

Der für die sogenannte Energiewende erforderliche Ausbau von Windenergieanlagen an Land stagniert. Von Januar bis September 2019 gingen in Deutschland nur 148 derartige Anlagen mit einer Gesamtleistung von 507 Megawatt ans Netz. In den vorangegangenen fünf Jahren war dieser Wert jeweils bereits im ersten Quartal erreicht worden. In den Jahren 2014 bis 2017 lag der jährliche Zubau noch bei ca. 4.600 Megawatt. Die Ausbaukrise hat sich so verschärft, dass der Ausbau fast zum Erliegen gekommen ist. Hauptgründe dafür sind das Fehlen verfügbarer Flächen für Windkraftanlagen, strenge Naturschutzvorgaben, lange Dauer von Genehmigungsverfahren und eine Vielzahl von Klagen gegen erteilte Genehmigungen. Der Ausbau der Windkraft hat ein Akzeptanzproblem und wird deshalb auch zunehmend zum Wahlkampfthema. Der Rückenwind des Zeitgeistes für das abstrakte Ziel des Klimaschutzes und die generelle Bejahung der Erzeugung erneuerbarer Energie ändern nichts daran, dass die konkrete Errichtung entsprechender Anlagen oft auf enormen Widerstand stößt. Politisch und rechtlich gibt es eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, um blockierend oder jedenfalls verzögernd wirken zu können. Die Planung und Genehmigung solcher Anlagen wirft nämlich zahlreiche Konflikte mit der Umwelt, der Nachbarschaft und konkurrierenden Raumnutzungsansprüchen auf. Hinzu kommt das verbreitete Unbehagen über eine sozialpolitisch fragwürdige Verteuerung der Stromkosten sowie über die durch hohe Dezentralität und zunehmende Höhe der Anlagen verursachte massenhafte „Verspargelung“ ganzer Landschaften. Die praktische und rechtliche Bewältigung der damit verbundenen Zielkonflikte ist also ein lohnendes und hochaktuelles Thema für die einschlägige Fachliteratur. Die hier anzuzeigenden Werke nähern sich diesem Thema aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. Auch wenn eine systematische rechtsdogmatische Durchdringung des Windenergierechts noch aussteht, enthalten sie wertvolle Beiträge zur Herausarbeitung der wesentlichen Konfliktlinien in diesem Rechtsgebiet und zur Klärung der dafür bestehenden Lösungsmöglichkeiten. Sie eignen sich deshalb vorzüglich als Grundlage einer Politikberatung bei der zur Überwindung der Ausbaukrise anstehenden Erarbeitung eines Maßnahmenprogramms von Bund und Ländern.

Stephan Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, Verlag vhw-Dienstleistung GmbH, Bonn, 3. Aufl. 2019. ISBN 978-3-87941-988-3; 346 S., broschiert, € 43,50.

Der Verfasser war bis Ende 2019 stellvertretender Vorsitzender des 4. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts, der schwerpunktmäßig für das öffentliche Baurecht einschließlich immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Windkraftanlagen zuständig ist. Aufgrund seiner jahrelangen Beschäftigung mit den Rechtsproblemen, die sich bei Planung und Genehmigung dieser Anlagen stellen, gilt er als führender Experte des deutschen Windanlagenrechts. Seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen hat er in diesem preisgünstigen Handbuch für die Verwaltungs- und Gerichtspraxis zugänglich gemacht. Die Neuauflage berücksichtigt die rasante Entwicklung von Rechtsprechung und Schrifttum bis Ende 2018. Das Werk besticht durch seine nüchterne Sachlichkeit, die auch die Kontroversen zum Thema nicht ausklammert, sondern sine ira et studio mit den dabei vorgetragenen Argumenten darstellt und – soweit es um Rechtsfragen geht – einem fundierten Entscheidungsvorschlag zuführt. Die übersichtliche Gliederung entspricht der richterlichen Herangehensweise: Der kurzen Schilderung des Sachverhalts – „Windenergieanlagen in der Lebenswirklichkeit“ – folgt ein an der Entwicklung der Rechtsprechung und der auf sie reagierenden Gesetzgebung orientierter Überblick über die Rechtsprobleme, die dieser Sachverhalt mit wechselnden Schwerpunkten seit den 1990er Jahren aufwirft. Anschließend sichtet der Verfasser den öffentlich-rechtlichen Normenbestand, mit dem diese Rechtsprobleme einer Lösung zugeführt werden müssen: Baugesetzbuch, Raumordnungsgesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz und Landesbauordnungen. Nach diesen einleitenden Kapiteln werden im Einzelnen die Möglichkeiten zur Standortsteuerung von Windanlagen in der Raum- und Bauleitplanung dargestellt (§ 5). Ein weiteres zentrales Kapitel (§ 6) ist dem materiellen Recht der Anlagenzulassung, also dem Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, gewidmet, wobei auf alle sich anlagenspezifisch stellenden Fragen detailliert eingegangen wird. Im § 7 folgt das formelle Recht der Anlagenzulassung mit umfassender Darstellung der Genehmigungserfordernisse und der Genehmigungsverfahren. Weitere Kapitel behandeln Fragen des Repowering, der Offshore-Anlagen und des Rechtsschutzes. Das Buch schließt mit einer thesenartigen Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse, praktischen Handlungsempfehlungen für die Standortsteuerung im Außenbereich sowie einem ausführlichen Literatur- und Stichwortverzeichnis.

