Betriebswirtschaft

„Leadership“ ist hip

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 3/2021

„Leadership“ ist hip und mehr als New Work: Leader sind keine bloßen Verwalter. Es sind charismatische Visionäre, die ihre Mitarbeiter begeistern, inspirieren und motivieren. Das „Teambuilding“ von Leadern ergibt sich aus ihren Werten und Überzeugungen, die sie ihren Mitarbeiten mit ihrem Handeln vorleben. Sie übernehmen Verantwortung und gehen vorneweg. Leader sind selbstkritisch und souverän und besitzen eine ordentliche Portion Empathie. Kurz: Sie haben den richtigen „SkillsMix“, um eine Gruppe optimal zu lenken. Wir stellen vier Bücher zum Thema vor.

Flick, Michaela / Jäger, Margareta, Future skills for Leadership. Segel setzen für die Führungszukunft, Haufe, 2020, 168 S., ISBN 978-3-648-13872-4. € 29,95.

 

Hamm, Ingo / von Bismarck, Wolf-Bertram, True Leadership. Führung in Extremsituationen, Hanser, 2021, 332 S., ISBN 978-3-446-46697-5. € 34,99.

 

Kuhn, Thomas / Weibler, Jürgen, Bad Leadership. Warum uns schlechte Führung oftmals gut erscheint und es guter Führung häufig schlecht ergeht, Vahlen, 2020, 156 S., ISBN 978-83006-6250-0. € 19,80.

 

De Fontana, Olivia / Pelzmann, Sabine, Führung und Macht. Aspekte moderner Führungsrollen – gesehen in Figuren der Grimm’schen Märchen, Schäffer-Poeschel, 2020, 206 S., ISBN 978-3-7910-4717-1. € 29,95.

Die beiden Autorinnen Michaela Flick und Margareta Jäger beschäftigen sich seit Jahren mit Leadership. Michaela Flick ist Trainerin, Coach und Leiterin einer kleineren Akademie in Baden-Württemberg. Margareta Jäger leitet eine kleine Beratungsgesellschaft in der Nähe des Bodensees. Sie ist Coach, Beraterin für Change Management und Trainerin. Zusätzlich beschäftigt sie sich mit dem Verfassen von Keynotes.

Die beiden Autorinnen betonen in „Future skills for Leadership“, dass eine Führungskraft acht Kernkompetenzen kennen und beherrschen sollte: Selbstmanagement, Kommunikation, Sichtbarkeit, Empathie, Fehlerkultur, Change/ Transformation, Motivation und Coaching. In „Future skills“ widmen die Autorinnen jedem dieser Bausteine ein eigenes, identisch aufgebautes Kapitel: Zunächst erfolgt die Beschreibung einer dieser acht Fähigkeiten eines Leaders. Dann wird zu jedem skill ein wissenschaftlicher Bezug hergestellt. Schließlich endet ein Kapitel mit einem umfangreichen Praxisteil mit Methoden zur Umsetzung. Beispiel: In dem Abschnitt „Fehlerkultur“ berichten sie davon, wie Leader von „Fuckup-Nights“ lernen können: Dieses Format wurde vor einigen Jahren in MexikoCity aus der Taufe gehoben. Unternehmer stellen sich auf die Bühne und sprechen offen über ihre Misserfolge. Sie berichten, wie sie ein Unternehmen an die Wand gefahren oder ihren Job verloren haben. Es geht also buchstäblich um Pleiten, Pech und Pannen und das Eingeständnis, dass Scheitern für Leader zum Erfolg gehört. Jedes Kapitel in „Future skills“ endet mit einem Interview mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. Wissenschaft, Unternehmen, Kultur).

Zu Beginn ihres Buches stellen die Autorinnen Thomas Michael Müller vor. Er ist eine fiktive Gestalt und steht für einen typischen Leader: 40 Jahre alt, verheiratet, Vater von zwei Kindern, Projektmanager in einem mittelständischen Unternehmen. Dadurch bekommt das Buch eine persönliche Note. Ständig werden Bezüge zu Herrn Müller hergestellt. Jedes Kapitel beginnt mit einer originellen, kunterbunten Mindmap, quasi als „Eyecatcher“. In diesen wirklich schönen Darstellungen werden die Kernelemente für jeden Future skill auf einen Blick sichtbar. So zeigt das Bild im vierten Abschnitt zur „Empathie“, dass Fingerspitzengefühl, zwischen den Zeilen lesen, Mitgefühl, Wertschätzung, Dankbarkeit und Fehlerkultur die entscheidenden Zutaten für empathisches Handeln sind. Diese gelungenen Mindmaps bringen viel Frische in das Buch, es macht Spaß sie anzuschauen. Die Botschaften darin werden auf einen Blick deutlich, sie müssen nicht mühsam aus dem Text herausgepickt werden. Auch bieten die durchgeführten Interviews weit mehr als es zunächst scheinen mag. Flick und Jäger stellen den richtigen Ansprechpartnern die richtigen Fragen. Die Leser erhalten auf diese Art wertvolle Anwendungstipps aus der Praxis.

