Das Medizinrecht ist eine Querschnittsmaterie, die die klassische Dreiteilung der juristischen Welt in Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht weit hinter sich gelassen hat. Es reicht von der basalen zivilrechtlichen Beziehung von Arzt und Patient, über das Sozialrecht bis hin zu unterschiedlichsten Fragen des öffentlichen Gesundheitsrechts und des Regulierungsverwaltungsrechts im Bereich des Arzneimittelrechts und des Rechts der Medizinprodukte. Zu ihm zählt das Berufsrecht der Ärzte ebenso wie das Apothekenrecht, das Haftungsrecht wie das bei Heilbehandlungen immer intrikate Strafrecht. In allen Teilgebieten haben sich die dogmatischen Strukturen und Argumentationsmuster soweit ausdifferenziert und spezialisiert, dass dem Medizinrecht mit dem allgemeinen juristischen Handwerkszeug kaum beizukommen ist. Es braucht deshalb eine eigene Literaturgattung, die sich an die mit dem weiten Feld befassten Akteure richtet. Eine Auswahl soll hier vorgestellt sein.
Spickhoff, Andreas: Medizinrecht, Kommentar, 4. Aufl., Hardcover, 2022, München, C.H.Beck, 3564 S., ISBN 978-3-406-78835-2, € 329,00.
Die Aussage zur Spezialisierung wird durch den Kommentar von Spickhoff zugleich nachdrücklich widerlegt. Die einbändige Kommentierung enthält über 40 Gesetze zum Medizinrecht in einem Band und sorgt als Querschnittskommentar für einen umfassenden Überblick. Es werden die einschlägigen Vorschriften vollständig beziehungsweise bei etwas abgelegeneren Normen auch teilweise in systematischen Zusammenfassungen dogmatisch fassbar gemacht. Einen besonderen Schwerpunkt setzt das Werk in der Kommentierung der einschlägigen Vorschriften des BGB, hier insbesondere in den Fragen des Behandlungsvertrages und der Haftung. Besonders hervorzuheben ist auch die Kommentierung des Arzneimittelgesetzes. Die Vorschriften des Zulassungsverfahrens und insbesondere der Durchführung klinischer Prüfungen sind in hervorragender Dichte gelungen. Hervorzuheben sind die Kommentierungen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit der Neuauflage unter Adaption der Regelungen zur elektronischen Patientenakte wieder auf dem aktuellen Stand sind. Der Rechtsanwender findet allerdings nicht nur Normen kommentiert, die ihm alltäglich begegnen, sondern auch abgelegenere Rechtsbereiche und Embryonenschutzgesetz oder auch das sicher nicht flächendeckend relevante Recht der Heilmittelwerbung finden Berücksichtigung. Selbst das Gesetz über Krankenhausentgelte und in Teilen das Krankenhausfinanzierungsrecht finden Aufnahme. Der Spickhoff ist eine Wundertüte des Medizinrechts. Für den Rechtsanwender und vor allen Dingen auch für die anwaltliche Praxis bietet er eine verlässliche Orientierung, gerade auch dann, wenn das Medizinrecht nicht zur Spezialmaterie eines Berufsträgers gehört. Wer eine verlässliche Antwort auf alle Fragen des Medizinrechts sucht, wird im Spickhoff zunächst einmal fündig werden.
Prütting, Dorothea: Medizinrecht, Kommentar, 6. Aufl., Hardcover, 2022, Hürth, Wolters Kluwer, 3400 S., ISBN 978-3-472-09725-9, € 239,00.
