Das öffentliche Baurecht gehört zu den Kernmaterien des Verwaltungsrechts und kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Schon das berühmte Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) von 1794 nahm sich der Materie in den §§ 65 ff. I 8 an.
Das ALR wurde schon während der Regierungszeit Friedrich des Großen weitgehend konzipiert, trat aber erst unter der Herrschaft seines Nachfolgers Friedrich Wilhelms II. in Kraft. Es war eine Kodifikation im strengen Sinne des Wortes, nämlich eine umfassende Regelung aller Lebensbereiche (öffentliches, privates und Strafrecht) in einem Gesetzbuch, wie es sie weder zuvor noch danach gegeben hat. Das ALR enthielt in seiner ursprünglichen Fassung 19.199 Paragrafen (falls ich mich nicht verzählt habe), die zumeist aus einem oder zwei Sätzen bestanden. Es gab aber keinen § 19.199, denn: Das Gesetzbuch war eingeteilt in eine Einleitung und zwei Teile.
Die beiden Teile waren ihrerseits unterteilt in Titel. Teil I enthielt 23, Teil II 20 Titel. Mit jedem Titel begann eine neue Paragrafenzählung. Die übliche Zitierweise war: Paragraf – Teil – Titel. Die Angabe § 65 I 8 bedeutet also: Teil I Titel 8 § 65 oder (anders formuliert) § 65 des Titels 8 des Teils I.
§ 65 statuierte den Grundsatz der Baufreiheit mit den Worten: „In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder seine Gebäude zu verändern wohl befugt.“ Einschränkend fügte § 66 sogleich hinzu: „Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze, kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden.“ Auch Anzeige- und Genehmigungspflichten kannte das ALR bereits. § 67: „Wer also einen neuen Bau in Städten anlegen will, muss davon zuvor der Obrigkeit zur Beurteilung Anzeige machen.“ Wenn eine Feuerstelle errichtet oder verlegt werden sollte, musste vorher eine Erlaubnis eingeholt werden (§ 69 I 8).
I. Privates, öffentliches und Bauplanungsrecht
1. Privates und öffentliches Baurecht
Das Baurecht setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. Auf der obersten Ebene stehen sich privates und öffentliches Baurecht gegenüber. Das private Baurecht regelt die Rechtsbeziehungen unter den Privatleuten, die an der Tätigkeit des Bauens beteiligt sind (Bauherr, Architekt, Bauunternehmer, Bauhandwerker usw.) und zwischen den Grundstücksnachbarn. Quellen des privaten Baurechts sind vor allem das Bürgerliche Gesetzbuch (insbesondere §§ 631 ff. BGB Werkvertrag), die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, die Honorarordnungen für Architekten und Ingenieure sowie die Nachbarrechtsgesetze der Länder. Die praktische Bedeutung der Nachbarrechtsgesetze ist gering. Die meisten Auseinandersetzungen unter Nachbarn über bauliche Fragen finden nicht vor den Zivil-, sondern vor den Verwaltungsgerichten statt. Als „Prellbock“ zwischen den Nachbarn dienen dort die Baubehörden, die eine Baugenehmigung erteilt oder verweigert haben und auf diese Weise zwischen die nachbarlichen Fronten geraten. Entschieden wird hierüber nicht nach privatem, sondern nach öffentlichem Baurecht.
Das öffentliche Baurecht, ein praktisch besonders wichtiger Teil des Verwaltungsrechts, enthält die Vorschriften, die das Verhältnis der Bauherren oder Grundstückseigentümer zur Verwaltung regeln. Es setzt sich seinerseits aus zwei Teilen zusammen: dem bundesrechtlich geregeltem Bauplanungsrecht und dem landesrechtlich normierten Bauordnungsrecht. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz für das Baurecht wurde nach langem Streit zwischen Bund und Ländern geklärt durch das „Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass eines Baugesetzes“, welches das Plenum des Bundesverfassungsgerichts auf gemeinsamen Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung am 16.6.1954 erstattete (BVerfGE 3, 407 ff.) – das einzige Rechtsgutachten dieses Gerichts überhaupt!
2. Bauplanungsrecht
Das Bauplanungsrecht hat seinen Niederschlag vor allem im Baugesetzbuch (BauGB) gefunden. Dieses ist gegliedert in vier Kapitel: diese sind unterteilt in Teile, diese in Abschnitte.
