Recht

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2023

Johann, Christian / Sangi Roya, (Hrsg.), LkSG Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Hand­ kommentar, 1. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2023, ISBN 978-3-8487-7230-8, 465 S., geb., € 89,00.

    Die Krisen der jüngsten Zeit, insbesondere die Covid 19-Pandemie sowie der Ukraine-Krieg, haben einmal mehr deutlich gemacht, wie sehr die deutsche Wirtschaft von Zulieferern abhängig ist, welche ihren Sitz im Ausland haben. Diskutiert wurde diese Tatsache lange Zeit nur vor dem Hintergrund, welche Risiken daraus für die deutsche Volkswirtschaft entstehen können, wenn dringend benötigte Rohstoffe ausbleiben bzw. für die Inlandsproduktion erforderliche Vorprodukte nicht geliefert werden. Fragt man freilich nach den Ursachen dieser Abhängigkeit von ausländischen Exporteuren, gerät sofort der Kostenfaktor in den Blick. Viele Branchen wie die Textil- oder Elektronik­ industrie sind im Inland nicht mehr konkurrenzfähig, weil im Ausland billiger produziert werden kann. Entsprechende „runaway-industries“ sind eine jahrzehntealte Erscheinung. Dass mit günstigeren Herstellungskosten im Ausland ungünstigere Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten einhergehen, liegt auf der Hand. Jahrzehntelang rief dies niemanden auf den Plan, die wirtschaftlichen Auswirkungen für den Standort Deutschland standen im Vordergrund. Zwischenzeitlich hat ein Umdenken eingesetzt, das Schicksal der in ausländischen Zulieferbetrieben tätigen Personen wurde in den Blick genommen. Ein erster legislativer Schritt hierzu ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen soll, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festlegt. Den Unternehmen wird ein klarer, verhältnismäßiger und zumutbarer gesetzlicher Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zur Verfügung gestellt.

    Neue Gesetze bedürfen regelmäßig der Erläuterung, Rechtsunsicherheiten sind vorprogrammiert. Das gilt erst recht für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, bringt es doch völlig neue Verhaltenspflichten für die Unternehmen mit sich. Eine der ersten Kommentierungen zu diesem Thema legen deshalb nun Christian Johann und Roya Sangi vor. Unter der Autorenschaft von sechs Frauen und sechs Männern – eine für juristische Kommentare eher seltene Quote – werden die 24 Paragrafen des Gesetzes eingehend besprochen. Nach einer Einführung zu Problemen und Zielen der Neuregelung auch unter historischen Aspekten (S. 31 – 42) wird in § 1 LkSG zunächst der Anwendungsbereich erörtert. Ausführlich wird auf den Arbeitnehmerbegriff eingegangen (Rn. 25 ff.), Johann/Wildfeuer plädieren für eine Orientierung an den Wertungen des § 5 Abs. 1 und 2 BetrVG. Ob dies angemessen ist, sei hier dahingestellt. Gerade bei den Begriffsbestimmungen (§ 2 LkSG), den Sorgfaltspflichten (§ 3 LkSG), der Risikoanalyse (§ 4 LkSG) sowie den Präventionsmaßnahmen (§ 6 LkSG) findet man hilfreiche Darlegungen für die Umsetzung in der Praxis. Bei der Angemessenheit des von § 4 geforderten Risikomanagements wird auf die geplante EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit hingewiesen (Rn. 31) und vermerkt, dass der Richtlinienentwurf über das deutsche Recht hinausgeht. Für Unternehmen wichtig sind die Darlegungen zu den Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG). Ausführlich wird auch das Beschwerdeverfahren besprochen, welches in §§ 8, 9 LKSG geregelt ist. Bei der Erörterung der Frage, welche Nichtregierungsorganisationen außer den Gewerkschaften als Prozessstandschafter in Betracht kommen (Rn. 10), wird eine sehr weitgehende Deutung dieses Begriffs vertreten. Es bleibt abzuwarten, ob sich hieraus nicht ein Geschäftsmodell entwickelt. Man denke nur an die seinerzeitigen „Abmahnvereine“. In den Erläuterungen zu §§ 12 ff. LkSG, welche die behördliche Kontrolle und Durchsetzung normieren, erfährt man, welche Kompetenzen der Staat hat. Den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 22 LKSG) sowie Zwangs- und Bußgelder (§ 23 f. LkSG) müssen Unternehmen gewärtigen, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Der Katalog in § 24 LkSG liest sich einigermaßen beeindruckend. Dass das Lieferkettensorgfaltsgesetz nicht jedermanns Beifall erlangt, liegt auf der Hand. Und dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die mit dem neuen Gesetz verbundenen Probleme noch im Verborgenen schlummern, ist ebenso offensichtlich. Zu neu ist die Materie. Umso mehr geht es darum, erst einmal die Grundsätze kennenzulernen. Dafür eignet sich das Werk von Christian Johann und Sangi Roya bestens. (cwh)

    Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder

    cwh@uni-mainz.de

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