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Unser Fragebogen – Ingo Držečnik

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 1/2018
Ingo Držečnik, Elfenbein Verlag, Berlin

Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?

Es sind drei Bücher aus meiner Kindheit, an die ich mich als „erste Bücher“ erinnere: „Die kleine Raupe Nimmersatt“, „Hänschen im Blaubeerwald“ und „Der Struwwelpeter“ – vermutlich habe ich sie in dieser Reihenfolge kennengelernt. Ich habe sie auch meinen Kindern gerne vorgelesen und mich dabei erinnert, lange davon überzeugt gewesen zu sein, dass der mit seinem Regenschirm davonfliegende Robert in irgendeinem anderen Buch doch wieder landen und von den tollsten Erlebnissen erzählen müsste.

Ihre drei Lieblingsbücher sind …

Es sind natürlich viel mehr, aber wenn ich nur drei nennen darf, dann diejenigen, die mich als junger Mann am stärksten beeindruckten, auf unterschiedlichste Weise freilich – und bis heute noch nachwirken: Franz Kafkas „Prozess“; Hans Erich Nossacks „Unmögliche Beweisaufnahme“; Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“.

Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?

Nein. Ich würde überhaupt kein Buch als E-Book lesen wollen, solange es noch anders geht. Neben den oft genug genannten haptischen, optischen, olfaktorischen Gründen verbinde ich mit dem Bildschirm in erster Linie Arbeit — mit dem gedruckten Buch aber nicht.

Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?

Gegen Stress kann mir Lesen durchaus helfen, aber dazu muss ich den Text gezielt auswählen, wissen, dass er mich entspannen, „entschleunigen“ wird, weil er Ruhe verströmt, sich und mir Zeit lässt: die Romane aus Anthony Powells „Tanz“-Zyklus sind dafür wunderbar geeignet; Lesen entspannt mich aber in der Regel nicht, im Gegenteil, es regt mich an, provoziert mein Denken, wühlt mich auch gelegentlich auf, es „spannt“ irgendwie an: Klabunds expressionistische Romane, Rainer Klouberts Erzählungen oder Alban Nikolai Herbsts „Anderswelt“-Trilogie zum Beispiel. Um negativen Stress zu bewältigen, versuche ich eher, spazieren zu gehen, ins Kaffeehaus zu gehen, überhaupt: zu gehen.

Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?

Als ich 1996 mit meinem Studienfreund Roman Pliske den Elfenbein Verlag gründete, kam mir das in der Tat so vor, Traumberuf: Verleger. Wir waren Mitte zwanzig, noch nicht einmal examinierte Studenten und machten uns selbständig. Wir wussten ja nicht, was das wirklich bedeutet. Im Rückblick erscheint mir das durchaus wie in einem Traum. Dass ich aber von einem halben Dutzend literarischer Neuerscheinungen pro Jahr kaum leben kann und, wenn ich dieses Elfenbein-Profil nicht verwischen will, ein echtes Standbein benötige, um es eben weiter so zu betreiben, wie ich es will, wurde mir erst mit der Zeit deutlich. In jedem Falle macht es mir große Freude, Bücher zu verlegen, von denen ich denke, dass auch andere ihre Freude an ihnen haben könnten.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Der Verlag wurde zunächst nur für einen einzigen Gedichtband gegründet: für „Unterderhand“ von Andreas Holschuh. Er hatte zuvor in unserer kleinen studentischen Zeitschrift „metamorphosen“ veröffentlicht – die es übrigens immer noch gibt, von anderen Studenten freilich gemacht – und wir fanden, diese Gedichte seien es wert, in einem schönen Buch versammelt zu werden.

Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?

Ein Vorbild im Sinne einer Gestalt, der ich nachzueifern gedenke, habe ich nicht – wenngleich es natürlich Verlegerpersönlichkeiten gab, deren Wirken ich tief bewundere: Siegfried Unseld, der in der Nachkriegsödnis einen literarischen Acker neu bestellte, der noch immer die erlesensten Früchte bringt; und vor ihm Kurt Wolff, der so viele bedeutende Autoren entdeckte, die heute nicht mehr wegzudenken sind: Franz Kafka, Stefan Heym, Heinrich Mann; und vor ihm … Aldo Manuzio natürlich und seine typografischen Wunderwerke der Weltliteratur. Von diesen dreien würde ich gerne jeweils ein kleines, kleines bisschen „erben“.

Wie beginnt ein guter Tag als VerlegerIn?

Ein guter Tag beginnt mit der Lektüre eines guten Manuskripts.

Und wie sieht ein schlechter Tag aus?

Schlechte Tage gibt es ja kaum. Selbst die lästigen betriebswirtschaftlichen Pflichten oder auch enormer Zeitdruck vor Buchmessen oder Lesungen wiegen gegenüber den vielen Glücksmomenten, die ein Tag im Leben eines Verlegers in der Regel bietet, kaum etwas.

Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?

Die Verhandlungen um die deutschen Rechte an Anthony Powells Romanzyklus „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ waren für mich bisher das aufregendste Ereignis: Zu einem Zeitpunkt, als sich die Verhandlungspartner geeinigt, Hände geschüttelt, sich verabschiedet hatten und die Tür bereits wieder verschlossen war, stieß ein anderer sie noch einmal auf und wedelte mit seinem Scheckbuch. Einige Wochen war alles wieder unklar und alle Vorfreude auf dieses Projekt empfindlich getrübt. Letzten Endes aber blieb Fortuna Elfenbein treu.

In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten – welche wäre es?

„Wenn ich König von Deutschland wär …“, würde ich das VLB als kostenloses und verpflichtendes Nachschlage- und Bestellwerkzeug für Buchhändler einführen. Die Auskunft „nicht lieferbar“ wird einem Kunden ja leider immer noch allzu oft erteilt, wenn ein Titel nicht beim Barsortiment gelistet ist.

Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2020 durch elektronische Informationen erwirtschaften?

Wahrscheinlich kaum ein einziges. Ich mag mir das Szenario auch gar nicht vorstellen, dass ich nach monatelanger Arbeit am Bildschirm am Ende bloß ein Produkt verkaufen soll, das am Bildschirm gelesen wird. Ich will ja auch nicht am Bildschirm lesen, ganz gleich wie gut er das gedruckte Buch zu simulieren versteht.

Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?

Ich glaube nicht an grundlegende Veränderungen innerhalb so kurzer Zeiträume. In den letzten zwei Jahrzehnten, die ich mit dem Elfenbein Verlag überschauen kann, wurde mehrmals das Ende der Buchpreisbindung vorhergesagt, mehrmals vom drastischen Rückgang der Buchkäufer und überhaupt der Leser gesprochen, mehrmals ein großes Verlagssterben angekündigt, mehrmals das gedruckte Buch aus auslaufendes Modell dargestellt — was ist davon wirklich eingetreten? Ich denke, die Verlagslandschaft ist insgesamt gesehen doch recht stabil.

 

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