Das Erste Kapitel (§§ 1 bis 135c) enthält das Allgemeine Städtebaurecht. Dessen Erster Teil regelt die Bauleitplanung, d.h. den Erlass von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, die festlegen, wo im Gemeindegebiet welche Nutzungen von Grund und Boden erlaubt sind. Heute gibt es fast in jeder Gemeinde einen Flächennutzungsplan und zahlreiche, in Großstädten Hunderte von Bebauungsplänen, die erheblichen Einfluss auf den Wert der Grundstücke ausüben. Der Zweite Teil enthält Regeln zur Sicherung der Bauleitplanung; er ermächtigt vor allem zum Erlass von Veränderungssperren. Der Dritte Teil (§§ 29 bis 38) normiert u.a. die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben (insbesondere der Errichtung von Gebäuden) und Entschädigungsfragen. Wohlverstanden: Die §§ 29 bis 38 stehen zwar unter der Überschrift „Zulässigkeit von Vorhaben“, aber sie regeln nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben. Ob ein solches tatsächlich verwirklicht werden darf, hängt darüber hinaus auch vom Bauordnungsrecht ab. Gerade an dieser Stelle zeigt sich, dass Bauplanungs- und Bauordnungsrecht ineinander greifen. Der Vierte Teil des Ersten Kapitels ist der Umlegung von Grundstücken gewidmet, der Fünfte Teil der Enteignung von Grundstücken aus städtebaulichen Gründen. Der Sechste Teil regelt die Erschließung der Grundstücke, die grundsätzlich Voraussetzung für deren bauliche Nutzung ist, der Siebte Teil Maßnahmen für den Naturschutz.
Das Zweite Kapitel (Besonderes Städtebaurecht, §§ 136 bis 191) enthält u.a. Vorschriften über städtebauliche Sanierungs-, Entwicklungs- und Stadtumbaumaßnahmen, Maßnahmen der Sozialen Stadt, Erhaltungssatzungen und städtebauliche Gebote. Das Dritte Kapitel (Sonstige Vorschriften, §§ 192 bis 232) bringt ein Sammelsurium sehr heterogener Bestimmungen, z.B. über die Ermittlung der Grundstückswerte, behördliche Zuständigkeiten und das Verfahren vor den Baulandgerichten, die zwar über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten entscheiden, aber nicht bei den Verwaltungs-, sondern bei den ordentlichen Gerichten eingerichtet worden sind.
Das das BauGB abschließende Vierte Kapitel (§§ 233 bis 249) enthält Überleitungs- und Schlussvorschriften.
Das BauG ist nicht die einzige Normierung des Bauplanungsrechts. Von großer praktischer Bedeutung ist auch die Baunutzungsverordnung (BauNVO), eine Rechtsverordnung der Bundesregierung. Sie legt u.a. fest, welche baulichen Anlagen etwa in reinen oder allgemeinen Wohngebieten, in Gewerbeoder Industriegebieten statthaft sind.
3. Kommentare zum Baugesetzbuch
Über Literatur zum öffentlichen und privaten Baurecht ist im FBJ während der letzten Jahre von Ulrich Repkewitz mehrfach berichtet worden:
Ausg. 2/2011 S. 43 ff. (Lehr- und Handbücher zum Öffentlichen Baurecht), 5/2011 S. 40 f. (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB), 6/2011 S. 32 ff. (Lehrbücher, Handbücher und Kommentare zum Privaten Baurecht), 6/2012 S. 20 ff. (Privates Baurecht), 6/2012 S. 24 f. (Bauordnungs- und Umweltrecht), 2/2016 S. 36 ff. (Öffentliches Baurecht). Diese Ausgaben können von der FBJHomepage kostenlos heruntergeladen werden (google>fachbuchjournal>Archiv).
Im Folgenden werden zunächst drei Kommentare zum Baugesetzbuch vorgestellt. Auch dieses Gesetz befindet sich in einem ständigen Wandel. Seit 2010 ist es durch acht Gesetze mehr oder weniger tiefgreifend geändert worden, zuletzt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU vom 4. Mai 2017.
