Recht

Umwelt- und Planungsrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2020
Vorsitzender Richter am BVerwG a. D. Dr. Ulrich Storost

Steuerung, Beteiligung und Rechtsschutz

Das Umwelt- und Planungsrecht ist ein Kerngebiet des heutigen Verwaltungsrechts, aber kein Rechtsgebiet mit einheitlicher Struktur und Systematik. Es leidet vielmehr an einem inneren Widerspruch zwischen divergierenden rechtspolitischen Zielen. Einerseits ist der Umweltschutz – getragen vom Engagement überzeugter Aktivisten – in jüngster Zeit in die vorderste Reihe der tagespolitischen Agenda gerückt und hat durch die Klimadiskussion einen weiteren Hype erfahren. Dies findet Ausdruck in der besonderen Dynamik des Umweltrechtsschutzes sowie des Klimaschutz- und Umweltenergierechts. Andererseits wird vom politischen Establishment angesichts der in Deutschland bestehenden großen Anzahl dringlicher Infrastrukturvorhaben aus sozialen und ökonomischen Gründen seit Jahrzehnten eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gefordert, die nicht zuletzt aufgrund immer strengerer Umweltschutzvorgaben, immer aufwändigerer Beteiligungserfordernisse und einer steigenden Zahl von Klagen bisher zuverlässig ausgeblieben ist. Zwar handelt es sich in rechtstatsächlicher Hinsicht nur um zwei Seiten einer Medaille. Denn in der heutigen politischen Wirklichkeit ist Umweltschutz ohne Planung ebenso wenig vorstellbar wie eine Planung ohne maßgebliche Berücksichtigung der Wirkmächtigkeit des Umweltschutzziels. Trotzdem führt der genannte innere Widerspruch im Umwelt- und Planungsrecht zu einem manifesten Steuerungsproblem für die Gesetzgebung und die Verwaltung. Der Versuch, sowohl ökologische als auch soziale und ökonomische Forderungen oder Erfordernisse gleichzeitig

in politische und administrative Praxis umzusetzen und dafür auch noch „Akzeptanz“ zu erwarten, gleicht oftmals der Quadratur des Kreises. So kann es nicht verwundern, dass das staatliche Handeln in diesem Bereich eher in pendelartigen Wellen verläuft, deren Unbeholfenheit der Konsistenz und Kontinuität des Rechts tendenziell zuwiderläuft und die für den Rechtsfrieden existentiell wichtige Legitimität des demokratischen Rechtsstaats schwächt. Die hier anzuzeigenden Werke geben Einblick in die aktuellen Entwicklungen dieses schwierigen Rechtsgebiets. Sie beleuchten aus verschiedenen – ganzheitlichen oder punktuellen – Blickwinkeln die möglichen übergreifenden Steuerungsansätze, die europa- und völkerrechtlich aufgeladene Transparenz- und Partizipationsseligkeit und die daran anschließende Rechtsschutzproblematik.

 

Wolfgang Kahl / Klaus Ferdinand Gärditz, Umweltrecht. Verlag C. H. Beck oHG, München, 11. Aufl., 2019. ISBN 978-3-406-74032-9; 517 S., Softcover, € 34,90.

