Sprache | Stimme

KaRo Voice – Differenzielles Stimmtraining

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 2/2017

Katja Rommel: KaRo Voice – Differenzielles Stimmtraining. Ein Übungsspiel mit 72 Karten für das Stimmtraining und die Stimmtherapie mit Jugendlichen und Erwachsenen. Köln: ProLog Verlag 2016, mit Manual und Anleitung, EAN/ISBN/DOI 4040555113660, € 29,90

Das differenzielle Stimmtraining hat seinen Ursprung in der Sportwissenschaft, dem „differenziellen Bewegungslernen“, das Wolfgang I. Schöllhorn seit den 1990er Jahren entwickelt hat. Die Erfinderin des Übungsspiels Karo Voice erläutert dies am Beispiel der international besonders erfolgreichen brasilianischen Fußballer und wie sie Fußball spielen lernen: nämlich nicht auf planiertem Rasen oder Hallenböden, sondern auf vielfältigsten Untergründen, in Hinterhöfen oder am Strand. Sie tragen auch keine Fußballschuhe, sondern spielen mit unterschiedlichstem Schuhwerk oder barfuß. Trainingsprinzip ist nicht die einschleifende Wiederholung der gleichen Übungen, sondern vielmehr die Anpassung an sich verändernde Spielbedingungen wie „ungeeignete“ Untergründe oder „falsche“ Schuhe. Auf diese Weise lernen die Spieler, individuelle Bewegungsoptima mit der Zeit selbst herauszubilden. Auch in der Stimmtherapie kommt es darauf an, in der Therapie erzielte Übungsergebnisse in vielfältigen Alltagssituationen umzusetzen. Diese Transferphase bereitet oft Schwierigkeiten. Denn jetzt gilt es, nicht nur unter Idealbedingungen nach einer bestimmten Übungssequenz mit klarer, resonanzreicher Stimme ohne Anstrengung und wohlartikuliert sprechen zu können, sondern in allen möglichen Situationen, Körperhaltungen und -bewegungen. Karo Voice ermöglicht es, diese verschiedenen Einflüsse auf Stimmgebung und Stimmklang, Tragfähigkeit und Artikulation selbst auszutesten und wahrzunehmen.

Das Kartenspiel besteht aus 48 Übungskarten zu den Funktionsbereichen Lockerung/Haltung (8, gelb), Atmung (10, blau), Stimme (15, orange), Artikulation (10, grün) und Prosodie (5, lila). Sie bilden schon einmal eine nützliche Übungssammlung. Jede Übung ist kurz und verständlich erklärt. Damit diese gängigen Übungen nun variiert werden können, gibt es zusätzlich 22 Varianzkarten (grau) mit verschiedenen Vorgaben, was parallel zu der vorher trainierten Übung an Bewegungen mit Armen, Beinen, Oberkörper oder Kopf ausgeführt oder welche Sprechweise imitiert werden soll.

Der Spielablauf ist so gedacht: Auf einem Stapel liegen die gemischten Übungskarten (dabei auch ein Joker und eine Pausenkarte, auf einem zweiten Stapel die gemischten Varianzkarten. Der Trainee zieht eine Übungs- und eine Varianzkarte und versucht beide auszuführen. Wenn er einen Joker zieht, darf er sich selbst eine Übung aussuchen oder ausdenken. Bei der Pausenkarte kann einige Minuten unterbrochen werden. Theoretisch ergeben sich über 1000 Kombinationsmöglichkeiten. Viele sind allerdings nicht durchführbar. Man kann nicht gleichzeitig eine Atemübung im Liegen machen und dabei im Raum herumgehen. Körperliche Übungen lassen sich außerdem schlecht mit dem Vorlesen von Texten kombinieren. Man kann dann zwar eine andere Varianzkarte nehmen, aber nach 2-3 solchen „Nieten“ stellt sich ein gewisser Frust ein und man fragt sich, warum das nicht bedacht wurde. In der Praxis der Stimmtherapie empfiehlt es sich ohnehin, je nach Störungsbild für den betreffenden Patienten geeignete Übungen auszuwählen, diese mit ihm zu erproben und gegebenenfalls in Kopie für das Üben zuhause mitzugeben. Später kann man dazu passende Varianzkarten auswählen und mit diesen beiden Auswahlstapeln spielen. (gl)

Memogym – Sprache und Gedächtnis in Spiel und Therapie

I: Handlungen auf Wort-, Kollokations- (Nomen-Verb-Assoziations-) und Satzebene. EAN/ISBN/DOI 4040555191002 

II: Ober- und Unterbegriffe im Medium Bild und Schrift. EAN/ISBN/DOI 4040555191019.

