Vorsitzender Richter am BVerwG a. D. Dr. Ulrich Storost
Die seit Jahrzehnten zunehmende Komplexität unseres Rechtssystems stößt an die Funktionsgrenzen von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung. Der Anspruch des Grundgesetzes auf rechtsstaatliche Bindung aller Organe der Staatsgewalt droht damit unerfüllbar zu werden. Alternative Systeme autoritärer Prägung stehen in vielen einflussreichen Staaten innerhalb und außerhalb Europas bereit und locken mit dem Versprechen größerer Effizienz. Für die Verteidiger des Rechtsstaats ist die Attraktivität dieses Versprechens eine große Herausforderung. Das gilt insbesondere für das Umweltund Planungsrecht. Dieses betrifft mit dem Umweltschutz und der inhaltlich damit eng verknüpften Infrastrukturund Raumplanung Politikbereiche, die für die demokratische Öffentlichkeit heute im Mittelpunkt ihres Interesses und Engagements stehen. Gleichzeitig spitzt sich im Umwelt- und Planungsrecht die kaum noch beherrschbare und vermittelbare Komplexität verfahrens- und materiellrechtlicher Regelungen in besonders gebündelter Weise zu. Strategien zur Beseitigung oder zumindest Milderung dieser Spannung zwischen der politisch gebotenen Effizienz staatlicher Tätigkeit im Umwelt- und Planungsbereich und ihrer rechtsstaatlich gebotenen Einhegung durch rechtliche Regelungen sind deshalb dringend erforderlich. Auf der Ebene der Praxis müssen rechtssichere Lösungen für die in diesem Bereich tätigen Vorhabenträger, Planer und Gutachter entwickelt und durchgesetzt werden. Auf der Ebene der Wissenschaft müssen die sich in diesem Bereich stellenden Probleme analysiert und verständlich aufbereitet werden. Nur auf der Grundlage praktischen Erfahrungswissens und wissenschaftlicher Analyse ist schließlich eine erfolgversprechende Bewältigung der sich hier stellenden rechtspolitischen Gestaltungsaufgabe möglich. Die Lösung dieser Aufgabe dürfte für die Zukunftsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaats zumindest mitentscheidend sein. Die im Folgenden besprochenen Neuerscheinungen sind als Bausteine zu der erforderlichen Strategie einer Reduktion von Komplexität interessant und wertvoll. Als juristische Beiträge zu einer überfälligen Diskussion behalten sie auch dann ihren Wert, wenn realpolitische Entwicklungen und dadurch erzwungene Entscheidungen diese Diskussion überlagern und zeitweise in den Hintergrund drängen sollten.
Sven Fischerauer, Umweltrecht in der Praxis. Planung und Zulassung umweltrelevanter Vorhaben, Erich Schmidt, Berlin 2022. ISBN 978-3-503-20908-8; 555 S., kart., € 74,00.
Ganz auf die Praxis der Planung und Zulassung von Vorhaben ausgerichtet und doch zugleich ein Vorbild an didaktischer Aufbereitung des umfangreichen Rechtsstoffes ist diese auch für Nichtjuristen gut verständliche Einführung in das Umweltrecht. Vorhabenträger, Ingenieure, Umweltgutachter und Juristen, die an umweltrelevanten Projekten mitwirken, finden hier eine sachkundige Erläuterung der rechtlichen Vorgaben für die Beantwortung aller Fragen, die sich in der Praxis der Vorhabenplanung und Vorhabenzulassung in Bezug auf den Umweltschutz immer wieder stellen und Probleme aufwerfen können. Dem entspricht die inhaltliche Gliederung des Buches, die nicht mit Schlagworten, sondern anhand von Fragen durch das Weichengeflecht der Projektrealisierung führt. Im ersten Teil werden anhand einer solchen Gliederung die wichtigsten Grundlagen des Umweltrechts behandelt: Inhalt, Prinzipien und Instrumente des Umweltrechts, der Umgang mit Umweltgesetzen, die Rolle des Umwelteuroparechts und das – in der Praxis oft schwierige – Auffinden von Rechtstexten, Gerichtsentscheidungen und Informationen. Im zweiten Teil werden wiederkehrende, die einzelnen Bereiche des Umweltrechts übergreifende Fragen der Vorhabenplanung und -zulassung zu folgenden Themen beantwortet: Öffentlichkeitsbeteiligung, Antragsunterlagen und Fachgutachten, Bestandsschutz und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Rechtsschutz im Umweltrecht. Im dritten Teil werden die wichtigsten gesetzlichen Vorgaben für ausgewählte Bereiche des Umweltrechts erläutert: Immissionsschutzrecht, Gewässerschutzrecht, Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Naturschutzrecht. Die Ausführungen berücksichtigen den aktuellen Rechtsstand von Juni 2022. Didaktisch geschickt unterstützt wird der Leser durch zahlreiche, überwiegend vom Autor selbst erarbeitete schematische Übersichtsabbildungen, Tabellen und Checklisten, QR-Codes für den Aufruf wichtiger Texte im Internet, Praxisbeispiele und -hinweise sowie Hinweise auf vertiefende rechtsdogmatische Fragen. Die durch ein Stichwortverzeichnis erschlossene Gliederung des Textbildes durch Randnummern trägt ebenfalls zur Benutzerfreundlichkeit bei. Insgesamt ist Autor und Verlag mit diesem unkonventionell aufgebauten und gestalteten Praxishandbuch ein großer Wurf gelungen, der eine Lücke in dem an sich schon umfangreichen Schrifttum zum Umweltrecht füllt.