 

Ulrich Derpa/Michael Frey/Gerd Hager/Till Jenssen/ Andreas Rettenmeier, Windenergie erfolgreich gestalten. Ein Leitfaden mit Handlungsempfehlungen und Praxishinweisen, Richard Boorberg Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart 2019. ISBN 978-3-415-06467-6; 194 S., broschiert, € 45,00.

Als Band 2 der Schriftenreihe „Energiewende in Kommunen“ widmet sich dieses ebenfalls preisgünstige Handbuch dem konfliktreichen Themenfeld der Windenergieerzeugung anwendungsorientiert aus kommunaler Sicht. Herausgeber sind der Städte- und Landkreistag BadenWürttemberg, die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg sowie die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Im einleitenden Kapitel vermitteln Jenssen und Rettenmeier unter Zuhilfenahme von Abbildungen einen anschaulichen Überblick über die technischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Windenergienutzung an Land. Während diese Rahmenbedingungen sehr positiv sind, treten Herausforderungen anderer Art in den Vordergrund: Obwohl die Bevölkerung der Nutzung der Windenergie grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehe, würden die Diskussionen zu deren Ausbau oft leidenschaftlich und kontrovers geführt. So gebe es bei sich konkretisierenden Projekten regelmäßig hartnäckige Vorbehalte und Standortkonflikte. In den kommenden Jahren werde es deshalb vor allem darum gehen, die zunehmenden Flächenkonkurrenzen sowie Fragen der Akzeptabilität und der Vereinbarkeit mit dem Naturschutz zu lösen. Dabei werde die Bedeutung des Ersatzes alter und kleiner Windenergieanlagen durch die heutige Generation moderner und leistungsstärkerer Anlagen („Repowering“) deutlich zunehmen.

Im folgenden Kapitel, das über die Hälfte des Textes umfasst, werden mit praxiserfahrener juristischer Expertise die rechtlichen Ebenen der Windenergienutzung dargestellt. Derpa behandelt die Genehmigungsebene mit ihren Rechtsgrundlagen, den formellen und materiellen Genehmigungsvoraussetzungen, der Entscheidung über den Genehmigungsantrag und den anschließenden Rechtsschutz. Hager erläutert das System der Planung von Standorten für Windkraftanlagen und geht dann im Einzelnen auf die Regionalplanung, die Flächennutzungsplanung und den Bebauungsplan mit ihren jeweiligen Besonderheiten ein. Frey schildert die Möglichkeiten der Grundstückssicherung durch Gestattungsvertrag zwischen Grundstückseigentümer und Realisierungspartner oder durch Flächenpooling zur gemeinschaftlichen Windenergieentwicklung durch mehrere Grundstückseigentümer und schließt daran einen Exkurs zur Rentabilität von Windenergieprojekten aus Sicht der Vorhabenträger an.

