Recht

Straßen- und Schienenwegerecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2022

Kodal, Handbuch Straßenrecht. Systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze in Bund und Ländern, hrsg. von Franz-Rudolf Herber, C.H.Beck, München, 8. Auflage 2021. ISBN 978-3-406-70385-0; LVI, 2007 S., Leinen, € 179,00. ­

    Ein durchgängiger Zug der Entwicklung der letzten Jahrzehnte in Deutschland ist die Zunahme der Mobilität. Hauptgründe dafür sind das Wirtschaftswachstum mit einem beachtlichen, für viele Beobachter schon beängstigenden Zuwachs des landgebundenen Güterverkehrs und die über steigende Einkommen vermittelte Zunahme des motorisierten Individualverkehrs durch Erweiterung des Pkw-Bestandes und der weiträumigen ­Freizeitmobilität. Die mit letzterer ebenfalls verbundene Expansion des Luft- und Bahnverkehrs wurde dagegen durch die Corona-Krise zumindest unterbrochen. Welche Auswirkungen die Folgen des UkraineKrieges mittel- und langfristig auf diese Entwicklung haben werden, lässt sich noch nicht verlässlich absehen. Ebenso ungewiss ist die weitere Gestaltung des vielfältigen Spannungsverhältnisses zwischen dem Verkehrswegerecht und dem Naturschutzrecht sowie dem durch das Bundesverfassungsgericht im März 2021 in die erste Reihe der politischen Agenda katapultierten Klimaschutzrecht. Die Vernetzungen zwischen diesen an sich schon sehr unterschiedlichen Rechtsgebieten komplizieren sich noch dadurch, dass das nationale Recht hier in weitem Umfang durch das europäische Unionsrecht geprägt und überlagert wird und die frühere, vergleichsweise übersichtliche Organisationsstruktur der Straßenverwaltung und des Eisenbahnwesens der Experimentierfreude einer vielschichtigen Gesetzgebungsmaschinerie zum Opfer gefallen ist. Entwicklungsgeschichte, Strukturen und Perspektiven des so entstandenen Konglomerats mit seinen zahlreichen neuen und offenen Fragen sind ein hochaktueller Gegenstand rechtswissenschaftlicher Theorie und juristischer Praxis. Dies zeigen anschaulich die im Folgenden zu besprechenden Werke. Zwar können sie wegen der ungebrochenen Dynamik der Rechtsentwicklung in diesem Bereich immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Die mit ihnen mögliche Vergewisserung über den aktuellen Stand dieser Entwicklung ist jedoch eine unverzichtbare Voraussetzung für jede sachkundige Beschäftigung mit sich hier stellenden Problemen. Sie ist damit auch Voraussetzung für eine auf Sachkunde gegründete und erfolgversprechende Weiterentwicklung des Straßen- und Schienenwegerechts im Zeichen einer auf Umwelt-, Natur- und Klimaschutz ausgerichteten, zukunftsweisenden Rechtspolitik.

    Dieses Handbuch hat sich seit der Erstauflage von 1954 zum unbestrittenen Standardwerk des deutschen Straßenrechts entwickelt. Es bietet eine umfassende, systematische Darstellung dieses Rechtsgebiets, das in dem seit der Vor­ auflage von 2010 vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Änderungen erfahren hat. Dazu gehört insbesondere die im Vorwort als „Jahrhundertreform“ bezeichnete Umwandlung der bisherigen Auftragsverwaltung für die Bundesautobahnen durch die Länder in eine Bundeseigenverwaltung, für die der Bund sich einer Infrastrukturgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH (Autobahn GmbH) bedient und das Fernstraßen-Bundesamt zur Erledigung der wichtigsten hoheitlichen Aufgaben errichtet hat. Da für die Bundesstraßen die Auftragsverwaltung durch die Länder grundsätzlich fortbesteht, bedeutet dies eine erhebliche Vermehrung des im Handbuch darzustellenden Rechtsstoffes. Dies drückt sich auch in dem um fast 300 Druckseiten gewachsenen Umfang des Werkes aus. Dessen Herausgeberschaft liegt jetzt in den Händen von FranzRudolf Herber, der ein Team von fünf Autoren aus dem Bundesverkehrsministerium, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Fachanwaltschaft um sich geschart hat. Er selbst hat zudem 20 der 43 Kapitel selbst oder als Mitautor bearbeitet. Komplett neu gefasst wurden von Herber die Kapitel zur Straßenbaulast, zum Gemein- und Anliegergebrauch sowie zur Sondernutzung. Besonders verdienstvoll ist die eingehende Behandlung der unionsrechtlichen Vorgaben und der dadurch maßgeblich geprägten Belange des Umweltschutzes bei der Planung von Straßen. Aber auch darüber hinaus lassen die Autoren keine sich im Straßenrecht stellende Frage offen und bieten allen, die sich in Verwaltung, Rechtsprechung, Wirtschaft und Wissenschaft mit solchen Fragen beschäftigen, überaus reichhaltiges, durch Fallbeispiele aufgelockertes Anschauungsmaterial. Der Anhang enthält den aktuellen Text des Bundesfernstraßengesetzes sowie Verzeichnisse der Straßen- und Wegegesetze der Länder und der straßenrechtsbezogenen Richtlinien des Bundes. Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, das durch noch detailliertere Übersichten vor jedem der in Randnummern gegliederten Kapitel ergänzt wird, sowie ein umfangreiches Sachverzeichnis erschließen das monumentale Werk auch zum Nachschlagen für den eiligen Leser.