Max-Emanuel Geis, Raumplanungsrecht. Für Architekten, Ingenieure, Juristen, Städteplaner, Nomos, Baden-Baden 2022. ISBN 978-3-8487-3457-3; 197 S., kart., € 28,90.
Im Unterschied zum Umweltrecht ist Lehrbuchliteratur zum Raumplanungsrecht bisher nur begrenzt vorhanden. Das liegt daran, dass dieses Rechtsgebiet im juristischen Studium eher ein Schattendasein führt und in nicht juristischen Studiengängen meist mit Skripten abgedeckt wird. Mit dem vorliegenden Lehrbuch versucht der Verfasser, Inhaber eines Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg, diese Lücke im Schrifttum durch eine kompakte, für Studierende aller Disziplinen gut verständliche Darstellung zu füllen, die auch für die Praxis und Fortbildung von Architekten, Ingenieuren und Städteplanern ihren Wert hat. Nach einer kurzen Einführung in Aufgabe, Funktion und Geschichte der Raumplanung in Deutschland unter Einbeziehung ihrer europäischen Dimension werden die Akteure der Raumordnung und Landesplanung auf Bundes- und Landesebene, die dafür maßgeblichen Rechtsgrundlagen, die Instrumente und Verfahren der Raumordnung und ihrer Sicherung sowie der Rechtsschutz im Raumordnungsrecht behandelt. Aufgelockert werden die an sich schon in erfrischender Redeweise gehaltenen textlichen Ausführungen, die ihre Herkunft aus der entsprechenden Vorlesung des Verfassers nicht verbergen, durch anschauliche Praxisbeispiele, Karten und Abbildungen sowie im Schriftbild hervorgehobene Merksätze. Der Übersichtlichkeit dienen die Gliederung des Textes in Randnummern und ein darauf Bezug nehmendes, allerdings sehr lückenhaftes Stichwortverzeichnis. Das neuartige Buch ist, wie der Verfasser im Vorwort selbst hervorhebt, ein Experiment, das noch optimierbar ist. Für eine dabei zu erwartende Neuauflage sollten insbesondere die noch recht zahlreich verbliebenen redaktionellen Fehler, insbesondere Druckfehler, eliminiert werden. Außerdem sind nicht alle Zitate mit Nachweisen belegt. Inhaltlich könnte dem spannungsreichen Verhältnis des Raumordnungsrechts zum allgemeinen Planungsrecht einerseits, zum Fachplanungsrecht andererseits noch genauer nachgegangen werden. So ist die Aussage, es sei der Fachplanung im Rahmen der Planfeststellung verwehrt, eine eigene Standortabwägung durchzuführen und sich über die Festlegungen der Raumordnung hinwegzusetzen, in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Solche vom Verfasser ausdrücklich gewünschten Verbesserungsvorschläge ändern jedoch nichts daran, dass das Buch auch wegen seines moderaten Preises als Kompendium eines oft vernachlässigten Rechtsgebiets zur Anschaffung empfohlen werden kann.
Michael Goldhammer, Die Prognoseentscheidung im Öffentlichen Recht, Mohr Siebeck, Tübingen 2021. ISBN 978-3-16-159834-0; 505 S., Leinen, € 114,00.
