Betriebswirtschaft

Nachhaltig managen

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2022

Hip zu sein reicht nicht, um die Welt zu ­retten. „Nachhaltigkeit“ lautet die Parole. Damit ist aber nicht das Surfen auf einer ­Modewelle gemeint. Begreifen und tatsächliches ­Handeln sind gefragt. Dabei hat es der ­österreichische Lyriker Erich Fried schon vor über 50 J­ahren gewusst: „Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“ Auch wenn es recht lange brauchte, sickert diese Notwendigkeit allmählich in die moderne Betriebswirtschaftslehre durch. Vier aktuelle ­Bücher zur Nachhaltigkeit liegen vor und wurden frisch ausgepackt.

Ernst, Dietmar / Sailer, Ulrich / Gabriel, Robert (Hrsg.), Nachhaltige Betriebswirtschaft, 2. Auflage, UVK, 2021, 413 S., ISBN 978-3-8252-5375-2. € 39,00.




Grunwald, Guido / Schwill, Jürgen, Nachhaltigkeitsmarketing: Grundlagen, Gestaltungsoptionen, Um ­ setzung, Schäffer-Poeschel, 2022, 391 S., ISBN 978-3-7910-4925-0. € 49,95.


 

Müller, Martin / Siakala, Sara, Nachhaltiges Lieferkettenmanagement: Von der Strategie zur Umsetzung, De Gruyter, 2020, 194 S., ISBN 978-3-11064-8430-0. € 44,95.


Bozyazi, Esin / Kurt, Dialek, Soziale ­Nachhaltigkeit und digitale Transformation: Für ein ­erfolgreiches, nachhaltiges und menschliches Business, Schäffer-P oeschel, 2022, 171 S., ISBN 978-3-7910-5386-8. € 39,95.

„It‘s a hot thing and it’s getting hotter!” Kaum ein Begriff in der Betriebswirtschaftslehre wird gerade so lebhaft diskutiert wie „Nachhaltigkeit“. Sustainability-Management ist zum echten Wettbewerbsfaktor geworden: Kunden wollen nachhaltige Produkte kaufen. Mit Greenwashing und bloßen Lippenbekenntnissen schießen sich die Unternehmen Eigentore. So überrascht es nicht, wenn derzeit Schriften zur Nachhaltigkeit wie Pilze aus dem Boden schießen.

Herausgeber des ersten hier angezeigten Buchs zur Thematik Nachhaltige Betriebswirtschaftslehre sind Dietmar Ernst, Ulrich Sailer und Robert Gabriel. Es ist die Zweitauflage ihrer Schrift. Die Erstauflage stammt aus dem Jahr 2013. Die drei Herausgeber haben weitere 20 Professorinnen und Professoren der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) um sich geschart. Die Autoren lehren an drei verschiedenen Fakultäten besagter Hochschule. In ihrem Werk sprechen sie vom „Nürtinger Ansatz“.

Nachhaltige Betriebswirtschaft untergliedert sich in vier Hauptteile. Eher knapp gehalten sind dabei die „Einleitung“, der Abschnitt „Planetare Grenzen und Gesellschaft“ sowie der „Ausblick“, am umfangreichsten fällt „Management und Wertschöpfung“ aus. In der Einleitung verraten die Auroren, was sie unter einer nachhaltigen Betriebswirtschaft grundsätzlich verstehen. Bei den „Planetaren Grenzen und Gesellschaft“ geht es um volkswirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigkeit und die gesellschaftliche Verantwortung, die mit nachhaltigem Handeln verbunden ist. Motto: „Vom Gewinn zu Gemeinwohl – und zurück“. Im Ausblick wagt ein Verfasser (Klaus Gourgé) einen Blick in die Kristallkugel. Er nennt seinen Beitrag „Unternehmen Zukunft: Eine utopische Nachhersage aus dem Jahr 2050“. Beschrieben werden Lebensqualität, Zukunftsforschung, Future Skills und Megatrends. Wie sieht die Stadt der Zukunft im Jahr 2050 aus? Sie ist natürlich autofrei, Unfälle gibt es zum Glück kaum mehr. Wie leben und arbeiten wir im Jahr 2050? Die Arbeitswelt richtet sich nach dem Prinzip „M2M“ aus (Machine-to-Machine). Moderne Algorithmen haben traditionelle Arbeiten übernommen. Diese Zukunftsvisionen sind informativ, zudem sind sie erfrischend witzig geschrieben worden. Am Ende stellt Gourgé die Gretchenfrage: „Management by Design or by Desaster“?