Der technischen, wirtschaftlichen und juristischen Wissensvermittlung zum Thema folgen im dritten und vierten Kapitel die im Untertitel des Werkes versprochenen Handlungsempfehlungen und Praxishinweise: Frey – Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl und Schriftleiter des Autorenteams – entwickelt zunächst ein Konzept dafür, wie Gemeindevertreter die Energiewende vor Ort vorantreiben und zugleich ihre Rolle als unparteiischer Moderator und Vermittler zwischen widerstreitenden Interessen in der Gemeinde behalten können. Zentraler Bestandteil dieses Konzepts ist der zweifellos sachgerechte Rat, eine umfassende energiepolitische Strategie der Gemeinde unter Einbeziehung des gesamten innerhalb der Bürgerschaft vorhandenen energiepolitischen Sachverstands zu erarbeiten, dabei niemanden auszuschließen und diesen Sachverstand damit für die frühzeitige Konfliktbewältigung zu sichern. Es folgt – systematisch etwas irritierend – eine Darstellung der rechtlichen, insbesondere vergaberechtlichen Besonderheiten für den Fall, dass eine Gemeinde selbst Eigentümerin einer zur Windenergienutzung geeigneten Fläche ist und diese dazu selbst nutzen oder an einen Projektentwickler oder Windenergieinvestor verpachten will. Abschließend werden – ebenfalls et-was unsystematisch – als Handreichung für die Moderation der Windenergiediskussionen vor Ort darin besonders häufig vorkommende Themenkomplexe kurz dargestellt und analysiert: Lärmemissionen und Mindestabstände, optisch bedrängende Wirkung von Windenergieanlagen, Sorge vor Gesundheitsgefahren durch Infraschall, Auswirkungen auf den Tourismus, Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen, Unterschiedlichkeit der Vorsorgeabstände für verschiedene Wohnbereiche und Tierarten, das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Kriterium des „substantiellen Raums“ für die Windenergie als Voraussetzung einer wirksamen Konzentrationsplanung, Sorge vor dem Wertverlust von Wohnimmobilien durch Windenergienutzung in deren Umgebung sowie der Brandschutz von Windenergieanlagen. Der Kommunalpraktiker wird diese tour d’horizon im Bedarfsfall zu schätzen wissen. Abgerundet wird sie durch zwei Beispiele für gut umgesetzte Windenergievorhaben auf Waldstandorten in Baden-Württemberg sowie ein ausführliches Stichwortverzeichnis.

Dem Ziel, der Windenergie wieder mehr Schwung zu verleihen, dient dieser Leitfaden für die konkrete kommunale Praxis vor Ort jedenfalls mehr als die an den grünen Tischen der Landes- und Bundespolitik üblichen abstrakten politischen Absichtserklärungen. Für vertiefte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Windenergierecht wird man allerdings auf andere Quellen zurückgreifen müssen.

 

Lars Kindler, Zur Steuerungskraft der Raumordnungsplanung. Am Beispiel akzeptanzrelevanter Konflikte der Windenergieplanung, Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Baden-Baden 2018. ISBN 978-38487-4927-0; 418 S., broschiert, € 109,00.

Solche vertieften Erkenntnisse vermittelt in besonderer Weise dieses als Dissertation an der Universität Leipzig entstandene Werk. Es wurde 2019 von der Stiftung Um­welt­ energierecht mit einem Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet. Als Handlungs- und Entscheidungshilfe für Rechtserzeugung und Problemlösung untersucht der Verfasser die raumordnungsplanerische Steuerung der Windenergienutzung auf ihren Umgang mit akzeptanzrelevanten Konflikten. Dazu behandelt er in Form einer Realanalyse zunächst das Verständnis des aus der Sozialwissenschaft stammenden Begriffs der Akzeptanz, der trotz seines konturlosen Schlagwortcharakters auch in der rechtswissenschaftlichen Diskussion immer stärker als Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechts im Allgemeinen und von Verwaltungsentscheidungen im Speziellen propagiert wird. Als variable Größe lässt sich die Akzeptanz durch anlagen-, verfahrens- und beteiligtenbezogene Faktoren positiv oder negativ verändern. Anlagenbezogene Faktoren sind die Vor- und Nachteile, die durch die Errichtung der Windenergieanlage aus der Sicht der Anwohner entstehen. Dazu gehören Beeinträchtigungen von Individualgütern und von Kollektivgütern, aber auch der Nutzen der Anlagen für die Allgemeinheit und den Einzelnen. Die Untersuchung dieser Faktoren ergibt, dass die Nachteile der Windenergienutzung die lokale Bevölkerung betreffen, während die Vorteile nicht zwingend lokal anfallen. Im Hinblick darauf könnte die lokale Akzeptanz allerdings durch finanzielle Beteiligungsmodelle für die breite Einwohnerschaft verbessert werden. Einer Verbesserung durch verfahrensbezogene Faktoren wie der vielfach proklamierten Öffentlichkeitsbeteiligung seien dagegen Grenzen gesetzt. Denn bei stark umstrittenen Projekten und tiefgreifenden materiellen Konflikten könne allein durch Information und Kommunikation kein Kompromiss gefunden werden. In solchen Fällen könne nur verhindert werden, durch einen intransparenten und unausgewogenen Informations- und Kommunikationsprozess weiter an Akzeptanz zu verlieren. Als beteiligtenbezogene Faktoren zur Verbesserung der Akzeptanz nennt der Verfasser die Wahrung ausreichenden Abstands der Behörde zu potentiellen Vorhabenträgern und einen auf breiter Grundlage gewonnenen und deshalb glaubhaften Sachverstand bei der Behörde.

