Kulturgeschichte

The Harley Davidson Book

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2020

The Harley-Davidson – Book – Refueled, ­Revised and extended ­edition, ­teNeues Media GmbH Co KG, Kempen 2020, 240 S., geb., ISBN 978-3-96171-299-1, € 50,00.

„I LIKE MY BIKE CLEAN AND WOMEN DIRTY” steht auf der hinteren Umschlagseite des Harley-Davidson-Buches. Für den „unbefangenen“ – sprich: nicht in der HarleySzene bewanderten – Leser mag dies befremdlich wirken, zumindest liegt die Mutmaßung nahe, hier tobe sich ein Chauvinist aus. Wer freilich selbst eine Harley fährt, nimmt den Spruch so wie er gemeint ist, nämlich als Hommage an sein Motorrad und die Frauen, die es entweder selbst steuern oder als Sozia am Fahrspaß von Mann und Bike teilhaben. Harleys sind nicht jedermanns Sache, dafür sorgt schon der Preis. „Knieschleifer“ aus Fernost bekommt man weitaus billiger, was die unausweichliche Konsequenz hat, dass Harley-Driver in aller Regel ein gewisses Alter haben. Und Kurvenfahren ist so eine Sache – mit Harleys fährt man am besten geradeaus. Außerdem sind die Maschinen nicht gerade Leichtgewichte. Die Maschine – eine Road King –, welche der Autor dieser Zeilen auf ein paar tausend Meilen durch Arizona, Kalifornien, Nevada und Utah und dabei natürlich auch über die route 66 bewegt hat, wiegt rd. 375 kg; also nicht gerade ein Leichtgewicht. Auf den amerikanischen Highways mit wenig Verkehr und insbesondere durch die dünn besiedelten Gebiete im Süden macht das Cruisen mit einer

Harley unglaublich Laune. Aber auch im ampel-, kurvenund verkehrsreichen Deutschland kann man dem noch einiges abgewinnen. Der Enkel des Firmengründers, Willy G. Davidson, hat es treffend so formuliert: „Harley-Davidson verkauft ein Lebensgefühl. Das Motorrad gibt es kostenlos dazu“. In der Tat gibt es zwischen den Angehörigen der Harley-Gemeinde kaum Kontaktschwierigkeiten. Trifft man sich auf den diversen events – auf denen zumeist auch gute Rockbands spielen –, ist man gleich beim vertrauten Du. Totenkopf-T-Shirts und schwarze Lederklamotten sollten einen allerdings nicht stören; ein bisschen Verkleidung gehört dazu.

Damit wären wir beim Harley-Davidson – Book. Schon beim ersten Durchblättern fallen dem Betrachter die vielen ganzseitigen Fotografien auf, mit denen der Text unterlegt ist. Man kann sich an Harleys aller Art und Generationen in allen denkbaren Farben und Einsatzmöglichkeiten vor einer jeweils tollen Kulisse sattsehen. Schon die ersten Seiten noch vor dem Inhaltsverzeichnis sind eine Augenweide. Gegliedert ist das Buch in sieben Kapitel. Begonnen wird mit der History. Man erfährt, wie die Marke entstand und lernt die Parallele zu Microsoft und Apple kennen: Arthur Davidson und William S. Harley – damit wäre auch schon der Name geklärt – haben zu zweit in einer Garage begonnen. Das erste Serienmodell entstand im Jahre 1903: de facto ein Fahrrad mit Hilfsmotor, das 3 PS auf die Straße brachte. Schon 1909 machte die Evolution einen bahnbrechenden Schritt nach vorne: Ein V-Zweizylindermotor mit 7 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h (!) ermöglichte schnelles Fahren – soweit es die damaligen Straßen zuließen. Auf rund 25 Seiten wird dann die Entwicklung bis heute nachgezeichnet. Die Überschrift „From Flathead to Shovelhead to Twin Cam Engine“ sagt hier schon alles aus. Im Jahre 2019 endet die Darstellung mit der FXDR, einem Power Cruiser mit dem MilwaukeeEight-Motor 114 mit 1.868 ccm Hubraum. Abschließend zu diesem Komplex findet man eine Fotografie von Clark Gable auf einer Harley als Werbeträger für ein MotorradMagazin. Wer seinen Harley-Dealer aufsucht, sei es in den USA oder in Deutschland, wird neben Motorrädern jede Menge Accessoires finden. Nicht nur Kleiderschränke lassen sich so bestücken.