Insgesamt 17 Beiträge umfasst der Hauptabschnitt „Management und Wertschöpfung“. Darin finden sich Überlegungen zur Transformation, agilen Personalführung oder Corporate Compliance. Aber auch grundlegende betriebswirtschaftliche Funktionalitäten werden unter die Lupe genommen. So werden Marketing, Beschaffung und Logistik, Innovationsmanagement und Controlling – natürlich jeweils speziell aus dem Blickwinkel her Nachhaltigkeit heraus – näher beschrieben. Die Bezüge zur Nachhaltigkeit sind mitunter kreativ, interessant sind sie allemal. Dazu zählen: Wie sieht die Urbane Logistik der Zukunft aus? Über welche Transportmittel und welche Lagerorte (Mikrodepots) verfügt sie? Wie sollen nachhaltige Produkte beworben werden? Welche Bausteine braucht eine nachhaltige Produktion? Mit Hilfe welcher Kennzahlen kann Nachhaltigkeit im Controlling gemessen werden? Welche rechtlichen Konsequenzen erfordert Corporate Social Responsibility? Da zunächst immer ein knapper, allgemeiner Überblick zur Thematik angeboten wird, kann auch ein Nicht-BWLer den Autoren folgen. Das mag einem gewieften Betriebswirt mitunter ein wenig wie „Ballast“ vorkommen. Aber diese Seiten können ja quer gelesen oder übersprungen werden. Zahlreiche Beispiele und Abbildungen erleichtern das Verstehen. Die Praxisfälle und Key Words sind leserfreundlich in Blöcken hervorgehoben. Am Ende gibt es ein Glossar. Es wäre allerdings schön, wenn sich die Herausgeber im Falle einer Neuauflage dazu durchringen könnten, dem Buch ein Stichwortverzeichnis zu schenken. Dies wäre mehr als hilfreich!

Der Schreibstil der Autoren ist unterschiedlich. Manche Artikel sind akademisch, andere wiederum leben eher von ihrem Pragmatismus und liefern reichlich Beispiele aus dem betrieblichen Umfeld. Dennoch erweckt das Buch einen ganzheitlichen Eindruck. Motto: „Nachhaltige Betriebswirtschaftslehre aus seinem Guss“. Dies ist erfreulich, schließlich verfehlt manch andere Herausgeberschrift dieses wichtige Ziel. Zusammengefasst lässt sich sagen: Wer einen ersten, allgemeinen Einblick in die nachhaltige Betriebswirtschaftslehre gewinnen möchte, liegt mit der Wahl dieser Schrift goldrichtig. Vielleicht hat das Buch sogar das Zeug, sich zu einem Standardwerk nachhaltiger BWL zu mausern.

Sehr viel spezieller geht es bei Guido Grunwald und Jürgen Schwill zu. Sie berichten von Nachhaltigkeitsmarketing. Beide sind Professoren: Grundwald lehrt Marketing und Marktforschung an der Hochschule Osnabrück; Schwill vertritt an der Hochschule Brandenburg Internationales Management und Marketing/Vertrieb. Das Buch ist in fünf Hauptkapitel gegliedert.

Es beginnt mit den „Grundlagen des Nachhaltigkeitsmarketings“. So erfährt der Leser von den Zielen der Nachhaltigkeit im Marketing und seinen Rahmenfaktoren. Weiter geht es damit, wie sich interne Stakeholder (Eigentümer, Management, Mitarbeiter) und externe Stakeholder (z. B. Kapitalgeber, Staat, Handel) im Nachhaltigkeitsmanagement positionieren sollen.