In derselben Liga der einbändigen Querschnittskommentierungen spielt das von Dorothea Prütting herausgegebene Medizinrecht. Auch dieser Kommentar tritt mit dem Anspruch auf, das Normfeld des Medizinrechts, so disparat es auch erscheinen mag, abzudecken. Der Anspruch wird eingelöst. Der Schwerpunkt liegt nicht so sehr auf dem zivilrechtlichen Grundgerüst, sondern eher auf dem sonstigen Recht. Das Spektrum reicht weit vom Apothekenrecht, über das Arbeits- und Arzneimittelrecht, das Schadens- und vor allem Arzthaftungsrecht, das Berufsrecht, das Betäubungsmittelrecht und Embryonenschutzrecht, das Recht der Krankenhausfinanzierung, das Medizinprodukterecht und das Transplantations- und Transfusionsrecht. Die Neuauflage legt einen besonderen Schwerpunkt auf das Infektionsschutzrecht, dessen Bedeutung durch die Corona Pandemie unschwer für jeden erkennbar gewachsen ist. Aufgegriffen wird aber auch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts. Auch die durchaus tiefgreifenden Folgen der Europäisierung des Medizinprodukterechts werden umfassend aufgegriffen. Einen besonderen Schwerpunkt und eine Stärke hat das Werk sicher auch in den Grundstrukturen des Arzthaftungsrechts. Der Kommentar stellt ein Standardwerk dar, das in keiner gut sortierten Handbibliothek eines Medizinrechtlers fehlen sollte.
Prütting, Dorothea: Formularbuch Medizinrecht, 3. Aufl., Hardcover, 2023, Hürth, Wolters Kluwer, 750 S., ISBN 978-3-472-09759-4, € 139,00.
Ergänzung des Kommentars zum Medizinrecht und ein Handwerkszeug für den Rechtsalltag stellt das Formularbuch des Medizinrecht dar. Das Formularbuch des Fachanwalts Medizinrecht bietet praxisgerechte Formulare mit wertvollen Hinweisen und Erläuterungen zu ausgewählten Themen des Medizin- und Gesundheitsrechts. Neben Grundformularen sind qualifizierte Darstellungen, Kommentierungen und Vorschläge für komplizierte Individualverträge, Anträge und Entscheidungen enthalten. Die kommentierenden Ausführungen wollen insoweit Problembewusstsein schaffen und Anregungen geben. Das thematische Spektrum reicht weit, es reicht vom Apothekenwesen über die Arzneimittelversorgung und das Arzneimittelrecht, bis hin zu Fragen des Arzthaftungs- und Medizinstrafrechts. Das Gesundheitsdatenschutzrecht und das Insolvenzrecht, sowie das Recht der Pflegeversicherung und der stationären Versorgung im Krankenhaus und den Rehabilitationseinrichtungen findet angemessenen Raum. Die Neuauflage integriert einige neue Kapitel in den Bereichen des Gesundheitsdatenschutzrechtes, das Infektionsschutzrecht, des Insolvenzrechts, des Vertragsarztrechts und des Medizinstrafrechts. Die jüngere Rechtsprechung und der aktuelle Rechtsstand sind eingearbeitet worden, dies gilt insbesondere für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Formularbuch ist gerade für die kautelarjuristische Praxis, auch für die Verwaltungen im Gesundheitswesen eine unverzichtbare Erleichterung.
Ratzel, Rudolf; Lippert, Hans-Dieter; Prütting, Jens: Kommentar zur (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997, Kommentar, 8. Aufl., Hardcover, 2022, Springer, 611 S., ISBN 978-3-662-64723-3, € 169,99.
Das Werk kommentiert die Musterberufsordnung, also das Berufsrecht der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Die Neuauflage arbeitet die Änderungen ein, die der 125. Deutsche Ärztetag beschlossen hat. Die Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte bleibt auch nach den Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und der Ausdifferenzierung des Behandlungsvertrages sowie im StGB im Feld des Korruptionsrechts aktuelles Berufsrecht. Als Standesrecht konkretisiert die Berufsordnung parlamentsgesetzliche Vorgaben und füllt deren Spielräume auf. Wie für das Recht der freien Berufe typisch, widerstreiten konservierende und dynamische Elemente in der Rechtssetzung. Aktuelle auch medizinethische Diskurse, wie um die Sterbehilfe, führen zu einer Dynamisierung des Standesrechts. Es stellen sich hier neue Rechtsfragen, auf die der Kommentar fast allein auf weiter Flur verlässliche Antworten zu geben sucht. Die Kommentierungen sind dabei durchaus meinungsfreudig und dürften in Teilen auch auf Widerspruch stoßen; dies steigert aber eher noch den Gebrauchswert des Kommentars. Von großem Wert ist auch der hohe Grad der Allgemeinverständlichkeit der Kommentierung. Nicht nur Medizinrechtler und Juristen werden an der Lektüre ihre Freude und ihren Erkenntnisgewinn haben, sondern vor allen Dingen auch die Ärzteschaft, deren berufliche Pflichten fassbar werden. Für das ärztliche Berufsrecht wird hier ein Goldstandard gesetzt.