Eine der wichtigsten Stellschrauben für die Schaffung oder Vernichtung von Akzeptanz ist die Wahl des Standorts von Windenergieanlagen. Gegenstand des zweiten Kapitels ist demgemäß die Prüfung, welche Möglichkeiten die Raumordnungsplanung zur planerischen Standortsteuerung der Windenergienutzung hat, welche Anforderungen an diese Steuerung gestellt werden und ob und wie dabei Akzeptanzaspekte berücksichtigt werden können. Dazu erläutert der Verfasser eingehend die Gesetzeslage und die mittlerweile umfangreichen Vorgaben der Rechtsprechung. Dabei hält er mit seiner Kritik an der von der Rechtsprechung geforderten, jedoch unklaren Differenzierung zwischen „harten“ und „weichen“ Tabuzonen nicht hinter dem Berg und hält eine durch diese Unklarheit veranlasste Rücknahme der richterlichen Kontrollbefugnis hinsichtlich dieser Differenzierung für inkonsequent und rechtsstaatlich bedenklich. Berechtigt ist auch seine Kritik an der durch Fehlen einer verbindlichen Vergleichsgröße verursachten Unklarheit der weiteren Forderung der Rechtsprechung, eine wirksame Konzentrationsflächenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB müsse der Windenergienutzung „in substantieller Weise Raum schaffen“.

An die Analyse der Akzeptanzfaktoren und der raumordnerischen Standortsteuerung anknüpfend untersucht der Verfasser im dritten Kapitel die rechtlichen Grenzen der Steuerungskraft raumordnungsplanerischer Festlegungen. Die Festlegung von Windenergiegebieten nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB dürfe über reine Flächenfestsetzung nicht hinausgehen. § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB messe zwar Zielen der Raumordnung unmittelbare Wirkung für die Vorhabenzulassung zu, sei aber keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für eine Raumordnungsplanung mit dieser Wirkung, weil sie weder den Planungsgegenstand noch mögliche Festlegungen benenne. Bodenrechtlich wirkende Höhenbeschränkungen durch die Raumordnungsplanung seien deshalb – anders als Höhenvorgaben gegenüber der Bauleitplanung – de lege lata unzulässig. Die finanzielle Beteiligung der Einwohner an Windenergieprojekten könne bisher ebenfalls kein Gegenstand raumordnerischer Festlegungen sein. Das pauschale Akzeptanzurteil der Bevölkerung und betroffener Gemeinden sei keine ausreichende Grundlage für oder gegen eine raumordnerische Festlegung. Abseits der materiellen Festlegungsmöglichkeiten sei die Akzeptanz auch kein berücksichtigungsfähiger Belang im Rahmen der raumplanerischen Abwägung. Der Raumordnungsplanung komme vielmehr die Aufgabe zu, auch gegen lokale Widerstände eine Entscheidung über die räumliche Verteilung notwendiger Raumnutzungen wie der Energiebeschaffung und des Energietransports zu treffen.

 

Hubertus Kramer, Bürgerwindparks, Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Baden-Baden 2018. ISBN 978-3-8487-4668-2; 340 S., broschiert, € 89,00.