Racing steht an zweiter Stelle. Das mag manchen überraschen, verbindet man die Motorradrennszene doch eher mit anderen Marken. Die Aufforderung zu Beginn „Bleibe auf dem Motorrad. Stürze tun weh. Sie schaden Deinem Körper und Deinem Bike.“ sollten freilich nicht nur Racer beherzigen. Selbst mit besten Lederklamotten kommt man um Arzt- bzw. Krankenhausbesuch und täglichen Verbandswechsel bisweilen nicht herum; der Autor spricht da aus Erfahrung. Dass man davon einmal abgesehen Sandbahnrennen mit Harleys gefahren ist, wird auch nicht jeder wissen. Ebenso wenig zum Allgemeinwissen dürfte es gehören, dass Harley-Davidson Ende der Dreißiger-Jahre des letzten Jahrhunderts den Geschwindigkeitsweltrekord mit 219 km/h erzielte, der über ein Jahrzehnt Bestand haben sollte. Dass im Jahre 1970 eine vollverkleidete Maschine auf 426 km/h getrieben wurde, sei auch noch erwähnt. Weiter erfährt man im Buch, dass die V-Rods der ProStock-Klasse mit 2,6 l Hubraum in weniger als 7 Sekunden auf über 300 km/h beschleunigen. Die Bilder der Maschinen sprechen hier für sich. Vielleicht bekommt ja dann die eine oder der andere Lust, sich auf den Rängen der DragStrips die Vollgas-Show anzuschauen.

Der dritte Abschnitt ist Events gewidmet. Hier muss man Ortsnamen sprechen lassen: Faaker See in Kärnten (Öster­ reich), Sturgis in South Dakota (USA), Daytona in Florida (USA), Hamburg und Mallorca, um nur die größten und längsten Treffen zu nennen. So dauert die European Bike Week am Faaker See, das größte europäische und drittgrößte Harley-Event der Welt rund zehn Tage. Hinzu kommen viele kleinere Veranstaltungen, so etwa in Rüdesheim am Rhein. Gemeinsam haben alle diese Veranstaltungen Ride-in-Bikeshows, Rockkonzerte, Stuntvorführungen, Bike-Builder, Zubehörhändler und natürlich Harleys aller Art. Wer will, kann neu eingekleidet und/ oder volltätowiert nach Hause gehen. Die Bilder im Harley-Davidson – Book lassen erahnen, was einen erwartet. Wer es nicht laut mag, bleibt da besser weg. Aber welcher Biker mag es denn nicht laut?

Wer schon einmal mit dem Motorrad eine Polizeikontrolle über sich hat ergehen lassen müssen, weiß, was die Ordnungshüter gerade bei Harleys interessiert: Umbauten. Es bedurfte beim letzten Mal einiger Überzeugungsarbeit, den Ordnungshütern klarzumachen, dass die Fahrzeuge und die jungfräulichen Kfz-Zulassungsbescheinigungen Teil I (ehemals: Fahrzeugschein) übereinstimmen. Fast schon bedauernd fiel die Verabschiedung aus: „Nur etwas Flugrost. Und dagegen können wir nichts machen“. Dass die Harleys des Autors und seiner Frau nach der Winterpause etwas Flugrost angesetzt hatten, ist natürlich peinlich, deshalb schnell weiter im Buch, womit der Zusammenhang hergestellt wäre: Kapitel 4 ist mit Customizing überschrieben. Dahinter steht der Wunsch nach Individualismus, zum Leidwesen vieler jeweils begrenzt durch die technischen Vorgaben des Straßenverkehrsrechts. Genannt seien hier nur extrabreite Reifen sowie eine stark verlängerte Gabel, weitere Anregungen kann man sich beim Betrachten der Bilder und der Lektüre des Textes holen. Darüber hinaus werden auf rund 50 Seiten einige Customizer aus aller Welt mit ihren Produkten vorgestellt. Wer also zu „angesagten Bastlern“ möchte, hat hier eine schöne Auswahl. Am Ende dieses Abschnitts finden sich noch passende Sprüche: „Never ride faster than your guardian angel can fly“ sollte jeder beherzigen, „real women ride men with harleys“ wäre vor einigen Jahrzehnten wohl noch nicht als jugendfrei angesehen worden. Lifestyle lautet der Titel von Kapitel 5. Rund 60 Seiten nimmt dieser Abschnitt ein. Richtig ist sicher, dass in einer zunehmend digitalen Welt Harley-Davidson ein analoger Zufluchtsort ist. Und ebenso zutreffend ist, dass das Fahren eines solchen Motorrads ein kulturelles Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt. Vielleicht kann man das an einem Beispiel illustrieren: Als Harley-Fahrer geht man wie selbstverständlich in entsprechende Biker-Lokalitäten, gerade in den USA gibt es davon jede Menge. Man gehört mit seiner Maschine einfach dazu. Schlichte Touristen trauen sich da regelmäßig nicht hinein, jedenfalls sieht man keine. Sie beschleicht angesichts der Szene wohl ein ungutes Gefühl. Auch insoweit sprechen die Bilder im Harley-Davidson – Book eine beredte Sprache. Natürlich sind Rundstrecken-Wettbewerbe von Vintage-Bike-Fahrern in winterlicher Schneelandschaft nicht jedermanns Sache. Gleiches gilt für Schlammrennen mit antiken Motorrädern. Aber niemand wird bestreiten können, dass die Betreffenden bei alldem eine bestimmte Vorstellung vom way of live verinnerlicht haben. Für die Teilnehmer am distinguished gentleman`s ride, am dirt quake oder am Hillclimb on ice gilt das natürlich genauso.