Im zweiten Abschnitt werden „Theoretische Erklärungsansätze“ behandelt. Diese untergliedern sich in drei Bereiche: Makro-, Meso- und Mikro-Ebene. Eine Vielzahl von Konzepten wird hier vorgestellt. Bei den meisten Ansätzen wird der spezielle Bezug zur Nachhaltigkeit deutlich (z. B. Theorie der sozialen Identität, Theorie des geplanten Verhaltens, Wertemodell). Hier ist die Verbindung zwischen allgemeiner Beschreibung und selbständigem Forttragen der Inhalte – speziell aus Sicht der Nachhaltigkeit – gut gelungen. Bei einigen anderen Ansätzen wird dieser Anspruch allerdings nicht so deutlich (z. B. Principal-AgentTheorie, Nudging).

Es folgen „Strategien des Nachhaltigkeitsmarketings“. Dazu analysieren Grunwald und Schwill zunächst die strategische Ausgangssituation von Unternehmen. Der Leser erfährt von allgemein bekannten betriebswirtschaftlichen Konzepten, wie der Szenario-Analyse oder Frühwarnsystemen. Die Autoren verstehen es, diese Ansätze geschickt für ihre Ziele einzusetzen: Der Fokus der Hilfsmittel richtet sich konsequent auf die Nachhaltigkeit aus. Für den Leser ergibt sich dadurch manch neuer, interessanter Bezug: Beispielhaft steht der Aufbau einer Matrix zur Durchführung einer exemplarischen, nachhaltigen Stakeholder-Bewertung. Aber auch das allgemein bekannte Employer Branding (Stärkung der eigenen Marke) wird im Lichte von Sustainability besprochen. Gleiches gilt für nachfrageorientierte Pull-Strategien und angebotsorientierte Push-Strategien des Handels. Die Differenzierung der „Instrumente des Nachhaltigkeitsmarketings“ im nächsten Hauptkapitel richtet sich zunächst nach den üblichen vier Verdächtigen aus: Den Elementen des Marketing-Mix (Produkt, Preis, Distribution, Kommunikation). Das erscheint auf den ersten Blick langweilig, weil hinlänglich bekannt. Bei näherer Betrachtung finden sich hier aber interessante Hinweise und Modifikationen: Zum Beispiel werden bei der Produktpolitik die Bausteine einer umweltgerechten Verpackung vorgestellt (am Beispiel Henkel). Die Preispolitik orientiert sich an Nachhaltigkeitszielen beim Verkauf von Luxusartikeln (Gucci, Prada, Versace). Für die Distribution kennzeichnen die Autoren neue und umweltgerechte Vertriebswege (wie das 3-D-Printing). Schließlich finden sich für eine nachhaltige Kommunikationspolitik Vorschläge zur zielgerichteten Nutzung von Social-Media-Kanälen.

Im fünften Kapitel „Controlling des Nachhaltigkeitsmarketings“ berichten die Autoren von einer modifizierten Balanced Scorecard. Es tut gut, dass Grunwald und Schwill nicht an den traditionellen vier Perspektiven von Kaplan und Norton kleben bleiben. Robert S. Kaplan und David P. Norton haben die Scorecard bekanntlich mit den Dimensionen Finanzen, Kunden, internen Prozessen sowie Lernen und Entwickeln besetzt. Grundwall und Schwill erweitern ihre Sustainability Scorecard um die Perspektiven Lieferanten, Kooperationen und Öffentlichkeit. Dadurch wirken diese Überlegungen eigenständig und frisch. Dieses Kapitel ist das beste und innovativste im Buch. So wird auch das Thema Nachhaltigkeitsberichtserstattung in sehr ansprechender Weise diskutiert.

