Globalisierung und Mobilität prägen die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse unserer Zeit. Das gilt insbesondere für die Industriegesellschaften Westeuropas und Nordamerikas. Deren Funktionsfähigkeit und Wohlstand wären ohne diese prägenden Merkmale nicht denkbar. Als wichtigster Schlüssel für Bestand und Entwicklung des auf internationale Globalisierung und Mobilität ausgerichteten Gesellschafts- und Wirtschaftssystems der westlichen Welt gilt der Luftverkehr mit Personen und Waren. Dessen Wachstum korrelierte jahrzehntelang unmittelbar mit dem politisch erwünschten Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand. Die Folgen dieses Wachstums für Umweltund Klimaschutz waren zwar immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. An dem scheinbar grenzenlosen weiteren Wachstum des internationalen Luftverkehrs änderten diese Debatten jedoch nichts. Die nationalstaatlichen Gesetzgeber konnten sich der politischen Verantwortung dafür unter Hinweis auf den internationalen Zusammenhang des Problems weitgehend erfolgreich entziehen. Auch die Rechtswissenschaft behandelte das Luftverkehrsrecht bisher eher stiefmütterlich. Versuche der Gerichte, den elementaren Konflikt zwischen Umwelt und Wirtschaft in diesem komplizierten, aber für große Teile der Bevölkerung wichtigen Spezialbereich rechtlich einzuhegen, blieben zaghaft und auf Einzelfälle beschränkt. Erst die mit der globalen Corona-Pandemie einhergehende starke Veränderung und Einschränkung der Flugbewegungen sowie die gleichzeitige internationale Dramatisierung des durch den Luftverkehr besonders augenfällig geförderten Treibhauseffekts zu einem die Menschheit bedrohenden Klimawandel haben die Gelegenheit eröffnet, mit Aussicht auf Erfolg für den Umweltschutz auch im Luftverkehrsrecht zumindest den Stellenwert einzufordern, den er in anderen Bereichen des Anlagenrechts längst erreicht hat. Damit träte der Umweltschutz hier gleichrangig neben die seit jeher anerkannten Ziele der technisch-betrieblichen und polizeilichen Sicherheit sowie der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs. Die im Folgenden zu besprechenden Werke tragen dazu bei, im Rahmen der Strukturen des Luftverkehrsrechts die Möglichkeiten und Grenzen dafür aufzuzeigen, in diesem von hoher technischer Dynamik bestimmten Bereich mit der Steuerungsleistung des Rechts endlich die noch ausstehende, jedoch überfällige Umweltgerechtigkeit herzustellen, die heute zu den Legitimitätsgrundlagen jeder demokratischen und sozialen Rechtsordnung gehört.
Walter Schwenk / Elmar Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, Carl Heymanns Verlag, Köln, 5. Aufl. 2019. ISBN 978-3-452-29094-6; 874 S., geb., € 148,00.
Diese Gesamtdarstellung des für den Luftverkehr maßgebenden deutschen, europäischen und internationalen Rechts gilt seit der Erstauflage von 1981 als Standardwerk der Luftrechtsliteratur. Das beruht auf der Leistung der Autoren, die Komplexität und Vielfalt der dazu gehörenden Regelungen durch Rückgriff auf die ihnen zugrundeliegenden Strukturen so zu präsentieren, dass dem Leser der Überblick nicht verlorengeht. Dem dient zunächst der einleitende Teil über die Grundlagen des Luftverkehrsrechts. Er erläutert in knapper Form den Begriff und die Entwicklung dieses Rechtsgebiets und seiner Rechtsquellen sowie deren Geltungsbereich in Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten. Im anschließenden zweiten Teil werden – ebenfalls in gebotener Kürze – die Organisationen vorgestellt, die auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene das komplexe Räderwerk des Luftverkehrs in Gang halten. Den Hauptteil des Werkes bildet mit etwa vier Fünfteln des Textes der dritte Teil, in dem ausführlich und umfassend die einzelnen Regelungsgegenstände des Luftverkehrsrechts behandelt werden: Luftraum, Flugsicherung, Verkehrsregeln, Luftfahrtgerät, Luftfahrtpersonal, Flugplätze, Luftfahrtunternehmen, Sicherheitsmanagement, Flugunfalluntersuchung, die Arten des Luftverkehrs, Haftungsfragen, Luftfahrtversicherung, Verbraucherschutz, Luftsicherheit und – last but not least – der Umweltschutz. Die sich hier insbesondere zum Fluglärm stellenden Fragen sind wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung jeweils Gegenstand gesonderter Darstellung.
