Recht

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2023

Fleischer, Holger / Mankowski, Peter (Hrsg.), LKSG. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, 1. Aufl, C.H.Beck, München, 2023, ISBN 978-3-406-79432-2, XXV und 691 S., € 139,00.

Die Krisen der jüngsten Zeit, insbesondere die Covid 19-Pandemie sowie der Ukraine-Krieg, haben deutlich gemacht, wie sehr die deutsche Wirtschaft von Zulieferern abhängig ist, welche ihren Sitz im Ausland haben. Diskutiert wurde diese Tatsache lange Zeit nur vor dem Hintergrund, welche Risiken daraus für die deutsche Volkswirtschaft entstehen können, wenn dringend benötigte Rohstoffe ausbleiben bzw. für die Inlandsproduktion erforderliche Vorprodukte nicht geliefert werden. Fragt man freilich nach den Ursachen dieser Abhängigkeit von ausländischen Exporteuren, gerät sofort der Kostenfaktor in den Blick. Viele Branchen wie die Textil- oder Elektronikindustrie sind im Inland nicht mehr konkurrenzfähig, weil im Ausland billiger produziert werden kann. Entsprechende „runaway-industries“ sind eine jahrzehntealte Erscheinung. Dass mit günstigeren Herstellungskosten im Ausland ungünstigere Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten einhergehen, liegt auf der Hand. Dies betrifft nicht nur ein weit niedrigeres Lohnniveau, sondern auch eine teilweise sträfliche Vernachlässigung des Arbeitsschutzes. Jahrzehntelang rief dies niemanden auf den Plan, die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen für den Standort Deutschland standen im Vordergrund.

Zwischenzeitlich hat ein Umdenken eingesetzt, das Schicksal der in ausländischen Zulieferbetrieben tätigen Personen wurde in den Blick genommen. Ein legislativer Schritt hierzu ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen soll, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festlegt. Den Unternehmen wird ein klarer, verhältnismäßiger und zumutbarer gesetzlicher Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zur Verfügung gestellt.

Neue Gesetze bedürfen regelmäßig der Erläuterung, Rechtsunsicherheiten sind vorprogrammiert. Das gilt erst recht für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, bringt es doch völlig neue Verhaltenspflichten für die Unternehmen mit sich. Die erste Großkommentierung zu diesem Thema findet sich im Werk von Fleischer und Mankowski. Unter ihrer Herausgeberschaft werden von neun Autoren und einer Autorin die 24 Paragrafen des Gesetzes eingehend besprochen. An erster Stelle steht eine Einleitung (S. 1 – 145), in welcher Fleischer Probleme und Ziele der Neuregelung auch unter historischen Aspekten beleuchtet. Selbstredend finden sich hier die maßgeblichen überstaatlichen Rechtsquellen, besonders hervorzuheben sind die rechtsvergleichenden Ausführungen. Breiten Raum wird zudem dem Internationalen Prozess- und Privatrecht, der internationalen Zuständigkeit sowie dem anwendbaren Recht gewidmet. In der Kommentierung zu § 1 LkSG wird der Anwendungsbereich ausgeleuchtet. Ausführlich wird auf den Arbeitnehmerbegriff eingegangen (Rn. 84 ff.), Langenhagen plädiert für die Maßgeblichkeit des § 611 a BGB, dies wird bekanntlich teilweise anders gesehen. Ausführlich wird auf die Sonderbemessung der Beschäftigtenzahl bei Obergesellschaften verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG eingegangen (Rn. 205 ff.). Wichtig für die Reichweite des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sind die Begriffsbestimmungen in § 2. Dem umfangreichen Gesetzestext entsprechend beanspruchen die Erläuterungen von Kolb zu diesem Thema einigen Raum.