Das Buch kann klassisch von vorn nach hinten gelesen werden. Man kann aber auch mittendrin beginnen und mit dem „Future skill seiner Wahl“ starten, denn das Buch ist modular aufgebaut. Dabei ist die Reihenfolge der acht Skills nicht wahllos. Die Autorinnen baten ihre Interviewpartner um eine Priorisierung. Die wichtigsten Bausteine für ein gutes Leadership sind für die Praxisexperten Selbstmanagement und Kommunikation. In ihrem Ranking finden sich Motivation und Coaching auf den hinteren Plätzen.

„Future skills for Leadership“ liest sich kurzweilig. Die Autorinnen kämpfen leidenschaftlich für ihre Sache. „Future skills“ liest sich geschlechterunabhängig; die Autorinnen weisen darauf hin, dass es mit Absicht kein eigenes Kapitel „Frauen und Leadership“ gibt. Herauszustellen ist der hohe Anwendungsbezug von „Future skills“. Dennoch kommt auch der theoretische Rahmen nicht zu kurz. Beispielsweise berichten Michaela Flick und Margareta Jäger von den positiven Auswirkungen, die ein Business Coaching auf den ROI (Return on Investment) haben kann. Sollte es eine Neuauflage geben, wäre ein Stichwortverzeichnis schön.

Ingo Hamm und Wolf-Bertram von Bismarck beschäftigen sich in „True Leadership“ mit der Führung in Extremsituationen: Führung wird zum Abenteuer, wenn unter großem Druck richtige Entscheidungen zu treffen sind. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt. Er war zuvor Berater bei McKinsey, später arbeitete er bei BASF in HR-Projekten. Der umtriebige und ebenfalls promovierte Wolf-Bertram von Bismarck ist als Unternehmensberater tätig. Außerdem ist er Gründer einer HR-Strategieberatung und einer E-Learning-Plattform.

Hamm und von Bismarck führten zahlreiche Gespräche mit Menschen, die es gewohnt sind, selbst in außergewöhnlichen Lagen richtige Entscheidungen zu treffen. Über zwölf dieser Persönlichkeiten und ihre Geschichten wird auf je rund 20 Seiten im Buch berichtet. Die ersten zwei, der Extremschwimmer André Wiersig und der Extrembergsteiger Reinhold Messner, werden im ersten Kapitel „Blick in den Spiegel – Führen fängt bei einem selbst an“ vorgestellt. Das zweite „Von 100% auf 120% – Führen in Hochleistungsbereichen“ beinhaltet vier Erfahrungsberichte. Der erste stammt von einem Fußballtrainer einer U-19 Bundesligamannschaft (anonym). Weiter finden sich darin die Skipperin Silke Eggert, der Dirigent und Musikproduzent Christian Gansch sowie der Abenteurer Arved Fuchs. So erfährt der Leser vom Expeditionsleiter und Polarforscher Fuchs, wie er seine Abenteuer plant, eine Gruppe leitet und während der Exedition mit Konflikten umgeht. Menschen, die sich schon seit Jahren kennen und Freunde waren, beginnen sich mitunter auf diesen Extremreisen zu bekriegen. Fuchs redet nicht lange um den heißen Brei herum. Er verrät, welche Fehler er anfangs beging, wie er es schaffte, Individualziele auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und sich selbst in seinem Wirken zurückzunehmen. Über die Jahre hat sich Fuchs vom normalen Expeditionsmitglied zum Leiter eines Forschungsteams gemausert. Er berichtet von Vertrauen, Verantwortung und Parametern guter Führung. Im dritten Teil „Verantwortung übernehmen – Führen in gefährlichen Situationen“ kommen ein Pilot einer deutschen Fluggesellschaft zu Wort (anonym), Guido Förster (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) und Markus Resch (Bereitschaftspolizei). Im vierten Teil Frauke Ossig (Ärzte ohne Grenzen), Inga-Mirjana Genz (Technisches Hilfswerk) und Felix Colsman (Manager). Inga-Mirjana Genz ist seit 2006 beim Technischen Hilfswerk ehrenamtlich tätig. Sie ist von Beruf Gymnasiallehrerin und ist in der von Männern dominierten Welt des Technischen Hilfswerks als einzige weibliche Leiterin einer Fachgruppe im Landesverband Bremen/ Niedersachsen eine Ausnahmeerscheinung. Sie berichtet davon, wie Führung im Katastrophenfall aussieht, wenn in einer extremen Stresssituation jeder auf den anderen angewiesen ist. Genz muss sich rasch auf neue Charaktere einstellen können, denn sie arbeitet häufig mit Menschen zusammen, die sie nicht oder kaum kennt. Sie hat sich deshalb einen klaren Führungsstil mit unmissverständlichen Anweisungen angeeignet. Dieses Prinzip ist unter Zeitdruck unerlässlich. Abschließend erklärt Genz, worin sich Frauen und Männer ihrer Ansicht nach im Führungsstil unterscheiden.

