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Unser Fragebogen – Jan Wenzel: eBooks sind mir egal.

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2020
Antworten von Jan Wenzel, Spector Books, Leipzig

 

Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?

Ein Buch an das ich mich sehr stark erinnere, ist der Band „Sagen der Lausitz“ aus dem Bautzener Domowina-Verlag, mit den Illustrationen von Martin Nowak-Neumann. Meine Mutter las mir aus diesem Buch jeden Abend vor – mein Bruder war gerade geboren und mein Vater musste für einige Monate als Reservist zur Armee. Dieses abendliche Vorlesen ist mir stark im Gedächtnis geblieben – und die Mittagsfrau, der Smy, Krabat und Irrlichter sind mir noch heute präsent. Das Buch, das 1962 erschienen ist, ist inzwischen in der 16. Auflage und auch im Bücherschrank meiner Kinder findet sich ein Exemplar.

Ihre drei Lieblingsbücher sind …

– Friederike Mayröcker: Reise durch die Nacht (in der von Lothar Reher gestalten Spektrum-Ausgabe von Volk & Welt) – Michail Bachtin: Karneval und Lachkultur – Ferdinand Kriwet: Apollo Amerika

Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?

Auf gar keinen Fall: ich will Bücher, aufgeschlagene Bücher, Stapel von Büchern, die ich in dem Raum, in dem ich bin, um mich platzieren kann. Ich will mit ihnen leben. eBooks sind mir egal.

Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?

Wenn ich lese, kann ich von mir absehen, ich folge dem Geflecht der Bücher, ich komme mit ihnen in Zeiten, zu denen ich sonst keinen Zugang hätte und verkehre mit Menschen, die ich nie gesehen habe; ich folge den Büchern, lasse mich von ihnen leiten.

Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?

Es ist fordernd, manchmal nervenaufreibend, aber es ist eine Form intellektueller Arbeit, die mir gefällt, da man beim Verlegen einen intensiven Kontakt zur Welt hat: zu den Autoren, zu den Gestaltern, zu den Druckern, den Distributoren, den Lesern. Man kommt in jeden Winkel, und hat dabei die unterschiedlichsten Aufgaben zu lösen.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

1996 haben wir uns in der GfZK in Leipzig beim Aufbau einer Installation von Ilya Kabakow kennengelernt, deren Dokumentation war unser erstes gemeinsames Buch. Dabei haben wir Feuer gefangen. 2001 haben wir dann den Verlag gegründet.

Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?

Ich schätze besonders die Verleger des Malik-Verlags Wieland Herzfeld und John Heartfield.

Wie beginnt ein guter Tag als VerlegerIn?

Möglichst ruhig. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, arbeite ich zwei Stunden zu Hause, erst dann gehe ich in den Verlag. Dort ist dann kein Tag wie der andere.

Und wie sieht ein schlechter Tag aus?

Es gibt Tage, wo man die Gewalt der Zeit spürt, wo die Dinge schneller gehen müssen, als es möglich ist, das können dann sehr mühsame Tage sein.

Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?

Ein Verlag ist kein Unternehmen wie jedes andere. Er ist intellektuelle Arbeit und unternehmerisches Spiel. Wirtschaftlichkeit und Verschwendung. Kalkül und Leidenschaft. Jeder Verleger verfolgt mit den unterschiedlichsten Strategien und Taktiken dasselbe Ziel: sich und seine risikoreiche Unternehmung zu erhalten. Das heißt, sicherzustellen, dass auch weiterhin produziert werden kann; ökonomisch so erfolgreich zu sein, dass ein hochkomplexes Programm jedes Jahr aufs Neue finanzierbar ist. Dass uns das schon fast zwanzig Jahre gelungen ist, ist das spannendste Ereignis das mir einfällt.

In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten – welche wäre es?

Die Backlist ist genauso wichtig wie das aktuelle Programm. Bücher haben andere Zyklen als Obst. Sie sind keine verderbliche Ware.

Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2025 durch elektronische Informationen erwirtschaften?

Unser Geschäftsfeld sind Bücher, mit elektronischen Informationen sollen andere ihre Geschäfte machen.

Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?

Sie wird in Bewegung sein. Wie schrieb Ferdinand Kriwet: „Die Zeit des Buches kommt erst noch.“ Das Medium Buch wird durch seine Robustheit sicher für das Anthropozän wichtiger werden als der Computer. Das zumindest zeichnet sich deutlich ab.

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