Vorab sei – um Wiederholungen zu vermeiden – zweierlei vermerkt. Alle drei Kommentare nummerieren die einzelnen Sätze der Vorschriften, was das Zitieren sehr erleichtert. Alle leiden unter einem Schönheitsfehler: Sie haben die Belege nicht in Fußnoten ausgelagert. Das macht die Lektüre gelegentlich zu einem Puzzlespiel, bei dem man die durch Zitate getrennten Satzteile mühsam zusammensuchen muss.
Ein echtes Standardwerk ist der handliche
Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl., Verlag C.H.Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-687501. Leinen, XXVIII, 1610 Seiten, 99,- €
Die drei im Titel genannten Personen haben das Werk begründet. Bearbeitet wird es derzeit von den Professoren Ulrich Battis und Stephan Mitschang, einem habilitierten Diplomingenieur, sowie dem ebenfalls literarisch bestens ausgewiesenen Rechtsanwalt Olaf Reidt, der zugleich Honorarprofessor ist.
Als Bearbeitungsstand nennt das Vorwort Januar 2016 (S. V). Als letztes Änderungsgesetz ist das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 aufgeführt (S. 17). Danach ist nur das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht vom 4.5.2017 erlassen worden, das eine Reihe von Vorschriften geändert hat.
Der Kommentierung vorangestellt ist eine nützliche Einleitung, die einen knappen Überblick über das Baurecht und die – verschlungene – Entwicklung des BauGB vermittelt. Zu begrüßen sind auch die „Vorbemerkungen“, die einigen Teilen oder Abschnitten des Gesetzes vorangestellt sind und die Systematik der sich anschließenden Vorschriften erklären. Ein rühmenswertes Beispiel dafür sind die Vorbemerkungen zu den §§ 29 bis 38 (S. 451 bis 483). Das Werk überzeugt ferner durch gewissenhafte Auswertung von Rechtsprechung und Zeitschriftenliteratur; auch Monografien und Beiträge zu Sammelwerken, etwa Festschriften, werden des Öfteren herangezogen. Spezialschrifttum zu den einzelnen Vorschriften wird nicht angegeben; die Zusammenstellung „Abkürzungen und Zitierweise der häufig verwendeten Literatur“ macht einen unfertigen Eindruck. Selbst bei Hinzuziehung des Abkürzungsverzeichnisses (S. XIX bis XXVI) erschließt sich nicht immer, welches Werk zitiert wird. Zu loben sind die präzisen Angaben zu den zitierten Entscheidungen. Die einerseits begrüßenswerte Fülle von Angaben zu Literatur und Judikatur erschwert andererseits manchmal die Lektüre, weil sie in den Text integriert sind. Die Lesbarkeit wird zusätzlich erschwert durch den engen Zeilenabstand; das fällt unmittelbar ins Auge, wenn man eine Seite aus diesem Werk mit einer aus dem Kommentar von Jäde/Dirnberger vergleicht. Trotz dieser Vorbehalte ist der Battis/Krautzberger/Löhr für jeden unentbehrlich, der sich schnell und präzise informieren will.
Auch der Context-Kommentar
Jäde/Dirnberger, Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, 8. Aufl., Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-415-05781-4. Hardcover, 1658 Seiten, 118,- €
hat schon vor geraumer Zeit seinen Praxistest bestanden. Er wurde begründet von dem 2014 verstorbenen Leitenden Ministerialrat Henning Jäde und wird fortgeführt von einer beruflich gemischten Riege: Franz Dirnberger ist Direktor des Bayerischen Gemeindetags, Andreas Becker Richter am Bundesverwaltungsgericht, Jürgen Busse und Gerhard Spieß sind Anwälte, und Attila Széchényi ist Beamter des Bayerischen Innenministeriums. Als Stand von Literatur und Rechtsprechung nennt das Vorwort Ende Juni 2016. Als letztes Änderungsgesetz ist auch hier das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 genannt.
