Gilles-Kircher / Hogen / Mohrs, Die Schott Music Group, 250 Jahre Verlagsgeschichte, Schott 2020, 144 S., Hardcover, ISBN 978-3-7957-2055-1, € 25,00.
„Der Rang eines Verlages bemisst sich nicht nach seiner Größe oder nach bloßen Umsatzzahlen. Sondern nach der Bedeutung, die seine Veröffentlichungen für das Musikund Kulturleben besitzen.“1 So schreibt der Musikverleger Peter Hanser-Strecker im Vorwort zur Geschichte seines Verlages. Der Schott Musikverlag hat beides: mit über 200 Mitarbeitern besitzt der Verlag eine veritable Größe, sein Rang und Klang unter Musikkennern ist unbestreitbar. Die Anfänge des Verlagsunternehmens reichen zurück in die Zeit der Französischen Revolution, als der junge Bernhard Schott als Notenstecher den Verlag zu Beginn des Jahres 1771 gründete. 1780 erhält der Verlagsgründer ein in Mainz erstmals verliehenes „Privilegium exclusivum“ für Notenstich und darf sich „Hofmusikstecher“ nennen. Schott besitzt durch das Privileg das ausschließliche Recht, die Noten der Hofmusiker zu stechen, was sich als eine „wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des jungen Unternehmens“ (S. 9) erweist. Das Verlagsgeschäft entwickelt sich gut, Schott erkennt den Bedarf an leicht spielbaren Bearbeitungen populärer Stücke und kann sich als Musikverlag etablieren. 1790 kommt Mozart anlässlich eines Klavierkonzertes nach Mainz und besucht auch den Verleger Schott.
Nach dem Tod Bernhard Schotts 1809 übernehmen die Söhne Andreas und Johann Joseph Schott den Verlag. Der Verlag expandiert nach Antwerpen, Paris, London, Brüssel und für kurze Zeit auch nach Sydney. Dort werden die Verlagsgeschäfte nach nur fünf Jahren wegen des ausbleibenden Erfolgs allerdings rasch wieder eingestellt. Einen Meilenstein in der Geschichte des Verlags bedeutet die Veröffentlichung der Spätwerke Beethovens, es entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Musiker und seinem Verleger Johann Joseph Schott. Durch Beethoven kommt auch ein Kontakt zu Richard Wagner zu Stande, der später seine Werke bei Schott in Verlag gab. Die nächs te Generation betreut Wagners Werk, als erstes Bühnenwerk Wagners erscheint „Das Rheingold“ unter der Ägide von Franz Schott. Auch wenn es teils zu Missstimmungen über Titelblätter kam, entwickelte sich die Zusammenarbeit für den Verlag zu einem langjährigen großen Erfolg. Weitere bekannte Musikernamen folgen, wie Franz Liszt, Peter Cornelius oder Franz und Vinzenz Lachner. Engelbert Humperdinck wirkt sogar einige Zeit als Lektor für den Verlag. Als Franz Schott 1874 überraschend ohne direkte Nachfahren stirbt, wird Ludwig Strecker mit 22 Jahren kurze Zeit später Verleger bei Schott. Der Verlag überstand unter Ludwig Strecker sen. den Ersten Weltkrieg und konnte weitere bekannte Musiker an sich binden wie Hindemith, Strawinsky oder Orff. Nach Fronteinsatz und Internierung standen die Söhne Ludwig Strecker jun. und Willy Strecker ihrem Vater bei den Verlagsgeschäften zur Seite. Die Zeit des Nationalsozialismus wird in der Verlagsgeschichte gestreift mit Werken wie Das neue Soldatenliederbuch, welches 1938 erscheint und ein wirtschaftlicher Erfolg für den Verlag wird und „zu einem Tiefpunkt der Verlagsgeschichte“ (S. 91). Im April 1943 werden wie in anderen Verlagen auch bei Schott Zeitschriften gleichgeschaltet, es kommt zunehmend zu Problemen mit der Zensur.
Nach dem Krieg kann der Verlag an seine Erfolge aus über 150 Jahren anknüpfen: neue Bereiche wie die Musikpädagogik werden ausgebaut, Periodika gegründet. Ein Generationenwechsel wird 1968 eingeleitet, als Peter Hanser-Strecker und vorübergehend auch Günther Schneider-Schott die Verlagsgeschäfte übernehmen. Neben dem Programmaufbau durch die Gewinnung neuer Autoren werden auch etliche Verlage übernommen wie der Ars Viva Verlag, die Edition Eulenburg oder den Verlag Cranz. Die Verlagsgeschichte listet über fünfzig Unternehmen auf, die zu Schott gehören bzw. zusätzlich gegründet worden sind. Ein Ausblick und Interview mit Peter HanserStrecker runden das Werk ab.