Dieses seit 1987, zuletzt in der Vorauflage 2017 in der Schriftenreihe der Juristischen Schulung erschienene Lehrbuch hat eine vollständige Neubearbeitung nach dem Stand von Mitte 2019 erfahren. Die Verfasser sind zwei als Experten des Umweltrechts ausgewiesene Hochschullehrer. Ihr Werk richtet sich in erster Linie an Studierende und Rechtsreferendare. Es will demgemäß einerseits den Ansprüchen wissenschaftlicher Fundierung genügen, andererseits aber auch eine didaktische Vermittlungsfunktion erfüllen. Nicht nur dies ist den Autoren ausgezeichnet gelungen. Sie haben darüber hinaus die aufgrund ihrer Verästelung und Veränderungsdynamik kaum mehr überschaubare Materie auch für Praktiker beherrschbar gemacht. Dabei bezieht die Neuauflage hochaktuelle Fragen wie die Diskussion um Dieselfahrverbote (§ 7 Rn. 170 f.), die vorerst letzte Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 5), die Leidensgeschichte der UN-Klimakonferenzen (§ 6 Rn. 10 f.), die noch nicht bewältigten Folgen des „Atomausstiegs“ (§ 6 Rn. 104 ff.) und den sogenannten Kohleausstieg (§ 6 Rn. 134 ff.) in die Darstellung ein. Der praktischen Handhabbarkeit dient nicht nur die übersichtliche Gliederung des Stoffes durch Paragraphen und Randnummern, sondern auch das ausführliche Sachverzeichnis. Der didaktischen Vermittlungsfunktion wird durch fallbezogene Erörterung besonders wichtiger Fragen hervorragend Rechnung getragen. Die Einführung geht kenntnisreich auf die durch rasche dynamische Wandlungen der politisch maßgebenden Werte geprägte Entwicklung des modernen Umweltrechts seit den 1970er Jahren ein. Die grundsätzlich positive Sicht auf die zunehmende Bedeutung direkt-demokratischer Initiativen und „partizipativer Instrumente der Zivilgesellschaft“ wie Demonstrationen und Verbandsklagen verrät besonderes umweltpolitisches Engagement. Dabei verschweigen die Verfasser nicht das Dilemma, dass die Knappheit der Umweltressourcen kein unbegrenztes ökonomisches Wachstum zulässt, andererseits die Sicherung von Zivilisation und sozialer Befriedung ohne Technikeinsatz, industrielle Produktionsformen und stabile volkswirtschaftliche Entwicklung nicht möglich ist. Außer der höchst abstrakten und entsprechend inhaltsleeren Perspektive einer „ökologischen Transformation“ des Staates zum „nachhaltigen, freiheitlich-demokratischen Umwelt- und Rechtsstaat“ können sie keine Lösung dieses Dilemmas anbieten. Das kann allerdings auch nicht die Aufgabe eines Lehrbuchs des Umweltrechts sein. Sein Gegenstand ist die möglichst systematische Darstellung der rechtlichen Grundlagen, auf denen das Handeln der öffentlichen Gewalt im Bereich des Umweltschutzes basiert. Dabei wird in herkömmlicher Weise ein Allgemeiner Teil des öffentlichen Umweltrechts von einem hiermit verklammerten Besonderen Teil unterschieden.

Im Allgemeinen Teil werden das Umweltvölkerrecht, das Umwelteuroparecht, das deutsche Umweltverfassungsrecht sowie die Strukturen, Prinzipien und Instrumente des Umweltverwaltungsrechts und des Umweltrechtsschutzes in Deutschland behandelt. Dabei halten die Verfasser mit ihrer – angesichts der grenzüberschreitenden Natur zahlreicher Umweltprobleme verständlichen – Enttäuschung über die strukturell bedingte Steuerungsschwäche des Umweltvölkerrechts und des Umweltverfassungsrechts sowie über die im Umwelteuroparecht herrschende, vom Gerichtshof der Europäischen Union eher geförderte als wirksam bekämpfte Rechtsunsicherheit nicht hinter dem Berg. Sie erkennen zutreffend, dass auch die derzeit betriebene verstärkte „Prozeduralisierung“ des Umweltschutzes daran im Kern wenig ändern dürfte. Ähnliche Skepsis begegnet auch ihrer Forderung, das Umweltverwaltungsrecht der Zukunft müsse durch einen „strategiegeleiteten, kohärenten, effektiven und effizienten Instrumentenverbund“ im Interesse von Rechtssicherheit, Bürgerfreundlichkeit und Vollzugstauglichkeit noch besser strukturiert und durch hinreichend konkretisierte Prinzipien angeleitet werden. Dieser Forderung trug das Vorhaben Rechnung, das wegen seiner Zersplitterung hyperkomplexe und unübersichtliche deutsche Umweltrecht durch ein Umweltgesetzbuch zu systematisieren und zu harmonisieren. Im Scheitern dieses Vorhabens sehen die Verfasser zu Recht ein Trauerspiel, das kein gutes Licht auf Handlungskompetenz und Langzeitperspektive der Politik wirft. Im anschließenden Besonderen Teil, dessen Behandlung den Hauptumfang des Buches einnimmt, werden – in der Reihenfolge den heutigen Prioritäten entsprechend – das Klimaschutz- und Umweltenergierecht, das Immissionsschutzrecht, das Gewässerschutzrecht, das Bodenschutzrecht, das Naturschutzrecht und das Abfallrecht dargestellt. Dabei handelt es sich um die Kernmaterien des Umweltrechts, die den „Pflichtstoff“ für Prüfungskandidaten bilden. Auch die Ausführungen hierzu bestechen durch ihre Aktualität, ihre durch Behandlung konkreter Fälle gesicherte Anschaulichkeit und die Beschränkung auf das Wesentliche. Dabei bieten die Verfasser keine bloße trockene Stoffvermittlung, sondern gehen auch auf die rechtspolitischen Probleme und Perspektiven des jeweiligen Rechtsgebiets in realitätsnaher Weise ein.

