Kinder- und Jugendbuch

Angst! – nur eine Riesenkrake?

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2023

Marit Kok: Die GESCHICHTE von DUNKEL. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. 40 S., Mixtvision, München 2023, ab 3 J.

 

Constance Ørbeck-Nilssen/Øyvind Torseter (Ill.): SO DUNKEL! Aus dem Norwegischen von Maike Dörries. 48 S., Gerstenberg, Hildesheim 2023, ab 10 J.

 

Willi Tobler/Rotraut Susanne Berner (Ill.): Karak und der Zuckerbäcker. 80 S., Moritz, Frankfurt/M. 2019, ab 6 J.

 

Anne Becker: Luftmaschentage. 172 S., Beltz & Gelberg, Weinheim 2023, ab 11 J.

Wer von uns erinnert sich nicht: an die Angst vor der Dunkelheit, vor dem Monster unter dem Bett, vor den Gespenstern im ­Keller oder den Riesen im Wald. Der Volksmund sagt zwar, „Angst ist ein schlechter Ratgeber“, doch das Gefühl der Angst ist auch überlebensnotwendig und kann vor blindem Übermut und Fahrlässigkeit bewahren. So erzählt schon das Märchen der ­Gebrüder Grimm „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ und beschr ­ eibt einen wichtigen und notwendigen Lernprozess für Kinder und Jugendliche, um mit drohenden Gefahren besser umgehen zu können. ­

In dem Bilderbuch Die ­GESCHICHTE von DUNKEL der Trickfilmmacherin Marit Kok schreckt Dunkel, eine kleine, von ihr handgefertigte ­Figur mit großen, dunklen Knopfaugen, plötzlich aus seinen Träumen auf: „Zitternd unter weichen Decken, / will er sich vor der Nacht verstecken.“ Er fühlt sich furchtbar klein und „Hat Angst vor Lämpchen, die verglimmen, / und vor den Schatten, die verschwimmen.“ In der Ferne erblickt Dunkel dann ein Licht und beginnt ihm zu folgen. Er begegnet Steinen mit gruseligen Gesichtern, riesigen Bäumen, glitzernden Kristallhöhlen und einem verschlafenen Dörfchen. Er sieht die Sterne und den Mond: „Rund und schimmernd, noch mehr als die Sterne, / hängt auch der Mond dort als große Laterne.“ Und Dunkel erkennt, wie schön und funkelnd auch die Nacht, das Dunkel sein kann. Beruhigt schläft er ein. Eine schöne Gute-Nacht-Geschichte in kinderleichter Reimform und vielen Details zum Entdecken und Nachbasteln. Die Bastel-Anleitung für Dunkel kann kostenlos heruntergeladen werden.

Eigentlich sollte der Junge längst zu Hause sein. Doch er hat beim Spielen die Zeit vergessen, also wählt er kurz entschlossen den Fahrstuhl, statt die Stufen zum zehnten Stock zu laufen. Aber allein Fahrstuhl fahren ist für ihn verboten. Und dann stockt der Fahrstuhl: „Plötzlich ist alles schwarz um ihn herum. … Er ist ganz allein im Dunkeln.“ Der Fahrstuhl steckt fest: „Sein Herz klopft. Im ganzen Körper. Bis in die Arme. Sogar im Kopf. Alles in ihm klopft.“ Und „Was, wenn er hier nie mehr rauskommt?“, beginnen seine Gedanken zu kreisen. Mitreißend beschreibt und zeichnet die Graphic Novel SO DUNKEL! Ängste, die jeden in bestimmten Situationen überkommen können. Großartig die schwarz-weißen, rot und blau unterlegten Strichzeichnungen von Øyvind Torseter. SO DUNKEL! zeigt aber vor allem, wie kindliche Vorstellungskraft und Vertrauen „Wenn Papa seine Hand hält, hat er keine Angst“ helfen, Angst zu überwinden und mutige Problemlösungen zu finden. Selbst im Dunkeln einer Fahrstuhlkabine ist man dann nicht allein.

• Ertönt ein Rülpser vom Weißen Berg, gerät das kleine Dorf in Karak und der Zuckerbäcker sofort in Angst und Panik. Die Dorfbewohner wissen, dass der Riese Karak, der dort oben haust und sich gerade in einer „alten Blechbadewanne eine kräftige entschlossen den Fahrstuhl, statt die Stufen zum zehnten Stock zu laufen. Aber allein Fahrstuhl fahren ist für ihn verboten. Und dann stockt der Fahrstuhl: „Plötzlich ist alles schwarz um ihn herum. … Er ist ganz allein im Dunkeln.“ Der Fahrstuhl steckt fest: „Sein Herz klopft. Im ganzen Körper. Bis in die Arme. Sogar im Kopf. Alles in ihm klopft.“ Und „Was, wenn er hier nie mehr rauskommt?“, beginnen seine Gedanken zu kreisen. Mitreißend beschreibt und zeichnet die Graphic Novel SO DUNKEL! Ängste, die jeden in bestimmten Situationen überkommen können. Großartig die schwarz-weißen, rot und blau unterlegten Strichzeichnungen von Øyvind Torseter. SO DUNKEL! zeigt aber vor allem, wie kindliche Vorstellungskraft und Vertrauen „Wenn Papa seine Hand hält, hat er keine Angst“ helfen, Angst zu überwinden und mutige Problemlösungen zu finden. Selbst im Dunkeln einer Fahrstuhlkabine ist man dann nicht allein.