Bei der Behandlung der für Flugplätze relevanten Zulassungsverfahren – Genehmigung und Planfeststellung – wird das Thema Fluglärm zu Recht als eines der Hauptprobleme identifiziert. Zur Bewältigung dieses Problems sei die Planungsbehörde nicht auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes beschränkt, sondern müsse ein komplettes und individuelles Gesamtkonzept erarbeiten, wozu auch mögliche Maßnahmen aktiven Lärmschutzes wie flugbetriebliche Beschränkungen zu prüfen und ggf. festzusetzen seien. Die in § 8 Abs. 1 LuftVG geregelte Pflicht der Planungsbehörde, die in § 2 Abs. 2 FluglärmG festgelegten Immissionsgrenzwerte zu beachten, schließe es aus, diese Werte nur als Mindeststandards anzusehen. Den eigentlichen Ansatzpunkt für die Fluglärmbekämpfung müsse die Bekämpfung der Lärmursache durch aktiven Schallschutz bilden. Die Reduktion des Triebwerklärms durch Emissionsgrenzwerte für Triebwerke werfe allerdings wegen der internationalen Verflechtung des Luftverkehrs erhebliche Probleme auf. Soweit die Flugsicherheit, die immer Vorrang haben müsse, es zulasse, könne aktiver Schallschutz auch dadurch betrieben werden, dass die An- und Abflugwege bei Start und Landung möglichst nicht über dichtbesiedelte Gebiete geführt oder über verschiedene Wege verteilt oder lärmmindernde Start- und Landeverfahren vorgeschrieben würden. Verkehrsbeschränkungen auf den Flugplätzen selbst wie Nacht-Start- und -Landeverbote wirkten sich dagegen insbesondere für den Frachtflugverkehr sehr hemmend aus.
Auch die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Flugzeugtriebwerken produzierten Emissionen von Luftschadstoffen werden als Problem des Umweltschutzes in den Blick genommen. Dabei weisen die Verfasser darauf hin, dass die Freisetzung solcher Emissionen durch Flugzeuge in großen Höhen zu einem stärkeren Negativeffekt auf die Atmosphäre führe und den Klimawandel begünstige. Dieser könne jedoch nur global effektiv bekämpft werden. Die weltweite Einführung von Steuern und Abgaben auf Treibstoffe und Emissionen sei bisher am Widerstand der Internationalen Luftfahrtorganisation (ICAO) gescheitert. Versuche, ein gemeinsames Vorgehen und eine globale Politik zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Luftfahrt zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Deshalb habe die Europäische Union ihr bisher im Wesentlichen nur stationäre Anlagen betreffendes Emissionshandelssystem 2012 auf den Luftverkehr ausgeweitet. Dies verstoße jedoch gegen das Prinzip der staatlichen Souveränität im Luftraum, gegen die in Art. 15 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt vereinbarte Abgabenfreiheit sowie gegen die im Kyoto-Protokoll vereinbarte Freistellung der Entwicklungsländer von den Klimaschutzzielen und sei deshalb völkerrechtswidrig. Die anderslautende Rechtsauffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union überschreite die der Union von den Mitgliedstaaten übertragenen Kompetenzen und sei deshalb nicht bindend (ultra vires). Wegen des damit begründeten Widerstandes wichtiger Luftfahrtnationen gegen die Einbeziehung ihrer Fluggesellschaften in das Europäische Emissionshandelssystem habe die Europäische Union den Emissionshandel für Luftverkehrstätigkeiten bis Ende 2023 faktisch auf Flüge innerhalb der Union beschränkt. Stattdessen solle ein globales System der Kompensation wachstumsbedingter CO2 Emissionen des internationalen Luftverkehrs durch Klimaschutzprojekte (CORSIA) eingeführt werden.
Felix Ekardt / Franziska Heß, Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019. ISBN 978-3-8487-5671-1; 198 S., kart., € 58,00.