Sabine Schlacke, Umweltrecht. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 7. Aufl. 2019. ISBN 978-38487-5289-8; 554 S., broschiert, € 26,00.

Dieses seit 2004 gut eingeführte Lehrbuch richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaft. Bis zur Vorauflage von 2016 (dazu fbj 6/2017, S. 52) war Wilfried Erbguth als Mitautor beteiligt. Für die jetzige Aktualisierung zeichnet ausschließlich Sabine Schlacke verantwortlich, deren 2007 erfolgte Habilitation er betreut hat und die sich inzwischen als Expertin des Umweltrechts selbst einen Namen gemacht hat. Die Neuauflage bleibt bei unverändert günstigem Preis dem bewährten Konzept treu. Die Darstellung besticht wie bisher durch ihre übersichtliche und systematische Gliederung. Anschaulichkeit und Verständlichkeit, die für den didaktischen Zweck besonders wichtig sind, werden durch Grafiken und Fallbeispiele mit Lösungsskizzen, zur eigenen Gedankenarbeit anregende Wiederholungs- und Verständnisfragen, einen umfangreichen Katalog von Definitionen mit Textverweisen und ein sorgfältiges Stichwortverzeichnis mustergültig gefördert.

Wie üblich wird im ersten Teil das Allgemeine Umweltrecht behandelt. Dabei werden dessen Grundbegriffe und Grundprinzipien, deren verfassungsrechtliche Verortung, die im Umweltrecht einsetzbaren Steuerungsinstrumente, die Besonderheiten des Rechtsschutzes einschließlich der Beteiligung im Verwaltungsverfahren sowie die voranschreitende europa- und völkerrechtliche Überformung dieses Rechtsgebiets in der für den Adressatenkreis gebotenen Verdichtung dargestellt. Der zweite Teil, der etwa zwei Drittel des Textes ausmacht, ist dem Besonderen Umweltrecht gewidmet. Hier werden dessen wichtigste Teilbereiche hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlagen, Grundbegriffe und Steuerungsinstrumentarien in kompakter Form vorgestellt. Dazu gehören das Immissionsschutzrecht, das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, das Gewässerschutzrecht, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, das Bodenschutz- und Altlastenrecht, das Gentechnikrecht, das Meeresumweltrecht zum Schutz von Nord- und Ostsee und das in statu nascendi befindliche Klimaschutzrecht einschließlich des Rechts der erneuerbaren Energien. Zur Einarbeitung in das Umweltrecht und zur schwerpunktmäßigen Vertiefung in dieses Rechtsgebiet im Rahmen des juristischen Studiums ist das Lehrbuch von Schlacke auch in der Neuauflage uneingeschränkt geeignet.