Der Leser erfährt viel Neues in diesen zwölf Berichten. Die Herangehensweise von Hamm und von Bismarck ist immer gleich. Zunächst bleiben sie eng bei dem Leader und seiner Geschichte. Dann weiten sie diese Perspektive und kommen von der speziellen Sicht zu einem allgemeinen „Story Telling“: Quasi ein „Lessons Learned“ für Leader. So passt es gut, dass sich die Autoren in ihrem letzten Kapitel den sechs Erfolgsfaktoren des True Leadership widmen: Fachkompetenz und Erfahrung, anders entscheiden unter (Zeit-) Druck, Bottom-up-Entstehung, professionelle Distanz, Einüben von Szenarien und Fehlervermeidung (nicht: Fehlerakzeptanz!). Die Botschaften sind deutlich. Hier einige Beispiele: „True Leader wird man nicht durch Arbeitsvertrag, sondern durch Expertise.“ – „Wer nur einen einzigen Führungsstil hat, kann auch den nicht richtig.“ – „Es ist besser, um Verzeihung als um Erlaubnis zu bitten.“ Die Geschichten bleiben haften. Motto: Gute Führung ist situationsabhängig. Und nur wer in Extremsituationen gut führen kann, wird dies auch in Normalsituationen schaffen. Führungskräfte werden nach der Lektüre ihre eigene Rolle besser einschätzen können, ihr Toolset wird erweitert. Wohltuend ist die Herangehensweise der Autoren: Sie bedienen sich in ihren interessanten Storys keiner Klischees und heben auch nicht besserwissend den Zeigefinger. Indem Hamm und von Bismarck in True Leadership auf Extremsituationen zielen, ist ihr Buch topaktuell. Es passt in unsere Zeit: Die Corona-Krise ist eine Extremsituation. Neugierig macht allein schon das Cover des nächsten Buches von Thomas Kuhn und Jürgen Weibler. Es trägt den Titel „Bad Leadership“ und zeigt einen Teufel im Anzug. Der Untertitel „Von Narzissten und Egomanen, Vermessenen und Verführten“ klingt reißerisch. Thomas Kuhn ist akademischer Oberrat an der Fernuniversität in Hagen und

Privatdozent für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Er beschäftigt sich vor allem mit Unternehmensethik. Jürgen Weibler ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, ebenfalls in Hagen. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Mitarbeiterführung, Personalmanagement und Digitale Transformation.