Florian Bruns, Gottfried Bermann Fischer, Bewahrer und Erneuerer des S. Fischer Verlags, Jüdische Miniaturen Bd. 251, Hentrich & Hentrich 2020, 90 S., 18 Abb., Broschur, ISBN 978-3-95565-387-3, € 8,90.
„Für kaum einen anderen Beruf schien Gottfried Bermann weniger prädestiniert als für den des Verlegers.“ So charakterisiert Florian Bruns den Arzt und späteren Verleger des S. Fischer Verlags. Der Autor ist selbst Arzt und Historiker und legt in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ ein Porträt des langjährigen Verlegers eines der bedeutendsten Verlage Deutschlands vor. Während über den Verlagsgründer und Kulturverleger Samuel Fischer einige Biographien erschienen sind, ist sein Schwiegersohn und Nachfolger im Verlag bisher vor allem durch seine eigenen Erinnerungen „Bedroht – Bewahrt: Weg eines Verlegers“ bekannt. Bruns legt eine erste biographische Skizze des Mannes vor, der den S. Fischer Verlag durch den Zweiten Weltkrieg begleitet hat – auch wenn er die Leitung aufgrund seiner jüdischen Abstammung abgeben musste.
Der Arzt Bermann Fischer fand sich nach seiner Hochzeit mit der Verlegertochter Hedwig Fischer rasch in die Verlagsgeschäfte ein und entwickelte als Verleger mit dem Ende der 1920er Jahre aufkommenden „Buch für die Massen“ bald ein eigenes Profil. Mit der Veröffentlichung der Volksausgabe von Thomas Manns Buddenbrooks hatte Bermann Fischer „sein Meisterstück abgeliefert“ (S. 36). Nicht gegen seinen Schwiegervater durchsetzen konnte sich Bermann Fischer dagegen bei Erich Maria Remarque Im Westen nichts Neues, der Titel wurde dann im Ullstein Verlag ein großer Erfolg. Bermann Fischer konnte neue Autoren gewinnen und steuerte das Verlagsprogramm sicher durch den sich wandelnden Zeitgeist in der Weimarer Republik. Im Dritten Reich blieb Bermann Fischer auch wegen des schlechten Gesundheitszustands von Samuel Fischer, der 1934 starb, lange Zeit in Deutschland, was ihm wiederum von vielen bereits im Exil lebenden Autoren übelgenommen wurde. Dem Verleger „setzten die Angriffe der Exilschriftsteller zu“ (S. 50).
Als sich schließlich das politische Klima nochmals verschlechterte, ging auch Bermann Fischer zunächst nach Österreich, dann nach Italien – „spätestens jetzt war die Emigration […] zur Flucht geworden“ (S. 57) –, Schweden und schließlich in die USA ins Exil. In Schweden konnte Bermann Fischer mit Unterstützung des Bonnier Verlegers einen neuen Verlag gründen, in New York mit Fritz Landshoff, dem ehemaligen Kiepenheuer-Verleger, die Initialen der Nachnamen aufnehmende L. B. Fischer Publishing Corporation. Der S. Fischer Verlag wurde von Peter Suhrkamp fortgeführt, diese und die Geschichte der Teilung des Verlags nach dem Zweiten Weltkrieg sind vielfach Gegenstand von Literatur geworden. Bruns resümiert, dass noch zu Beginn der 1990er Jahre Bermann Fischer und Siegried Unseld als Nachfolger Peter Suhrkamps „öffentlich um die Deutungshoheit über das Geburtstrauma ihrer Nachkriegsverlage [rangen]“ (S. 70). Bermann Fischer konnte in seinem Verlag an die Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen, bis er 1963 den Verlag an Georg von Holtzbrinck verkaufte, dessen Tochter Monika Schoeller „bestrebt war, das geistige Erbe S. Fischers weiterzutragen“ (S. 76). Gottfried Bermann Fischer widmete sich in seiner neuen Heimat Italien der Bildhauerei.
Dr. Ulrike Henschel ist Juristin, Geschäftsführerin des Kommunal- und Schul-Verlags in der Verlagsgruppe C.H.Beck und korrespondierendes Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Über die Entwicklung des juristischen Verlagswesens hat sie am Buchwissenschaftlichen Institut in Mainz promoviert.
ulrike.henschel@ksv-medien.de
1 Gilles-Kircher / Hogen, Hildegard, Mohrs, Rainer, S. 7.