Piantadosi, Steven; Meinert, Curtis L.: Principles and Practice of Clinical Trials, Volume 1-3, Hardcover, 2022, Springer Nature, 2604 S., ISBN 978-3-319-52635-5, € 408,99.
Kulminationspunkt der Europäisierung im Medizinrecht ist vor allem das Recht der medizinischen Forschung und damit die Regulierung klinischer Studien. Hier konfligieren nicht selten medizinischer Fortschritt und der hinreichende und effektive Schutz der Patientenrechte. Zur Komplexität der Regulierung klinischer Studien trägt nicht nur der wissenschaftliche Fortschritt mit seinen neuen Herausforderungen, insbesondere im Recht der Genomanalyse, bei, sondern vor allem auch die Tatsache, dass sowohl das Arzneimittelrecht als auch das Medizinprodukterecht einem stetigen Prozess der Europäisierung unterliegen und der maßgebliche Rechtsrahmen hier durch ein nicht ganz einfaches Zusammenspiel des deutschen Medizinprodukteund Arzneimittelgesetzes sowie der entsprechenden europäischen Verordnungen gesetzt wird. Klinische Studien sind für die beteiligten Akteure, sowohl für die Pharmaindustrie als Sponsor, die Kliniken und Ärzte als Prüfstellen, als auch für die staatlichen Regulierungsbehörden vor allem aber wegen ihrer vorrechtlichen Eigenheiten als strukturierte Forschungsprogramme anspruchsvoll. Hier schafft das fulminante Handbuch Abhilfe: Obwohl der Schwerpunkt des Werkes auf dem Design, der Analyse und der Interpretation wissenschaftlicher Daten aus klinischen Studien liegt, wird ein breites Spektrum von Anwendungsbereichen klinischer Studien detailliert behandelt. In interdisziplinären Perspektiven werden so grundlegende Perspektiven der klinischen Prüfungen, Regulierung und Beaufsichtigung, grundlegende und fortgeschrittene Versuchspläne, Fragen der Auswertung und Veröffentlichung von Studien sowie Themen im Zusammenhang mit spezifischen vulnerablen Gruppen und rechtlichen Aspekten klinischer Prüfungen behandelt. Da die Rechtsfragen in einem so umfassenden und vergleichenden Werk nicht vertieft angesprochen werden können, liegt der Mehrwert für den Medizinrechtler hier klar in der Vermittlung der wissenschaftsmethodischen Vorbedingungen klinischer Forschung. Damit stellt das Werk einen wichtigen Beitrag am Schnittfeld des Medizinrechts zur medizinischen Wissenschaft dar.
Kügel, J. Wilfried; Müller, Rolf-Georg; Hofmann, Hans-Peter: Arzneimittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl., Hardcover, 2022, München. C.H.Beck, 1853 S., ISBN 978-3-406-72964-5, € 289,00.