 

Sabine Schlacke / Christian Schrader /Thomas Bunge, Aarhus-Handbuch. Informationen, Beteiligung und Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, 2. Aufl. 2019., ISBN 978-3-503-15854-6; 619 S., gebunden, € 118,00.

Unter der Vielzahl umweltvölkerrechtlicher Verträge ist die Aarhus-Konvention von 1998 von besonderer Bedeutung. Sie begründet für jede Vertragspartei die Pflicht, in Umweltangelegenheiten das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Übereinstimmung mit dieser Konvention zu gewährleisten. Das von zwei aktiven Hochschullehrern des Umweltrechts und einem (ehemaligen) Direktor des Umweltbundesamtes verfasste, erstmals 2010 erschienene Werk wurde nunmehr nach dem Rechtsstand von Oktober 2018 grundlegend überarbeitet. Es referiert umfassend die Umsetzung der Aarhus-Konvention im Europarecht und im deutschen Recht, also die umweltbezogenen Informations-, Partizipations- und Klagerechte von Einzelpersonen und Verbänden. Nach einer eher kursorischen Einleitung wird ausführlich zunächst der Zugang zu Umweltinformationen untersucht, dann die Beteiligung in umweltbezogenen Verwaltungs- und vergleichbaren Verfahren behandelt und schließlich der Verwaltungsrechtsschutz im Umweltrecht analysiert. Dabei wird nicht nur auf die völkerrechtlichen, europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben eingegangen, sondern auch und vor allem die einfachgesetzliche Ausgestaltung auf Bundes- und Landesebene im Einzelnen dargestellt. Die aktuelle Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis werden sachkundig einbezogen. Im Kapitel über den Informationszugang bemängelt Schra­ der die rechtspolitisch problematische, da intransparente und lückenhafte Regelungsvielfalt. Dazu gehören die Unterscheidung von Informationen bei privaten und öffentlichen Stellen sowie von Regelungen des Amtsgeheimnisses und der Informationsfreiheit, die Zerrissenheit zwischen Unions-, Bundes- und Landesrecht, die Zersplitterung in allgemeine Regelungen der Informationsfreiheit, sektorale Regelungen für Umwelt- und Verbraucherinformationen sowie eine Vielzahl isolierter Einzelregelungen. Auf Bundesebene sei insbesondere die Parallelexistenz von Umweltinformationsgesetz, Informationsfreiheitsgesetz und Verbraucherinformationsgesetz rechtspraktisch beklagenswert. Im folgenden Kapitel behandelt Bunge sehr eingehend die Beteiligungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit in Zulassungsverfahren, in Planungsverfahren und bei der Rechtsetzung. Dabei wirkt die Ausgliederung der Mitwirkungsbefugnisse anerkannter Naturschutzverbände in einen besonderen Abschnitt unter Einbeziehung ihrer Beteiligungsbefugnisse nach den §§ 18 ff. und 56 f. UVPG allerdings systematisch eher verwirrend. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die – ebenso wie die Aarhus-Konvention und deren unionsrechtliche Umsetzung – die Partizipationsrechte der Öffentlichkeit in umweltrelevanten Zulassungsverfahren nicht derart differenziert. Das abschließende Kapitel über Rechtsbehelfe im Umweltrecht (Schlacke/Römling) unterscheidet dagegen für das deutsche Verwaltungsprozessrecht korrekt zwischen dem Individualrechtsschutz und dem Rechtsschutz von Verbänden. Ob hieran bei Verstößen gegen umweltschützende Vorschriften des Unionsrechts noch festgehalten werden kann, ist Gegenstand eines vom Bundesverwaltungsgericht initiierten Vorabentscheidungsverfahrens (EuGH C-535/18). Die Verfasser neigen zu der Prognose, dass das Ergebnis dieses Verfahrens eine weitere Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, nämlich eine Aufgabe der darin bisher enthaltenen Differenzierungen für Verbands- und Individualkläger, erforderlich machen wird. Sie halten es darüber hinaus für rechtssystematisch kaum noch nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber völkerund unionsrechtliche Vorgaben für das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsprozess in Sondergesetzen umsetzt, und werfen mit allem Nachdruck die Frage auf, ob der deutsche Verwaltungsrechtsschutz angesichts dieser Vorgaben an der bisherigen Kontrolldichte festhalten kann und sollte. Zu beantworten hat diese Frage allerdings der demokratisch legitimierte Gesetzgeber und nicht die Judikative. Die jüngsten Initiativen des Bundesgesetzgebers für weitere Sondergesetze zur Verfahrensbeschleunigung im Verkehrsbereich lassen jedoch leider wenig Verständnis für die wirklichen Anforderungen einer konsistenten Rechtsordnung erkennen.

