Am 22. Juli 1977 gründete Peter Lang die Peter Lang AG in Bern. Mit diesem Schritt kehrte der Schweizer Verleger in seine Geburtsstadt zurück, die er sieben Jahre vorher verlassen hatte, um in Frankfurt am Main den Grundstein für die Verlagsgruppe mit seinem Namen zu legen. Von Beginn an spezialisierte er sich auf die Geistes- und Sozialwissenschaften und hatte die Vision eines Gegenmodells zu bestehenden Wissenschaftsverlagen: Eine flexible, international ausgerichtete Verlagsgruppe, die eng mit Wissenschaftlern an Universitätszentren zusammenarbeitet und auch Nachwuchsforschern die Möglichkeit zur Publikation bietet. Heute umfasst die Peter Lang AG fünf Verlage in der Schweiz, Deutschland, Großbritannien, Belgien und den USA, die mit angegliederten Lektoraten in fünf weiteren Ländern und gemeinsamen zentralen Serviceabteilungen am Hauptsitz Bern zusammenarbeiten. Die Gruppe publiziert jährlich rund 1700 neue Titel und aktuell 17 Zeitschriften in gedruckten und elektronischen Formaten sowie Open Access.
Das verlegerische Fachwissen hatte Peter Lang im Unternehmen seines Vaters erworben, dem Schweizer Verleger und Buchhändler Herbert Lang. 1921 hatte dieser gemeinsam mit seiner Frau in Bern eine Buchhandlung eröffnet, der er ein Antiquariat und ab 1931 den Verlag Herbert Lang & Cie. angliederte. Sein verlegerischer Schwerpunkt lag zunächst bei Versicherungsliteratur sowie im historischen und theologischen Bereich, später kamen Reihen verschiedener Geistesund Sozialwissenschaften dazu. Herbert Lang war nicht nur Verleger, sondern auch ein engagierter Büchermensch, der als Präsident des Schweizerischen Buchhändlervereins die bis heute existierende Berner Buchhändlerschule (seit 1998 Teil der WKS KV Bildung) mitgegründet hatte.
Auch in erfolgreichen Familienbetrieben gehen Unternehmerkinder häufig eigene Wege. Peter Lang verwirklichte 1971 seinen Traum von Selbstständigkeit und gründete mit der Peter Lang GmbH in Frankfurt am Main seinen ersten eigenen Verlag. Die Stadt mit ihren Buch- und Zeitungsverlagen galt zu jener Zeit als die Medienhauptstadt Deutschlands, hatte eine schnell wachsende Universität und punktete mit einer zentralen Lage. Bis heute ist der deutsche Verlagsbereich das Flaggschiff der Gruppe, pro Jahr werden rund 900 Titel in den Geistes-, Gesellschafts-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften verlegt und junge Wissenschaftler u.a. mit dem Peter Lang Nachwuchspreis aktiv gefördert. Auch das vom Unternehmensgründer geforderte Prinzip der engen Vernetzung mit der Wissenschaft wird bis heute konsequent angewandt: Angeschlossene Büros in Berlin, Essen, Hamburg und Stuttgart betreuen Autoren an Universitäten direkt vor Ort, mit Wien (1993), Warschau (2012) und Istanbul (2015) kamen drei internationale Lektorate hinzu. Seit 2017 hat die Verlagsgruppe auch eine Repräsentanz in China.
Auf- und Ausbau einer Verlagsgruppe
Mit der Gründung der Peter Lang AG vor 40 Jahren verlegte Peter Lang den Hauptsitz seines Unternehmens in seine Heimat und trieb von dort dessen Internationalisierung voran: 1982 wurde mit der Peter Lang Publishing, Inc. die nordamerikanische Niederlassung der Gruppe ins Leben gerufen, die bis heute ihren Sitz im New Yorker Stadtteil Manhattan hat. 1996 folgte der Aufbau der englischen Niederlassung Peter Lang Ltd. in der Universitätsstadt Oxford, die 2010 um ein Lektorat in Dublin erweitert wurde. 1999 erwarb Peter Lang den belgischen Wissenschaftsverlag Presses Interuniversitaires Européennes und führte ihn als PIE – Peter Lang SA in Brüssel weiter. 2012 übernahm die Gruppe das Programm des 2003 gegründeten Martin Meidenbauer Verlags mit rund 500 überwiegend deutschsprachigen Titeln in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Weil das schnelle Wachstum der Gruppe das 1978 in Betrieb genommene Buchlager in Kirchberg (BE) an seine Grenzen brachte, lies der Verleger ein Gebäude in Pieterlen (BE) errichten, in dem ab 1999 das Zentrallager und kurz danach auch Serviceabteilungen wie Buchhaltung, Auftragsbearbeitung und Kundenservice untergebracht waren. Der Schweizer Verlagsbereich hatte währenddessen seine Büros im Berner Universitätsviertel Länggasse in enger Nachbarschaft zur Schweizer Wissenschaftscommunity.