Grunwald und Schwill gewähren einen interessanten Einblick in das Nachhaltigkeitsmarketing. Der Schreibstil ist angenehm, das Buch wirkt glücklicherweise nicht prätentiös. Viele Praxisbeispiele erleichtern das Verständnis. Gleiches gilt für eine Reihe gelungener Abbildungen und die Hervorhebung von Kernbegriffen in Form von Marginalien. Fazit: Den Verfassern gelingt der schwierige Brückenschlag zwischen anspruchsvoller theoretischer Diskussion und praktischer Umsetzung. Das Buch ist sowohl für den Einsteiger in die Materie geeignet, wie auch den dort bereits tiefer Schürfenden. Es ist ein Fachbuch, kein Lehrbuch. Dennoch werden an ihm Praktiker wie Studierende gleichermaßen ihre Freude haben.

Martin Müller und Saskia Siakala berichten in ihrem Buch über Nachhaltiges Lieferkettenmanagement. Gerade im Zusammenhang mit der Corona-Krise ist deutlich geworden, dass in modernen Supply Chains in den letzten Jahren zu sehr auf Effizienz gesetzt wurde. Die Resilienz kam unter die Räder. Etliche Lieferketten sind ins Stocken geraten, andere brachen komplett zusammen. Die daraus resultierenden Preissteigerungen bekommen wir aktuell zu spüren. Außerdem ist gerade das viel diskutierte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt (LkSG) in aller Munde. Ein Bundesgesetz, in dem die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten geregelt sind: Das Gesetz wird ab 1. Januar 2023 in Kraft treten und gilt für Unternehmen ab einer bestimmten Größe. Die behandelte Thematik ist also brandaktuell. Müller ist Leiter des Instituts für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm. Siakala ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an diesem Institut. Supply Chains sind in der Regel globale und hoch komplexe Gebilde. So gestaltet sich die Sicherung sozial-ökologischer Standards innerhalb moderner und nachhaltiger Lieferketten zur Herkules-Aufgabe. Das vorliegende Buch nimmt sich dieser Schwierigkeit an. Es ist in neun Abschnitte untergliedert. Manche davon sind recht knapp gehalten, wie die Überlegungen zur „n-Tier-Lieferkette“ und zur „Kooperation“. Beide Kapitel umfassen jeweils ca. zehn Seiten. Der Begriff „Tier“ steht übrigens für die Ebene einer Lieferantenbeziehung: Ein „Tier 1“-Lieferant ist ein Zulieferer der ersten Ebene: Ein direkter Lieferant des Herstellers (OEM – Original Equipment Manufacturer). Im „Nachhaltigen Lieferkettenmanagement“ geht es um Umwelt, Menschenrechte, Arbeitspraktiken sowie Betriebs- und Geschäftspraktiken. Müller und Siakala besprechen zunächst die Gründe eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements. Dazu wird die CSR-Richtlinie (Corporate Social Responsibility – die Pflicht für Unternehmen, über sozial-ökologische Belange zu berichten) ebenso beschrieben, wie der Modern Slavery Act: Ein 2015 in Großbritannien verabschiedetes Gesetz zum Schutz von Menschen, die Sklaverei, Leibeigenschaft, Zwangsarbeit oder Menschenhandel zum Opfer fallen. Aber auch die Chancen und die Risiken einer solchen Gesetzgebung werden von Müller und Siakala zielsicher beleuchtet.

Dann folgen „Strategien für das nachhaltige Lieferkettenmanagement“. Dazu benennen die Autoren Arbeitsschritte zur Ausformulierung einer SSCM-Strategie (Sustainable Supply Chain Management) und verweisen auf die Praxisbeispiele Otto Group und BMW. Weiter geht es mit der Organisation eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements. Hier werden Themen wie Veränderungsmanagement, Vorschriften und Verfahrensbeschreibungen, Schulungen oder Anreizsysteme behandelt. Auch der Lieferanten-Code-ofConduct wird vorgestellt: Darin sind Nachhaltigkeitsanforderungen für Lieferanten formuliert. Was müssen Lieferanten umsetzen und welche Regeln haben sie dabei einzuhalten?