Nun ja, manche mögen auf Kapitel 6 gewartet haben: Art & Girls. Um es vorweg zu sagen: Das Buch ist jugendfrei, im Vordergrund steht bei Girls on bike das emanzipatorische Element. Frauen mit Motorradführerschein, die vor dem Gewicht der Maschinen etwas Respekt haben, sei folgendes gesagt: Wenn die Harley mal rollt, ist alles gut. Und sollte das bike sich mal hinlegen – was bei jedem driver passieren kann –, dann kann man sich ja immer noch einen Mann holen, der beim Aufrichten hilft. Im Übrigen gibt es ja auch nicht ganz so gewichtige Modelle – also unbedingt vor einem Kauf Probe fahren! Bei der Motorcycle Art lässt das Buch dann wieder seine Bilder sprechen. Der Kreativität sind, wie man sehen kann, keine Grenzen gesetzt.

Mit New Area endet das Harley-Davidson – Book. Angesichts der immer schärfer werdenden Abgasnormen und dem Aufkommen der E-Mobilität musste sich auch Harley-Davidson der damit verbundenen Herausforderung stellen. Mittlerweile zählt auch ein Bike mit Elektro-Motor (der Begriff E-Bike ist ja zwischenzeitlich anderweitig besetzt) zum Angebot: Lifewire wurde es getauft, was wohl heißen soll, dass die Maschine vor Temperament sprüht. Traditionalisten wird es freuen, dass nach Einschätzung von Harley-Davidson auch der klassische Verbrenner eine Zukunft hat: Genannt seien der Adventure-Tourer Pan America sowie der Streetfighter Bronx.

Fazit: Das Buch können sich Harley-Fahrer und solche, die es werden wollen oder an der Marke interessiert sind, natürlich selbst kaufen. Nun ist es freilich so, dass – das dürfte keine Fehleinschätzung sein – vor Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstagen sich häufig die Frage stellt: „Was schenke ich?“; ab einem gewissen Lebensalter, wenn Mann schon alles hat, tut man sich da eher schwer. Deshalb mein Tipp: das Buch verschenken. Bei einem Motorradfahrer kann man da eh nichts falsch machen. Man riskiert dann nur, dass sich das männliche Mitglied der Familie nach der Bescherung für den Rest des Weihnachtsabends zurückzieht, um das Harley-Davidson – Book zu lesen. Das ist aber immer noch besser als das Genörgel über irgendwelche sinnlosen Gaben – und die damit verbundene schlechte Laune. Aber auch derjenige, der nicht alles mit zwei Rädern fährt, was es bei drei nicht auf den nächsten Baum schafft, wird sich über das farbenprächtige Werk freuen. Frauen sollte man das Opus nur dedizieren, wenn sie zweiradaffin sind. Dann aber trifft man auch da ins Schwarze. (cwh)

Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht. cwh@uni-mainz.de

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