Recht

Kommentar zum Bürgerlichen Recht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2022

Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, C.H.BECK, 81. Aufl. 2022. Leinen, XXXVII, 3.257 S., ISBN 978-3-406-77500-0, € 119,00.

    Der „Palandt“ ist der meistverkaufte, am häufigsten zitierte und wohl auch rezensierte deutsche Zivilrechtskommentar. Besprechungen dieses im Jahresrhythmus erscheinenden Werks preisen regelmäßig seine hohe Aktualität und seine herausragende Bedeutung für Praxis und Ausbildung. Kritikpunkt war allenfalls der Gebrauch von Abkürzungen, deren Häufigkeit die Lesbarkeit erschwert. Die Ende 2021 vorgelegte 81. Auflage (Redaktionsschluss 15.10.2021) muss es hinnehmen, dass weniger die zahlreichen inhaltlichen Änderungen im Mittelpunkt stehen, sondern sich das Interesse zunächst auf den spektakulären Namenswechsel richtet. Der Verlag C.H.BECK hat sich nach längeren Diskussionen entschlossen, diejenigen Werke seines Verlagsprogramms umzubenennen, auf denen als Herausgeber oder Autoren noch Namen von Juristen genannt sind, die während der nationalsozialistischen Diktatur eine aktive Rolle eingenommen haben. Otto Palandt, der von der 1. (1938 erschienenen) bis zur 10. Auflage die Gesamtredaktion – ohne selbst eine Vorschrift zu kommentieren – innehatte und danach nur noch als Namensgeber fungierte, gehörte dazu. Als Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes, Mitglied der NSDAP und der Akademie für Deutsches Recht hatte er die „Arisierung des Rechtswesens“ vorangetrieben. Ab dieser, der 81. Auflage ist bei ansonsten unverändertem äußeren Erscheinungsbild auf dem Umschlag der Name des Mitautors und Koordinators der Autorinnen und Autoren, des Richters am Bundesgerichtshof Christian Grüneberg, genannt.

    Neben der aufsehenerregenden Umbenennung macht ein weiterer Umstand diese Neuauflage zu einer besonderen. Deutlich über das übliche Maß hinaus mussten die inzwischen zwölf Autorinnen und Autoren (neben acht aktiven oder pensionierten Richterinnen und Richtern ein Hochschullehrer und drei Notare) zahlreiche Änderungen, Ergänzungen und Neubearbeitungen vornehmen. Das Schuldrecht erfährt nämlich gerade seine größte Umwälzung seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2002. Mit der Umsetzung von zwei EU-Richtlinien in nationales Recht hält die Digitalisierung Einzug in das BGB. Die Richtlinie über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen fügt einen neuen Titel in den Allgemeinen Teil des Schuldrechts ein (Verträge über digitale Produkte, §§ 327-327u BGB). Wer digitale Produkte bereitstellt, unterliegt danach einem eigenen Regime für Leistungsstörungen. Diese Änderungen sind schon am 01.01.2022 in Kraft getreten, ebenso die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie, die u.a. eine Neujustierung der Verkäuferpflichten mit sich bringt mit einem veränderten kaufrechtlichen Mangelbegriff. Das (stufenweise in Kraft tretende) Gesetz für faire Verbraucherverträge erleichtert u.a. Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen und erweitert den Katalog verbotener Klauseln in § 309 BGB.

    Wer sich über die das Ausmaß der gesetzlichen Änderungen informieren will, lese die Auflistungen im umfangreichen Vorwort. Wie so häufig, ist dieser Kommentar Vorreiter bei der Erläuterung neuer Vorschriften. Die Kommentierung des neu eingeführten Titels „Verträge über digitale Produkte“ beschränkt sich nicht, wie in solchen Konstellationen nicht selten anzutreffen, auf einen schnellen ersten Überblick, der überwiegend aus den Gesetzesmaterialien zitiert und auf Probleme allenfalls hinweist, ohne Lösungen anzubieten, vielmehr fügt sie sich in der in diesem Werk gewohnten Qualität und Tiefe in die bestehenden Kommentierungen ein.

    Die Bezeichnung als BGB-Kommentar greift zu kurz. Als sog. Nebengesetze werden zumindest auszugsweise kommentiert das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Erbbaurechtsgesetz (ErbBauRG), das Wohnungseigentumsgesetz (WEG), die Rom I-, Rom II- und Rom III-Verordnungen, die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) und viele mehr (vgl. die Übersicht im Inhaltsverzeichnis).

    Neben den zahlreichen Gesetzesänderungen musste natürlich die neueste Rechtsprechung ausgewertet und eingearbeitet werden. Hier stoßen auf besonderes Interesse die Urteile, die sich mit der rechtlichen Bewältigung der COVID-19-Pandemie befassen und die ersten Entscheidungen nach der umfassenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG).

    Wer den aktuellen Band mit alten Auflagen vergleicht, stellt das Bemühen um stetige Verbesserungen auch im Kleinen fest, etwa die Voranstellung einer Gliederung bei längeren Kommentierungen. Die dem Buch beigefügten Benutzungshinweise sind hilfreich, ebenso das Sachverzeichnis, das bereinigt und um neue wichtige Stichworte ergänzt wurde. Verzichtbar sind die wenigen etwas willkürlich ausgewählten Schrifttumshinweise vor jedem Buch des BGB und vor einzelnen Paragraphen. Sehr hilfreich ist dagegen die Grüneberg-Homepage (www.grueneberg. beck.de). Dort kann zugegriffen werden auf die Kommentierungen aus Vorauflagen zu Vorschriften, die nicht mehr in Kraft sind, aber für Altfälle relevant sein können. Außerdem sind gesetzliche Vorschriften abgedruckt und teilweise kommentiert, die es aus Platzgründen nicht in die Printversion aufgenommen werden konnten. Als weiterer Service werden nach Redaktionsschluss verkündete Gesetze oder Gesetzesänderungen in die Homepage eingestellt und gegebenenfalls kommentiert.

    Angesichts des menschlichen Beharrungsvermögens mag es einige Zeit dauern, bis man sich an den neuen Namen des Kommentars gewöhnt hat. Die Namensänderung, so berechtigt sie gewesen sein mag, betrifft eine Äußerlichkeit. Inhaltlich gibt es, was Qualität und Bedeutung des Werks angeht, keine Änderung. Nach wie vor gilt: Eine kompakte präzise Kommentierung des bürgerlichen Rechts von höchster Aktualität und Zuverlässigkeit. Für Praktiker das Werk für den ersten Zugriff, bei dem es oft verbleiben kann, weil die Erläuterungen so tiefgehend und umfassend sind, dass man nicht mehr weitersuchen muss. (bmc)

    VRiOLG a.D. Dr. Bernd Müller-Christmann war von 2002 bis Ende Februar 2016 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe. Er ist Mitautor in mehreren juristischen Kommentaren und Autor in juristischen Fachzeitschriften.

    mueller-christmann-bernd@t-online.de

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