Laut Vorwort haben die Verfasser den Schwerpunkt auf die Verarbeitung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelegt, während die obergerichtliche Judikatur und die Literatur „nur dort berücksichtigt [wurden], wo es inhaltlich notwendig war“. Für das Zitieren der Entscheidung hat sich das Werk etwas Originelles einfallen lassen: Im Text genannt werden Gericht, Entscheidungsdatum und Aktenzeichen sowie eine Zahl. Diese verweist auf das 172 Seiten umfassende Entscheidungsregister (S. 1443 bis 1615), in dem alle in dem Band verarbeiteten Judikate von Nr. 0001 bis 5126 mit sämtlichen Fundstellen aufgeführt sind. Man fragt sich allerdings, welchen Sinn die Aufnahme zahlreicher Entscheidungen ohne Fundstellen ergibt. Die Zusammenstellung enthält auch handfeste Fehler: Die Entscheidung Nr. 5087 (S. 1614) stammt nicht vom „VG Baden-Württemberg“ (das gar nicht existiert), sondern vom VGH Baden-Württemberg; die beiden unmittelbar danach aufgeführten Beschlüsse sind nicht vom nicht existenten „VG Bayern“, sondern vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erlassen worden. Die Entscheidungen sind in erster Linie nach Gerichten geordnet, deren Reihung jedoch teilweise nicht recht einsichtig ist.
Die meisten Entscheidungen, die in den Erläuterungen zitiert und in dem Entscheidungsregister zusammengestellt sind, sind in einer verlagseigenen Datenbank gespeichert und können von dort nach Registrierung abgerufen werden, was eine erhebliche Arbeitserleichterung darstellt. Die gespeicherten Judikate sind sowohl in der Kommentierung als auch im Entscheidungsregister durch ein Symbol gekennzeichnet. In den elektronischen Ausgaben (je eine für BauGB und BauNVO) kann der Nutzer die Nummer der Entscheidung in ein Suchfeld eingeben und sie so unmittelbar aufrufen. Diese Art der Verweisung hat allerdings einen nicht unerheblichen Nachteil: Verwiesen wird nur pauschal auf die Fundstellen der Entscheidung, nicht aber auch darauf, auf welcher Seite oder unter welcher Randnummer der – oft viele Seiten umfassenden – Entscheidung die in Bezug genommene Äußerung des Gerichts steht.
Den größten Teil des Bandes nimmt naturgemäß das BauGB in Anspruch (S. 29 – 1293), während sich die BauNVO mit weit weniger bescheiden muss (S. 1295 – 1441). Ein Inhalts-, ein Abkürzungs-, ein Literatur- und ein Stichwortverzeichnis runden das Werk ab. Eine Einführung in das BauGB und Vorbemerkungen zu einzelnen Kapiteln oder Teilen gibt es nicht. Den Erläuterungen der einzelnen Vorschriften sind Inhaltsübersichten vorangestellt; Angaben zur Spezialliteratur fehlen. Die Erläuterungen weisen unterschiedlichen Umfang auf und werden im Allgemeinen dem Gegenstand gerecht. Es ist allerdings unbefriedigend, wenn der in § 2 Abs. 4 BauGB geregelten, in der Praxis sehr bedeutsamen Umweltprüfung nicht einmal zwei Druckseiten gewidmet werden (zum Vergleich: BKL 7, Spannowsky/Uechtritz 11 Seiten). Doch sollte dieser Einzelfall nicht überbewertet werden. Die häufigen Neuauflagen belegen, dass der Kommentar den (unterschiedlichen) Ansprüchen des Publikums gerecht wird.
Der Kommentar
Spannowsky/Uechtritz, Baugesetzbuch, 2. Aufl., Verlag C.H.Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-63039-2. Leinen, XXVIII, 2092 Seiten, 159,- €
ist die gedruckte Version eines Online-Kommentars, der stetig fortgeschrieben wird. Der Stand der Bearbeitung wird nicht angegeben. Aus dem Vorwort und S. 1 ist jedoch ersichtlich, dass als letztes das Änderungsgesetz vom 11.6.2013 eingearbeitet worden ist. Danach ist das Gesetz durch fünf weitere Novellen geändert worden, was bei der Arbeit mit dem Werk zu berücksichtigen ist. Zu ihm beigetragen haben 26 Wissenschaftler und Praktiker aus Gerichtsbarkeit, Verwaltung und Anwaltschaft.
Eine Einleitung und Vorbemerkungen zu einzelnen Kapiteln oder Teilen enthält das Werk nicht. Die Erläuterungen der einzelnen Vorschriften sind – wie bei allen Beck-Online-Kommentaren – einheitlich aufgebaut: Auf einen „Überblick“, der den Regelungsgehalt der Vorschrift knapp zusammenfasst, folgt eine zweispaltige „Übersicht“, der sich die Erläuterungen anschließen. Diese differenzieren drucktechnisch zwischen normal groß gesetzten und petit gedruckten Ausführungen. Letztere widmen sich Detailfragen.