Für die Aphasie- und Kindersprachtherapie. Für 2 bis 4 Spieler ab 5 Jahren. Köln: ProLog Verlag 2016, überarbeitete Neuauflage. Je 216 Schrift- und Bildkarten im stabilen Pappkasten mit Fächern zum Ordnen der Karten, je Set € 49,90

 

 

 

Die Aphasietherapie und die Sprachtherapie bei älteren Kindern erfordert abwechslungsreiches Material zum Training von Wortfindung, Wortabruf und Ausdifferenzierung des Wortschatzes, das flexibel und spielerisch einsetzbar ist. In Memogym 1 geht es um Handlungen aus dem häuslichen oder Freitzeitbereich mit jeweils typischen Objekten, in Memogym 2 um Ober- und Unterbegriffe. Grundlage ist das beliebte Memory-Prinzip: Aus abwechselnd aufgedeckten Bild- oder Schriftkarten sollen nach Möglichkeit Pärchen oder Trios gebildet werden.

Vor mehr als einem Jahr hatte ich um ein Rezensionsexemplar von Memogym 1 und 2 gebeten, kurz vor Weihnachten 2016 kamen endlich die beiden Pakete. Doch was lange währt, wird endlich gut – sehr gut sogar! Denn bei dieser Neuauflage eines Klassikers der Sprachtherapie wurden nicht nur ein paar veraltete Fotos ersetzt, sondern Konzept und Ausführung gründlich überdacht und beide Teile nach praktischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten erweitert und überarbeitet. Memogym 1 zeigt in 27 verschiedenen Situationen typische Alltagshandlungen in Form geläufiger Nomen-Verb-Koppelungen wie „Blumen gießen“ oder „Geige spielen“. Zu jeder Situation gehören 8 Memory-Karten: je 1 Bildkarte und 1 Schriftkarte vom Subjekt (Der Mann…), je 1 Bildkarte und 1 Schriftkarte vom Prädikat (…spielt…), je 1 Bildkarte und 1 Schriftkarte vom direkten Objekt (…die Geige), eine kombinierte Bild-Schrift-Karte vom Objekt (Geige) und 1 Schriftkarte des Infinitivs (spielen). Die 8 Karten lassen sich in verschiedenen Spielvarianten einsetzen, je nachdem was geübt werden soll. Für Benennaufgaben eignen sich klassische Memoryspiele, bei denen nur die Bild- und Schriftkarten einer nicht zu großen Anzahl von Objekten oder Handlungen im Infinitiv oder 3. Person Singular einander zugeordnet werden sollen. Vorsicht: ohne sorgfältige Vorauswahl geht es nicht! Eine weitere Spielvariante ist die Kombination der Handlungen und Objekte zu Nomen-Verb-Koppelungen („Geige spielen“ oder „spielt Geige“). Als nächstes kann man Person und Handlung in Wort und Bild im Spielverlauf zu Quartetten ordnen. Und anschließend würde dann der komplette Satz (Der Mann spielt die Geige) als Bildertrio gesammelt. Die Schriftkarten von Subjekt, Prädikat und Objekt kann man für Satzpuzzleaufgaben verwenden.

Das neue Memogym 1 enthält zum Teil andere Handlungssituationen als die Urfassung: So entfällt z.B. das heute kaum noch übliche „Krawatte binden“. Auch ohne Schwierigkeiten real ausführbare Handlungen wie „Tür schließen“ wurden ersetzt. Weitere Items wurden sprachlich überarbeitet: Statt „Fernsehen gucken“ heißt es jetzt „Film schauen“. Natürlich sind alle Fotos neu und zeigen Menschen von heute. Sehr praktisch ist auch die Kennzeichnung der Karten. Die 8 Karten, die zu einer Situation gehören, tragen die gleiche Farbmarkierung oben links. Ein graues Zeichen oben rechts kennzeichnet außerdem Subjekt, Objekt, Infinitiv oder flektiertes Verb. Memogym 2 hat sich noch stärker gewandelt. Die alte Version bot nur 13 Oberbegriffe mit einer Reihe von Unterbegriffen. Die Neuauflage enthält 18 Oberbegriffe (Obst, Werkzeug), und zwar in Verbindung mit einer exemplarischen Handlung (Obst essen, Werkzeug benutzen). Zu jedem Oberbegriff mit exemplarischer Handlung gehören 12 Karten: 4 Unterbegriffe in Bild und Wort, eine Bildkarte mit allen 4 Unterbegriffen als Symbol für den Oberbegriff, eine Schriftkarte mit dem Oberbegriff, 1 Bildkarte der exemplarischen Handlung und 1 Schriftkarte mit dem Infinitiv, der auf alle 4 Unterbegriffe passt. Im Memory-Spiel wird man anfangs vielleicht nur Pärchen aus Bild- und Schriftkarten der Unterbegriffe zu Pärchen ordnen. Ebenso kann man mit den Oberbegriffen verfahren, um diese erst einmal einzuführen. Eine nächste Stufe wäre dann, Pärchen aus Ober- und Unterbegriff zu bilden. Ein anderer Spielstrang könnte mit den Handlungsbildern und ihrem schriftlichen Pendant beginnen und dann zur Bildung von passenden Objekt-Verb-Verbindungen übergehen.

