News

„Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“

Publikation des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek zur Provenienzforschung

Mit „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“ legt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek eine Publikation vor, die die Geschichte des Museums aus der Perspektive der Herkunft seiner Bestände erzählt. Konzipiert als Spurensuche in der eigenen Institutionengeschichte schreibt das Buch zugleich eine kleine Zeitgeschichte der kulturellen Überlieferung.

Ob Krieg, Inflation oder Wirtschaftswunder, ob Enteignung, ideologische Verengung oder globale Vernetzung: Kulturgut trägt die Spuren der Geschichte – manchmal als schwer entzifferbares Rätsel versteckt, manchmal weithin sichtbar. Zentrale Fragen lauten: In welchen historischen und gesellschaftlichen Konstellationen und mit welchen Absichten kamen die Bestände ins Museum? Welche Vorgeschichte bringen sie mit? Wer hat wann was warum erworben? Und welche Absichten verbergen sich hinter Schenkungen und Stiftungen? Dass die Publikation zugleich auch eine Mediengeschichte von den Anfängen der Schrift bis ins digitale Zeitalter erzählt, ist dem thematischen Fokus des Museums geschuldet.

Es geht um Underground-Comics, Floppy Disks und Frühdrucke, um Plakate und Briefe, um digitale Nachlässe, Hollywoodfotos und den silbernen Ehrenpokal eines Verlegers: Anhand von 33 Objektbiografien nimmt die zur Frankfurter Buchmesse erscheinende Publikation die Wege, Irrwege und Sackgassen der in fast 140 Jahren zusammengetragenen Bestände des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek unter die Lupe. Dabei geraten Zerstörungen und Raubzüge ebenso in den Blick wie Schenkungen, Stiftungen und andere Glücksfälle.

Zugleich unterwandern die Provenienzgeschichten die traditionellen Narrative über das Sammeln als neutralen, apolitischen Akt. Sie machen den Blick frei für den normativen, interessengeleiteten Charakter des Bestandsaufbaus von Museen mit ihren Wirkungsabsichten und hegemonialen Strukturen. Denn Gedächtniseinrichtungen sind nicht nur Speicherstätten, sondern konstruieren Überlieferung. „Fremde Federn“, unter ihnen Bénédicte Savoy und Wolfgang Ernst, betten die Bestandsessays in den weiten Horizont einer Kulturgeschichte der Provenienz.

Da Provenienzrecherchen prinzipiell unabgeschlossen sind und in hohem Maße von kooperativer und interdisziplinärer Forschung leben, erscheint die Publikation zeitversetzt als digitale Ausgabe, die als offene Datei stetig aktualisiert wird, wenn neue Erkenntnisse zu den musealen Beständen ans Licht kommen. Das Unabgeschlossene ist Programm, der transitorische Charakter von Herkunftsgeschichten verlangt eine Reise ins Ungewisse.

Mit der Publikation „Tiefenbohrung“ startet das Deutsche Buch- und Schriftmuseum eine Reihe weiterer Veranstaltungen und Veröffentlichungen zum Themenkreis „Herkunft und Heimat“. Flankierend wird die virtuelle Ausstellung „Woher? Weshalb? Warum?“ bei der Deutschen Digitalen Bibliothek publiziert. Eine sechsteilige Filmserie präsentiert ausgewählte Provenienzgeschichten und Interviews im TV-Format (Veröffentlichung Ende Oktober auf dnb.de).

Zum Thementag Provenienz am 6. November 2022 finden Führungen und Veranstaltungen statt. Sie geben Einblicke in ausgewählte Herkunftsgeschichten aus den fast einer Million Objekten der Sammlung. Die Gesprächsreihe DBSM:meet lädt zum Diskutieren mit Gästen ein, die das Thema „Heimat und Herkunft“ aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Dabei kommen auch Kulturschaffende aus der Ukraine zu Wort. Als Kriegsflüchtlinge verleihen sie dem Thema Herkunft einen schmerzlich aktuellen Fokus.

Informationen zum Gesamtprogramm: dnb.de/tiefenbohrung

 

Diese Seite benutzt Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung