Kinder- und Jugendbuch

Weil Trecker eine Schönheit ist!

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 1/2018

Angesichts der breiten Medienberichterstattung über den Fipronil-Skandal, der Diskussion um den Einsatz von Düngemitteln wie Glyphosat, des bedrohlichen Insektensterbens und der Zustände in der Massentierhaltung beschäftigen sich schon lange nicht allein Erwachsene mit diesen Themen, sondern auch Kinder und Jugendliche machen sich dazu ihre Gedanken. Die Vermittlung von Wissen über die Zusammenhänge von Natur, Umwelt, Landwirtschaft und Konsumverhalten der Menschen gibt es auch im Kinder- und Jugendbuch. Unsere Rezensentin Renate Müller De Paoli hat vier interessante Bücher ausgesucht.

Eine Schönheit, der Trecker? Wer würde wohl heute dieser Einschätzung über eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge zustimmen? Und doch steht es für das kleine „Ich“ in dem Bilderbuch „Trecker kommt mit“ von FinnOle Heinrich und Dita Zipfel völlig außer Frage! Ein Umzug in die Stadt steht an und es muss gepackt werden, kein Problem: „Ich hab‘ längst gepackt. Genau eine Sache: Trecker. Weil ohne Trecker macht das alles keinen Sinn. Trecker kommt mit! Oder ich bleibe hier.“ Kein Argument des erwachsenen „Du“ fruchtet, jedes wird beharrlich und trotzig widerlegt: „Da wo wir hinziehen, da haben Trecker nichts zu tun. Da werden Trecker nicht gebraucht“ – „Pah. Renn erstmal so schnell wie Trecker. ( ) Trecker ist für so ziemlich alles gut. Draußen spielen? Ok, wir fahren in den Wald. Wald weit weg? Er schiebt ihn näher ran. Kein See in Sicht? Trecker hebt dir einen aus. (…) Gebirge im Weg? Trecker gräbt nen Tunnel durch. Sieh’s mal so: Alles geht. Mit Trecker. Und deshalb gilt: Trecker kommt mit!“

Außerdem braucht er nur „ein bisschen Öl, Diesel und mich. Trecker ist das genügsamste Ding der Welt, er braucht nur das Gefühl, gebraucht zu werden“. In jedem Fall gibt es „ungefähr tausend Sachen zu tun für Trecker in der Stadt. Mindestens.“ Z.B. beim Großeinkauf oder: „Hat dich jemand eingeparkt, schaufelt er dich frei.“ Trecker ist einfach praktisch: „Fragt nicht, macht. Zaubert nicht, zaudert nicht, plaudert nicht. Packt einfach an.“

Finn-Ole Heinrich hat zusammen mit Dita Zipfel erstmals ein Buch für die ganz Kleinen geschrieben. Frech und sprachmächtig wie man ihn kennt aus „Frerk, du Zwerg“. „Trecker kommt mit“ ist ein Bilderbuch, das nicht nur kleine Treckerfreunde begeistern wird. Dazu hat die Leipziger Illustratorin Halina Kirschner starke Bilder gefunden mit vielen Einzelheiten, die es zu entdecken gilt. Offen und unausgesprochen ist das Ende, denn wie groß ist „Trecker“ eigentlich und welche Entscheidung wird getroffen? „Merkst du? Du willst in die Stadt mit mir. Aber mich gibt’s nur mit Trecker. Du musst dich also entscheiden:

Entweder ich bleibe hier mit ihm, oder: Trecker kommt mit!“

 

Chitra Soundar, Kanika Nair: Bauer Falgu geht auf den Markt, Übersetzt aus dem Englischen von Birgit Mader, Edition Orient 2017, ab 3 Jahren

In dem zweisprachigen deutsch-englischen Bilderbuch „Bauer Falgu geht auf den Markt“ gibt es keinen Trecker; zwei Ochsen ziehen hier den Karren. Es ist eine Geschichte aus Indien, geschrieben von Chitra Soundar und illustriert von Kanika Nair mit großflächigen, markanten Bildern und kräftiger Farbgebung. Bauer Falgu hat gerade seine zwei Ochsen vor den Karren gespannt und mit Körben voll mit Gemüse, Kräutern, weißen und braunen Eiern beladen. Er will sie auf dem Markt verkaufen und macht sich auf den Weg. Aber o je, die Straße hat Schlaglöcher, der Karren kommt ins Schwanken und die weißen Eier sind kaputt. Schlimm genug, doch immer weitere Hindernisse tauchen auf und bringen die Ladung in Bredouille. Was ist zu tun, zurückkehren nach Hause, wo doch der Markt schon so nahe ist? „Bauer Falgu geht auf den Markt“ ist ein vergnüglicher Vorlese- und Lesespaß, besonders da Tierstimmen und Fahrzeuggeräusche zur Nachahmung auffordern. Viele weitere Möglichkeiten bieten sich im Dialog, im Frage- und Antwortspiel an, die Körbe und Säcke zu befüllen. Und natürlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, Bauer Falgu weitere Hindernisse in den Weg zu legen.

