Dr. Carmen Silvia Hergenröder
Gerd Dielmann, Pflegeberufegesetz und Ausbildungsund Prüfungsverordnung. Kommentar für die Praxis, Mabuse Verlag, 1. Aufl. 2021, 542 S., ISBN 978-3-86321-301-5, € 59,95.
Mit dem Pflegeberufegesetz (PflBG) werden die bisher im Altenpflege- sowie im Krankenpflegegesetz getrennt geregelten Pflegeausbildungen zusammengeführt. Seit dem 1. Januar 2020 erfolgen die bisherigen Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildungen unter der einheitlichen Berufsbezeichnung Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann. Die Grundkonzeption der neuen Ausbildung sieht vor, dass alle Auszubildenden beider Ausbildungsberufe zwei Jahre lang gemeinsam ausgebildet werden. Sie können einen Vertiefungsbereich in der praktischen Ausbildung wählen. Auszubildende, die im dritten Ausbildungsjahr die generalistische Ausbildung fortsetzen, erwerben den Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“. Alternativ können sie stattdessen einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege anstreben.
Aber nicht nur die bisher getrennten Ausbildungen zum Alten- bzw. Krankenpfleger wurden zusammengeführt. Gleiches gilt auch für die Finanzierung der Ausbildung. Nach dem neuen § 19 PflBG hat der Träger der praktischen Ausbildung Auszubildenden eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen. Deren Finanzierung wird auf eine einheitliche Rechtgrundlage gestellt und durch Ausgleichsfonds finanziert. Die Einzelheiten regeln die §§ 26 ff. PflBG sowie die Verordnung über die Finanzierung der beruflichen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz sowie zur Durchführung statistischer Erhebungen (Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung – PflAFinV) vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1622).
Ergänzend zur beruflichen Pflegeausbildung wurde ein Pflegestudium eingeführt. Gesetzliche Grundlage sind die §§ 37 ff. PflG, die nunmehr die Pflegeausbildung an Hochschulen als Regelausbildung vorsehen. Diese neue Pflegeausbildung wird mannigfache Fragen auf, denen Dielmann, seines Zeichens gelernter Krankenpfleger und Diplompädagoge, Autor und Sachverständiger, in dem Besprechungswerk nachgeht. Unterstützt wird er hierbei von Malottke, gelernte Versicherungskauffrau und selbständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, die sich intensiv mit den rechtlichen und praktischen
Fragen der Berufsausbildung befasst und die Kommentierung der §§ 40 bis 52 PflBG sowie der §§ 9 bis 13, 17 bis 23, 33 bis 34 und 43 – 49 PflAPrV bearbeitet hat. Dielmann zeichnet sich durch eine besondere Sachkenntnis der hier fraglichen Materie aus. Er war Kommentator des Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003, welches mit der dazugehörenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung seit dem 1. Januar 2004 galt und von Dielmann in dem Kommentarwerk „Dielmann Krankenpflegegesetz und Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege. Text und Kommentar für die Praxis“ erläutert wurde, letztmals in der 3. Auflage im Jahre 2013.
I. Das Besprechungswerk besteht aus zwei Teilen: In Teil 1 findet sich eine Kommentierung des Pflegeberufegesetzes in der durch Artikel 9 des zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geänderten Fassung. Teil 2 beinhaltet eine Erläuterung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV) vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1572) in der durch Artikel 10 des zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes vom 19. Mai 2020 aktualisierten Fassung. In einer der eigentlichen Kommentierung vorgestellten Einleitung findet der Nutzer interessante Details zur Entstehungsgeschichte der „generalistischen Ausbildung“ sowie zu den wichtigsten Neuregelungen. Hier kann sich der Nutzer des Werkes überblickmäßig über die „Grundpfeiler“ der Neuregung der Ausbildung der Pflegeberufe informieren und erhält einen ersten Einstieg.
Beide Kommentierungen sind sehr ausführlich gehalten und zeichnen sich durch mannigfache Zitate aus. Verwiesen wird auf einschlägige Rechtsprechung sowie anderweitige Kommentare und Handbücher bzw. auf Gesetzesgrundlagen. Er besticht durch eine klare Gliederung und Praxisnähe.