     

    Jürgen Kühling / Karsten Otte (Hrsg.), Allgemeines Eisenbahngesetz/Eisenbahnregulierungsgesetz. K ­ ommentar, C.H.Beck, München 2020. ISBN 978-3406-71324-8; XXXII, 1719 S., Leinen, € 349,00.

      Anders als die noch in der Bewährungsprobezeit befindliche Reform der Fernstraßenverwaltung liegt die große Bahnreform in Deutschland bereits fast 30 Jahre zurück. Mitte der 1990er Jahre wurde die bundeseigene Verwaltung der Bundeseisenbahnen aufgegeben und die Rolle der Bundesverwaltung auf die hoheitlichen Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung beschränkt. Seitdem werden die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt. Das für die Eisenbahnverkehrsverwaltung maßgebliche Sicherheits- und Planungsrecht ist Gegenstand des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Weitgehend unionsrechtlich vorgeprägte Regelungen für die Struktur der Eisenbahnunternehmen, für die Gewährung des Zugangs zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen sowie für die Erhebung von Zugangsentgelten enthält dagegen das Eisenbahnregulierungsgesetz. Da die Gesetzgebungsmaschinerie in all diesen Bereichen jedoch ebenso wie im Straßenrecht keineswegs stillsteht, besteht ein großer Bedarf, sich zumindest über den Status quo des äußerst komplex gewordenen und damit auch streitanfälligen deutschen Eisenbahnrechts einigermaßen zuverlässig unterrichten zu können. Der Großkommentar zu den beiden für dieses Rechtsgebiet zentralen Gesetzen erfüllt diesen Bedarf umfassend. Herausgeber sind Jürgen Kühling als im Infrastrukturrecht ausgewiesener Rechtswissenschaftler und Karsten Otte, der als Direktor an der Bundesnetzagentur und Leiter der dortigen Abteilung Eisenbahnregulierung mit der praktischen Anwendung des Regulierungsrechts besonders vertraut ist. Mit immerhin 42 weiteren, überwiegend bei Behörden tätigen Autoren ist es ihnen gelungen, den umfangreichen Rechtsstoff der speziellen Materie des Eisenbahnrechts so zu bewältigen, dass jeder, der fachlich damit befasst ist, – auch mittels des sorgfältigen Sachverzeichnisses – zumindest hilfreiche Anhaltspunkte für die Lösung bestimmter Rechtsprobleme findet. Es liegt in der Natur der Sache, dass das auf dem Stand vom März 2020 befindliche Werk nur eine Momentaufnahme dieses sich weiter dynamisch entwickelten Rechtsgebiets liefern kann. Der Anhang enthält den Wortlaut der dafür wichtigsten Sekundärrechtsakte des europäischen Unionsrechts sowie ein Verzeichnis der maßgeblichen Staatsverträge mit Fundstellennachweis.

       

      Hermann Müller / Gerhard Schulz (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz mit Bundesfernstraßenmautgesetz. Kommentar, C.H.Beck, München, 3. Aufl. 2022. ISBN 978-3-406-76912-2; XXIII, 847 S., Leinen, € 149,00.