Nicht nur das Recht der klinischen Prüfungen, sondern das gesamte Arzneimittelrecht zeichnet sich durch einen erheblichen Dynamisierungsprozess und zahlreiche Rechtsänderungen aus. Begründet liegen diese vor allem in dersich verdichtenden Ausbildung eines europäischen Rechtskorpus mit hoher sekundärrechtlicher Steuerungsdichte. Beispielhaft seien nur die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG, die delegierte Verordnung (EU) 2016/161 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln sowie die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der RL 2001/82/EG genannt. Nicht zuletzt diese Entwicklung führt auch zu einer erheblichen Volatilität des deutschen Arzneimittelrechts. Die Neuauflage des hier angezeigten Standardkommentars nimmt sich dieser Dynamik erneut souverän an. Die Kommentierungen zeichnen sich durch eine höchst detaillierte Behandlung und Erfassung der arzneimittelrechtlichen Regelungen in ihrer Tiefe aus. Besonders erfreulich ist die dichte Auswertung von Rechtsprechung und Literatur. Auch komplexere Abgrenzungsfragen, insbesondere um den Arzneimittelbegriff und die Reichweite des Gesetzes herum, lassen sich gut beantworten. Die Kommentierungen sind klar gegliedert. Hervorzuheben ist, dass anfangs auch auf die maßgeblichen Rechtsänderungen hingewiesen wird. Wer im Arzneimittelrecht tätig ist, wird die Entscheidungsbäume und Flussdiagramme der Bundesoberbehörde zur Genüge kennen. Ihre grafische Aufnahme und Wiedergabe in die Kommentierung, etwa bei so komplexen Begriffen wie dem Arzneimittelbegriff selbst, stellt aber einen erheblichen Mehrwert des Kommentars dar. Ein ausführliches Sachverzeichnis erschließt das Werk verlässlich.
Rehmann, Wolfgang A.; Tillmanns, Christian: E-Health/ Digital Health, Hardcover, 2022, München, C.H.Beck, 483 S., ISBN 978-3-406-76208-6, € 159,00.
Moderne Digitaltechnologien prägen zunehmend auch das Medizinrecht. Moderne Informations- oder Kommunikationstechnologien gewinnen bei der Behandlung und Betreuung von Patientinnen und Patienten immer mehr an Bedeutung. Die fast schon antiquierte Telemedizin und die Videosprechstunde haben unter den Pandemiebedingungen ihre Leistungsfähigkeit bewiesen. Big Data und Algorithmen gestützte Forschung prägen den klinischen Alltag, nicht nur aber in besonderer Weise im Feld der klinischen Forschung. Unter der eingängigen Beschreibung „E-Health“ liefert die Neuerscheinung einen Überblick über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und erläutert die verschiedenen Anwendungsformen von E-Health und Digital Health. Das Handbuch vermittelt seinen Leserinnen und Lesern nicht nur solides rechtliches Grundlagenwissen, sondern auch das technische und wirtschaftliche Verständnis für aktuelle Schlüsseltechnologien und gibt Lösungen für die damit verbundenen Rechtsfragen.
Das thematische Spektrum reicht überaus weit. Erschlossen werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen zunächst im Bereich des Medizinprodukterechts. Der Rahmen des Datenschutzrechts, des ärztlichen Berufsrechts, aber auch des Leistungserbringungserstattungsrechts im Rahmen der GKV und im Heilmittelwerberecht werden in einem Grundlagenkapitel ebenfalls ausführlich erörtert. Sodann wendet sich das Werk einzelnen Anwendungsformen der Digital Health zu. Hier findet sich das Feld der Telemedizin, der Nutzung und des Einsatzes von Apps im Gesundheitsrecht und der automationsgestützte 3 D-Druck im Gesundheitswesen. Das zunehmend wichtiger werdende Feld Künstlicher Intelligenz und der Rolle von KI im Rahmen der Behandlung und Prävention, der Diagnose und Therapie so wie auch der medizinischen Forschung werden angesprochen. Schließlich werden auch die vielfältigen Fragen der elektronischen Patientenakte und der elektronischen Gesundheitskarte erörtert. Hier leistet das Werk Aufklärung und kann Adaptionshemmnisse sicher abbauen. Schließlich werden auch die übergreifenden Probleme von Telemediendiensten und Gesundheitsportalen erörtert. Das spannende Feld der Software zur Diagnoseunterstützung wird nur angerissen, Fragen der digitalen Compliance und von Krankenhaus- und Praxissoftware, so wie auch das in der Implementierung befindliche E-Rezept werden ausführlich behandelt. Das Werk besetzt eine Marktlücke. Die technologischen Entwicklungen werden schon in naher Zukunft zu einem Bedeutungszuwachs der hier angesprochenen Rechtsfragen führen. Hier ist das Handbuch sicher eine Pionierleistung und besetzt allein auf weiter Flur eine Marktlücke.
Rehmann, Wolfgang A. / Wagner, Susanne: MP-VO, Kommentar, 4. Aufl., 2023, C.H.Beck, 701 S., ISBN 978-3-406-80600-1, € 129,00.
Durch die sekundärrechtliche Regulierung des Rechts der Medizinprodukte hat die Komplexität dieses Rechtsgebietes kaum abgenommen. Soweit ein nicht pharmakologischer Erfolg auch nur intendiert ist, liegt ein Medizinprodukt nahe. Dies gilt nicht nur für klassische mechanische Produkte, sondern auch im weiten Feld der elektronischen Anwendungen und Applikationen. Dieser kompakte Kommentar erläutert praxisbezogen die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte und zeigt systematische Bezüge zu anderen Rechtsgebieten auf, die im Zusammenhang mit dem Medizinprodukterecht von Bedeutung sind. Besonders hervorzuheben ist die gelungene und dichte Kommentierung zu den Abgrenzungsfragen, insbesondere in der Zuordnung klinischer Studien in der Arzneimittelentwicklung. Auch wird die überaus praxisrelevante Frage der Reichweite von CE-Zulassungen und der damit zusammenhängende Wechsel des behördlichen Regulierungsregimes anschaulich beschrieben. Mit der Neuauflage wird erstmals eine eingehende Kommentierung der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte vorgelegt. Erweitert wurde auch die Erläuterung der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika. Eine Kommentierung, die allein auf weiter Flur steht.
Gächter, Thomas / Rütsche, Bernhard: Gesundheitsrecht, 5. Aufl. 2023, Basel, Helbing & Lichtenhahn, 370 S., ISBN 978-3-7190-4665-1, CHF 68,00.
Einen hervorragenden Einblick in die basalen Strukturen des Gesundheitsrechts in der Schweiz liefert dieser Klassiker der praxisorientierten Lehrbuchliteratur. Den Leser erwartet ein Querschnitt und dennoch eine gründliche Tour durch das Schweizer Gesundheitsrecht in all seinen Facetten. Vergleicht man den Text mit der Vorauflage, so fallen die Anpassungen in den Bereichen der Gesundheitsberufe, der Transplantationsmedizin, genetischer Untersuchungen, der Bekämpfung von Epidemien und im Krankenversicherungsrecht auf. Hier ist das Buch wieder ganz auf der Höhe der Zeit. Es beweist aber vor allem auch, dass der Umfangszuwachs von 40 Seiten angesichts der jüngsten Rechtsentwicklungen moderat ausgefallen ist. Klarheit in der Struktur erlaubt eben Klarheit und Prägnanz in der Sprache.
Poledna, Tomas / Rumetsch, Virgilia (Hrsg.): Gesundheitsrecht, 2. Aufl., 2023, Basel, Helbing & Lichtenhahn, 1456 S., ISBN 978-3-7190-3842-7, CHF 398,00.
Das Gesundheitsrecht in der Schweiz erschließt in all seinen Verästelungen und in ganzer Breite und Tiefe die Neuauflage des achten Bandes der renommierten Reihe des „Schweizerischen Bundesverwaltungsrechts“. Allein diese Zuordnung belegt schon einen für bundesrepublikanische Verhältnisse noch nicht erreichten Grad der wissenschaftlichen Durchdringung des Gesundheitsrechts als eines Gebietes bzw. einer Querschnittsmaterie des Verwaltungsrechts. Die Autorenschaft versammelt das „who-is-who“ des Schweizer Rechts. Die mehr als zwei Dutzend Einzelbeiträge erschließen das Rechtsgebiet von den gesetzlichen Grundlagen her und damit nach den Fachgesetzen. Ausgehend von der Aufteilung der Systematischen Rechtssammlung werden die einzelnen Regelungsbereiche umfassend und praxisbezogen erläutert. Auch hier zeigen sich in zahlreichen neuen Beiträgen die Dynamik des Rechtsgebietes und die hohe Aktualität ihrer Erschließung. Das Werk hat Handbuchcharakter und verschafft zum einen ersten Überblick, zum anderen erlauben die Texte eine den Bedürfnissen der Praxis Rechnung tragende Vertiefung von Einzelfragen. Dies gilt nicht zuletzt aber auch für die Schweizer Antworten auf die Corona-Pandemie, die in der Neuauflage ein dichtes Echo gefunden haben. Für den rechtsvergleichenden Blick bietet das Werk Zugang zur Schweizer Rechtslage auf höchstem Niveau.