Diese beiden Autoren drehen den Spieß um: Es geht bei ihnen nicht um gute Führung, sondern um das Gegenteil. Sie bezeichnen es als die „Dark Side“. Das klingt ein wenig, als träfe Pink Floyd auf Star Wars. In den Überschriften der drei Hauptabschnitte bringen sie es auf den Punkt: Teil 1: „Woran man schlechte Führung erkennt.“ Teil 2: „Weshalb schlechte Führung entsteht.“ Teil 3: „Wie wir schlechter Führung begegnen können.“ In insgesamt elf Kapiteln erzählen sie von Attributen wie Aggressivität und Feindseligkeit, berichten von unsauberer Führung und erklären, was ein narzisstischer Führer („Ovid und das grandios-verletzliche Selbst“), ein machiavellistischer Führer („Der Fürst und die Befreiung der Führung von der Last der Moral“) und ein psychopatischer Führer („Furcht und gewissenlos zwischen Vorstandsetage und Gefängnistrakt“) ist. Um es vorweg zu sagen: Das ist ein interessantes und nie langweiliges Buch. Besonders gefällt der extreme Spannungsbogen von „Bad Leadership“: Dieser reicht von der Tiefenpsychologie bis zur griechischen Mythologie. Darin finden sich Geschichten von der dunklen Triade ebenso wie von Hybris, Nemesis, Bathsheba und David. Jedes Kapitel beginnt mit einem provokanten Zitat. Die amerikanische Rockband Counting Crows kommt dabei ebenso zu Wort wie Machiavelli, Sartre und Thomas Middelhoff (Bertelsmann, Arcandor). Die Autoren erklären, was eine schlechte, eine giftige, eine destruktive, eine feindselige und eine ausbeuterische Führung ist. Manchmal geht es auch derb zur Sache („Arschloch-Faktor“, „Leadership Bullshit“). Es werden Tyrannen, brutale Chefs und Führer beschrieben, die ihre Mitarbeiter schikanieren. Dazu werden viele Geschichten erzählt: Von Steve Jobs (Apple), Sting (the Police), Ignacio Lòpez (VW), Josef Ackermann (Deutsche Bank) oder Carlos Ghosn (Nissan). Menschen, die zweifelsohne sehr viel in ihrem Leben erreicht haben. Hier wird ihr Wirken jedoch aus einem anderen Licht betrachtet. Kuhn und Weibler beleuchten die dunkleren Seiten. Sting zum Beispiel. Als zur Fertigstellung des Albums „Zenyattá Mondatta“ ein Song fehlte, präsentierte der Gitarrist Andy Summers dazu eine Lösung aus seiner Feder, das Lied „Behind the Camel“. Sting hasste den Song so sehr, dass er sich kategorisch weigerte, ihn zu veröffentlichen. Daher nahmen Summers und Drummer Stewart Copeland das Lied in Eigenregie auf. Der entsetze Sting schnappte sich die Bänder und vergrub sie demonstrativ im Garten hinter dem Haus. Eine krasse Demütigung für Summers und Copeland – die allerdings nicht untätig blieben und die Tapes ausgruben. Das Lied schaffte es doch noch auf die LP. Es wurde im selben Jahr mit dem Grammy als bestes Rock-Instrumental ausgezeichnet. Den Preis nahm Sting entgegen.

Die Autoren stellen eine Reihe psychologischer Theorien vor, die sie in interessanten Beispielen verdeutlichen. Dabei erschlagen sie den Leser jedoch nicht mit Fakten. Sie berichten von dem immensen Druck, der auf den Managern lastet und vom Shareholder Value beflügelt wird; wie eine Bestrafung durch Belohnung aussieht („Punished by Rewards“). Auch das berühmte „Standford Prison Experiment“ von 1971 wird beschrieben, um die „Psychologie des Gefangenseins“ zu verdeutlichen. Im Keller des Universitätsgebäudes bauten die Psychologen drei vergitterte Gefängniszellen auf. Über eine Zeitungsannonce wurden elf Gefangene sowie zehn Wärter ausgewählt (von über 70 Bewerbern). Das Experiment musste am sechsten Tag abgebrochen werden, weil es aus dem Ruder lief und die Wärter die Gefangenen stark drangsalierten. Interpretation: Die „Macht der Situation“ („Luzifer-Effekt“) siegte über die „Macht des Individuums“. Die besondere Gefängnis-Situation stieß einen transformativen Prozess an. Gute Menschen wurden dazu veranlasst, böse Dinge wider besseres Wissens zu tun. Aus diesem Beispiel leiten Kuhn und Weibler einen Bezug zu „Management by Objectives“ ab: Wie „Führen mit Zielsetzungen“ eine dunkle Seite haben kann (z. B. überambitionierte Rationalisierung). Wenn Manager mit „Pay by Performance“ (leistungsabhängige Vergütung) gelockt werden und über das Ziel hinaus schießen. Die Folge für Mitarbeiter und Organisation können Überforderung, Selbstausbeutung oder Auszehrung sein. Der Zweck heiligt also doch nicht immer die Mittel. Im letzten Hauptabschnitt ihres Buches machen Kuhn und Weibler Hoffnung. Sie benennen die Eckpfeiler der hellen Triade: Humanismus (Wertschätzung der Würde und des Wertes eines Menschen), Kantianismus (Behandlung aller anderen jederzeit auch als Ziel, niemals als bloßes Mittel für bestimmte Zwecke) und Menschlichkeit (Überzeugung, dass alle Menschen im Grunde gut sind). Von Tugenden wie Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung und Integrität ist die Rede. Sie bezeichnen dies als eine „postheroische Führung“, aus dem „Wehe“ wird das „Wohl“. Ist also letztendlich doch alles gut? Mitnichten, das Buch endet mit der These „Schlecht schlägt gut!“