Von der Ebene der Praxis auf die Ebene der Wissenschaft führt diese 2018 an der Universität Bayreuth entstandene juristische Habilitationsschrift. Der Autor analysiert in akademischer Breite die Gesamtheit des öffentlichen Rechts hinsichtlich des Umgangs mit Prognoseentscheidungen. Er trägt dazu eine Fülle von Material zusammen, das den vielschichtigen und dynamischen Umgang von Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung mit der grund-sätzlich offenen Zukunft belegt. Dieser Umgang ist, wie die Untersuchung zeigt, Ausdruck von Entscheidungen und nicht Folge kausalwissenschaftlicher Notwendigkeit. An dieser Realität scheitert letztlich der verbreitete Rationalitätsanspruch an modernes staatliches Handeln. Den Rahmen der Analyse bilden ausgewählte Rechtsgebiete des Staats- und Verwaltungsrechts: das Sicherheits- und Ordnungsrecht, das öffentliche Sozialrecht, das Umwelt- und Planungsrecht sowie das Recht der Telekommunikationsregulierung. Die durch diese induktive Herangehensweise vermittelte Bandbreite ergibt keinen allgemeinen dogmatischen Prognosebegriff, sondern einen bloßen Argumentationstopos, aus dem sich graduell ganz unterschiedliche Bindungen der institutionalisierten und konkretisierungsbefugten Entscheider herleiten lassen. So triumphiert in der zum Fachplanungsrecht gehörenden Dogmatik der Planrechtfertigung die durch den politischen Gestaltungswillen und seine optimistischen Annahmen determinierte „finale oder normative Prognose“, die der Entscheidung Akzeptanz verleihen soll, über alle empiriegestützten Prognosemodelle. Dagegen werden „explorative“ Auswirkungsprognosen innerhalb derselben Planfeststellung – z. B. zur FFH-Verträglichkeit bzw. Umweltverträglichkeit oder zum zu erwartenden Verkehrslärm – von den Gerichten innerhalb ihrer Funktionsgrenzen intensiv geprüft. Damit zusammen hängt auch die vom Autor am Beispiel des Projekts eines Endlagers für Atommüll vorgenommene Differenzierung zwischen tatsachenbezogener Ungewissheit und handlungsbezogener und damit normativierbarer Unsicherheit über künftige Ereignisse. Diese Differenzierung ermögliche eine Re-Politisierung der Zukunftsfragen, während eine Fixierung auf das Wissensproblem gefährlich sei, weil es zu Scheinsicherheit verleite.
Der praktische Ertrag der mit enormem Aufwand verfassten analytischen Arbeit bleibt bescheiden. Sie vermittelt zwar differenzierte Einblicke in das öffentlich-rechtliche Prognosewesen. Letzte Klarheit über die Bedeutung einer Einstufung staatlichen Handelns als „Prognoseentscheidung“ kann sie mangels Erkennbarkeit gemeinsamer Strukturen jedoch nicht vermitteln. Auch leidet die Darstellung an vermeidbaren Wiederholungen, die ihren Umfang unnötig aufblähen, einer vom Erkenntnisziel nicht gebotenen Weitschweifigkeit und einem hohen Abstraktionsanspruch, der dem Leser das Verständnis der begrifflichen Differenzierungen des Autors erschwert. Haften bleibt die resignative Charakterisierung der Prognose als „Kunst“ bis hin zur Erfindung von Geschichten zur retrospektiven Erklärung von Entscheidungen, deren wahre Gründe man niemals erfahren wird, und als „juristischer Allrounder“, dessen Funktion fallweise ganz Unterschiedliches, zum Teil sogar Gegensätzliches meinen kann. Das vom Autor genannte wesentliche Anliegen der Untersuchung, „die diverse Logik der Dogmatiken der Prognose herauszustellen“, wurde insoweit allerdings erfüllt.
Christina Lorenz, Akzeptanzmodelle. Eine rechtliche Analyse im Bereich erneuerbarer Energien, Mohr Siebeck, Tübingen 2022. ISBN 978-3-16-160267-2; 445 S., fadengeheftete Broschur, € 99,00.