Für die praktische Handhabbarkeit erschlossen wird das inhaltsreiche und auch äußerlich repräsentativ gestaltete Buch durch eine detaillierte Gliederung im Inhaltsverzeichnis, die übersichtliche Aufteilung des Textes durch Randnummern sowie ein ausführliches Stichwortverzeichnis. Abgerundet wird es durch einen Abdruck des Textes der Aarhus-Konvention sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis. In seiner aktuellen Auflage ist es eine unverzichtbare Grundlage für jeden, der sich in Wissenschaft, Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis mit Informationsrechten, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht befassen will.

 

Nils Wegner, Subjektiv-rechtliche Ansätze im Völkerrecht zum Schutz biologischer Vielfalt. Verlag Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2018. ISBN 978-3-428-15469-2; 753 S., Softcover, € 129,90.

Diese von 2013 bis 2017 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entstandene, sehr umfangreiche rechtswissenschaftliche Dissertation befasst sich ebenfalls intensiv mit der Aarhus-Konvention, hat aber mit dem Schutz biologischer Vielfalt eigentlich ein anderes, weiterreichendes Thema zum Gegenstand: Der Verfasser untersucht, inwieweit auf völkervertraglicher Grundlage in jüngerer Zeit Instrumente geschaffen oder fortentwickelt wurden, die Individuen einzeln oder gemeinsam mit anderen völkerrechtsunmittelbar subjektive Rechte zuweisen oder Staaten zur Schaffung solcher Rechte in ihrer jeweiligen Rechtsordnung verpflichten, die sich für den Schutz biologischer Vielfalt und ihrer Bestandteile einsetzen lassen. Die Untersuchung beginnt mit einer „Realbereichsanalyse“ des Schutzguts der biologischen Vielfalt und seiner Bedrohungen, einer Darstellung der Rahmenbedingungen des Einsatzes subjektiv-rechtlicher Ansätze zum Schutz öffentlicher Interessen im deutschen und europäischen Recht sowie einem Überblick über die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Mobilisierung von Einzelnen und von Gruppen zur Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht. Im zweiten Teil, der den Hauptteil der Arbeit bildet, wird zunächst anhand der Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention geprüft, inwieweit sich die klassischen Menschenrechte unter der plakativ „modernen“ Überschrift „Greening the Human Rights“ im Wege der Auslegung zum Schutz der Umwelt allgemein und der biologischen Vielfalt im Besonderen einsetzen lassen. Mehr als punktuelle materielle Mindeststandards fördert der Autor dabei nicht zutage. Der Schutz der Umwelt – nicht nur der biologischen Vielfalt – mittels prozeduraler Rechte, wie ihn die Aarhus-Konvention anstrebt, bildet mit mehr als zwei Fünfteln des Textes den Schwerpunkt der Untersuchung. Diese Rechte sind allerdings nicht nur Individuen, sondern vor allem Umweltvereinigungen zugeordnet, gehen also über den im Titel des Buches genannten subjektiv-rechtlichen Ansatz deutlich hinaus. Das gilt erst recht für den im dritten Teil der Arbeit anhand des Nagoya-Protokolls von 2010 behandelten Schutz biologischer Vielfalt mittels „subjektiver“ Berechtigungen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Der Verfasser hat zwar eine Fülle von Material zusammengetragen und ausgebreitet. Der Ertrag seiner Forschungsarbeit für den Schutz biologischer Vielfalt ist jedoch eher bescheiden und bestätigt die verbreitete Skepsis gegenüber dem Potential subjektiv-rechtlicher Ansätze zu solchem Schutz.