Erschlossen wird das Werk durch ein Inhalts-, ein Abkürzungsund ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur sowie ein Sachverzeichnis. Spezialschrifttum zu den einzelnen Vorschriften wird nicht angegeben.
Die Erläuterungen stützen sich in erster Linie auf die Rechtsprechung sowie die Kommentar- und Aufsatzliteratur, die gründlich ausgeschöpft werden. Auf diese Weise gewinnt der Nutzer einen soliden Überblick über den Stand der Diskussion. Angesichts der teilweise großen Zahl von Belegen wäre allerdings die Einführung von Fußnoten dringend erwünscht, was freilich den schon jetzt nicht geringen Umfang des Buches noch weiter vergrößern würde.
II. Bauordnungsrecht
1. Regelungsgegenstände des Bauordnungsrechts
Das, was wir heute als Bauordnungsrecht bezeichnen, hat seine Wurzeln im Polizeirecht. In Preußen war es weitestgehend in Baupolizeiverordnungen geregelt, die aufgrund der berühmten polizeilichen Generalklausel des § 10 II 17 ALR (s.o.) oder des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 erlassen wurden. Sie dienten der Abwehr von Gefahren, die von der Bautätigkeit und von baulichen Anlagen (Einsturzgefahr!) ausgehen können. Noch in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war von „Baupolizei“, „Baupolizeibehörden“ und „Baupolizeiverfügungen“ die Rede. Die Bezeichnungen haben sich zwar gewandelt, aber im Kern ist das heutige Bauordnungsrecht noch immer Teil des Gefahrenabwehrrechts.
Seit dem eingangs erwähnten Rechtsgutachten des BVerfG steht außer Streit, dass für die Ausgestaltung des Bauordnungsrechts die Länder ausschließlich zuständig sind. Sie und die Kommunen (Gemeinden und Landkreise) haben es auch zu vollziehen. Obwohl die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, weisen deren (Landes-)Bauordnungen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Das beruht darauf, dass sie sich an der sog. Musterbauordnung (MBO) orientieren, die von der Bauministerkonferenz (ARGEBAU), in der alle Bundesländer vertreten sind, ausgearbeitet worden ist und von Zeit zu Zeit fortgeschrieben wird. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2002 und wurde zuletzt im September 2012 geändert. Sie ist keine Rechtsvorschrift und bindet die Länder nicht.
Die Regelungsgegenstände der Bauordnungen sollen anhand des Aufbaus der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz vom 24.11.1998, die seither mehrfach geändert worden ist, knapp skizziert werden.
Ihre 93 Paragrafen sind in sieben Teile eingeteilt, deren dritter in Abschnitte unterteilt ist. Der Erste Teil (Allgemeine Bestimmungen) enthält u.a. wichtige Begriffsbestimmungen (§ 2), allgemeine Anforderungen an bauliche Anlagen (§ 3) und ein Verunstaltungsverbot. Der § 3 bezeugt besonders deutlich die Herkunft des Bauordnungsrechts aus dem Polizeirecht mit der Formulierung: „Bauliche Anlagen … sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass sie die öffentliche Sicherheit oder Ordnung … nicht gefährden.“
Der Zweite Teil (Das Grundstück und seine Bebauung, §§ 6 bis 12) gebietet u.a. die Einhaltung von Abstandsflächen zu Nachbargrundstücken – ein beliebtes Streitobjekt unter Nachbarn. § 11 befasst sich mit Kinderspielplätzen, § 12 mit Einfriedungen.
Der umfangreiche Dritte Teil (Bauliche Anlagen, §§ 13 bis 53) enthält heterogene Bestimmungen, z.B. über die Standsicherheit baulicher Anlagen, Brand-, Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz, Bauprodukte, Wände, Decken und Dächer, Treppen und Aufzüge, Feuerungsanlagen, Aufenthaltsräume und Wohnungen sowie Stellplätze, Garagen und Baustellen.