Peter Lang-Verlage publizieren ein breites Spektrum an Geistes- und Sozialwissenschaften in unterschiedlichen Sprachen, wobei jeder Standort eigene, zum Teil regional bedingte Schwerpunkte herausgebildet hat. Die Rechtswissenschaften sind beim deutschen Peter Lang-Verlag seit Beginn stark vertreten und machen etwa 20 Prozent des Verlagsprogramms aus. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Sprach- und Literaturwissenschaften. Viele Reihen des Verlages wie etwa „Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien“ oder „Politische Kulturforschung“ gehören zu etablierten Foren ihres Faches. Publikationen im Rahmen der „Studien des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin“, eine Reihe zu Themen der DDR-Politik und der innerdeutschen Beziehungen, sorgen bei ihrem Erscheinen regelmässig für große mediale und öffentliche Aufmerksamkeit. Der 1977 gegründete Schweizer Verlagsbereich publiziert rund 200 neue Titel pro Jahr, seine Schwerpunkte liegen unter anderem auf den Bereichen Linguistik und Kunst. Mit der 2001 gegründeten und derzeit 228 Bände umfassenden Reihe „Linguistic Insights“ veröffentlicht er eine der international renommiertesten Reihen im Bereich angewandte Sprachwissenschaft und Sprachtheorie. Die „Zeitschrift für Germanistik“ und das „Jahrbuch für internationale Germanistik“ bieten Germanisten im In- und Ausland ein anerkanntes Forum zur Diskussion von Problemstellungen, Theorieansätzen und Perspektiven des Fachs. In Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie dem Schweizerischen Forschungszentrum für Glasmalerei und Glaskunst „Vitrocentre Romont“ entstehen inhaltlich und gestalterisch hochwertige Publikationen wie der Bildband „Reflets de Venise“ zu Gläsern des 16. und 17. Jahrhunderts in Schweizer Sammlungen. Im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) gibt der Verlag das Schweizer Theater-Jahrbuch MIMOS heraus. Es ist dem Theaterleben der Schweiz gewidmet und vereint Beiträge von Theaterexperten in den Schweizer Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch sowie auf Englisch. Monographien wie der 2014 erschienene Titel „Parlamentarische Repräsentationen“, eine Darstellung der 150-jährigen Geschichte des Berner Bundeshauses im Kontext internationaler Parlamentsbauten, stossen auch ausserhalb der Wissenschaftsgemeinde auf breites Interesse.
Um die wissenschaftliche Integrität dieser und anderer Publikationen zu gewährleisten, ist jeder Veröffentlichung bei Peter Lang ein Peer-Review-Verfahren vorgeschaltet. Darüber hinaus ist die Gruppe Mitglied der „Crossref Similarity Check“Initiative, bei der jede neue Publikation vor Veröffentlichung in einer Datenbank hinterlegt und auf Ähnlichkeiten mit bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Texten abgeglichen wird.
Bis heute ist der deutsche Verlagsbereich das Flaggschiff der Gruppe, pro Jahr werden rund 900 Titel in den Geistes-, Gesellschafts-, Rechtsund Wirtschaftswissenschaften verlegt und junge Wissenschaftler u.a. mit dem Peter Lang Nachwuchspreis aktiv gefördert.