Hervorzuheben ist, dass in den Kommentar bereits die durch die Corona-Pandemie sich ergebenden Vorschriften eingearbeitet wurden wie z.B. das Infektionsschutzgesetz (vgl. die Kommentierung unter § 4 PflBG Rn. 5 bzw. § 5 PflBG Rn. 19). Damit zeichnet sich die Kommentierung durch höchste Aktualität aus. Zudem wurden Gesetzesänderungen des 1. Halbjahres 2020 berücksichtigt. Zur Benutzerfreundlichkeit tragen ein ausführliches Inhaltsverzeichnis vorne im Kommentar sowie Stichwortverzeichnis am Schluss der Kommentierungen bei. So wird der Nutzer die gewünschte Zitatstelle schnell und treffsicher finden.
II. Mit seinem Praktikerkommentar wendet sich Dielmann insbesondere an Auszubildende, Lehrer/innen sowie Lehrkräfte in der praktischen Ausbildung, an Studierende und Lehrende an Hochschulen und Weiterbildungs- und Bildungseinrichtungen, an Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Beschäftigte in Behörden, Verwaltungen und Verbänden sowie alle, die sich mit Ausbildungsfragen in den Pflegeberufen befassen.
Dabei bietet der Praxiskommentar auf knapp 550 Seiten einen umfassenden fundierten Überblick über die neue Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz. Er ist praxisnah und verständlich geschrieben und bietet eine wertvolle Hilfe bei der Umsetzung der Vorschriften. Das Werk kann jedem Interessierten empfohlen werden, der sich mit der neuen Ausbildung zur Pflegefachkraft nebst Spezialisierung im Gesundheits-, Kinderkranken- und Altenpflegewesen befassen möchte bzw. muss. Der Preis von 59,95 EUR ist stattlich, im Hinblick auf die Fülle der Informationen sowie die umfassende, praxisgerechte Darstellung der neuen Rechtslage indes vertretbar. (csh)
Ingeborg Löser-Priester, Pflegepionierinnen in Deutschland – Zur Entwicklung der Pflegewissenschaft, Mabuse Verlag, 1. Auflage 2021, 282 S., ISBN 978-3-86321-442-5, € 39,95.
Zahlreiche Hochschulen bieten aktuell das Studium der Pflegewissenschaften an und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Akademisierung der Pflege. Mit dem Studium sollen Studierende befähigt werden, pflegerische Strukturen zu verstehen und zu verbessern, an neuen Versorgungsstrukturen und -prozessen zu forschen und erfolgreich in leitenden Positionen in pflegerischen Einrichtungen zu arbeiten. Es baut zumeist auf einer abgeschlossenen Ausbildung zur Pflegefachkraft auf und ergänzt das praktische Wissen der Teilnehmer um alle relevanten theoretischen und methodischen Inhalte (so nachzulesen unter https://www.pflegestudium.de/studiengaenge/pflegewissenschaft/).
Dabei ist Pflegewissenschaft eine eher neuere Disziplin. Erste Schritte zu einer Etablierung der Pflegewissenschaft in Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg in Heidelberg und in den 1980er Jahren an der Freien Universität Berlin.
Löser-Priester möchte mit dem Besprechungswerk einen Beitrag zum Verständnis und zur Weiterentwicklung der Pflegewissenschaft leisten. Sie beschreibt, dass die Akademisierung der Pflegeberufe in der Bundesrepublik Deutschland nach den Zweiten Weltkrieg insbesondere durch Einzelinitiativen vorangetrieben wurde, die auf einem hohen persönlichen Einsatz einzelner Frauen beruhten. Aus diesem Grunde lässt sie in dem Besprechungswerk einige herausragende Pionierinnen der Pflegewissenschaft zu Wort kommen. Diese schildern ihren beruflichen Werdegang sowie die Herausforderungen und Erfahrungen beim Aufbau und der Institutionalisierung der Pflegewissenschaft.