Recht umfangreich fallen die Darstellungen zum „Nachhaltigen Beschaffungsprozess“ aus. Dabei sticht die Lieferantenbewertung heraus. Ein klassisches Lieferantenbewertungssystem (Supplier Rating System) beinhaltet Faktoren wie Bonität, Servicegrad oder Preisforderungen des Lieferanten. Diese Punkte werden um die Attribute Menschenrechte, Arbeitspraktiken, Biodiversität oder Tierschutz ergänzt. Interessant ist ein Fragebogen, den Lieferanten zur Selbstauskunft nutzen können. Beispiel: „Gibt es in ihrem Unternehmen eine für soziale Nachhaltigkeit hauptverantwortliche Person“? Müller und Siakala gehen auch darauf ein, wenn Lieferanten Nachhaltigkeitsanforderungen nicht einhalten und gegebenenfalls zu sanktionieren sind. Fazit: Das Buch gibt einen guten Überblick, wie ein nahhaltiges Lieferantenmanagement ausgestaltet sein kann. Etliche Beispiele helfen dabei, die Thematik besser zu verstehen. Außerdem sind die wichtigsten Aspekte leserfreundlich in Übersichtskästen zusammengefasst. Wer sich allerdings Ratschläge darüber erhofft, wie ein nachhaltiges Lieferantenmanagement konkret ausgestaltet sein kann, wird nur zum Teil fündig. Das Buch beschäftigt sich eher mit seinem theoretischen Rahmen, weniger mit der praktischen Umsetzung. Einige Fragebögen helfen zwar dabei, ein nachhaltiges Lieferantenmanagement im betrieblichen Umfeld zu realisieren. Dennoch bleiben etliche Punkte offen: Zum Beispiel eine Hilfestellung für Unternehmen zur Implementierung des konkret vor der Tür stehenden Gesetzes zur Lieferkettensorgfaltspflicht.

Aber man muss auch fair sein: Das Buch wurde bereits 2020 veröffentlicht. Da wurde zwar schon heftig um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gestritten, es war aber noch nicht vom Bundestag final verabschiedet (dies geschah erst Mitte 2021). Weil das Thema „Nachhaltigkeit in Lieferketten“ fraglos hoch dynamisch und auch weiterhin top-aktuell ist, wäre es wünschenswert, die Schrift demnächst in einer Neuauflage zu aktualisieren und zu erweitern. Dadurch würde man dem Puls der Zeit gerecht und könnte gesetzliche Neuerungen aufgreifen. Als letztes Buch liegt Soziale Nachhaltigkeit und digitale Transformation vor. Neben den Herausgebern Esin Bozyazi und Dialek Kurt haben zehn weitere Autoren ihren Beitrag zur „Sozialen Nachhaltigkeit“ geleistet. Bozyazi ist Professorin an der Internationalen Hochschule. Dort lehrt sie Sustainable Entrepreneurship und ist auch sonst recht umtriebig. Zum Beispiel entwickelt sie Crossover-Projekte und holistische Geschäftsmodelle. Die ebenfalls promovierte Kurt beschäftigt sich intensiv mit digitaler Transformation, berät Unternehmen auf ihrem Weg dorthin und ist Organisationscoach wie auch Key-Note-Speakerin. Der Titel des Buches klingt spannend: Mit der (sozialen) Nachhaltigkeit und der digitalen Transformationen sind gleich zwei Megatrends unserer Zeit angesprochen. Beide scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemein zu haben. Doch wenn man bei der sozialen Nachhaltigkeit an gute Beziehungen von Menschen zu sich selbst, zu anderen und ihrer Umwelt (Land, Politik, Natur) denkt, ist es nicht abwegig, diese Interaktionen mit der Nutzung moderner Technologien besser und einfacher hinzubekommen: Quasi eine menschliche Transformation, eine Digitalisierung von und für den Menschen. Mit dem Ziel der Verbesserung unserer Lebensqualität sowie der Sicherung und Entwicklung einer lebenswerten Zukunft. Die Verfasser bezeichnen dies als „Sustainable Business Transformation“. Das Geschäftsmodell der Zukunft: „NextPreneuren“ gelingt es, digital, nachhaltig und profitabel zu agieren. Start-ups haben gezeigt, wie es geht. Zum Beispiel Patagonia: Ein Unternehmen, mit einem Umsatz größer einer Milliarde US-Dollar, das Textilien aus 100% biologischem Anbau webt und 1% des Umsatzes Umweltschutzgruppen weltweit spendet. Das Buch setzt darauf, gesellschaftsrelevante Ziele mit Hilfe digitaler Lösungen besser und schneller erreichen zu können. Dazu zählen die Bekämpfung von Armut und Hunger, das Recht auf Bildung, die Gleichstellung der Geschlechter oder der barrierefreie Zugang zu Wasser. Um dies sicher zu stellen, werden Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie ins Rennen geschickt. So haben Mitarbeiter mit Hilfe von „Phantom Shares“ die Möglichkeit, über ihre virtuellen Anteile am Erlös geschäftlicher Transaktionen ihres Arbeitgebers teilzuhaben. Die Vermögensgegenstände werden vorzugsweise über NFTs abgebildet (Non-Fungible Token): Zum Beispiel ein Non-Fungible (einzigartiger) Videoclip, der mittels Token (Zeichen, Vermögenswert) seine Originalität und Eigentümerschaft beweist. Als Basis dient die Blockchain, indem sie als unveränderbares Register diesen Nachweis zertifiziert. Der Token zeigt auf, wem der Videoclip gehört.