Mehrere Oberbegriffe aus dem alten Memogym 2 wurden in der Neufassung weggelassen, vor allem solche, für die man im Therapiealltag keine Bilder braucht, weil die Realgegenstände jederzeit verfügbar sind (Möbel, Körperteile, Zahlungsmittel). Auch Items, für die es ausreichend anderes Therapiebildmaterial gibt (Tiere, Pflanzen) wurden ersetzt durch schwerer beschaffbare Alltagsdinge wie verschiedene Uhren, Elektrogeräte, Schmuck oder Schminkutensilien. Außerdem gibt es nun neben verschiedenen Backwaren auch mehrere Brotsorten. Darüber hinaus ist jede Begriffsfamilie mit einem passenden Verb verknüpft.

Daher lohnt sich auch für Therapeuten, die noch den alten „Klassiker“ im Regal stehen haben, die Anschaffung der neuen Version. (gl)

 

 

Eelco de Geus: Manchmal stotter‘ ich eben. Ein Buch für stotternde Kinder von 7-12 Jahren. Köln: Demosthenes Verlag, 3. Überarbeitete Auflage 2011, 60 Seiten farbig illustriert, ISBN 978-3-921897-63-8, € 9,50

Ich lieh mein Rezensionsexemplar einem 11jährigen Jungen, der zu mir in die Praxis kam, weil er in Spannungssituationen mit Freunden und Mitschülern für sein Empfinden zu oft stotterte. Er konnte die im Buch dargestellten Erfahrungen stotternder Kinder sehr gut nachvollziehen und erkannte mitunter die eigene Geschichte wieder. Die anschaulich und einfühlsam angebotenen Informationen, warum und in welchen Situationen manche Kinder stottern und warum das von Kind zu Kind so verschieden ist, interessierten ihn sehr. Im Kapitel „Stottern ist eine Kunst“ geht es um Identifikation, das genaue Beobachten und Kennenlernen des eigenen Stotterns. Der junge Leser wird gebeten, in einer Liste diejenigen „Stottersachen“ anzumalen, die auch bei seinem Sprechen auftreten: „einen Buchstaben ein paar Mal wiederholen; ein Wort ein paar Mal wiederholen; auf einem Wort hängen bleiben; erst Luft ausblasen und dann reden; die Augen beim Stottern zumachen; einen Buchstaben lang ziehen (Vvvvase); den Kopf bewegen, wenn man stottert; den Körper bewegen, wenn man stottert; warten, bis jemand das sagt, was man sagen will; nach anderen Wörtern suchen.“ Mein Patient kam der Aufgabe gerne nach. Die Aussicht, Stotterexperte zu werden und anderen das Problem erklären zu können, faszinierte ihn. Auch die Behandlung der Themen Nichtvermeidung und Desensibilisierung sind meiner Ansicht nach sehr gelungen. Es leuchtet ein, warum das Sprechen noch schwieriger wird, „wenn du Angst hast, etwas falsch zu machen, und dir große Mühe gibst, nicht zu stottern… Kinder, die große Angst haben zu stottern, trauen sich manchmal nicht mehr richtig zu sprechen. Sie gehen dann nicht ans Telefon, sprechen ihre Sätze nicht zu Ende oder suchen nach anderen Wörtern. Das ist alles andere als angenehm. Deshalb ist es viel besser, einfach fröhlich drauflos zu stottern. Dann fühlst du dich weniger nervös und das Sprechen wird meistens von alleine schon ein bisschen einfacher.“

Mein Patient, der ziemlich selten und in der Therapie gar nicht stotterte, lehnte es ab, jeden fremden Menschen sofort über sein Stottern zu informieren, wie das bei vielen Desensibilisierungsaufgaben verlangt wird („Ich heiße… und ich stottere“). Aber der Satz „Manchmal stotter‘ ich eben“ gegenüber Freunden schien ihm durchaus angemessen. Und er entschloss sich, in der Schulklasse seine Erfahrungen mit dem Stottern einzubringen.