Farbenprächtig fliegen und summen uns die Bienen in dem Sachbilderbuch „Bienen“ an, geschrieben und illustriert von Piotr Socha, selbst Sohn eines Imkers und einer der beliebtesten Cartoonisten Polens. Leicht „flügelig“ und witzig erzählen 32 bunte, großformatige, doppelseitige Bildtafeln mit kurzen Texten am unteren Bildrand viel Wissenswertes über die Geschichte der Honigbiene, den Aufbau ihres Bienenstaates, ihre Zusammenarbeit mit den Pflanzen und Menschen.

Denn wer weiß schon, dass es Bienen seit der Zeit der Dinosaurier vor 100 Millionen Jahren gibt, dass uralte Felsmalereien in Afrika, Asien und Europa erste Begegnungen zwischen Menschen und Bienen zeigen. Und dass bereits die alten Ägypter sich auf die Imkerei verstanden und Honig zur Wundbehandlung und zum Einbalsamieren einsetzten.

Oder wer kennt schon die Bedeutung des Bienentanzes? Wer weiß, wie viele Flügelschläge pro Sekunde sie leisten kann? Oder wie Bauern in Kenia Bienen gegen Elefanten einsetzen?

Wir erfahren, welche Pflanzen besonders viel Nektar erzeugen, aber auch welche Ursachen und Folgen für den Menschen das Sterben dieser fleißigen Insekten hat. Nicht nur Honigliebhaber werden die erstaunlichen Informationen über die Arbeit der Imker zu schätzen wissen und begeistert sein.

„Bienen“ ist ein wunderbares, humorvolles, spritziges Buch für große und kleine Bienenfreunde. Da wird der Sachkundeunterricht zum Vergnügen. Die Auszeichnung mit dem „Deutschen Jugendliteraturpreis 2017“ in der Rubrik Sachbuch ist mehr als verdient.

 

Christine Chemnitz, Gesine Grotrian, Gabriela Häfner: Iss was?! Tiere, Fleisch & Ich, Hg. Heinrich-Böll-Stiftung 2016, ab 11 Jahren

 

Piotr Socha: Bienen, Übersetzt aus dem Polnischen von Thomas Weiler, Gerstenberg Verlag 2016, ab 6 Jahren

Sachlich und nüchtern greift „Iss was?! Tiere, Fleisch und ich“ das Thema Fleischkonsum auf. Das Sachbuch für Kinder und Jugendliche wird von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben und gehörte 2017 zu den Nominierten in der Kategorie Sachbuch für den „Deutschen Jugendliteraturpreis“. Klare, gut nachvollziehbare Bildstatistiken und knappe Texte, nur manchmal aufge lockert durch handschriftenähnliche Anmerkungen, vermitteln aufschlussreiche Informationen über Tieraufzucht, -transport, Fleischerzeugung und -verbrauch. Wir erfahren wichtiges u. a. über den Ferkelschutzkorb, das Schicksal der Bruderkücken oder wie Kühe sprechen und wieso unsere Geflügelreste in Afrika landen. Und wir erfahren, dass z. B. in Äthiopien Menschen 58,6%, in Nigeria 56,6 % ihres durchschnittlichen Einkommens für Essen ausgeben müssen, während es in den USA nur 6,5% sind und Deutschland mit 10,6% gleich nach den USA an zweiter Stelle liegt.

Ohne das frühere Leben auf dem Bauernhof und in den Dörfern zu romantisieren, ist Christine Chemnitz, Gesine Grotrian und Gabriela Häfner, verantwortlich für Konzeption, Gestaltung und Text, ein Sachbuch gelungen, das zum Nachdenken und zur Recherche anregt, denn „es zeigt, dass persönliche Entscheidungen über das Essen oft eine große Tragweite haben – und dass uns ein Stück Fleisch auf dem Teller manchmal mit der ganzen Welt verbindet“.

Renate Müller De Paoli ist freie Journalistin, Autorin und Geschichtenerzählerin. Sie lebt im Weserbergland, der Heimat des Rattenfänger von Hameln und des Baron von Münchhausen.

RMDEP@t-online.de

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