Auch dieses Buch zum Umweltenergierecht ist eine Dissertation, die 2017 von der Universität Potsdam angenommen wurde. Sie beruht ebenfalls auf dem Befund, dass der Windenergieausbau an Land zunehmend mit einem Akzeptanzproblem zu kämpfen hat. Mit dem zuvor besprochenen Werk teilt sie den Gedanken, dass eine höhere Akzeptanz der betroffenen Bürger gegenüber dem Neubau von Windenergieanlagen nur geschaffen werden könne, wenn diese Bürger als Ausgleich für die von den Anlagen ausgehenden Belästigungen auch an den Gewinnen beteiligt würden. Der Verfasser untersucht, ob die unter dem Begriff des sogenannten Bürgerwindparks diskutierten Bürgerbeteiligungsmodelle ein geeignetes Mittel sind, um eine positive Bewertung von Windenergieprojekten durch die betroffenen Bürger zu erreichen.

Einleitend schildert der Verfasser Entwicklung und Bedeutung der Windenergienutzung in Deutschland und stellt das Konzept des Bürgerwindparks vor. Dabei beschränkt er diesen Begriff auf Modelle mit unmittelbarer Beteiligung der Bürger an der Projektgesellschaft, weil den Bürgern nur so die nötige Einflussmöglichkeit vermittelt und die erforderliche Verbundenheit mit „ihrem“ Windpark hergestellt werden könne. Innerhalb des so eingeschränkten Begriffsfeldes unterscheidet er zwischen „reinen Bürgerwindparks“ ohne Gemeindebeteiligung und „kommunalen Bürgerwindparks“, an deren Projektgesellschaft sowohl Bürger als auch eine oder mehrere Gemeinden beteiligt sind.

Anschließend untersucht er, mit welchen Instrumenten Flächen für Bürgerwindparks gesichert werden können. Er kommt hier – übereinstimmend mit Kindler – zu dem Ergebnis, dass sich die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger und Gemeinden an Windparks mangels des nötigen Raumbezugs entsprechender Zielfestlegungen nicht mit den Mitteln des Raumordnungsrechts schaffen lasse. Landesrecht könne hieran mangels entsprechender Gesetzgebungskompetenz der Länder nichts ändern. Auch die kommunale Bauleitplanung scheide aus mehreren rechtlichen Gründen als Instrument zur Sicherung von Flächen für Bürgerwindparks aus. Dass Gemeinden Kaufoder Pachtverträge mit Grundstückseigentümern schließen und die so beschafften Flächen anschließend an Bürgerwindparkgesellschaften weiterveräußern oder verpachten, sei zwar denkbar. Diese Konstruktion gerate aber in Konflikt mit der europäischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit und sei zudem von der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht nur dann ausgenommen, wenn es sich um reine Bürgerwindparks ohne Gemeindebeteiligung handele oder die Gemeinde auf die vertragliche Vereinbarung einer Bauverpflichtung verzichte.

Das nächste – dritte – Kapitel behandelt die kommunalrechtliche Zulässigkeit einer Gemeindebeteiligung an Bürgerwindparks. Nach Art. 28 Abs. 2 GG muss sich die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden auf die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beziehen. Eine solche Betätigung im Rahmen eines Bürgerwindparks muss also zumindest auch der Energieversorgung der eigenen Einwohner dienen. Die mit dem Betrieb eines Bürgerwindparks darüber hinaus verbundene überörtliche Wirtschaftsbetätigung einer daran beteiligten Gemeinde sei durch landesrechtliche Regelungen mit unterschiedlichen Maßgaben zugelassen.