Der Verfasser hat 20 Jahre Erfahrung auf seinem Gebiet und leitete in den Niederlanden, wo das Buch 1995 erschien, ein Zentrum für Logopädie und Stottertherapie. Die deutsche Ausgabe wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Am Ende des Buches finden sich fünf Briefe von Eelco de Geus, die man kopieren oder aus dem Internet (www.bvss. de/5briefe) herunterladen kann. Darin wendet der Stottertherapeut sich an Geschwister, Eltern, Lehrer, Großeltern, Onkel und Tanten stotternder Kinder. (gl)

 

 

Eva Müller, Janina Nolte, Daniela Rehfeld, Robert Seboldt, Karin Bartl-van Eys: KiStiMa – Kinder-StimmMaterial. Übungssammlung zur Therapie kindlicher Dysphonien, mit Zeichnungen von Friederike van Eys, Köln: ProLog Verlag 2016, 100 Seiten mit Spiralheftung, ISBN 978-3-95677-025-8, € 44,90

In der Kinderstimmtherapie verwendet man im Prinzip die gleichen Übungen wie bei Erwachsenen. Allerdings steht man als Therapeut vor der Aufgabe, sie in einem Kontext anzubieten, der den kleinen Patienten zum Mitmachen begeistert. Deshalb ist so eine Übungssammlung speziell für Kinder eine gute Idee. Die Sammlung von ca. 80 Übungen basiert auf einer Umfrage unter Logopäden, die sich mit kindlichen Stimmstörungen beschäftigen. Die Übungsvorschläge wurden nach den fünf Hauptbereichen des Aachener Stimmkonzepts (ASK) geordnet und übersichtlich mit farbigen Punkten markiert: Tonus (Haltung, Lockerung, Muskelspannung, rot), Atmung (blau), Phonation (grün), Artikulation (lila) und Pragmatik/Intention (orange). Viele Übungen trainieren außer dem Hauptbereich (großer Punkt) noch Ziele aus anderen Bereichen (ein oder mehrere kleinere Punkte).

Jede Übung wird auf einer gesonderten Seite beschrieben, z.B. „Der Schlaf der Yogis“. Ziel: Förderung der Selbstwahrnehmung und Entspannung. Material: Decke. Vorbereitung: Decke wird auf den Boden gelegt. Durchführung: der Text, den der Therapeut ruhig und langsam sprechen soll. Er handelt vom Flug mit einer Wolke über Berge, Meer und Steppen mit verschiedenen Tieren. Hilfen: Begleitende Fragen und Sätze wie das Kind seinen Körper wahrnimmt.

Bei der „Hühnerjagd“ geht es um Zwerchfelltraining und reflektorische Atemergänzung auf Laut-, Wort- und Satzebene. Kind und Therapeut stellen sich vor, sie würden Hühner verscheuchen: mit Lauten wie „schhhhht“ oder „ssssst“, mit Worten wie „weg!“ oder „stop!“ oder mit Sätzen: „Geht weg!“ oder „Ihr Hühner geht weg! Warum hört ihr nicht!?“ „Der kleine Bär“ ist eine Phonationsübung, bei der die ungespannte Sprechstimmlage erreicht werden soll. Material: Bilderbuch, Teddybär. Therapeut und Kind lesen gemeinsam eine Bärengeschichte. Jedes Mal, wenn der Bär erwähnt wird, lassen beide ein tiefes, brummendes, sanftes /m/ hören. Wenn der Teddy auch brummen kann, umso besser. Im Bereich Artikulation findet man auch viele sehr motivierende Lippen- und Zungenübungen sowie Übungen zur Entspannung von Kiefer- und Wangenmuskeln. Den Abschluss bilden mehrere ausgearbeitete Stundenkonzepte, in denen verschiedene Übungen zu allen Übungsbereichen im Rahmen eines bestimmten Themas angeboten werden. (gl)

Gabriele Liebig (gl) arbeitet nach ihrem Logopädiestudium an der Hochschule Fresenius in Idstein als akademische Sprachtherapeutin in einer Logopädischen Praxis in Hochheim am Main. Daneben beschäftigt sie sich mit Poesie der Weltliteratur und tritt mit den „Dichter pflänzchen e.V.“ bei Rezitationsveranstaltungen auf.

gabriele.liebig@gmx.de

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