Literatur-und Kulturwissenschaften

konservativ?!

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 1/2020

Der Essayband taucht ein in die Erfahrungs­ welten von insgesamt 113 Künstlern, Politikern und Wissenschaftlern und versammelt ihre persönlichen Geschichten zum Begriff „konservativ“. Entstanden sind interessante literarische Vignetten; und an Denkanstößen mangelt es in diesem Buch nicht. Ich wollte wissen, wie das Buch entstanden ist. (ab)

Herr Kühnlein, wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buch?

Es gibt so viele konservative Manifeste und Programmatiken auf dem Markt, da wollte ich gerne dieses Thema etwas anders aufziehen. Und ich kam dann relativ schnell auf die Idee, den Begriff mal „von unten“, aus der Erfahrungswelt der Menschen beschreiben und nachempfinden zu lassen – denn der Begriff des Konservativen hat ja nicht nur eine akademisch-intellektuelle Bedeutung, sondern er ist ebenso im Tagwerk unseres Lebens fest verwurzelt. Eine Lehre aus dem Essayband: gerade diejenigen, die ihn programmatisch ablehnen, wussten mit die schönsten „konservativen Geschichten“ zu erzählen.

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Autorinnen und Autoren ausgewählt?

Prominenz, Repräsentanz und Exzellenz waren da sicherlich wichtige Kriterien. Insofern war mir von Anfang an klar, dass neben den führenden Köpfen des demokratischen Parteienspektrums auch interessante und meinungsstarke Persönlichkeiten aus Theologie und Kirche, aus Wissenschaft und Journalismus und aus Kunst und Literatur gefragt werden mussten – allein schon, um die Dynamik der erzählten Geschichten lebendig zu halten.

Die Liste ist tatsächlich imposant. Was ist Ihnen als Köder eingefallen?

Ein Köder war sicherlich das „kleine“ Format; das hat doch viele gereizt: mal ohne innere Schere, ganz frei und unverbissen, über einen solch grundlegenden Begriff nachzudenken. Der Mensch ist eben ein homo narrans! Und gerade die Spitzenpolitiker haben mir immer wieder gesagt, dass sie meine Idee deshalb so charmant fanden, weil eben nicht gleich nach der programmatischen Weltformel verlangt wurde, die alles zusammenhält; hier gab es kein politisches Erbe zu verteilen – und das fanden viele dann doch entlastend und inspirierend.

Welcher Text hat Sie am meisten überrascht?

Da gibt es zu viele, als dass ich einen herausgreifen könnte. Von dem Politiker, der mit dem Konservativen nichts am Hut hat und doch auf Weihnachten nicht verzichten möchte, über die berührende Geschichte eines Schriftstellers über seinen im besten Sinne des Wortes „altmodischen‘ Vaters bis hin zur Sicht des „harten“ Naturwissenschaftlers auf die kreativkonservativen Prozesse der Evolution versammelt der Essayband wohl viele überraschende und originelle Einsichten. Ich könnte hier noch sehr viel mehr benennen. Aber eine Geschichte möchte ich doch herausheben, nicht, weil sie überraschend wäre, sondern weil sie für mich eine besondere Bedeutung in der Werkgenese einnimmt – und das sind die „Froschschenkel in Toronto“ von Tilo Schabert. Denn am Anfang war die bloße Idee – aber ich selbst noch ohne Geschichte; bis mir Herr Schabert bei einer wissenschaftlichen Tagung in Stapelfeld von seiner kanadischen Episode erzählt hat – und in dem Moment wusste ich: um solche Geschichten sollte es in meinem Essayband gehen! Und da er flugs geliefert hatte, konnte ich mit seiner Geschichte auch meine Idee bewerben – ich glaube, dass seine Art des Story­tellings mir vieles erleichtert und die Motivation der Autoren hochgehalten hat.

Man schlägt das Buch auf und beginnt auf Seite 17 mit Wolfgang Schäuble und auf Seite 483 hört es mit Hermann Lübbe auf. Es gibt keine alphabetische Ordnung, keine nach Berufsgruppen, es scheint gar keine zu geben. Warum?

Ihr Eindruck ist richtig – und auch so beabsichtigt; denn ich wollte die Miniaturen nicht in ein Begriffsbett zwängen; ein solches Vorgehen schien mir der überschießenden Freiheit eines solchen Formats gerade zu widersprechen! Ich habe lediglich darauf geachtet, dass die einzelnen Beiträge in einer gewissen thematischen Spannung zueinanderstehen, um das Leseerlebnis zu steigern.

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