Akbarian, Goli-Schabnam; Raetzke, Christian: Strahlenschutzgesetz, Kommentar, Hardcover, 2022, München, C.H.Beck, 1044 S., ISBN 978-3-406-79557-2, € 199,00.
Das Angebot an Kommentaren zum Strahlenschutzrecht ist überschaubar. Strahlenschutz ist zwar eine fachlich geprägte, technische Materie, hat aber erhebliche Auswirkungen auf viele Bereiche des politischen und gesamtgesellschaftlichen Lebens. Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) trifft Regelungen zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung. Mit dem Gesetz erhielt das bundesdeutsche Strahlenschutzrecht, das bisher auf dem Atomgesetz und dem Strahlenschutzvorsorgegesetz basierte, eine eigenständige und einheitliche Grundlage – und damit auch einen kommentarwürdigen Gegenstand. Der Kommentar behandelt im Schwerpunkt die Genehmigung von Anlagen, die betriebliche Organisation des Strahlenschutzes, die Melde- und Informationspflichten sowie die Zuständigkeiten. Für die Rechtsanwendung und insbesondere auch für die Aufsichtspraxis werden verlässliche Basisinformationen zur Verfügung gestellt. Gerade auch für Juristinnen und Juristen in Unternehmen und Aufsichtsbehörden, aber auch für die klinische Praxis stellt der Kommentar einen verlässlichen Begleiter dar.
Igl, Gerhard / Welti, Felix: Gesundheitsrecht. Einesystematische Einführung, Medizinrecht, Gesundheitssozialrecht, Private Krankenversicherung, Heilberuferecht, Softcover, 4. neubearbeitete Aufl., München, Vahlen, 2022, 662 S., ISBN 978-3-8006-6549-5, € 69,00.
Das Gesundheitsrecht ist ein vielschichtiges und verzweigtes Rechtsgebiet. In der Praxis sind vor allem die Rechtsbereiche des Zivil- und Strafrechts und des Sozial- und Berufsrechts relevant. Alle diese Rechtsbereiche werden in diesem Lehrbuch erörtert. Zudem erläutern die Autoren das private Krankenversicherungsrecht, den Patientenschutz sowie außergerichtliche Konfliktlösungsmöglichkeiten. Das Einführungslehrbuch erschließt das System des Gesundheitsrechts begrifflich. Ausführlich werden die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben im Gesundheitswesen erörtert. Seine Akteure werden verdeutlicht. Die Sondermaterien des Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Hilfsmittelrechts werden dargestellt. Auch ethische und strafrechtliche Fragen kommen nicht zu kurz. Das Lehrbuch adressiert Studierende im Rahmen der juristischen Schwerpunktausbildung ebenso wie die in den sonstigen Gesundheitsberufen. Es eignet sich hierfür insbesondere wegen seiner auch interdisziplinären Anlage. Auch für die Rechtspraxis ist es als Einführungswerk hilfreich und gut. Es gewährleistet einen schnellen und barrierefreien Zugriff auf ein komplexes Rechtsgebiet.
Tsambikakis, Michael / Rostalski, Frauke, Medizinstrafrecht, 1. Aufl., Hardcover, Nomos, Baden-Baden, 2023, 1111 S., ISBN 978-3-8487-4399-5, € 149,00.
