Fotografie, Psychologie

Büro, Beichtstuhl, Nest

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2019

Sebastian Zimmermann: Fifty Shrinks. Portraits aus 

New York. Kohlhammer, 1. Aufl. 2019, 

116 S., geb., ISBN 978-3-17-036445-5. € 49,00

Der psychotherapeutische Praxisraum ist ein geschützter Ort. Als Arbeitsbereich des Therapeuten dient er dazu, regelmäßig neue Patienten willkommen zu heißen. Nach welchen Erwägungen richtet ein Psychotherapeut seinen Behandlungsraum ein? Inwieweit prägt seine theoretische Ausrichtung Einrichtung und Innendekor? Sebastian Zimmermann verbindet Interviews mit New Yorker Psychotherapeuten mit Fotografien ihrer Personen und Praxisräume. Die Vielfalt an Raumstimmungen, Einrichtungsstilen und Ambiente spiegelt sich dabei in einem breiten Spektrum therapeutischer Konzepte und Orientierungen wider, die von den dort tätigen Ärzten und Therapeuten praktiziert werden. Mit Sebastian Zimmermann sprachen wir über sein außergewöhnliches Buch. (ab)

Sie praktizieren als Psychiater in Ihrer Privatpraxis auf Manhattans Upper West Side und sind ausgebildeter Fotograf. Das ist eine interessante Kombination.

In dem Buch „Fifty Shrinks“ haben Sie beide Berufe zusammengeführt. Das ist eine spannende und außer­gewöhnliche Idee. Erzählen Sie!

In meinem Buch habe ich meine zwei Leidenschaften – die Psychotherapie und die Fotografie – miteinander verknüpft. „Fifty Shrinks” ist in erster Linie ein Fotografie-Buch. Mein Ziel ist, die Vielfalt des psychotherapeutischen Berufes aus einem künstlerisch-ästhetischen Blickwinkel erfahrbar zu machen. Als Fotograf schaue ich den Thera­ peuten bei ihrer Arbeit über die Schulter, porträtiere sie dabei. Ich versuche die Persönlichkeit der Therapeuten mit meiner Kamera einzufangen, was das Ziel eines jeden Porträt-Fotografen ist. Dabei erkunde ich das Umfeld, die Praxis, und ich ergänze die Bilder durch Interviews und Texte. Mir ist sehr daran gelegen, das menschliche Gesicht der Therapeuten zu zeigen.

Sie sind also mit Kamera und Notizblock durch die Praxen der New Yorker Psychotherapeuten gezogen.

Was hat Sie denn persönlich und in der Rückschau dabei am meisten überrascht?

Was mich überraschte war die unglaubliche Vielfalt an Inneneinrichtungen, theoretischen Orientierungen und Charaktertypen, die sich mir auf meiner Reise durch die New Yorker Therapeutenwelt offenbarten. Die psychotherapeutische Praxis ist ein Raum wie kein anderer. An diesem privaten Ort treffen sich in regelmäßigen Abständen zwei Menschen, wobei der eine bemüht ist, sein Innerstes zu offenbaren und der andere versucht zu verstehen und zu heilen. Es ist ein Büro, Untersuchungszimmer, Beichtstuhl und Nest. Mit Überraschung stellte ich fest, dass sich besonders Innenarchitekten und Designer für meine Bilder interessieren. Denn die Räume selbst haben eine psychologische Ausstrahlung, eine Persönlichkeit, eine Psyche.

An wen richtet sich Ihr Buch? Wer sollte es kaufen?

„Fifty Shrinks” richtet sich nicht nur an Fachleute, sondern auch an die breite Öffentlichkeit. Es ist mein Versuch, den Beruf durch Kunst zugänglich zu machen. Denn viele Menschen scheuen sich noch immer vor dem Gang zu einem Psychotherapeuten.

Und welche Herangehensweise an Ihr Buch schlagen Sie vor?

Blättern Sie in dem Buch, auch von hinten nach vorne. Halten Sie inne, wenn Ihnen ein Raum oder ein Therapeut besonders auffällt. Fragen Sie sich: Was gefällt mir an diesem Zimmer, was nicht? Würde ich zu diesem Analytiker hingehen? Warum? Lesen Sie den Text und machen Sie sich ein Bild von dem hier arbeitenden Menschen. Vergleichen Sie die Persönlichkeiten der Therapeuten und ihre Arbeitsweise. Lassen Sie sich Zeit. Genießen Sie das Buch in kleinen Häppchen.

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