Das Thema dieser bei Martin Kment an der Universität Augsburg entstandenen rechtswissenschaftlichen Dissertation hat durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2022 zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern neue Aktualität gewonnen. Durch diesen Beschluss wurde der aus der Sozialwissenschaft stammende Begriff der Akzeptanz als Beschreibung eines sozialen und psychologischen Phänomens vom Schlagwort zu einem Rechtsbegriff geadelt, der zur Rechtfertigung sonst fehlender Gesetzgebungskompetenz und zur Legitimation von Eingriffen in die Berufsfreiheit privater Vorhabenträger eingesetzt werden kann. Die außerordentlich gründliche und kenntnisreiche Arbeit entwickelt ein gesamtheitliches und verallgemeinerungsfähiges Regelungskonzept zur Akzeptanzsteigerung bei umweltrelevanten Vorhaben im Bereich erneuerbarer Energien. Unter Anwendung einer Kombination von verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Elementen soll dieses Konzept eine Akzeptanzsteigerung in der Bevölkerung herbeiführen. Dabei bedient sich die Verfasserin einer strikt wissenschaftlichen Vorgehensweise. Nach einer thematischen Einführung wird zunächst der Akzeptanzbegriff inhaltlich bestimmt und seine Bedeutung im Bereich erneuerbarer Energien dargestellt. In diesem Bereich gehe es um die Schaffung „optimierender“ Akzeptanz als Verfahrenszielbestimmung. Die relevanten Kriterien für die damit angestrebte Akzeptanzsteigerung werden von ihr unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Akteure umfassend und präzise herausgearbeitet. Hierauf aufbauend entwickelt sie im Hauptteil des Werkes ein integrales Gesamtkonzept zur Akzeptanzsteigerung, das in drei Phasen gestaffelt ist: Der ersten Phase einer obligatorischen frühen Öffentlichkeitsbeteiligung folgt bei Bedarf die zweite Phase des Einsatzes eines externen Projektinformationsmanagers, an die sich bei weiterem Bedarf als ultima ratio eine dritte Phase der wirtschaftlichen Partizipation der vom Vorhaben Betroffenen anschließt. Dabei hängt die Einleitung der zweiten und dritten Phase jeweils von einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde ab. Die Erkenntnisse der Verfasserin münden in einen ausgearbeiteten und eingehend begründeten Entwurf eines Bundesgesetzes zur Akzeptanzsteigerung bei umweltrelevanten Vorhaben zur Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energien. Dieser Entwurf greift vorhandene Ansätze im Bundes- und Landesrecht auf und perfektioniert sie in Auseinandersetzung mit deren Mängeln zu einer stimmigen Gesamtregelung. Damit kombiniert die Verfasserin ihren wissenschaftlichen Ansatz mit einer beeindruckenden rechtspolitischen Leistung, die nicht ohne Einfluss auf den Gang der anhaltenden Diskussion über weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Förderung der Energiewende bleiben dürfte.
Jakob Zywitz, Das Ombudswesen als institutionelle Gestaltungsoption des Umwelt- und Planungsrechts. Eine Reformanalyse unter Berücksichtigung ausländischer Ausgestaltungsvarianten, Mohr Siebeck, T übingen 2022. ISBN 978-3-16-161128-5; 243 S., fadengeheftete Broschur, € 74,00.
Ein anderes Modell zur Akzeptanzsteigerung für großräumige Infrastrukturplanungen behandelt diese bei Daniela Winkler an der Universität Köln entstandene juristische Dissertation. Sie untersucht, ob und in welchem Umfang die dem skandinavischen Rechtsraum entstammende Institution des Ombudswesens als Mittel der Verwaltungskontrolle für das deutsche Umwelt- und Planungsrecht eine Reformoption darstellen kann. Dazu wertet der Verfasser die bisherige Literaturdebatte aus, ermittelt und bewertet Ansätze des Ombudswesens im deutschen Recht und betrachtet vergleichend entsprechende Institutionen in ausländischen Rechtsordnungen.