Der Kommentar aus der Reihe der Nomos Kommentare erschließt das Medizinstrafrechtsgesetz übergreifend in einer umfassenden Perspektive. Die Autoren zählen zu ausgewiesenen Rechtswissenschaftlern und Strafrechtspraktikern. Die Reichweite erfasst sämtliche strafrechtsrelevanten Normbestände des AMG, AntiDopG, ApoG, BapO, BtMG, BtmVV, GenDG, GüG, IfSG, ESchG, GenTG, HeilPraktikerG, HWG, MPG, MPDG, PID-VO, StGB, TFG und TPG. Die Kommentierungen bestreben ersichtlich medizinrechtliche Praxisrelevanzen. Es wird tatbestandsbezogen kommentiert und auf schmückendes Beiwerk verzichtet. Hervorzuheben sind überdies die in der Tat praktischen Hinweise zu Kosten, Beweisproblemen und gerichtlicher Durchsetzung. Auffällig ist eine klare Schwerpunktsetzung, die auch die quantitative Bedeutung der einzelnen Deliktstatbestände in der Rechtspraxis im Blick behält. Der Kommentar setzt so Schwerpunkte im Feld des Abrechnungsbetruges, der Untreue und Korruption im Gesundheitswesen, der Abgrenzung des ärztlichen Heileingriffs von der Körperverletzung, bei der unterlassenen Hilfeleistung und fahrlässigen Tötung. Ausführlich werden die für den Straftatbestand und die Rechtswidrigkeit zentralen Fragen der Reichweite ärztlicher Sorgfaltspflichten, der rechtfertigenden Einwilligung und ärztlicher Aufklärungspflichten behandelt. Der Kommentar liefert den strafrechtlichen Praktikern – nicht zuletzt im Feld der Strafverteidigung – das materielle medizinische Fachrecht und macht den im Medizinrecht Tätigen die strafrechtliche Relevanz ihres Handelns deutlich. Eine gelungene Synthese!
Meier, Alexander / von Czettritz, Peter / Gabriel, Marc / Kaufmann, Marcel: Pharmarecht, 3. vollständig überarbeitete Aufl., Softcover, C.H.Beck, München, 2023, 583 S., ISBN 978-3-406-77789-9, € 119,00.
Das Lehrbuch bildet eine Einführung in alle Gebiete des Pharmarechts. Neben dem Recht der Arzneimittel, Medizinprodukte und Hilfsmittel zeigt das Werk auch die vielfältigen Querverbindungen zum Recht der gesetzlichen Krankenkassen auf. Schwerpunkte der Darstellung sind außerdem Fragen der Ausschreibung medizinischer Studien und der Zulassung sowie des Inverkehrbringens von Arzneimitteln. Auch europarechtliche Fragen, etwa bei der Zulassung von Arzneimitteln werden behandelt. Die Neuauflage berücksichtigt im Arzneimittelrecht die Separierung des Humanarzneimittelrechts und des Tierarzneimittelrechts sowie wichtige Änderungen für den Bereich zentralisierter Arzneimittel und das neue Recht für klinische Prüfungen sowie die Folgen des Brexit. Im Medizinprodukterecht ist die Ersetzung der nationalen Vorschriften durch Medizinprodukteverordnungen aufgenommen. Darüber hinaus wurden im Sozialrecht zahlreiche Neuerungen berücksichtigt, u.a. durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, das Versorgungsverbesserungsgesetz, die Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung sowie die COVID-19-Gesetzgebung. Die Erläuterungen und Darstellungen sind didaktisch klar strukturiert und gehen auf vielfältige Bereiche der Rechtsgebiete ein. Wer in allgemeinen Darstellungen des Arzneimittelrechts spezielle Darstellungen des Rechts der Zulassung pädiatrischer Arzneimittel sucht und vermisst, wird hier fündig werden. Die Zielgruppe ist etwas unklar: Als Lehrbuch kann das Werk zwar im universitären Unterricht eingesetzt werden, ob Studiengänge mit dem nötigen Profil an juristischen Fakultäten in ausreichender Zahl existieren, dürfte aber fraglich sein. Auch dürfte der Preis für Studierende prohibitiv sein. Schon die Reihenzuordnung macht aber klar, dass auch der Rechtspraktiker aus dem Werk großen Gewinn ziehen wird. Wer einen verständlichen Überblick über das Pharmarecht sucht, der hat ihn gefunden.
Krahmer: Sozialdatenschutzrecht, 5. Aufl., Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Baden-Baden, 750 S., Hardcover, ISBN: 978-3-8487-7460-9, € 99,00.