Der Vierte Teil (Verantwortung der am Bau Beteiligten, §§ 54 bis 57) regelt die öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten von Bauherrn, Entwurfsverfassern, Bauleitern und Unternehmern. Die privatrechtlichen Beziehungen unter diesen Personen sind dagegen Gegenstand des privaten Baurechts (s.o. I 1).
Der Fünfte Teil (Behörden, §§ 58 bis 60) regelt, welche Behörden zuständig sind, der Sechste Teil (Verfahren, §§ 61 bis 86) das Baugenehmigungsverfahren sowie Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörden, z.B. die Einstellung der Bautätigkeit, die Untersagung der Benutzung oder die Anordnung der Beseitigung illegaler baulicher Anlagen.
Der Siebte Teil (§§ 87 bis 93) ermächtigt u.a. zum Erlass von Rechtsund Verwaltungsvorschriften durch staatliche Behörden sowie von örtlichen Bauvorschriften durch die Gemeinden.
Das Zusammenspiel von Bauordnungs- und Bauplanungsrecht zeigt sich vor allem im Baugenehmigungsverfahren. Denn in dessen Verlauf hat die Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, ob das Bauvorhaben sowohl mit dem Bauplanungs- als auch mit dem Bauordnungsrecht in Einklang steht. Darüber hinaus sind noch weitere Rechtsvorschriften zu beachten, z.B. die des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und des Naturschutzrechts.
2. Kommentare zu Landesbauordnungen
Zu einigen Landesbauordnungen gibt es Kommentare. Zwei davon werden im Folgenden vorgestellt.
Der Kommentar
Curt M. Jeromin (Hrsg.), Landesbauordnung RheinlandPfalz, 4. Aufl., Werner Verlag, Köln 2016, ISBN 978-38041-2236-9. Hardcover, XXI, 1287 Seiten, 129,- €
ist vor mehr als zwanzig Jahren erstmals bei Luchterhand/ Neuwied als Loseblattwerk erschienen. Er firmiert heute zwar unter „Werner Verlag“, der jedoch kein Verlag mehr ist, sondern nur noch eine Marke im Großreich des Verlages Wolters Kluwer. Der Herausgeber und ein weiterer Bearbeiter (Jochen Kerkmann) sind Anwälte, der Dritte im Bunde (Georg Schmidt) ist Präsident des VG Trier.
Das Buch verzichtet auf eine Einführung und auf Vorbemerkungen zu den Teilen. Es enthält ein (allgemeines) Literaturverzeichnis, aber keine Zusammenstellungen des Spezialschrifttums zu den einzelnen Vorschriften. Rechtsprechung und Schrifttum sind gründlich ausgewertet, wie Stichproben ergeben haben. Dabei beschränken sich die Autoren nicht auf die Judikatur rheinland-pfälzischer Gerichte und der Literatur zur LBauO RLP. Das ist deshalb wichtig, weil die Bauordnungen als Landesgesetze nicht revisibel sind (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sodass Fälle aus diesem Rechtsgebiet nur sehr selten vor das Bundesverwaltungsgericht gelangen, das auf anderen Gebieten (auch beim Bauplanungsrecht) Meinungsverschiedenheiten unter den Gerichten verschiedener Bundesländer beilegt.
Zu begrüßen ist ferner, dass die Sätze der Vorschriften durchnummeriert und die Belege in Fußnoten ausgelagert sind. Schlagworte im Text sind durch Fettdruck hervorgehoben. Den Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen sind Inhaltsübersichten vorangestellt. Das Werk präsentiert sich damit als ausgesprochen leserfreundlich.
Die Erläuterungen lassen kaum Wünsche offen. Stärker herausgearbeitet werden sollte allerdings das Verhältnis des Bauordnungs- zum Immissionsschutzrecht. Zu Recht breiten Raum widmet der Kommentar an vielen Stellen den Fragen des Nachbarschutzes, welche die Verwaltungsgerichte reichlich beschäftigen. Dabei wird auch auf das Nachbarrechtsgesetz Rheinland-Pfalz aufmerksam gemacht, das – wie oben I 1 bereits vermerkt – zum privaten Baurecht zählt und für das die ordentlichen Gerichte zuständig sind.
Angesichts dessen lautet das Fazit, dass der Jeromin für jeden unentbehrlich ist, der mit dem rheinland-pfälzischen Bauordnungsrecht zu tun hat. Aber auch darüber hinaus kann das Werk für das Verständnis des Bauordnungsrechts anderer Bundesländer gute Dienste leisten.