Als Grundlage seiner Untersuchung dient eine im 1. Teil des Buches vorgenommene begriffliche Systematisierung, die das öffentlich-rechtliche Ombudswesen von privatrechtlich ausgestalteten Ombudsstellen einerseits und bloßer Mediationstätigkeit andererseits abgrenzt und seine wesentlichen Funktionen herausstellt: Schaffung einer personalisierten Korrektivinstanz, eines modernen Konfliktmanagementsystems im Vorfeld prozessualer Verwaltungskontrolle und eines Mittels zur Selbstoptimierung des Verwaltungshandelns. Nach der Durchmusterung der vorhandenen Literatur zum Thema und der Herausarbeitung eines sich daraus ergebenden Grundkonzepts im 2. Teil prüft der Verfasser im 3. Teil das deutsche Umwelt- und Planungsrecht auf entsprechende Ansätze und stellt dazu fest, dass dem Ombudswesen hier bisher nur geringe Relevanz zukommt. Im Unterschied dazu gebe es im Ausland eine Vielzahl umwelt- und planungsrechtlicher Ombudsinstitutionen, die im 4. Teil an Beispielen aus Schweden, Neuseeland, Ungarn und – ausführlich – Österreich dargestellt werden. Im 5. Teil setzt sich der Verfasser sodann gezielt mit den Möglichkeiten der Integration ombudsrechtlicher Elemente in das deutsche Umwelt- und Planungsrecht auseinander. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass für die Ausstattung einer Umweltombudsstelle mit einer eigenen Klagebefugnis kein Bedarf bestehe, da der überindividuelle Rechtsschutz durch das Verbandsklagewesen bereits ausreichend gewährleistet und eine weitere Durchbrechung des subjektiv-rechtlich ausgerichteten Rechtsschutzsystems nicht geboten sei. Zweckdienlich sei stattdessen eine Fokussierung des Aufgabenbereichs einer umwelt- und planungsrechtlichen Ombudsstelle auf die verwaltungsverfahrensrechtliche Vollzugsbegleitung und -kontrolle im Vorfeld von Zulassungsentscheidungen. Einen Bedarf hierfür bejaht der Verfasser insbesondere wegen der damit verbundenen Möglichkeit, die Akzeptanz von Planungsentscheidungen zu fördern, wobei es nahe liege, die planungsbegleitende Tätigkeit der Ombudsstelle auf alle der Zulassungsentscheidung vorgelagerten Planungsstufen zu erstrecken. Völkerrecht, Europarecht oder Verfassungsrecht ständen dem nicht entgegen. Abschließend entwickelt und begründet der Verfasser im 6. Teil seines Buches einen konkreten Umsetzungsvorschlag. Dieser mündet in dem Entwurf eines Gesetzes über die Einrichtung einer umwelt- und planungsrechtlichen Ombudsstelle des Bundes, der auch als Muster für entsprechende Landesgesetze dienen kann. Die kenntnisreiche Arbeit vermittelt interessante rechtshistorische und rechtsvergleichende Einblicke in eine im Zeichen der Akzeptanzsteigerung wieder aktuell gewordene Diskussion. Ob der rechtspolitische Vorschlag des Verfassers wirklich zielführend ist und nicht nur zu mehr bürokratischem Aufwand führt, bleibt jedoch fraglich.
Alexander Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, Walter de Gruyter, 2. Aufl. Berlin 2022. ISBN 978-3-11-071191-2; 895 S., kart., € 59,95.
Seit der 2017 erschienenen Erstauflage dieses Lehrbuchs (dazu fachbuchjournal 2017, S. 54) hat das internationale Umweltrecht in Anbetracht der Herausforderungen durch Artensterben und Klimawandel weiter an Bedeutung gewonnen. Die für die Neuauflage vorgenommene Überarbeitung durch das bewährte Autorenteam hat an dem übersichtlichen Aufbau und dem auf die Bedürfnisse von Studium, Wissenschaft und Praxis gleichermaßen ausgerichteten Konzept des Werkes nichts geändert. Umfassend dargestellt wird das Umweltvölkerrecht einschließlich seiner Bezüge zum allgemeinen Völkerrecht und zum europäischen Umweltrecht. Einbezogen werden die Entwicklungen bis Oktober 2021, die mit Blick auf einen effektiven Klimaschutz insbesondere durch Gerichtsentscheidungen vorangetrieben wurden.