Ein weiteres Thema ist Rainbow Washing: Wenn Unternehmen die Regenbogenfahne als Werbemittel nutzen. Die Flagge steht bekanntlich für Toleranz und die Akzeptanz von Vielfalt der Lebensformen. Sie ist Zeichen der LGBTQ-Community (lesbian, gay, bisexuell, transgender, queer). Die Autoren warnen vor Rainbow Washing, der Verbindung mit der LGBTQ-Community zur reinen Ergebnissteigerung; also Profit quasi unter dem Deckmäntelchen des Regenbogens – ein Trend, der vor allem im „Pride Month“ Juni eines jeden Jahres auszumachen sei: Pride-Optik im Pride-Month. Dazu werden Negativbeispiele aufgeführt, wenn Unternehmen die Regenbogenoptik ungeschickt genutzt haben, was zu massiver Empörung führte (genannt werden u. a. IKEA, Starbucks und Coca-Cola). Im hinteren Teil der „Sozialen Nachhaltigkeit und Digitalen Transformation“ finden sich fünf Praxisbeispiele („Cases“). Dabei geht vor allem um kleinere Start-ups. Es wird aber auch über den Großkonzern Bosch berichtet. Eine Autorin (Sarah Link) stellt Fair Hero vor: Das junge Unternehmen möchte die Chancen für Mädchen und junge Frauen in Guatemala verbessern. Digitale Tools werden dort nicht nur in der Schulbildung eingesetzt. Über eine Website wird Fair Hero mit seinen Kunden verbunden, die unkompliziert die in Guatemala hergestellten Produkte kaufen können (Schals, Schuhe). Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden zudem der Online-Shop optimiert und die Einkaufsprosse automatisiert. Fazit: Die Autoren prangern in ihrem Buch erfreulicherweise Missstände und Defizite unserer Gesellschaft nicht nur an. Sie liefern auch konkrete Lösungen. Die Idee, soziale Nachhaltigkeit digital abzusichern, funktioniert erstaunlich gut. Nachhaltigkeit wird nicht bloß aus der ökologischen Perspektive betrachtet, sondern ganzheitlich. Handlungsempfehlungen finden sich in der Schrift ebenso wie der Hinweis auf mögliche Stolpersteine. Soziale Nachhaltigkeit und digitale Transformation ist ein gutes und wichtiges Buch. Soziale Nachhaltigkeit wird zur glaubhaften Herzensangelegenheit. Nicht nur deshalb ist dem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen. (hw)

Prof. Dr. Hartmut Werner lehrt Controlling und Logistikmanagement an der Hochschule RheinMain (Wiesbaden Business School). Hartmut.Werner@hs-rm.de

 

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