Außer der hier vorgestellten gedruckten Version kann der Kommentar auch als Onlineausgabe bezogen werden. In der Druckausgabe findet der Käufer ein Heftchen mit einem „persönlichen Freischaltcode“, der zum Bezug einer preislich ermäßigten Onlineausgabe berechtigt. Die Vorzüge der Onlineausgabe habe ich bereits mehrfach bei anderen Werken des Verlages gewürdigt, zuletzt in Ausg. 1/2017 S. 39 (Besprechung von Marx, AsylG).
Auch der Kommentar
Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 9. Aufl., Verlag C.H.Beck, München 2013, ISBN 978-3-40659168-6. Gebunden, XXII, 1180 Seiten, 125,- €
blickt auf eine jahrzehntelange Tradition zurück. Nachdem die Bauordnung von 1973 durch die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) vom 3.4.2012, die das niedersächsische Recht stärker der MusterbauO (MBO) angepasst hatte, erlassen worden war, musste der Kommentar mit der hier vorgestellten Neuauflage grundlegend überarbeitet werden. Dabei kam es auch zu einem erheblichen Bearbeiterwechsel.
Die Zusammensetzung der neunköpfigen Autorenschaft ist ungewöhnlich (was keineswegs abwertend gemeint ist): Neben vier Juristen (ein Universitätslehrer, ein Verwaltungsrichter, ein ehemaliger Ministerialdirigent und jetziger Rechtsanwalt sowie ein weiterer Anwalt) haben beigetragen ein ehemaliger und ein aktiver Baudirektor, ein Sachverständiger für Brandschutz, ein Sachverständiger für Lüftungs- und Klimaanlagen und ein beratender Ingenieur. Die Mitwirkung technisch versierter Autoren hat sich deutlich in den Erläuterungen niedergeschlagen, und zwar schon äußerlich durch zahlreiche Abbildungen und Hinweise auf technische Regelwerke (DIN- und VDI-Normen, Technische Baubestimmungen), mit denen Juristen zumeist nicht gern zu tun haben. Auch Durchführungsbestimmungen und Verwaltungsvorschriften sind in die Kommentierung eingewoben.
Der Kommentierung des Gesetzes vorangestellt sind „Vorbemerkungen“ des Göttinger Professors Thomas Mann (S. 5 bis 27), in denen die Entwicklung des öffentlichen Baurechts und des niedersächsischen Bauordnungsrechts nachgezeichnet und die NBauO in das Gefüge des Baurechts eingeordnet worden ist. Vorbemerkungen zu den einzelnen Teilen kennt das Werk dagegen nicht. Es enthält zwar ein zweiseitiges allgemeines „Schriftenverzeichnis“ (S. XXI f.), aber keine Literaturzusammenstellungen zu den einzelnen Vorschriften. Die Sätze der Vorschriften sind erfreulicherweise durchnummeriert, die Belege jedoch bedauerlicherweise in den Text integriert. Den Erläuterungen ist jeweils eine Inhaltsübersicht vorangestellt. Schlagwörter im Text sind durch Fettdruck hervorgehoben. Rechtsprechung (nicht nur der niedersächsischen Gerichte) und Schrifttum sind in angemessenem Umfang verarbeitet worden. Auch dieser Kommentar räumt Fragen des Nachbarschutzes gebührenden Raum ein (insbes. § 68 Rn. 26 ff.). Die Darlegungen zum Verhältnis Bauordnungs-/Immissionsschutzrecht (§ 13 Rn. 9 – 12, § 70 Rn. 14) sind ausbaufähig. Fazit: Der Große-Suchsdorf ist ein verlässlicher Führer durch die Wunderwelt des niedersächsischen Bauordnungsrechts und darüber hinaus.
III. Ein Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts
Vorzustellen ist zum Abschluss ein Buch, das den Rahmen des Bisherigen sprengt:
Bernhard Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl., Verlag C.H.Beck, München 2015, ISBN 978-3-4063-64393-4. Leinen, XLII, 2053 Seiten, 135,- €
Es ist bewundernswert, wie ein Einzelner neben seinen sonstigen vielfältigen Aktivitäten (Rechtsanwalt und Notar, Honorarprofessor der Universität Osnabrück, Richter am Anwaltssenat des BGH) ein solches Werk zustande bringt, zumal er auch sonst literarisch außerordentlich fruchtbar ist. Im Vorwort zur Neuauflage schüttet der Autor das Füllhorn seiner auch außerjuristischen Belesenheit aus, was zum Teil recht amüsant ist, aber auch zum Nachdenken anregt.