• Ertönt ein Rülpser vom Weißen Berg, gerät das kleine Dorf in Karak und der Zuckerbäcker sofort in Angst und Panik. Die Dorfbewohner wissen, dass der Riese Karak, der dort oben haust und sich gerade in einer „alten Blechbadewanne eine kräftige Pilzsuppe“ kocht, danach zum Dorf herabsteigen und ihnen alle Süßigkeiten aus den Küchen und Vorratskammern holen wird. Ängstlich und verzweifelt verkriechen sich dann die Bewohner in ihren Verstecken. Besonders hat Karak es auf den kleinen Zuckerbäcker Tschaggomo abgesehen. Eines Tages steht dieser wieder vor „leergefressenen Zuckersäcken und den leergeschleckten Kuchenplatten“ und fasst wütend den Entschluss, sich zu wehren und ­Karak zu stoppen. Er stellt zwei große Säcke Salz mitten in seine Backstube, setzt sich auf einen und wartet „mit klopfendem Herzen“. Und es gelingt ihm, den Riesen zu überlisten: „Einen Zuckerdieb wie dich werde ich so schnell nicht freilassen, …Du bist eine Plage für uns, Karak, warum tust du das, Karak, warum?“ Gefesselt erzählt Karak nun seine traurige Geschichte. Eine tolle turbulente, fantasiereiche, kämpferische Geschichte von Willi Tobler, wunderschön, detailreich und farbenprächtig von Rotraut Susanne Berner illustriert.

Unterschiedlicher als Matea, genannt Mats, und Riccarda, genannt Ricci, wie in Luftmaschentage können 13-jährige Mädchen nicht sein. Mats, die Ich-Erzählerin, intelligent, schlagfertig und witzig, spricht aber ab dem siebten Jahr nach einem Umzug – ihre Mutter ist Pastorin und kümmert sich nachts auch um vernachlässigte Kinder – plötzlich nur noch mit den Eltern und dem großen Bruder. Schuld ist die „Tiefseekrake in meinem Bauch“. Sie rollt sich immer vor Schreck zu einem riesigen „Kloß, der von unten gegen meinen Hals drückte“ zusammen und streckt ihre Tentakeln aus. „Madame Schüchtern“ hat die alte Loose, eine Nachbarin, dieses „eklige Gefühl“, diese „schwabbelige Riesenkrake“ genannt. Bei der Nachbarin fühlt Mats sich wohl, sie bringt ihr Häkeln und ­Stricken bei und vererbt ihr nach ihrem plötzlichen Tod einen Karton Wolle. Mats beginnt sich nun im „Guerilla-Knitting“ zu üben und Bäume z.B. im Kirchgarten einzuhäkeln. Dabei wird sie von Ricci, der Neuen in ihrer Klasse, entdeckt. Ricci ist das genaue Gegenteil, nimmt kein Blatt vor den Mund und auch schon mal jemanden in den Schwitzkasten, wenn sie Mobbing und Ungerechtigkeit spürt. Mats gewinnt Zutrauen zu ihr, macht sie sogar mit „Madam Schüchtern“ bekannt und eine zarte Freundschaft entwickelt sich zwischen diesen beiden Außenseitern. Denn auch ein „Mädchen wie Riccarda“, „diese Psycho-AssiKuh“, stößt in der Schule auf Ablehnung. Aber Mats beginnt zu spüren, dass Ricci Geheimnisse mit sich herumträgt. Insbesondere will sie nicht preisgeben, wo und wie sie lebt, und warum sie „abends lieber draußen in der Kälte ist als drinnen“. Nach und nach wird klar, Ricci hat häusliche Gewalt vom Vater erlebt, streunt abends im Park der Stadt herum und klaut: „Ich nehme manchmal was mit. Von Orten, die mir gefallen. Wo ich gerne wohnen würde.“ Es kommt zum Streit, doch nach vielen verzweifelten Sprachnachrichten „Tage ohne ­Ricci“ von Matea an Riccar ­ da – im Buch kursiv gedruckt – zeigt die ­„Magie der Maschen“, dass auch scheinbar unauflösbare Konflikte sich in Luftmaschen verflüchtigen können. Luftmaschentage ist ein spannender, direkt aus dem Leben gegriffener Roman, einfühlsam und warmherzig geschrieben von Anne Becker, die eigentlich als Förderschullehrerin arbeitet.

Renate Müller De Paoli. RMDEP@gmx.de

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