Im vierten Kapitel wird untersucht, welche Organisationsformen im Interesse möglichst breiter Bürgerbeteiligung und aus der Sicht der Gemeinde für die Realisierung von Bürgerwindparks geeignet sind. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen seien ungeeignet, da sie jedenfalls eine echte Beteiligung der Bürger an den Entscheidungsstrukturen ausschlössen und für die Gemeinde ein unbeschränktes Haftungsrisiko nach sich zögen. Unter den in der Praxis dominierenden privatrechtlichen Organisationsformen seien für Bürgerwindparks vor allem die GmbH & Co. KG und die eingetragene Genossenschaft interessant. Erstere sei besonders für größere Projekte attraktiv, an denen die Gemeinde durch die von ihr beherrschte Komplementär-GmbH federführend beteiligt ist. Dagegen biete die Genossenschaft kleineren Bürgerwindparks ohne kommunale Beteiligung eine basisdemokratische Alternative. Die skeptischen Schlussbetrachtungen, mit denen der Verfasser die vielfältigen rechtlichen Probleme von Bürgerwindparkprojekten bedauernd zusammenfasst und die Verdrängung einer bürgerschaftlich getragenen Energieversorgung durch eine Marktaufteilung auf wenige große Akteure befürchtet, sind dem Stand seiner Untersuchung von Anfang 2017 geschuldet. Die seitdem eingetretene Entwicklung hat diese Prognose dadurch überholt, dass der Ausbau der Windenergie – trotz oder vielleicht sogar wegen der ausschreibungsrechtlichen Privilegierung bestimmter reiner Bürgerwindparks („Bürgerenergiegesellschaften“) in § 36g EEG – insgesamt stagniert, ohne dass die Politik bisher ein wirksames Mittel hiergegen gefunden hat. Dies schmälert nicht den Wert der durch ein Stichwortverzeichnis erschlossenen juristischen Erkenntnisse dieser Arbeit.

 

Edmund Brandt (Hrsg.), Jahrbuch Windenergierecht 2017. Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Berlin 2018. ISBN 978-3-8305-3832-5; 404 S., gebunden, € 59,00.

Die seit 2012 erscheinenden Jahrbücher Windenergierecht enthalten Fachbeiträge zum Windenergierecht und eine umfassende Dokumentation der rechtspolitischen Entwicklungen, Gerichtsentscheidungen und Literatur auf diesem Gebiet. Herausgegeben werden sie vom Leiter der Koordinierungsstelle Windenergierecht des Instituts für Rechtswissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig. Der hier anzuzeigende Band beginnt mit einem juristisch interessanten Beitrag von Birgit Ortlieb zur Rechtsnachfolge bei Eigenversorgung im Rahmen der entsprechenden Vorschrift des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (jetzt § 61h EEG 2017). Leider wird die wohl geringe Praxisrelevanz dieser Regelung für die Windenergiebranche nicht thematisiert. Das gilt auch für den folgenden Beitrag von Nicole Pippke zum Mieterstrom mit der neuen Förderung für dezentrale Versorgungsmodelle, die bisher nur Betreibern von Solaranlagen bis 100 kW auf Wohngebäuden zugutekommt. Dagegen ist das artenschutzrechtliche Tötungsverbot als Thema des dritten Fachbeitrags für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen von erheblicher Bedeutung: Lara Schmidt analysiert anhand des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens die 2017 erfolgte Novellierung des § 44 Abs. 5 BNatSchG, wonach für bestimmte Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nur eingeschränkt gilt. Den damit unternommenen Versuch, das Gesetz an die Rechtsprechung anzupassen und somit die Rechtsanwendung zu erleichtern, hält sie zutreffend für gescheitert. Grund dafür ist, dass die Einschränkung des Tötungs- und Verletzungsverbots durch das Erfordernis einer signifikanten Risikoerhöhung nur punktuell in Absatz 5 vorgesehen wurde, obwohl sie von der Rechtsprechung umfassend in Bezug auf Absatz 1 Nr. 1 entwickelt worden war. Der dadurch ohne erkennbare Begründung geschaffene neue Prüfmechanismus werde in der Praxis mehr Verwirrung als die beabsichtigte Klarheit bringen. Dasselbe gelte für den entgegen der früheren Gesetzesfassung und der dazu ergangenen Rechtsprechung nunmehr normierten Verzicht darauf, die Privilegierung des § 44 Abs. 5 davon abhängig zu machen, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den Vorgaben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung entspricht. Es scheine, als seien die vielen im Gesetzgebungsverfahren von fachkundiger Seite abgegebenen Stellungnahmen ebenso wenig berücksichtigt worden wie die Diskussionen in der Fachliteratur – ein weiteres Beispiel für den im deutschen Umweltrecht seit Jahren fortschreitenden Verfall der Gesetzgebungskultur.