Das 1971 erlassene und 2007 grundlegend novellierte Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm ist eine spezialgesetzliche Regelung des Verkehrslärms, der eine der größten von den Betroffenen wahrgenommenen Umweltbelastungen darstellt. Zweck des Gesetzes ist es, in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen. Es dient damit einerseits der vorsorgenden Konfliktvermeidung durch Vorgaben für die Siedlungsplanung und andererseits der Festsetzung von Ansprüchen auf passiven Schallschutz für Wohngebäude in hochgradig fluglärmbelasteten Gebieten. Der von zwei in Wissenschaft und Praxis des Umweltrechts engagierten und profilierten Juristen verfasste Handkommentar zu diesem Gesetz enthält eine umfassende Darstellung der Rechtsgrundlagen des Schutzes vor Fluglärm. Die umfangreiche Einleitung ist zugleich eine Einführung in die Thematik. Dabei halten die Verfasser mit rechtspolitischer Kritik nicht hinter dem Berg, ohne dass die sachliche Ausgewogenheit ihrer Aussagen darunter leidet. Für die rechtliche Regulierung des Fluglärms weisen sie zu Recht darauf hin, dass die Unsicherheiten über die Vorhersehbarkeit der individuell unterschiedlichen Lärmwirkungen bei gleichzeitiger Kenntnis der u.U. gravierenden Gesundheitsrisiken dazu führen, dass das lärmbetroffene Umfeld von Flughäfen seit jeher ein höchst konfliktträchtiger und schwer zu befriedender Raum ist. Der Beitrag des Fluglärmgesetzes zur Bewältigung dieser Konflikte sei allerdings dadurch begrenzt, dass es nur die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des passiven Schallschutzes normiere, dagegen den aktiven Schallschutz ausdrücklich nicht erfasse. Deshalb definierten die in § 2 Abs. 2 FluglärmG festgelegten Grenzwerte nur den unumgänglichen Mindeststandard, nicht aber zugleich die in der nötigen Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Abwägung zu bestimmende individuelle untere Zumutbarkeitsgrenze. Der davon abweichenden Rechtsprechung, wonach diese Grenzwerte die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle auch für die Entscheidung über aktiven Schallschutz grundsätzlich abschließend regeln und die Planungsbehörde allenfalls in atypischen Fällen dem Unternehmer weitergehende Verpflichtungen auferlegen darf, halten die Verfasser durchgreifende, auch verfassungs- und unionsrechtlich eingehend begründete Zweifel entgegen.
Franziska Heß, Flugverfahren im luftrechtlichen Mehrebenensystem. Eine systematische Analyse von An- und Abflugverfahren im Prozess der Flughafenplanung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Verlag Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2019. ISBN 978-3-428-15696-2; 445 S., kart., € 119,00.
Diese bei Jan Ziekow entstandene, von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer mit der Bestnote bewertete und mit dem Willi-Blümel-Preis für Nachwuchswissenschaftler mit hervorragenden Leistungen ausgezeichnete Dissertation ist ein Beitrag zur Bestandsaufnahme und Fortentwicklung des Luftrechts, der Praxis und Wissenschaft in diesem Bereich nachhaltig prägen wird. Die Verfasserin, eine im Umwelt- und Planungsrecht profilierte Fachanwältin, hat das Kunststück vollbracht, neben ihrer zeitintensiven Anwaltstätigkeit eine hohen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdende und dabei auch für Praktiker gut lesbare Grundlagenarbeit zu den rechtlichen Anforderungen an die Festlegung von An- und Abflugverfahren im Nahbereich von Flughäfen fertigzustellen. Dabei handelt es sich um ein zentrales umweltrechtliches Problem bei der Flughafenplanung, da die größten Lärmauswirkungen des Luftverkehrs in den An- und Abflugschneisen von Flughäfen auftreten. Die An- und Abflugrouten werden allerdings nicht schon in der die Anlegung oder Änderung eines Flughafens zulassenden Entscheidung der zuständigen Landesbehörde verbindlich geregelt, sondern erst danach durch Rechtsverordnung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung festgelegt. Ihre Auswirkungen werden deshalb nur prognostisch in die Zulassungsentscheidung einbezogen. Das Verhältnis zwischen Flughafenplanung und Flugroutenfestsetzung ist das Thema dieser Arbeit. Im Einzelnen geht es um die Beziehung der einzelnen Planungsebenen zueinander sowie um die Konkretisierung des formellen und materiellen Prüfprogramms bei der Festlegung von Flugverfahren. Dabei ist insbesondere zu klären, ob – und wenn ja wie – eine von den Annahmen des Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahrens abweichende Flugverfahrensfestlegung mit den unionsrechtlichen Anforderungen an Umwelt- und FFH-Verträglichkeitsprüfung in Einklang gebracht werden kann. Ziel der Verfasserin ist ein System des Zusammenwirkens der verschiedenen Planungsebenen – Raumordnung, Planfeststellung und Flugroutenplanung –, das die Entstehung rechtsstaatlicher, grundrechtlicher oder unionsrechtlicher Defizite bei der Anlegung oder Änderung von Verkehrsflughäfen vermeidet. Das überzeugende Ergebnis ihrer detailreichen Überlegungen fasst sie auf 41 Seiten in Thesenform zusammen.
