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Qualität und Service im Dienst der Wissenschaft: 150 Jahre Harrassowitz

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2022

Gegründet wurde die Firma 1872 in Leipzig von dem jungen Buchhändler und Antiquar Otto Wilhelm Harrassowitz (1845–1920), und zwar sowohl als Verlag als auch als Buchhandlung für den Import und Export wissenschaftlicher Literatur. Dieses Geschäftsmodell besteht seither fort, wobei HARRASSOWITZ heute als einer der weltweit führenden Anbieter im buchhändlerischen Bereich ausschließlich als Bibliotheks- und Zeitschriftenagentur arbeitet. Bereits zur Gründungszeit hatte sich der Verlag auf zwei Programmgebiete spezialisiert, die tragende Säulen bleiben sollten: die Buch- und Bibliothekswissenschaft und vor allem die Orientalistik. Die immer wieder aufflammende Orientbegeisterung in der westlichen Welt hatte im 19. Jahrhundert einen neuerlichen und neuartigen Höhepunkt erreicht. Wurde bis dahin der Orient häufig verklärt und mystifiziert, begann man nun im Deutschen Reich, sich ganz konkret politisch und ökonomisch mit dem „Morgenland“ auseinanderzusetzen und seine Sprachen und Kulturen wissenschaftlich zu erforschen. Otto Harrassowitz erkannte diese Trends seiner Zeit und legte zu Beginn des Deutschen Kaiserreichs den Grundstock für ein anspruchsvolles wissenschaftliches Verlagsprogramm, darunter viele Standardwerke. Das Unternehmen entwickelte sich und prosperierte, bis das rege verlegerische und buch-händlerische Leben durch den Zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen wurde. Bei dem verheerenden Luftangriff auf Leipzig in der Nacht des 4. Dezember 1943 wurden Geschäfts- und Lagerräume der Firma HARRASSOWTZ vollständig zerstört. Sämtliche Dokumente, das Archiv und nahezu eine Million Bücher wurden Opfer der Flammen. Nach Kriegsende wurden die Geschäfte zunächst provisorisch fortgeführt. 1947 jedoch sah Hans Harrassowitz, Sohn des Gründers und Firmenchef seit 1915, in Leipzig, also in der sowjetisch besetzten Zone, keine Zukunft mehr für sein Unternehmen. Der Eröffnung einer ­Filiale im amerikanischen Sektor, in der späteren hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, folgte schon bald die Neugründung der Firma, nachdem HARRASSOWITZ Anfang der 1950er Jahre von der Regierung der DDR enteignet und zerschlagen worden war.

Für den Verlag bedeutete der Umzug nach Wiesbaden einen kompletten Neuanfang. Begünstigt wurde der erfolgreiche Neustart durch das Wiederaufleben des wissenschaftlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland. Das Bedürfnis nach neuen, politisch unbelasteten Lehrwerken und -materialien sowie die Etablierung neuer Forschungsansätze und -methoden fanden lebhaften Wider­ hall im Verlagsprogramm. Es entstanden bedeutende Wörterbücher und Lehrwerke und die angestammten Programmbereiche wurden systematisch ausgebaut und erweitert. Neben den weiterhin bestehenden Schwerpunkten Orientalistik sowie Buch- und Bibliothekswissenschaft erschloss sich HARRASSOWITZ nach der Wiedervereinigung zunehmend auch die Osteuropawissenschaften und genießt vor allem in Polen einen herausragenden Ruf als Wissenschaftsverlag. Insbesondere im letzten Jahrzehnt wurde schließlich die Archäologie zu einer weiteren tragenden Säule des Verlagsprogrammes mit zahlreichen hochwertigen und aufwändig gestalteten Publikationen. Als besonderer Glücksfall in jüngerer Zeit erwies sich zudem die Übernahme der Publikationen der Monumenta Germaniae Historica im Jahre 2013.

Deutsch – Ukrainisch – Russisch

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ließ dem Ukrainisch-Sprachangebot des Verlages ungewollte Aufmerksamkeit zukommen. Die rege Nachfrage ließ den Verlag umgehend reagieren und der „Sprachführer Deutsch – Ukrainisch – Russisch“ wird seither auf der Homepage kostenlos zum Download angeboten. Ursprünglich sollte dieser Band das Interesse an der Kultur und Geschichte der Ukraine in Deutschland wecken und eine Hilfestellung darstellen, sich in der Ukraine in alltäglichen Situationen zurechtzufinden, daher auch die die einzigartige dreisprachige Anlage des Sprachführers. Nun hat der Sprachführer an trauriger Aktualität gewonnen. Unter diesen Umständen bietet er sowohl für die Geflüchteten als auch für deren deutschsprachige Helferinnen und Helfer eine erste Handreichung zur Verständigung.