In einem ingenieurwissenschaftlichen Beitrag werfen anschließend Frye, Josipovic und Feuerle die Frage auf, ob sich aus einer auf Messflüge gestützten Flugvermessungsstudie der Airbus Defence and Space GmbH und der Technischen Universität Braunschweig vom Februar 2017 zum Einfluss von Windenergieanlagen auf Drehfunkfeuer neue Erkenntnisse für die Störungsbewertung nach § 18a LuftVG ergeben. Nach dieser Vorschrift dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation. Die entsprechenden Annahmen müssen nach der Rechtsprechung wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und dürfen durch wissenschaftliche Gegenpositionen in ihren Grundannahmen, ihrer Methodik und ihren Schlussfolgerungen jedenfalls nicht substantiell in Frage gestellt werden. Die Verfasser vertreten die Auffassung, dass bestimmte Annahmen der Deutschen Flugsicherung zur Bewertung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Umfeld von Drehfunkfeuern nicht im Einklang mit den aus der Flugvermessungsstudie gewonnenen Erkenntnissen stehen, und sehen weiteren Klärungsbedarf. Im letzten – umfangreichsten – Fachbeitrag beschäftigt sich Ruthard Hirschner aufgrund seiner Erfahrungen als Rechtsanwalt, Mediator und Kommunalpolitiker mit den Möglichkeiten und Grenzen einer Beteiligung der „Zivilgesellschaft“ am Ausbau der Windenergie. Seine Vorstellung der Zivilgesellschaft als „herrschafts- und hierarchiefreier Arena“ mit entscheidender Bedeutung für „eine offene, auf Freiheit und gegenseitigen Respekt gegründete Gesellschaft, die sich selbst politisch zu steuern sucht“, und aus „der Souveränität der Bürgerinnen und Bürger“ resultiere, ist allerdings nicht frei von idealisierender politischer Romantik und bemerkenswerter begrifflicher Unschärfe. Bei der Realisierung von Großvorhaben habe die Zivilgesellschaft die Funktion, von ihr selbst gewählte Themen in der Öffentlichkeit und „gegenüber Machthabern“ zu vertreten, über nach ihrer Meinung nicht beachtete oder bedrohte Belange zu wachen sowie Entwicklungen und Lösungsansätze zur Vorbereitung von Entscheidungen politisch zu diskutieren. Im Einzelnen behandelt der Beitrag die Beteiligung bei der Einleitung von Verfahren zum Windenergieausbau, die Beteiligung an förmlichen Planungs- und Steuerungsverfahren, die Möglichkeiten informeller Beteiligung sowie Modelle wirtschaftlicher Beteiligung am Windenergieausbau.

 

Edmund Brandt (Hrsg.), Jahrbuch Windenergierecht 2018. Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Berlin 2019. ISBN 978-3-8305-3941-4; 524 S., gebunden, € 69,00.