        Die beiden für das Recht der Bundesfernstraßen zentralen Gesetze sind Gegenstand dieses seit der Erstauflage von 2008 gut eingeführten, handlichen Kommentars. Er richtet sich vor allem an Praktiker in der Rechtspflege und der Verwaltung sowie bei Anbietern des 2021 eingeführten europäischen elektronischen Mautdienstes und bei der jetzt bundeseigenen Betreibergesellschaft des deutschen Lkw-Mautsystems (Toll Collect GmbH). Die seit der Vorauflage von 2013 eingetretenen Rechtsänderungen insbesondere die bereits erwähnte Reform der Bundesfernstraßenverwaltung und die Ausdehnung des An wendungsbereichs der Lkw-Maut, haben die Neuauflage nach dem Stand vom November 2021 erforderlich gemacht. Die Herausgeber sind Hermann Müller, ein im Infrastrukturrecht tätiger Rechtsanwalt, und Gerhard Schulz, der als früherer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und jetziger Vorsitzender der Geschäftsführung der Toll Collect GmbH mit der Entstehung und Entwicklung des Rechts der Lkw-Maut bestens vertraut ist. Sie werden unterstützt von einem Team von zehn Autoren, die überwiegend als Verwaltungsbeamte mit dem Fernstraßenrecht befasst sind. Den Gesetzeskommentierungen vorangestellt sind umfangreiche Einführungen in die jeweils betroffene Materie. Dabei geht die Einleitung zum Bundesfernstraßengesetz auf die Gesetzesgeschichte, die Historie der Bundesfernstraßen, die aktuelle Reform der Bundesfernstraßenverwaltung, die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Gesetzes, die Finanzierung der Bundesfernstraßen und die Behördenzuständigkeit ein. Die vom Mitherausgeber Schulz sachkundig selbst verfasste Einführung in das Bundesfernstraßenmautgesetz behandelt im Einzelnen die Entwicklung der Straßenbenutzungsgebühren vor und nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, die verfassungsrechtliche Grundlage dafür, die von enormen technischen Schwierigkeiten begleitete Realisierung der Lkw-Maut, die hier umzusetzenden europarechtlichen Regelungen und den an solchen Regelungen gescheiterten Versuch, mit dem 2015 beschlossenen Infrastrukturabgabengesetz eine Pkw-Maut zu realisieren. Die Einbeziehung des Bundesfernstraßenmautgesetzes in die Kommentierung ist wegen der vielschichtigen Rechtsfragen zur Lkw-Maut, die dem Staat die zur Erfüllung der Straßenbaulast erforderlichen Mittel verschaffen soll, für die Praxis besonders verdienstvoll. Das ausführliche Stichwortverzeichnis ist auch bei diesem Werk eine für den angesprochenen Nutzerkreis unentbehrliche Hilfestellung.

         

        Michael Sauthoff, Öffentliche Straßen. Straßenrecht, Straßenverkehrsrecht, Verkehrssicherungspflichten, C.H.Beck, München, 3. Aufl. 2020. ISBN 978-3-40669103-4; XXXV, 664 S., kart., € 99,00.

          Dieses in der Reihe „NJW Praxis“ erschienene, sich demgemäß in erster Linie an Praktiker richtende Werk stammt von einem der produktivsten Autoren zum Straßenrecht, der als Richter viele Jahre mit diesem Rechtsgebiet vertraut war. Er hat auch an dem zuvor besprochenen Kommentar zum Bundesfernstraßengesetz mitgearbeitet. Schon die Erstauflage von 2003 unter dem Titel „Straße und Anlieger“ wurde von Rechtsprechung und Literatur gern aufgenommen. Aufbau und Text wurden in der Vorauflage von 2010 und in der jetzt erschienenen Neuauflage unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechungsentwicklung jeweils gründlich überarbeitet. Ein vorangestellter Grundlagenteil befasst sich mit dem Begriff der öffentlichen Straßen im Straßenrecht, im Straßenverkehrsrecht und in sonstigen Rechtszusammenhängen. Anschließend werden die straßenrechtlichen Fragen der Entstehung und Änderung von öffentlichen Straßen („Straßenbestandsrecht“), ihrer Nutzung durch Gemeingebrauch, Anliegergebrauch, Sondernutzung und privatrechtliche Gestattung („Nutzungsrecht“) sowie des des sonstigen Straßennachbar- und Anliegerrechts behandelt. Weitere Abschnitte des Werkes betreffen den Zustand der Straßen unter den Gesichtspunkten der Straßenbaulast und der – vom Autor primär im Zivilrecht verordneten – Verkehrssicherung, des Straßenreinigungsrechts und des sonstigen Straßenordnungsrechts. Das in den Vorauflagen in die Regelungen der Inanspruchnahme öffentlicher Straßen eingeordnete Straßenverkehrsrecht bildet jetzt den selbständigen Schlussteil des Werkes. Unter der etwas gekünstelt wirkenden Gliederung leidet zwar die Übersichtlichkeit der Darstellung. Die Zusammenhänge zwischen den Teilbereichen werden jedoch durch zahlreiche interne Verweise, das ausführliche Inhaltsverzeichnis und ein detailliertes Stichwortverzeichnis ausreichend hergestellt. Ausgeklammert bleibt leider das Straßenplanungsrecht, dessen Bedeutung gerade unter umweltrechtlichen und wirtschaftspolitischen Aspekten in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen ist. Hierfür müssen die Praktiker des Straßenrechts auf andere Erkenntnisquellen – wie beispielsweise das von Kodal begründete Handbuch – zurückgreifen. Eine entsprechende thematische Erweiterung hätte jedoch den Umfang – und damit auch den Preis – des Werkes über das für den Adressatenkreis gerade noch vertretbare Maß hinaus gewiss deutlich erhöht. (us)

          Dr. iur. Ulrich Storost war Mitglied des für Teile des Fach­ planungsrechts zuständigen 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts. Er gehörte diesem Senat seit 1993 als Richter, von 2004 bis 2011 als Vorsitzender Richter an. ulrich.storost@t-online.de

           

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