Dazu weist Epiney in ihrem einleitenden Beitrag zutreffend darauf hin, dass es letztlich nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, umweltschutzrechtliche Elemente weiterzuentwickeln. Proelß stellt in seinem Beitrag zu den Prinzipien des internationalen Umweltrechts ergänzend fest, dass über die tatbestandliche Reichweite des seit langem dazu gehörenden Präventionsprinzips im Lichte der recht umfangreichen Judikatur des Internationalen Gerichtshofs wegen des Einzelfallbezugs des dabei angewandten Verhaltensmaßstabs der due diligence nach wie vor erhebliche Unsicherheiten bestehen. Im Bereich des Umweltschutzes durch Verfahren, den Epiney in einem eigenen Abschnitt behandelt, ist allerdings durch die Einbindung Einzelner über eine Verpflichtung der Staaten, diesen gewisse Verfahrensrechte zu garantieren, auf der europäischen Ebene dank der facettenreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union insoweit eine mit Blick auf die effektive Beachtung umweltrechtlicher Vorgaben vielversprechende Änderung eingetreten. Der Beitrag zum Verhältnis des Umweltschutzes zu den Menschenrechten (Vöneky/Beck) geht in diesem Zusammenhang auf das für Lateinamerika und die Karibik geltende Escazú-Übereinkommen von 2021 ein, das ähnlich wie die europäische Aarhus-Konvention von 1998 Einzelpersonen umweltbezogene Verfahrensrechte gewährleistet. Ein umfangreicher Abschnitt in diesem Beitrag ist der zunehmenden Zahl von Klimaklagen vor nationalen und internationalen Gerichten gewidmet, mit denen im Wege „strategischer Prozessführung“ unter Berufung auf eine Verletzung von Grund- und Menschenrechten Staaten oder einzelne Unternehmen zu verstärkten Klimaschutz- bzw. -anpassungsbemühungen verpflichtet werden sollen. Die Verfasser weisen dabei auf die Bedenken hin, die mit Blick auf die Gewaltenteilung gegen derartigen Klagen stattgebende Gerichtsentscheidungen bestehen. Gründlich überarbeitet wurde der Beitrag über den Zusammenhang von Umweltschutz und Handel (Stoll/ Gutt). Darin wird die noch weithin fehlende Koordinierung der internationalen Handelsordnung mit der internationalen Umweltpolitik kritisch beleuchtet, aber in den seit einiger Zeit vermehrt abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit besonderen Regelungen zum Umweltschutz auch eine Chance für mehr Umweltschutz gesehen. Durch die Neuauflage bewahrt dieses durch ein ausführliches Sachverzeichnis erschlossene, von wissenschaftlicher Sachlichkeit geprägte Buch seine hohe Aktualität. Allerdings hätte der Verlag für den inzwischen erreichten Umfang von fast 900 Seiten einen festen Einband wählen müssen, da die Broschur schon nach kurzem Gebrauch auseinanderzufallen beginnt. Das ist auch dem Inhalt nicht angemessen.
Dominik J. Snjka, Internationales Planungsrecht. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Umwelt-, des Infrastruktur- und des Seerechts, Mohr Siebeck,, Tübingen 2022. ISBN 978-3-16160698-4; 385 S., fadengeheftete Broschur, € 89,00.
Eine tiefgründige Ergänzung findet das zuvor besprochene Lehrbuch des internationalen Umweltrechts durch diese bei Wolfgang Durner an der Universität Bonn entstandene rechtswissenschaftliche Dissertation. Ihr Untersuchungszweck ist die Erfassung des internationalen Planungsrechts, eines bislang konzeptionell nicht erschlossenen Teilgebiets des Völkerrechts, in seinen Strukturen und Anwendungsfällen. Durch die inzwischen als Musterfall geopolitischer und wirtschaftlicher Fehlinvestition erkannte Planung und Realisierung der North Stream Pipelines zwischen Russland und Deutschland hat der Rechtsrahmen für Infrastrukturplanungen internationaler Größenordnung besondere Aktualität gewonnen. Aber auch der politisch in den Vordergrund getretene Umweltschutz mit dem Ziel „nachhaltiger Entwicklung“ ist ohne einen Rechtsrahmen für nicht an Staatsgrenzen orientierte räumliche Planungen nicht realistisch. Der Darstellung dieses Rechtsrahmens dient diese Arbeit.