Der folgende Band des Jahrbuchs nimmt die Akzeptanzdiskussion auf und enthält hierzu gleich mehrere juristische Fachbeiträge. Hartmut Kahl und Nils Wegner knüpfen an das Vorhaben der derzeitigen Regierungskoalition im Bund an, beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien die Standortgemeinden stärker an der Wertschöpfung von entsprechenden Anlagen zu beteiligen. Dadurch soll die Akzeptanz vor Ort gefördert oder die Skepsis gegenüber neuen Windparks zumindest gedämpft werden. Die Verfasser stellen zunächst die von der Branche und von einzelnen Landesregierungen hierfür bisher entwickelten Teilhabemodelle vor. Deren Nachteile sehen sie darin, dass die Modelle primär auf die Beteiligung Einzelner abzielen und in den bundesweiten Ausschreibungen um die EEG-Förderung zu potentiellen Wettbewerbsverzerrungen führen. Zur Vermeidung dieser Nachteile schlagen sie das Instrument einer Außenbereichsabgabe vor, die als Ressourcennutzungsgebühr für die im Baugesetzbuch privilegierte Inanspruchnahme des Außenbereichs durch Windenergieanlagen vom Mitwirkungswillen Einzelner unabhängig sei und in den EEG-Ausschreibungen keine regional bedingten Wettbewerbsnachteile schaffe. Im zweiten Beitrag untersucht Ruthard Hirschner, inwieweit der Konzessionsvertrag ein zielführender Baustein kommunaler Energiepolitik zur Unterstützung der Windenergie sein kann. Solche Verträge eröffnen einem Versorgungsunternehmen die Möglichkeit, in öffentlichen Wegen Versorgungsleitungen zu verlegen und damit die Energielieferung an die Endverbraucher zu gewährleisten. Will eine Gemeinde die Wertschöpfung durch Energieerzeugung und Energieverwendung regionalisieren oder im Zeichen der „Energiewende“ eine eigene Energiepolitik betreiben, kann sie dies nur erreichen, indem sie das Eigentum am Netz selbst erwirbt oder in Kooperation mit einem Partnerunternehmen Einfluss ausübt. Der Verfasser stellt die hierfür in Betracht kommenden Organisationsformen kommunaler Einrichtungen vor und geht auf die strengen rechtlichen – insbesondere vergaberechtlichen Voraussetzungen einer Rekommunalisierung des örtlichen Stromnetzes ein. Er weist zutreffend darauf hin, dass der Versuch einer solchen Rekommunalisierung wegen der finanziellen Vorleistungen für die erforderlichen Vergabeverfahren „ein hohes Eintrittsgeld“ koste. Anschließend beleuchtet Melf-Christian Stark das zur Beteiligung der Bürger an Windenergieprojekten geschaffene Instrument der Bürgerenergiegesellschaft und dessen Zukunftsperspektiven nach der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 17. Juli 2017. Bis zu dieser Gesetzesänderung konnten Bürgerenergiegesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 15 EEG ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung für ihre geplanten Anlagen an den EEG-Ausschreibungen teilnehmen und von einer deutlich verlängerten Realisierungspflicht nach Zuschlagserteilung Gebrauch machen. Aufgrund dieser wettbewerbsverzerrenden Privilegien wurden die Ausschreibungsrunden für Windenergie an Land im Jahr 2017 deutlich von Bürgerenergiegesellschaften dominiert. Da diese die entsprechenden Anlagen, wenn dafür eine immissionsrechtliche Genehmigung überhaupt erteilt wird, erst 2021 in Betrieb nehmen müssen, dürfte der inzwischen eingetretene erhebliche Rückgang des Ausbaus der Windenergie an Land auch darauf zurückzuführen sein. Seit der Gesetzesänderung müssen auch Bürgergesellschaften bereits bei der Gebotsabgabe eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorweisen und die entsprechenden Anlagen innerhalb von dreißig Monaten in Betrieb nehmen. Der Verfasser stellt im Einzelnen das Geschäftskonzept von Bürgerenergiegesellschaften sowie das Ausschreibungsmodell für Windenergie an Land und die Ausschreibungsergebnisse vor und nach der Gesetzesänderung dar. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Attraktivität der Gründung einer Bürgerenergiegesellschaft seit der Gesetzesänderung augenscheinlich abgenommen hat und deren marktdominierende Rolle beseitigt wurde. Auf diese juristischen Fachbeiträge folgt eine erneute Auseinandersetzung von Neven Josipovic mit der primär ingenieurwissenschaftlichen Frage einer Bewertung möglicher Störungen des UKW-Drehfunkfeuers für die Luftfahrtnavigation durch Windenergieanlagen. Der Verfasser prüft im Einzelnen, ob die dafür aktuell von der Deutschen Flugsicherung verwendete Vorgehensweise, wie in § 18a LuftVG vorgeschrieben, wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei, weil die entsprechende Berechnungsformel die Position des Luftfahrzeugs nicht berücksichtige. Der anschließende Fachbeitrag von Thomas Gawron enthält eine rechtssoziologische Betrachtung der seit 2012 zum Thema Windenergierecht ergangenen Gerichtsentscheidungen. Wie jedes der bisher erschienenen Jahrbücher Windenergierecht enthält auch dieses wieder im Schlussteil eine umfassende Dokumentation der rechtspolitischen Entwicklungen, Gerichtsentscheidungen und Literatur auf diesem Gebiet für das betreffende Jahr. (us)

Dr. iur. Ulrich Storost war bis zum Eintritt in den Ruhestand im Herbst 2011 Mitglied des für Teile des Fachplanungsrechts zuständigen 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts. Er gehörte diesem Senat seit 1993 als Richter, von 2004 bis 2011 als Vorsitzender Richter an. Neben seinem Hauptamt war er von 1997 bis 2004 Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin. Seit 1991 ist er Mitautor eines Loseblattkommentars zum Bundes-Immissionsschutzgesetz.

ulrich.storost@t-online.de

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