Kunst, Landeskunde

Die Schönheit des Alltags

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 3/2020
Ein Ausstellungskatalog präsentiert das Werk des japanischen Grafikdesigners Shin Matsunaga

Museum Folkwang/Deutsches Plakat Museum (Hrsg.), Shin Matsunaga, Made in Japan – Plakate/Poster, Göttingen: Edition Folkwang/Steidl 2019, ISBN 978-3-95829-686-2. € 20,00

 

Im Rahmen einer Ausstellung, die vom Oktober 2019 bis Januar 2020 dauerte, zeigte das Deutsche Plakat Museum im Essener Museum Folkwang das Werk des bedeutenden japanischen Grafikdesigners Shin Matsunaga (Jg. 1940). Er absolvierte ein Studium an der Kunsthochschule in Tokyo, bevor er zunächst für die Kosmetikfirma Shiseidô tätig wurde und sich schließlich selbstständig machte. Seine Arbeiten, die neben Plakaten auch Designprodukte im Bereich der Corporate Identity und der Verpackung und Warenetikette umfassen, sind vielfach mit Preisen bedacht worden und üben auf Designer der jüngeren Generation weltweit einen großen Einfluss aus. Wer die Ausstellung nicht sehen konnte, der hat Gelegenheit, sich anhand eines wunderschön gestalteten Katalogs einen Überblick über das Œuvre eines der ganz großen Plakatkünstler der letzten Jahrzehnte zu verschaffen. Peter Gorschlüter, der Direktor des Museums Folkwang, und René Grohnert, der Leiter des Deutschen Plakat Museums, ordnen in einem Vorwort das Werk Shin Matsunagas kulturhistorisch ein. Sie verweisen dabei zum einen auf den Einfluss des Westens nach der „Öffnung“ Japans ab 1853 und nach dem Zweiten Weltkrieg, erwähnen aber auch die Wirkung und Faszination, die von der japanischen Kunst, namentlich von den Farbholzschnitten, auf die europäische Kunst, auch auf die Plakatkunst, ausging. Der westliche Funktionalismus habe eine wichtige Rolle gespielt, bevor die japanische Kunst seit den 1960er Jahren eigenständiger wurde. Von diesem neuen Selbstbewusstsein zeugt das Werk Matsunagas in hervorragender Weise, indem es japanische Tradition mit westlichen Einflüssen kombiniert, „ohne diese zu verschmelzen“. Dazu hätte man gerne etwas mehr gewusst, denn bei der Durchsicht der chronologisch angeordneten Abbildungen der Plakate ergibt sich nicht immer von selbst, auf welche Traditionen Matsunaga zurückgreift. Die ästhetischen Besonderheiten der Plakate ordnet der chinesische Grafikdesigner Jianping He in einem weiteren, von persönlichen Erinnerungen an eine Begegnung mit Matsunaga geprägten Text ein. Dabei wird eindringlich das Spannungsverhältnis deutlich, das die Arbeiten Matsunagas durchzieht: „Die gewöhnlichen Dinge des Lebens schillern nach ihrer ästhetischen Verwandlung mit unvergleichlichem Charme“ (S. 14); gleichzeitig lösen sie sich durch die Art ihrer Präsenta­ tion aus ihrem kulturellen Umfeld und werden dadurch auch international verständlich. Unterschiedliche Sichtweisen zwischen Ost und West werden auf diese Weise nivelliert. Gleich die ersten Abbildungen des Katalogteils, die Plakate für eine Werbekampagne für den Kosmetikhersteller Shiseidô wiedergeben, machen das deutlich. Insgesamt zeichnen sich die Plakate durch eine klare Formensprache und durch eine kräftige Farbgebung aus. Die Abbildungen haben durchweg eine hohe Qualität, und so macht die Durchsicht des Buchs dem Betrachter auf jeder Seite Freude. Nur gelegentlich hätte man sich ausführlichere Erläuterungen gewünscht, in denen die Plakate vor dem Hintergrund ihrer Zeit eingeordnet würden. Das Plakat „Japan ‚Forever‘“ aus dem Jahre 1988 irritiert jeden, der weiß, dass es in den 1980er Jahren zu einer Renaissance des Nationalismus in Japan kam. Steht das Plakat dazu in irgendeinem Bezug? Auch die Bedeutung des Plakats „Verglüht Japan? Verbrennt Japan?“ aus dem Jahre 2001 erschließt sich dem Betrachter nicht. Den Bezügen zur traditionellen Kunst, namentlich zur Darstellung populärer Fabelwesen (yôkai), hätte man beispielsweise an Hand der Serie über „Freaks“ in den 1990er Jahren nachgehen können. Andere Plakate wiederum, etwa zu Produktwerbung, Designermessen und Grafikausstellungen, sprechen für sich. Biographische Notizen über Leben und Werk dieses Ausnahmekünstlers und eine Liste seiner Plakate schließen diesen „sehenswerten“ Band ab. (wsch)

 

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