Der Jubiläumskatalog

Mit einem 660-seitigen Gesamtkatalog aller lieferbaren Titel „feiert“ der Harrassowitz Verlag sein 150-jähriges Bestehen. Dabei ist der Katalog weit mehr als ein reines Gesamtverzeichnis. Ein ausführlicher Blick auf die Verlagsgeschichte, Beiträge zur Buchherstellung und Einblicke der Mitarbeiter*innen aus den einzelnen ­Verlagsabteilungen runden die Jubiläumspublikation ebenso ab wie die Stimmen treuer Autor*innen und Herausgeber*innen, die in zahlreichen Exkursen über die Erfahrungen mit „ihrem“ Verlag berichten. Der Jubiläumskatalog ist damit nicht nur ein Ausdruck der Vielfalt des Verlagsprogrammes, sondern auch ein Statement für die zentrale Bedeutung unabhängiger Verlage in der Wissenschaftsvermittlung. Der Jubiläumskatalog kann kostenfrei über verlag@harrassowitz.de bezogen werden bzw. steht unter https://www.harrassowitz-verlag.de/DEU/ isbn_9783447990158.ahtml zum Download bereit.

Stimmen von Autor*innen und Herausgeber*innen

„Asking how important Harrassowitz has been for Oriental Studies over the past 150 years is like asking about the Pope’s relevance to Catholicism.“ (Prof. em. Dr. Philip G. Kreyenbroek, Universität Göttingen)

„Ich kann jedem Forschungsinstitut nur einen Verlag wie Harrassowitz wünschen: Die große Kompetenz des Verlages kommt unseren Bänden zugute und mit einer sehr guten und immer konstruktiven Kommunikation mit dem immer engagierten und gut gelaunten Team lassen sich Fragen und Probleme schnell lösen.“ (Prof. Dr. Martina Hartmann, Präsidentin der Monumenta Germaniae Historica)

„Der Verlag Harrassowitz hat diese Zeichen der Zeit früh erkannt, akzeptiert und zu seinem und seiner Autor*innen und Käufer*innen Wohl genutzt. Das nennt sich Entwicklung, Wachstum und Zukunftsorientierung. An diesem runden Geburtstag sei hierzu herzlich gratuliert und für die vielen schönen Katalogbände bedankt.“ (Dr. Claudia Fabian, BSB München Leitung Abteilung Handschriften und Alte Drucke)

„Für die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, die als „Kleine Fächer“ und gelegentlich nach der exotischen Pflanze der Orchidee benannt werden, deren Werke meistens nur in Klein- oder Kleinstauflagen erscheinen, war und ist der Harrassowitz Verlag ein unverzichtbares Forum. Die Kulturwissenschaften (jetzt im Plural) gratulieren zum 150. Geburtstag und hoffen auf weitere langlebige und fruchtbare Zusammenarbeit.“ (Prof. Dr. em. Hartmut Kühne, FU Berlin)

„Für die Wissenschaft und uns Orientalisten ist diese Arbeit von unschätzbarem Wert.“ (Prof. em. Dr. Dr.h.c. Lars Johanson, Universität Mainz)

„Der Deutsche Verein zur Erforschung Palästinas e.V. ist dankbar für diese glückliche Partnerschaft und wünscht dem Haus Harrassowitz: Ad multos annos!“ (Prof. Dr. Herbert Niehr/Prof. Dr. Hermann Michael Niemann, Deutscher V erein zur Erforschung Palästinas e.V.)

„Der Harrassowitz Verlag ist aus der Altorientalistik nicht mehr wegzudenken.“ (Prof. Dr. Michael P. Streck, Universität Leipzig)

150 Buchreihen, 30 Zeitschriften bzw. Jahrbücher

Rund 150 aktive Buchreihen und 30 Zeitschriften bzw. Jahrbücher bilden das Rückgrat des Sortiments des Harrassowitz Verlages. Jährlich erscheinen so rund 250 Neuerscheinungen. Da Publikationen langfristig lieferbar gehalten werden, umfasst die Backlist des Verlages rund 4000 Titel. Die ausnahmslos von namhaften Wissenschaftler*innen betreuten Reihen stellen nach wie vor ein starkes Qualitätsmerkmal für die bibliothekarische Erschließung der Publikationen dar. Zudem geben sie auch Nischendisziplinen wie der Albanologie oder der Äthiopistik, die nur an wenigen Hochschulen gelehrt werden und sogar unter den sog. „Kleinen Fächern“ noch als klein gelten dürfen, ein Profil und ein Forum für hochwertige Publikationen.