Der Verfasser gelangt für die terrestrische Raumplanung zu einem eher ernüchternden Ergebnis. Das Planungsvölkerrecht, das sich vor allem im Namen des Umweltrechts entwickelt hat, oszilliere zwischen der souveränen Raumgestaltungsfreiheit des Territorialstaats und deren präventiver Beschränkung. Es enthalte für raumbeanspruchende Nutzungen kaum substantielle Anforderungen. Souveränitätsübergreifende Planungen erforderten stets die Kooperation der beteiligten Hoheitsträger, was allerdings im Einzelfall wenig über die real herrschenden Entscheidungsstrukturen aussage. Das Präventionsprinzip als nachbarrechtliches Verbot der erheblichen grenzüberschreitenden Umweltschädigung verpflichte zwar zu zwischenstaatlicher informationeller Kooperation, werde jedoch durch die Unsicherheit, wie diese Pflicht im Detail umzusetzen sei, erheblich relativiert. Seine Bedeutung hänge deshalb von den Priorisierungen der beteiligten Staaten im Einzelfall ab. Eine Pflicht, im Einzelfall auf raumplanerischem Wege vorbeugend tätig zu werden, lasse sich daraus nicht ableiten. Das Prinzip der „Nachhaltigkeit“ habe zwar immense gesellschaftliche Bedeutung, aber nur marginale rechtliche Relevanz, weil der Nachhaltigkeitsbegriff mangels eindeutiger Rechtsfolge kaum eigenständig operationalisierbar sei und im Falle seiner Konkretisierung durch spezielle Rechtssätze keine tragende Normativität besitze. Bei Maßnahmen zur Minderung klimatischer Veränderung dürfte wegen des globalen Charakters des Klimawandels Ansätzen auf lokaler und regionaler Ebene eine eher untergeordnete Rolle zukommen, auch wenn der Klimaschutzgedanke für viele Projekte instrumentalisiert werde. Der Biodiversitätsschutz in Form des Habitat- und Landschaftsschutzes habe zwar eine spezifische Affinität zur Raumplanung, das Verpflichtungsniveau der dafür geltenden völkerrechtlichen Vorgaben bleibe jedoch wegen des vorherrschenden Territorialitätsprinzips praktisch gering. Konkrete rechtliche Maßstäbe in Bezug auf räumliche Konfliktlagen zeigten sich bislang allein in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Vermeidung unmittelbar vorhersehbarer Gefahren für Leib und Leben einzelner Menschen. Für die maritimen Raum- und Rechtsbeziehungen weise dagegen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 eine erstaunlich dichte Regelung auf, die vom Verfasser eingehend dargestellt und gewürdigt wird. Auch hier bleibe das Niveau der Umweltschutzverpflichtung aufgrund des geringen Konkretisierungsgrades jedoch insgesamt niedrig.
Für die grenzüberschreitende Infrastrukturplanung ließen sich keine eigenständigen rechtlich operationalisierbaren Regelungen aus der Staatenpraxis ableiten. Vorherrschend sei vielmehr die territoriale Souveränität. Der zwischenstaatliche Interessenausgleich vollziehe sich im Wesentlichen im Wege der Verhandlung und sei in besonderer Weise der politischen Einflussnahme eröffnet. Eine Zusammenarbeit bei grenzüberschreitenden Gebietsplanungen – etwa zum Natur- und Biodiversitätsschutz – beruhe meist auf rein informeller Abstimmung der betroffenen Behörden, während der Einsatz völkerrechtlicher Verträge hier eher der Ausnahmefall sei.
Eine Raumplanung für Staatsgebiete durch internationale Organisationen finde bislang nur im Bereich der Europäischen Union statt, die sich aufgrund ihrer Supranationalität jedoch nur begrenzt als Beispiel eigne. In unbesiedelten und weitgehend ungenutzten Gemeinschaftsräumen wie dem geostationären Orbit oder dem Tiefseeboden seien dagegen raumordnerische Festsetzungen durch internationale Organisationen das Mittel der Wahl. Im abschließenden Ausblick hält es der Verfasser für unwahrscheinlich, dass sich auf lange Sicht eine zentralisierte globale Raumordnung und Raumplanung unter dem Regime des Völkerrechts durchsetzen werde. Eher werde die globale Verbreitung von Strukturen dezentraler, multisektoraler Raumplanung – wie im Planungsrecht der Europäischen Union – in den kommenden Jahrzehnten noch zunehmen. (us) 🔴
Dr. iur. Ulrich Storost war bis zum Eintritt in den Ruhestand im Herbst 2011 Mitglied des für Teile des Fachplanungsrechts zuständigen 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts. Er gehörte diesem Senat seit 1993 als Richter, von 2004 bis 2011 als Vorsitzender Richter an. Neben seinem Hauptamt war er von 1997 bis 2004 Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin. Seit 1991 ist er Mitautor eines Loseblattkommentars zum Bundes-Immissionsschutzgesetz.
ulrich.storost@t-online.de