Nur vordergründig sind die Berührungspunkte zum Medizinrecht recht gering, wenn es um den Schutz von Sozialdaten, also den Daten von Bezieherinnen von sozialen Leistungen geht. Klar wird der Bezug im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Kommentar erschließt die einschlägigen Regelungen im SGB X und gibt im Anhang einen luziden Überblick über die datenschutzrelevanten Regelungen der übrigen Bücher des SGB, dem Sozialdatenschutz bei freien Trägern und im Rahmen der Aufgaben des Jugendamtes und der Kinder- und Jugendhilfe. Der Kommentar setzt Schwerpunkte auf praxisnahe Themen wie Schadensersatz, Datensicherheit, DatenschutzFolgeabschätzung, Beschränkung von Betroffenenrechten, Erfordernisse an die datenschutzrechtliche Einwilligung, Auftragsverarbeitung. Die jüngste Rechtentwicklung und die neueste Rechtsprechung werden in der Neuauflage berücksichtigt. Hervorzuheben sind die zahlreichen Beispiele und grafischen Darstellungen, die sehr zur Verständlichkeit des Werks beitragen. Deutlich werden die Besonderheiten des Sozialdatenschutzrechts ebenso wie die übergreifenden Strukturen des Datenschutzrechts. Gerade für die Praxis ist der Kommentar hier eine zugängliche und verständliche Quelle.
Pschyrembel-Redaktion: Pschyrembel – Klinisches Wörterbuch, 269. neu bearbeitete Aufl., Hardcover, De Gruyter, Berlin/Boston, 2023, 1946 S., ISBN 978-3-11-078334-6, € 64,95.
Das Medizinrecht ist kompliziert. Dies liegt an seinen normativen Strukturen. Dies liegt aber auch an seinem Gegenstandsbereich, der Medizin. Für Juristinnen und Juristen ist es selbstverständlich, dass Sprache als Fachsprache Herrschaftswissen speichert und der Zugang selektiv ist. Juristerei und Rechtswissenschaft ist eine Herrschaftswissenschaft. Dies gilt auch für die Medizin. Juristinnen und Juristen sind keine Mediziner und müssen als Laien zumeist erst einen Zugang zur Herrschaftssprache der Medizin und den durch sie beschriebenen Phänomenen finden. Dazu ist seit Jahrzehnten das hier angezeigte klinische Wörterbuch ein schlechthin alternativloses und unverzichtbares Hilfsmittel. Aktuelles medizinisches Fachwissen wird in über 30000 Artikeln bzw. Lemmata präsentiert. In der klaren Gliederung von Phänomenologie, Vorkommen, Ursachen, Klinik und Therapie werden Krankheiten, medizinische Fachtermini, physiologische Befunde und Strukturen ebenso wie Anatomie und Verfahrensweisen erläutert. Aus der Kanzlei eines Medizinrechtlers ist das Handbuch ebenso wenig hinwegzudenken, wie aus den Amtsstuben der Verwaltung. Die Neuauflage erschließt das vielfältige Vokabular, mit dem die Corona-Pandemie die Medizin bereichert hat. Hervorzuheben ist, dass mit dem Printexemplar auch ein dreimonatiger Zugang zur Online-Datenbank verbunden ist. Nicht nur für Ärzte, Medizinstudierende und Pflegekräfte, sondern vor allem auch für Medizinrechtlerinnen und Medizinrechtler ist das Nachschlagewerk die erste Anlaufstelle für medizinische Fachfragen. (md)
Univ.-Prof. Dr. Michael Droege (md) hat einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht, Religionsverfassungsrecht und Kirchenrecht sowie Steuerrecht an der Eberhard Karls Universität Tübingen inne. Er ist Direktor des Instituts für Recht und Religion und Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht. In der Forschung ist Droege im Staats- und auch im Verwaltungsrecht breit ausgewiesen. In seinen Publikationen zum Finanzverfassungs- und Steuerrecht sowie zum Kirchen- und Religionsverfassungsrecht spiegeln sich seine Forschungsinteressen wider.
michael.droege@uni-tuebingen.de