Biografien

Krieg – Politik – Schreiben

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 3/2017

Krieg – Politik – Schreiben. Tagebücher von Frauen (1918–1950) / Hrsg. Li Gerhalter, Christa Hämmerle. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verl., 2015. 176 S. ISBN 978-3-205-78942-0 € 30.00

Im Zentrum dieses Sammelbandes stehen sieben Beiträge, „die mit unterschiedlichen methodischen Zugängen und Erkenntnisinteressen das Themenfeld Krieg, Politik und Geschlecht in Tagebüchern von Frauen von 1918 bis 1950 behandeln“ (S. 8) Die Herausgeberinnen erfreuen den Leser mit einer weit über das Thema hinausgehenden großartigen Einführung zu „Tagebuch – Geschlecht – Genre im 19. und 20. Jahrhundert“. Sie untersuchen „die dem Tagebuch zugeschriebene primäre Funktion“ (S. 10), beschäftigen sich mit der Rolle des Tagebuchs im 19. Jahrhundert, fragen nach den Nahtstellen zwischen der Frauen- und Geschlechtergeschichte und der politischen Geschichte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts am Beispiel der Textgattung Tagebuch, wenden sich gegen die Dichotomisierung und Diskriminierung weiblicher Tagebücher, stellen aber auch die Frage nach dem Typus eines Frauentagebuchs. Dem letzten Gedanken ist auch der Beitrag von Arno Dusini gewidmet. Beispiele:

Die politischen Dimensionen im Tagebuch der österreichische Schriftstellerin Bernhardine Alma (1895–1979) aus dem Jahr des österreichischen Bürgerkrieges 1934, Alma berichtet über ihre regelmäßigen Beichtgänge.

Die Tagebücher 1938 bis 1941 der Romanistin Elise Richter (1865–1943), die die für verfolgte jüdische Frauen zunehmende prekäre Lebenssituation dokumentiert (ergänzend sei auf das Schicksal der Büchersammlungen der Schwestern Elise und Helene Richter im Nationalsozialismus hingewiesen: Christiane Hoffrath: Bücherspuren. Köln, 2009. ISBN 978-3412-20284-2).

Politik im Tagebuch 1918 bis 1934 von Rosa Mayreder geb. Obermayer (1858–1938), einer der bekanntesten Vertreterinnen der Ersten Bürgerlichen Frauenbewegung in Österreich. Die „Tagebuchaufschreibungen“ der Müllerin Theresia Vogt (1901–?), von einer erweiterten Buchführung im ländlichen Niederösterreich 1945 bis 1950 zu einem Tagebuch, in dem vornehmlich der Verlust ihres in Russland 1943 vermissten Sohnes thematisiert wird.

Der Sammelband zeigt auf differenzierte Weise, inwieweit Tagebücher als historische Quellen genutzt werden können. Die Beiträge laden zur Diskussion und zur Erweiterung ein. (ds)

Prof. em. Dieter Schmidmaier (ds), geb. 1938 in Leipzig, studierte Bibliothekswissenschaft und Physik an der Humboldt-Universität Berlin, war von 1967 bis 1988 Biblio theksdirektor an der Berg akademie Freiberg und von 1989 bis 1990 General direktor der Deutschen Staatsbibliothek Berlin.

dieter.schmidmaier@schmidma.com

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