 

Andre Gard, Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 25 Abs. 3 VwVfG, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018. ISBN 978-3-8487-4660-6; 346 S., broschiert, € 89,00.

Im Jahre 2013 versuchte der Bundesgesetzgeber unter dem Eindruck massiver Proteste der Öffentlichkeit gegen Großvorhaben wie den Neubau des Hauptbahnhofs „Stuttgart 21“, durch Regelung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in § 25 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Akzeptanz für solche Vorhaben zu erhöhen. Danach muss die Behörde bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, „darauf hinwirken“, dass der Planungsträger die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet, und zwar möglichst bereits vor Stellung eines Antrags. Untersuchungen über die Wirkungen und die Effektivität eines solchen Partizipationsschritts gibt es bisher nicht. Die 2017 als rechtswissenschaftliche Dissertation an der Universität Saarbrücken entstandene Monographie schließt diese Lücke leider nicht. Der Verfasser wirft zwar eingangs die Frage auf, ob die neue Regelung ein sachgerechtes Mittel war, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Durchführung von Großvorhaben zu verbessern, gibt hierauf aber keine Antwort. Er schildert zunächst die Entstehung der Vorschrift und analysiert dann nach Art eines juristischen Kommentars sehr ausführlich die Regelung im Einzelnen unter rechtsdogmatischen Gesichtspunkten. Dabei arbeitet er zutreffend heraus, dass die Vorschrift sich von der herkömmlichen Ausrichtung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren auf Aspekte individueller Interessen entfernt und mehr ein Mittel der breiten Partizipation darstellt. Über diese allgemeine Erkenntnis hinaus ist der praktische Ertrag seiner aufwändigen juristischen Erörterungen jedoch nur bescheiden. So gelangt er zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die weit gefassten Rechtsbegriffe im Tatbestand der Vorschrift weit auszulegen sind und die Vorschrift trotzdem dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gerecht wird. Mangels greifbarer juristischer Substanz seines eigentlichen Untersuchungsgegenstandes, der im Gesetz normierten bloßen Hinwirkenspflicht, stürzt er sich deshalb auf die ihm als lohnender erscheinende umfangreiche Prüfung, ob die im Gesetz nicht enthaltene Regelung einer verpflichtenden Öffentlichkeitsbeteiligung gegenüber privaten Vorhabenträgern eine Grundrechtsverletzung darstellen würde. Auch dies wird von ihm verneint. Der praktische Nutzen einer solchen Regelung bleibt jedoch letztlich offen.

 

Thomas Bunge, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Kommentar, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin, 2. Aufl. 2019. ISBN 978-3-503-18737-9; 394 S., gebunden, € 54,00.

Der Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention für den Rechtsschutz im Umweltrecht dient das ursprünglich von 2006 stammende Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Der erstmals 2013 erschienene Kommentar musste infolge einer Fülle seitdem zu diesem Gesetz ergangener Gerichtsentscheidungen und der umfassenden Gesetzesnovellierung von 2017 völlig neu bearbeitet und wesentlich erweitert werden. Sein Verfasser, ein ehemaliger Direktor des Umweltbundesamtes und Mitautor des Aarhus-Handbuchs, ist mit dem Stoff bestens vertraut. Das ist auch erforderlich, da die aktuelle Gesetzesfassung wegen zahlreicher Sonderregelungen für einzelne Klagegegenstände sehr unübersichtlich und wegen einer Vielzahl von Verweisungsketten nahezu unlesbar ist. Die komplexe Regelung ist ohne genaue Kenntnis der zugrunde liegenden völker- und europarechtlichen Normen und der dazu vorliegenden, oft kryptischen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kaum zu verstehen. So ist dieses handliche, auch äußerlich solide ausgestattete Buch in der Neuauflage (Stand Oktober 2018) ein unentbehrliches Handwerkszeug für jeden Rechtsanwender, der mit diesem Gesetz und dem dadurch geschaffenen Sonderprozessrecht arbeiten muss. Der Kommentierung vorangestellt sind ein umfassendes Literaturverzeichnis und der Gesetzestext. In der Einleitung geht der Verfasser auf die einschlägigen Bestimmungen der Aarhus-Konvention und deren unionsrechtliche Umsetzung ein. Die entsprechenden Vorschriften sind ebenfalls im Wortlaut abgedruckt.