Die von Ulrich Repkewitz in der Ausg. 2/2011 S. 52 lobend besprochene 4. Auflage von 2009 ist nochmals um mehrere hundert Seiten angewachsen, sodass eine erneute Inspektion angebracht erscheint. Die Worte „Bau- und Fachplanungsrecht“ lassen offen, ob Gegenstand des Buches nur das Bauplanungsrecht ist oder das gesamte Baurecht, d.h. auch das Bauordnungsrecht. Ein Blick in die Inhaltsübersicht klärt darüber auf, dass nur ein kleiner Ausschnitt des Bauordnungsrechts (Kap. B. Baugenehmigung) behandelt wird. Der ganz überwiegende Teil des Werks ist dem Bauplanungs- und Fachplanungsrecht gewidmet.
Erklärungsbedürftig ist der gesetzlich nicht definierte Begriff Fachplanungsrecht. Darunter versteht man Planungen für bestimmte Fachbereiche (Sachbereiche), z.B. für den Bau von Straßen, Flughäfen oder sonstige Verkehrswege, die Finanzplanung oder die Abfallbeseitigungsplanung. Den Gegensatz dazu bildet nicht die Bauleitplanung, sondern die Gesamtplanung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie alle Fachplanungen für einen bestimmten räumlichen Bereich (eine Gemeinde, einen Kreis, ein Land, das Bundesgebiet) zusammenführt und koordiniert. Die den Gemeinden obliegende Bauleitplanung ist – neben der Regional- und der Landesplanung – eine solche Gesamtplanung. Was davon bietet das dickleibige Buch?
Es setzt sich aus sechs Kapiteln (A – F) zusammen, die ihrerseits in Teile untergliedert sind. Fast die Hälfte der 1994 Seiten (ohne Stichwortverzeichnis) sind der Bauleitplanung (Kap. A, S. 1 bis 953) gewidmet. Behandelt werden dort allerdings viele Fragen, die über das hinausgehen, was das BauGB unter Bauleitplanung versteht, z.B. die Raumordnung. Kap. B (S. 938 – 963) erörtert die Baugenehmigung, Kap. C (S. 965 1190) die in den §§ 29 bis 38 BauGB) normierte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, Kap. D (S. 1191 – 1344) die Planungsvorgaben des EU-Umweltrechts, Kap. F (S. 1853 – 1994) Rechtsschutzfragen.
Das Kap. E (S. 1345 – 1851) ist der Fachplanung gewidmet. Es setzt sich aus sieben Teilen zusammen, die teilweise fachübergreifend generelle Planungsprobleme (Teile 1 und 5 bis 7), teils einzelne Fachplanungen behandeln (Teile 2 bis 4). Erörtert werden hier u.a. die Planung von Fernstraßen, Eisenbahnen, Telekommunikations- und Energieanlagen sowie Bundeswasserstraßen, um nur einige zu nennen. Auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird gedacht (S. 1626 – 1661), obwohl sie eine gebundene Entscheidung und keine Planungsmaßnahme ist. Dies belegt, dass der Autor den Begriff der Planung außerordentlich weit fasst. Es ist kaum möglich, auf dem zur Verfügung stehenden Platz die Fülle des Inhalts auch nur halbwegs angemessen zu würdigen. Das Buch ist eine wahre Fundgrube. Dank guter Diktion und Auslagerung der (sehr zahlreichen) Belege in Fußnoten ist es gut lesbar, wenngleich nicht immer eine leichte Kost, was aber nicht dem Autor, sondern der behandelten Materie geschuldet ist.
Univ.-Prof. Dr. jur. Hans-Werner Laubinger, M.C.L. (hwl), hatte bis zum Eintritt in den Ruhestand den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne, an der er noch heute als Forscher tätig ist. Er ist Mitherausgeber des Verwaltungsarchivs, dessen Schriftleiter er von 1983 bis 2001 war.
hwlaubinger@t-online.de