Abschnitt 2 enthält in den §§ 3 – 10 die den Unternehmen obliegenden Sorgfaltspflichten. Fleischer nennt diese Bestimmungen das „Herzstück des LkSG“ (§ 3 Rn. 1), wobei er betont, dass es sich bei § 3 um keine eigene Generalklausel handele, aus welcher situationsbezogene Einzelpflichten abgeleitet werden könnten (Rn. 26). Umso bedeutsamer sind dann die Ausführungen von Fleischer/Götz zum Risikomanagement, welches § 4 LkSG einfordert, von Götz zur Risikoanalyse (§ 5 LkSG) sowie den Präventionsmaßnahmen (§ 6 LkSG), welche Korch beleuchtet. Derselbe Autor geht der Frage nach, welche Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG) zu ergreifen sind, wenn die Präventionsmaßnahmen nicht zum Ziel führten. Zur aktuellen Gesetzgebung im Arbeitsrecht mit dem Hinweisgeberschutzgesetz passen §§ 8, 9 LkSG, welche den Unternehmen die Institutionalisierung eines Beschwerdeverfahrens aufgeben. Sternberg sagt hierzu das Nötige. Abgeschlossen wird der zweite Abschnitt des Gesetzes mit der Kommentierung von Hülse zu den Dokumentations- und Berichtspflichten in § 10.

Die unter Abschnitt 3 zu findende Vorschrift des § 11 LkSG hat noch Mankowski verantwortet. § 11 LkSG wird von ihm zu Recht als „Unikat“ im geltenden deutschen Prozessrecht qualifiziert (Rn. 7). Angesichts der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Einheitlichkeit des Gewerkschaftsbegriffs im deutschen Recht (BAG AP Nr. 5 zu § 2 BetrVG 1972) wird man abwarten müssen, ob sich die abweichende Sichtweise von Mankowski (Rn. 39) durchsetzen kann. Bei der Erörterung der Frage, welche Nichtregierungsorganisationen außer den Gewerkschaften als Prozessstandschafter in Betracht kommen (Rn. 41 ff.), wird eine sehr weitgehende Deutung dieses Begriffs vertreten. Es bleibt abzuwarten, ob sich hieraus nicht ein Geschäftsmodell entwickelt. Man denke nur an die seinerzeitigen „Abmahnvereine“. Der vierte Abschnitt des Gesetzes (§§ 12 – 21) ist der behördlichen Kontrolle und Durchsetzung gewidmet. In den Erläuterungen zu §§ 12 ff. LKSG, welche die behördliche Kontrolle und Durchsetzung normieren, erfährt man, welche Kompetenzen der Staat hat. Die Berichtsprüfung (§§ 12, 13 LkSG) ist Sache von Hülse, der Kommentierung der Vorschriften des Unterabschnitts 2 zur risikobasierten Kontrolle (§§ 14 – 18 LkSG) sowie des Unterabschnitts 3 (§§ 19 – 21 LkSG) hat sich Schmidt angenommen. Die Sorgfalt bei der Bearbeitung der entsprechenden Normen bzw. der von ihr erfassten Materien sei hervorgehoben. Was den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge betrifft (Abschnitt 5, § 22 LkSG), verweist Hülse gleich zu Beginn auf die Vorbilder, nämlich § 19 MiLoG, § 21 AEntG sowie § 98 c AufenthaltsG. Zudem müssen Unternehmen Zwangs- und Bußgelder (Abschnitt 6, §§ 23, 24 LkSG) gewärtigen, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Der Katalog in § 24 LkSG liest sich einigermaßen beeindruckend. Wegner sagt dazu das Nötige.

Dass das Lieferkettensorgfaltsgesetz nicht jedermanns Beifall erlangt, liegt auf der Hand. Und dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die mit dem neuen Gesetz verbundenen Probleme noch im Verborgenen schlummern, ist ebenso offensichtlich. Zu neu ist die Materie. Umso mehr geht es für die Unternehmen darum, die Grundsätze kennenzulernen und das Verhalten danach auszurichten. Demgemäß erfährt man in den Kommentierungen unter anderem, auf welche Rechtspositionen sich die Sorgfaltspflichten des Gesetzes beziehen, welche Lieferanten in die Prüfung einbezogen werden müssen, ob ein Menschenrechtsbeauftragter zu bestellen ist oder ob insoweit die Complianceorganisation des Unternehmens mit den entsprechenden Aufgaben betraut werden kann, welche Umsetzungsschritte Unternehmen einleiten müssen und wie diese im eigenen Geschäftsbereich und bei Lieferanten vonstatten zu gehen haben, wie eine Risikoanalyse durchgeführt werden kann und was zu tun ist, wenn Menschenrechtsverletzungen bei Zulieferern festgestellt werden. Für all diese und viele weitere Fragestellungen eignet sich das Werk von Fleischer und Mankowski bestens. (cwh)

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