Die Leidensgeschichte der Umsetzung in Deutschland, der Inhalt der vorerst letzten Neufassung des Gesetzes von 2017 und die durch die neueste Rechtsprechung des Gerichtshofs verstärkten Zweifel an der Vereinbarkeit auch dieser Neufassung mit dem internationalen und supranationalen Recht (Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) werden nüchtern dargestellt. Die detaillierte und praxisorientierte Kommentierung der einzelnen Vorschriften ist durch Inhaltsübersichten, Randnummern und eine Ausgliederung der Nachweise in Fußnoten übersichtlich gestaltet und damit sehr anwenderfreundlich. Dasselbe gilt für den – den Anwendungsbereich des Gesetzes illustrierenden – vollständigen Abdruck der Listen UVP-pflichtiger Vorhaben bzw. SUP-pflichtiger Pläne und Programme sowie der beiden Anhänge der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und für das ausführliche Stichwortverzeichnis.

 

Sabine Schlacke / Guy Beaucamp / Mathias Schubert (Hrsg.), Infrastruktur-Recht. Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag, Verlag Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2019. ISBN 978-3-428-15292-6; 659 S., gebunden, € 99,90.

Diese Festschrift für einen der bedeutendsten deutschen Umwelt- und Planungsrechtler ragt durch Aktualität und Bandbreite der Beiträge aus dem üblichen Rahmen solcher Sammelwerke heraus. Die Herausgeber sind drei seiner fünf Habilitanden. Die Verfasser der Beiträge sind überwiegend ebenfalls als Experten des Umwelt- und Planungsrechts bekannte Hochschullehrer, aber auch namhafte Praktiker aus diesem Bereich. Inhaltlich verbindet die Beiträge der Bezug zum Recht der Infrastruktur, einem zentralen Gegenstand des wissenschaftlichen Lebenswerkes des Geehrten. Einleitend werden allgemeine Fragestellungen aus diesem Rechtsgebiet behandelt: Der mit dem schillernden Begriff der Nachhaltigkeit verbundene Steuerungsansatz (Martin Kment), der anhaltende Streit um Privatisierung oder Publizisierung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Hartmut Bauer), die Instrumentalisierung des Modebegriffs der Akzeptanz zur Rechtfertigung sonst fehlender Gesetzgebungskompetenz (Bodo Wiegand-Hoffmeister), die Tauglichkeit von Infrastrukturgenossenschaften als Modell kommunaler Bürgerpartizipation (Winfried Kluth) und der Umgang mit Volksentscheiden über planfeststellungspflichtige Vorhaben am Beispiel der für die politische Kultur katastrophalen Weigerung des Berliner Senats, dem Willen des Volkes zum Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel zu folgen (Jan Ziekow).