I. Frau Löser-Priester ist gelernte Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe, Diplom-Soziologin und Professorin für Pflegewissenschaft am Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Dort leitet sie den dualen Bachelorstudiengang Pflege und ist damit ausgewiesene Expertin für Fragen der Pflegewissenschaft.
Sie stellt in Teil 1 des Besprechungswerkes die Entwicklung der Pflegewissenschaft und Akademisierung der Pflegeberufe in der Bundesrepublik Deutschland einführend vor. Dabei berichtet sie von wegbereitendenden Initiativen und (Modell-)Projekten im Bildungsbereich Pflege in den 1950er bis 1980er Jahren. Zu nennen sind die Schwesternschule der Universität Heidelberg (1953–2006), der Studiengang „Diplom-Medizinier“ an der Reformuniversität Ulm (1974), der Modellstudiengang für Lehrkräfte der Kranken- und Kinderkrankenpflege an der Freien Universität Berlin (1978–1981), das weiterbildende Studium für Lehrpersonen an Schulen des Gesundheitswesens an der Universität Osnabrück (1979) sowie der Weiterbildungsstudiengang für Pflegedienstleistung an der Katholischen Fachhochschule in Osnabrück (1981).
In einem weiteren Kapitel stellt die Autorin wegbereitende Initiativen und Projekte in der Pflegeforschung in den 1970er bis 1980er Jahren vor. Zu nennen sind die Gründung der Workgroup ob European Nurse Researchers (1978), das Modellvorhaben der Kaiserswerther Diakonie „von der krankheitsorientierten zur patientenorientierten Pflege“ (1980–1983), die Agnes-Karll-Stiftung für Pflegeforschung (1983), das Bildungszentrum des Deutschen Berufsverbandes für Krankenpflege Essen – „Nachtwachenstudie“ (1984–1992) sowie der Pflegeprozess am Beispiel von Apoplexiekranken (1988–1991). Sie stellt auch die Zeitschrift „Pflege. Die wissenschaftliche Zeitschrift für Pflegeberufe“ sowie den Deutschen Verein für Pflegewissenschaft vor.
Teil 1 des Besprechungswerkes schließt mit der Darstellung des Aufbaus akademischer Strukturen für die Pflege seit Ende der 1980er Jahre.
In einem zweiten Teil des Werkes berichtet die Autorinnen von Interviews mit Pionierinnen der Pflegewissenschaft unter dem Titel „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“. Stellvertretend soll von dem Interview mit Prof. Dr. Hilde Steppe (Jahrgang 1947) berichtet werden. Sie war Krankenschwester, Pflegedienstleitung, Diplom-Pädagogin, Pflegeforscherin und Professorin für Pflegewissenschaft und hat für die Akademisierung und Professionalisierung der Pflegeberufe richtungsweisende Pionierarbeit geleistet.
II. Löser-Priester würdigt die Interviewbeiträge ihrer Gesprächspartnerinnen als Ausschnitte der Geschichte der Krankenpflegeausbildung, als wertvollen Erfahrungsbericht aus der Praxis und als Beitrag zur Entwicklung und Institutionalisierung der Pflegewissenschaft. Alle waren aufgeschlossen gegenüber Veränderungen und persönlich bereit, Unsicherheiten und Anstrengungen hinzunehmen, um die Pflegewissenschaft sowie Projekte in der Pflegepraxis, der Pflegebildung sowie im Pflegemanagement zu fördern.
Mit diesem Werk leistet die Autorin einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis und „Begreifen“ der Pflegewissenschaft. Sie gibt einen großartigen Einblick in die Anfänge der Pflegewissenschaft, eine akademische Disziplin, die aus der heutigen Hochschullandschaft nicht wegzudenken ist, sondern in dieser einen adäquaten Platz gefunden hat. Studenten der Pflegewissenschaft, Lehrkräften sowie jedem, der sich mit Fragen der Pflegewissenschaft befasst bzw. diese „erfassen“ lernen möchte, kann das Werk uneingeschränkt zur Anschaffung empfohlen werden. (csh)