Sabine Schlacke / Dominik Römling / Daniel Schnittker, Gesetzgeberische Handlungsspielräume zur Stärkung des aktiven Schallschutzes im Luftverkehrsrecht, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2021. ISBN 978-3-8487-8033-4; 220 S., kart., € 58,00.
Die Diskrepanz zwischen der zur effektiven Fluglärmbekämpfung anerkannten Notwendigkeit aktiven Schallschutzes und der Beschränkung der spezialgesetzlichen Regelung des Fluglärmgesetzes auf den passiven Schallschutz sowie die nur begrenzte Bindungswirkung des der Zulassung eines Flughafens zugrunde liegenden Lärmschutzkonzepts für die nachfolgende Flugverfahrens-festlegung legen die rechtspolitische Forderung nahe, den aktiven Schallschutz im Luftverkehrsrecht durch gesetzgeberische Aktivitäten zu verbessern. Die Möglichkeiten hierfür will diese Untersuchung aufzeigen, die auf einem Gutachten der Verfasser für den Fluglärmschutzverein Rhein-Main e.V. beruht. Nach einer Einführung in das Thema mit seinem tatsächlichen und begrifflichen Hintergrund werden zunächst die rechtlichen Anforderungen an den Fluglärmschutz nach bisheriger Rechtslage eingehend dargestellt. Während das an den Belangen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit orientierte Luftverkehrsgesetz Umweltbelangen nur eine untergeordnete Bedeutung zumesse, sei die rechtliche Steuerung des Schallschutzes durch das Fluglärmgesetz auf den passiven Lärmschutz konzentriert. Dieser könne die durch Fluglärm verursachten Risiken und Einbußen an Lebensqualität jedoch nur ungenügend oder gar nicht beseitigen. Zur gesetzlichen Stärkung des aktiven Schallschutzes schlagen die Verfasser in Anlehnung an das Naturschutz- und Immissionsschutzrecht insbesondere eine Verschärfung des Lärmminimierungsgebots (§ 29b LuftVG), die Normierung einer dynamischen vorsorgeorientierten Lärmminderungspflicht für Flughafenbetreiber sowie die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für nachträgliche behördliche Anordnungen nach Zulassung eines Flughafens vor. Außerdem plädieren sie für eine stärkere Bindung der Festlegung von Flugverfahren an das Lärmschutzkonzept der Planfeststellung, eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen dieser Festlegung bei neuen Betroffenheiten und die Kodifizierung fluglärmbezogener Abwägungsvorgaben für diese Festlegung einschließlich eines Optimierungsgebots und einer umfassenden Alternativenprüfung. Die verfassungs-, unions- und völkerrechtliche Zulässigkeit ihrer Vorschläge wird von den Verfassern geprüft und bejaht. Eine Zusammenfassung der Flughafenzulassung und der Flugroutenfestlegung in einer integrierten Vorhabengenehmigung halten sie dagegen für sach- und systemwidrig. (us)
Dr. iur. Ulrich Storost (us) war bis zum Eintritt in den Ruhestand Mitglied des für Teile des Fachplanungsrechts zuständigen 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts. Er gehörte diesem Senat seit 1993 als Richter, von 2004 bis 2011 als Vorsitzender Richter an.
ulrich.storost@t-online.de