Wissenschaftliche Publikationssysteme im Wandel
Peter Lang war 2001 ohne Nachkommen verstorben und hatte schon zu Lebzeiten seinen Besitz in den Peter Lang Children’s Trust überführt, dessen Ziel es ist, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu fördern. Nach dem Tod des Verlegers führte die Stiftung sein Unternehmen weiter, erkannte aber angesichts rasant fortschreitender technischer Entwicklungen die Notwendigkeit einer Firmenstruktur, die den Veränderungen im wissenschaftlichen Publikationswesen flexibel begegnen kann. 2015 erfolgte der Verkauf der Verlagsgruppe im Rahmen eines Management-Buyouts. Die operative Leitung der Verlagsgruppe Peter Lang liegt heute bei Kelly Shergill (CEO), Vanessa Weber (CFO), Diana Timm (Global IT Director) und Adam Gardner (Global Commercial Director). Die regionalen Geschäfte werden von Dr. Sven Fund (Geschäftsführer Peter Lang GmbH), Dr. Farideh Koohi-Kamali (Senior Vice President Peter Lang Publishing Inc.), Dr. Bianca Matzek (Verlagsleiterin Peter Lang AG), Lucy Melville (Publishing Director Peter Lang Ltd) und Dr. Laurence Pagacz (Managing/Publishing Director P.I.E. – Peter Lang SA) geführt.
Die Neuausrichtung der Firmenstruktur erfolgte in einer Zeit gravierender Veränderungen wissenschaftlicher Publikationssysteme. Die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung erlauben eine zeitlich beschleunigte und im Prinzip unbegrenzte Verbreitung wissenschaftlicher Texte und Daten. Sie verändern damit auch die traditionelle Rolle von Bibliotheken und Verlagen, insbesondere wissenschaftlichen. Das strategische Unternehmensziel der neuen Peter Lang-Unternehmensführung ist es, die kritischen Erfolgsfaktoren dieser Transformation zu identifizieren und die offene und dauerhafte Verfügbarkeit von Peter Lang-Publikationen zu gewährleisten. Seit 2010 erscheinen alle neuen Peter Lang-Editionen sowohl in gedruckter als auch in digitalisierter Form in unterschiedlichen elektronischen Formaten. Gleichzeitig wurde mit der Anpassung der Rahmenbedingungen zu Open Access und Investitionen in eine Open Access-Infrastruktur begonnen. Obwohl Open Access Modelle bislang hauptsächlich im Bereich der wissenschaftlichen Journale zu finden sind, engagierte sich die Peter Lang AG im Rahmen des vom Schweizer Nationalfonds SNF initiierten Pilotprojektes OAPEN-CH an der Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle auch für Monographien und Sammelbände. Seit 2014 haben Autoren die Möglichkeit, ihre Werke im „Goldenen“ oder „Grünen“ Weg des Open Access bei Peter Lang zu veröffentlichen. Die digitale Transformation verändert aber nicht nur die Rezeption sondern auch den Vertrieb wissenschaftlicher Werke. Weltweit werden wissenschaftliche Bibliotheken von der veränderten Informationspraxis der Bibliotheksnutzer beeinflusst und setzen immer stärker auf digitale Medien. Die E-BookBeschaffung folgt dabei völlig anderen Regeln als die von Printprodukten und schafft eine Vielzahl von Möglichkeiten in Bezug auf Lizenzierungs- und Zugriffsmodelle, Preisgestaltung sowie Workflow, Bereitstellung und Lieferung des Contents.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hatte die Verlagsgruppe ab 2014 damit begonnen, ihren Webauftritt neu zu konzipieren und zu einer modernen Content-Plattform auszubauen. Heute sind alle E-Books von Peter Lang in den verlagseigenen Webshop integriert und auf Buch- oder Kapitelebene erwerbbar. Institutionelle Kunden haben die Wahlmöglichkeit zwischen Kauf und Lizenzierung der Inhalte. Im Fall einer Lizenzierung gilt das Prinzip der „Evidence Based Selection“ (EBS) bzw. „Patron Driven Acquisition“ (PDA): Bibliotheken erhalten gegen Bezahlung einer Gebühr Zugriff auf das gesamte E-Book-Angebot und wählen nach Ablauf einer definierten Frist – basierend u.a. aufgrund der Nutzungszahlen – die E-Books aus, die sie dauerhaft erwerben möchten. Darüber hinaus überführt Peter Lang standardmässig alle digitalen Inhalte in ein sogenanntes „Dark Archive“ für digitale Daten. Damit ist gewährleistet, dass digitale Informationsressourcen von Peter Lang dauerhaft zugriffsfähig sind und für die Wissenschaftsgemeinschaft unabhängig von technologischen und organisatorischen Entwicklungen sicher verwahrt werden.