Bücher zum Leadership gibt es viele, dieses wirkt erfrischend anders. Kuhn und Weibler wechseln die Perspektive und enttarnen schlechte Führung auf humorvolle Art. Das kompakte Buch hat Substanz. Vielleicht wird der mitunter flapsige Schreibstil nicht jedem Leser schmecken. Aber es ist die Art von Kuhn und Weibler, den Finger in die Wunde zu legen. Motto: Provokation regt zum Nachdenken an. „Bad Leadership“ ist ein wichtiges Buch.

Einen anderen Weg gehen Olivia de Fontana und Sabine Pelzmann in „Führung und Macht“: Sie sehen moderne Führungsrollen in Figuren der Grimm’schen Märchen. Olivia De Fontana ist systemische Beraterin am Institut für Educational Governance der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Sabine Pelzmann arbeitet als Führungscoach, Lehr-Supervisorin, Autorin und Bildhauerin. Macht und Führung werden bei den Brüdern Grimm in ihren Märchen in aller Klarheit deutlich. Die beiden Autorinnen beschreiben, dass Führung und Macht untrennbar miteinander verbunden sind. Motto: Wer wirklich führt, bekennt sich zur eigenen Macht. Also ist es das Ziel, die Schattenseiten der Macht zu erkennen, quasi den Ursprung schlechter Führung. De Fontana und Pelzmann raten dazu, keinen Machtmissbrauch zu betreiben, sondern Prinzipien wie Gerechtigkeit und Transparenz zu folgen. Doch die Autorinnen sind nicht blauäugig, sie wissen, dass Leadership auch Durchsetzung und Härte erfordert. Das Buch untergliedert sich in drei Hauptabschnitte. Im ersten Teil beschäftigen sich die Autorinnen mit „Rollenklarheit, Macht und Abgrenzung“ (Rumpelstilzchen, Gänsemagd, Fundevogel). Im zweiten Abschnitt geht es um „Werte, Talente und Belohnung“ (Vier kunstreiche Brüder, König Drosselbart, Tapferes Schneiderlein, Aschenputtel). Das dritte Kapitel trägt den Titel „Loslassen, Wandel und Coaching“ (Singendes springendes Löweneckerchen, Rapunzel, Gänsehirtin). Insgesamt werden zehn Märchen der Brüder Grimm dazu herangezogen, das Zusammenwirken von Macht und Führung zu untersuchen. Der Aufbau ist immer gleich: Zunächst wird das Märchen unverfälscht erzählt. Anschließend gehen die Autorinnen in einen Führungsdialog. So wird beim Tapferen Schneiderlein die Verblendung der eigenen Führungskraft thematisiert. De Fontana und Pelzmann verweisen beim Tapferen Schneiderlein auf Findigkeit, Selbstvertrauen und Führung ohne Rückgrat. Wie in jedem anderen Kapitel, werden dann Anregungen für eine Führungskraft gegeben. Aus einem anderen Märchen (Rumpelstilzchen) leiten die Autorinnen Motive für Instrumentalisierung und Erpressung ab: Ein Vater überlässt dem König seine Tochter, damit sie Stroh zu Gold spinnt, wodurch der Vater sein Ansehen steigern möchte. Ein gefährliches Unterfangen, speziell für das Mädchen. Ähnlich dürfte es jungen Führungskräften ergehen, wenn sie von Mentoren empfohlen werden. Der Druck des möglichen Versagens lastet mitunter schwer auf ihren Schultern. De Fontana und Pelzmann gewinnen aus ihren dialogisch entwickelten Interpretationen der Märchen Bezüge für die Führung. Diese innovative Art des Vorgehens weckt Neugier. Auch lädt das Buch zur Selbstreflexion ein. Menschen, die offen für eine derartige Herangehensweise an die Thematik „Führung“ sind, werden ihr Vergnügen an diesem Buch haben. Suchen Leser jedoch Pragmatismus, sollten sie lieber auf eines der anderen Bücher zu Leadership zurückgreifen. (hw)

Prof. Dr. Hartmut Werner lehrt Controlling und Logistikmanagement an der Hochschule RheinMain (Wiesbaden Business School).

Hartmut.Werner@hs-rm.de

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