Im zweiten, dem Europarecht gewidmeten Abschnitt untersucht Hans Dieter Jarass zunächst, wie weit das Unionsrecht den auch für das Infrastrukturrecht relevanten rechtsstaatlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der guten Verwaltung, der Bestimmtheit von Normen und des Vertrauensschutzes Rechnung trägt. Jörg Berkemann wirft seinen gewohnt scharfsinnig-kritischen Blick am Maßstab der in Art. 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit auf das deutsche Raumordnungs- und Bauplanungsrecht. Wolfram Cremer analysiert die Judikatur zum beihilfenrechtlichen Umgang mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und Astrid Epiney die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum in Art. 6 Abs. 2-4 der FFH-Richtlinie geregelten Habitatschutz. Der dritte Abschnitt hat verfassungsrechtliche Themen zum Gegenstand: Michael Kloepfer beleuchtet die Bedeutung der Grundrechte für das Infrastrukturrecht, Michael Sauthoff die Bedeutung der Kunstfreiheit für bauordnungsrechtliche Gestaltungsvorhaben. Der abschließende Abschnitt, der den Schwerpunkt des Buches bildet, umfasst das Verwaltungsrecht, soweit es Forschungsgegenstand des Jubilars war. Zum Planungsrecht legt Sabine Schlacke am Beispiel des Stromleitungsnetzausbaus dar, dass die dabei vorgesehene „vorausschauende Planung“ der Netzbetreiber als zulässige Vorratsplanung angesehen werden kann. Bernhard und Eva-Maria Stüer schildern die Möglichkeiten der Planreparatur von Fehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung, Susan Grote­ fels, Peter Runkel und Boas Kümper die nach deutschem Raumordnungsrecht nur begrenzten Möglichkeiten einer Bundes- oder Landesgrenzen überschreitenden Raumordnung und einer raumordnerischen Standortbestimmung für Großvorhaben. Wolfgang Durner beschäftigt sich mit der fehlenden Verwerfungskompetenz der Verwaltung bei nach ihrer Ansicht rechtswidrigen Raumordnungszielen, Reinhard Hendler mit der Rechtsstellung regionaler Planungsgemeinschaften, Holger Schmitz mit der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren und Guy Beaucamp mit der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen als rechtsmethodischem Problem. Wil­ helm Söfker befasst sich mit den Möglichkeiten der Steuerung von privilegierten Außenbereichsvorhaben durch die

Bauleitplanung, Alexander Schink mit den Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes vom 30. Juni 2017 auf die Bauleitplanung. Martin Dippel beleuchtet das die Beteiligung der Gemeinde bei der Zulassung von Bauvorhaben betreffende Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB mit Blick auf die Abfallentsorgungsinfrastruktur. Frank Stoll­ mann skizziert die Grundstrukturen einer Planungsrechtsdogmatik im Gesundheitsrecht.

Im Unterabschnitt zum Umweltrecht beantwortet Martin Beckmann differenziert die Frage, ob der Versuch gelungen ist, durch das im Jahre 2017 verabschiedete Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung die Vollzugstauglichkeit des UVP-Gesetzes zu erhöhen. Mit – berechtigter – großer Skepsis begegnet Ulrich Ramsauer der Forderung, dem Umweltschutz durch die Schaffung von Eigenrechten der Natur mehr Nachdruck zu verleihen. Klaus Ferdinand Gärditz untersucht den Rechtsschutz im Standortauswahlverfahren für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle, Ulrich Smeddinck die Eignung des Nationalen Begleitgremiums für seine Aufgabe, den Prozess der Standortauswahl vertrauensbildend zu begleiten. Beiträge von Peter Ehlers, Mathias Schubert, Fe­ lix Ekardt, Rüdiger Breuer und Hans Martin Müller zum maritimen Recht und Hafenrecht runden den Kreis der Themen ab, um die sich Wilfried Erbguth in der Rechtswissenschaft verdient gemacht hat. (us) ˜

Dr. iur. Ulrich Storost war bis zum Eintritt in den Ruhestand im Herbst 2011 Mitglied des für Teile des Fachplanungsrechts zu­ ständigen 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts. Er gehörte diesem Senat seit 1993 als Richter, von 2004 bis 2011 als Vorsitzender Richter an. Neben seinem Hauptamt war er von 1997 bis 2004 Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin. Seit 1991 ist er Mitautor eines Loseblattkommen­ tars zum Bundes-Immissionsschutzgesetz.

ulrich.storost@t-online.de

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