Strategisches Ziel: globale Lieferfähigkeit
In der Herstellung von Printpublikationen setzte die Verlagsgruppe schon frühzeitig auf Standardisierung und Zentralisierung sowie auf den Digitaldruck. Da die Auflagen akademischer Publikationen deutlich kleiner sind als die etwa belletristischer Werke, hat der Digitaldruck neben der kostengünstigen Kleinauflagenproduktion den Vorteil, dass Titel auch bei geringerer Nachfrage langfristig verfügbar gehalten werden können. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Peter Lang erfolgreich mit der internationalen Buchdruckereien-Gruppe CPI zusammen, die Peter Lang-Editionen druckt und an das Zentrallager der Gruppe liefert. Parallel dazu werden Lehrbücher für den nordamerikanischen Markt vor Ort produziert und ausgeliefert.
In Deutschland hat das Barsortiment Libri das gesamte Programm von Peter Lang an seinem Lager und ermöglicht dessen Auslieferung an angeschlossene Buchhandlungen per Overnight-Delivery. Vergleichbare Vereinbarungen mit Gardners Books in Großbritannien und University of Toronto Press Distribution in Kanada gewährleisten die Verfügbarkeit von Peter Lang-Titeln in diesen Märkten.
In einer globalisierten Wissenschaftslandschaft erwarten Studierende und Wissenschaftler immer schnelleren Zugriff auf aktuelle Forschungsliteratur. Gleichzeitig sind die klassischen Formate geisteswissenschaftlicher Publikationen – Monographien und Sammelbände – nach wie vor als Printprodukte sehr gefragt. Um diesen Ansprüchen zu begegnen, baute die Peter Lang-Geschäftsleitung 2017 ihre Geschäftsbeziehung mit dem Druckdienstleister CPI zu einer strategischen Partnerschaft aus. Die Vereinbarung umfasst die Auflösung des Schweizer Zentrallagers zum Frühjahr 2018 und den Aufbau globaler Print-on-Demand-Strukturen in Zusammenarbeit mit regionalen Partnern. Gleichzeitig wird die Digitalisierung älterer Titel massiv vorangetrieben. Dem strategischen Ziel, jedes Buch von Peter Lang weltweit auf Anfrage schnell lieferbar zu machen, sind damit die Weichen gestellt. Mit der Schließung des Buchlagers in Pieterlen ist der Hauptsitz der Verlagsgruppe am 2016 bezogenen Standort im Berner Monbijouquartier konzentriert. Hier arbeiten der Schweizer Peter Lang-Verlag, die Gruppen-Geschäftsleitung und die zentralen Serviceabteilungen Kundendienst, Buchhaltung, Werbung, Vertrieb und Presse eng mit den übrigen Standorten der Gruppe und den externen Partnern zusammen. Weitere Veränderungen betreffen den deutschen Verlagsstandort der Gruppe, denn seit der Wiedervereinigung hatte sich die deutsche Hauptstadt mit drei großen Universitäten und zahlreichen Forschungseinrichtungen zum Zentrum der deutschen Wissenschaftsgemeinde entwickelt. Vor diesem Hintergrund wurde 2017 der Umzug der Peter Lang GmbH von Frankfurt nach Berlin beschlossen, der bis 2018 vollzogen sein wird.
An seinem neuen Standort in Berlin-Mitte, in direkter Nachbarschaft zur Humboldt-Universität und zur Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, ist der Verlag ideal positioniert, um die Veränderungen im wissenschaftlichen Publizieren schnell aufgreifen und umsetzen zu können. Nicht das Beharren auf Traditionen, sondern flexibles Reagieren auf die Trends, die Wissenschaft und Verlagswesen prägen, war das Motto des Verlagsgründers. Es wird bis heute gelebt. (ab)