 

Dabei half dem Verlag auch eine langfristige Konstanz in der Verlagsleitung: Nach dem Ausscheiden von Hans Harrassowitz ist nach Dr. Ludwig Reichert (1953–1972), Dr. Helmut Petzold (1973–1992), Michael Langfeld (1992– 2007) und Dr. Barbara Krauß (2007–2020) seit 2021 mit Stephan Specht erst der fünfte Verlagsleiter für die Geschicke des V rlages verantwortlich.

Programmatisch setzt HARRASSOWITZ nach wie vor ganz wesentlich auf das qualitativ wertvolle gedruckte Buch, wenngleich fast alle neuen Titel heute auch als E-Book erscheinen und dies auch immer häufiger im Open Access. Zudem werden vergriffene Titel wieder als „Book on Demand“ lieferbar gemacht oder langfristig lieferbar gehalten.

Umfangreich ist die Liste bedeutender Kooperationspartner des Verlages: Mit der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, der Deutschen Orient Gesellschaft, dem Deutschen Verein zur Erforschung Palästinas, dem Deutschen Polen Institut in Darmstadt, dem Deutschen Historischen Institut in Warschau, der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, den Monumenta Germaniae Historia, der GutenbergGesellschaft, dem Deutschen Archäologischen Institut und den Franckeschen Stiftungen in Halle können hier nur wenige exemplarisch genannt werden, die bei HARRASSOWITZ ihre Publikationen veröffentlichen oder dem HARRASSOWITZ Verlag ihre Veröffentlichungen im Rahmen eines Kommissionsverhältnisses anvertrauen. Rückgrat und Erfolgsrezept des Verlages ist dabei nach wie vor die langfristige Kooperation mit zufriedenen

Herausgeber*innen sowie Autor*innen, die nicht selten ihrem Verlag über viele Jahrzehnte die Treue halten. Dabei steht im Zentrum des Verlages der Grundsatz, dass jede Veröffentlichung individuell und einzigartig zu behandeln ist. Während es häufig Ziel der Verlagshäuser ist, ihre Autor*innen in eine möglichst einheitliche Verlagslinie zu „erziehen“, versucht HARRASSOWITZ, auf die individuellen Bedürfnisse der Verfasser*innen und ihrer Publikationen größtmögliche Rücksicht zu nehmen. Ergebnis dessen sind außergewöhnliche Publikationen wie etwa eine maßgefertigte Buchkassette mit 57 z. T. überformatigen Beilagen in der Publikation H. Kühne, „Die Zitadelle von D¯ur-Katlimmu in mittel- und neuassyrischer Zeit“ oder eine (dank Rollendruck) über 6 Meter lange Beilage in Kreppner, Florian Janoscha / Schmid, Jochen, „Stratigraphie und Architektur des ‚Roten Hauses‘ von Tall Š¯eH Hamad / D¯ur-Katlimmu“ oder auch die Bände im Großformat (285 x 375 mm) der Reihe „Buddhist Stone Sutras in China“. Auch dem Wunsch ein 2381-seitiges Wörterbuch in einem Band erscheinen zu lassen, versuchte man durch die Anfertigung eines Musterbandes zu entsprechen. Bei der Endfertigung freilich nahm man doch von diesem Unterfangen Abstand.

HARRASSOWITZ versteht sich dabei im besten Sinne als „full-service“-Verlagshaus, das sowohl Satz wie auch Bildbearbeitung, Lektorat und Korrektorat anbieten kann, jedoch auch die Ablieferung druckfertiger Dateien begleitet und weiterverarbeitet.

Den Anspruch, Tradition und Moderne zu verbinden, verfolgt die Anfang 2022 gestartete Harrassowitz Library (www.harrassowitz-library.com) konsequent weiter, die die Unabhängigkeit des Verlages mit einer eigenen digitalen Plattform unterstreicht.

Personell ist der Verlag mit einem kleinen, aber homogenen Team gut und kompetent ausgestattet. Fast alle der rund 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben – neben den berufsspezifischen Zusatzqualifikationen – ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert und stehen daher den Interessen und Bedürfnissen der publizierenden Wissenschaftler besonders aufgeschlossen gegenüber. ­Personelle Fluktuation ist kaum ein Thema bei HARRASSOWITZ, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifizieren sich mit „ihrem“ Verlag und bleiben diesem langfristig erhalten. 🔴

Stephan Specht ist studierter Archäologe, Althistoriker und Literaturwissenschaftler. Seit Anfang 2021 leitet er den Harrassowitz Verlag in Wiesbaden. Zuvor war er langjährig für den 1990 gegründeten Ergon Verlag in Würzburg tätig und trug maßgeblich zu dessen Aufbau bei. Während seines Studiums ­engagierte er sich intensiv in der Museumsarbeit und nahm an mehreren Grabungskampagnen des Deutschen Archäologischen Instituts im antiken Olympia teil.

sspecht@harrassowitz.de

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